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Ach du lieber Gott!


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Rolf

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Ex-Priester wollen Kirchen das Prädikat "christlich" verbieten

Zuerst die reine Nachricht; Sowohl die katholische als auch die evangelische Kirche dürfen sich in Bayern weiterhin "christlich" nennen und auf Jesus von Nazareth berufen. Und nun die Geschichte hinter der Nachricht:

Drei aus ihren Kirchen ausgetretene Theologen - ein katholischer Priester, ein evangelischer Pfarrer und ein katholischer Religionslehrer -, wollen den "Etikettenschwindel" der Amtskirchen beenden. Sie klagten vor dem Verwaltungsgericht München und erklärten gestern: "Wir möchten nicht länger zusehen, wie die Lehre, das Lebensbild und der Name Jesu Christi für Ziele und Handlungsweisen missbraucht wird, die Jesus Christus ausdrücklich abgelehnt hat." Eine vergleichbare Klage gegen die CSU hat das Trio übrigens schon verloren.

Verhandelt wurde gestern vor der 29. Kammer, die intern liebevoll als "Tuttifrutti-Kammer" bezeichnet wird. Der Vorsitzende Richter Volker Berberich bemühte sich von Anfang an um eine sehr sachliche Atmosphäre. Manche Passagen entbehrten trotzdem nicht einer gewissen Situationskomik. Der Rechtsanwalt der Kläger, Christian Sailer, hatte zur Untermauerung der Klagebefugnis eine gewagte juristische Konstruktion gewählt, nämlich die so genannte gewillkürte Prozessstandschaft. Kurz gesagt: Weil Jesus keine lebenden Verwandten mehr habe, die den postmortalen Persönlichkeitsschutz wahrnehmen könnten, fühlten sich die drei Kläger aus geistiger Verbundenheit zu dem Nazarener in diese Rolle berufen. "Postmortal?" Das Gericht war erstaunt. Den Glaubenslehren zufolge sei Jesus doch auferstanden. Wenn er aber, nicht tot sei, müsse er sich - streng juristisch betrachtet - eigentlich vor Gericht selbst vertreten. Auf diese Diskussionsebene mochten sich die Richter dann aber doch nicht begeben und wechselten lieber das Thema.

Sailer hatte also Gelegenheit, aus der Kirchengeschichte zu referieren: Hexenverbrennung, Judenverfolgung, Ermordung von Ketzern - "ein Mord- und Blutsystem, das mehr Menschen geschlachtet, mehr kulturelle und soziale Verwüstung angerichtet hat als irgendein Krieg, als irgendeine Seuche, im Namen Gottes und Jesu Christi".

"Aber ist das Ganze nicht ein Streit um den richtigen Glauben und religiöse Inhalte?", fragte sich das Gericht. Früher habe man sich in dieser Situation wechselweise auf dem Scheiterhaufen verbrannt - "diese Zeiten. sind Gott sei Dank vorbei". Das Tun der Kirche wirke heute also nicht mehr nach außen, auf den Staat. In innerkirchliche Angelegenheit dürfe sich ein Gericht aber nicht einmischen.

Die Rechtsvertreter der beklagten Kirchen, Martin Habdank für die Evangelisch-Lutherische Landeskirche und Hans-Georg Neumeier für das Erzbistum München und Freising, bestritten nicht zuletzt die Klagebefugnis. "Christlich" sei kein urheberrechtlich gechützter Begriff. Außerdem spiele es keine Rolle, was im Mittelalter abgelaufen sei.

Das Gericht wies die Klage schließlich ab. Wie es sein Urteil begründen wird? Möglicherweise ähnlich, wie das Landgericht Würzburg die Klage der Drei gegen die CSU: postmortalen Persönlichkeitsschutz könnten nur Verwandte geltend machen, da die Frage, wer enger oder entfernter mit Jesus Christus verbunden sei, vom Gericht mit Rücksicht auf seine weltanschauchliche Neutralitätsverpflichtung nicht zu beurteilen sei.
Ekkehard Müller-Jentsch

Süddeutsche Zeitung 25. 05 00
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