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Warnung in der Zeitschrift "aufatmen"


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Rolf

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Aufatmen Ausgabe 3/2006


Leckerer Fisch mit tödlichen Gräten?

Heilung, Spaltung und Zerstörung: Helmut Bauer und das Glaubenszentrum „Wort + Geist" in Röhrnbach

von Debora Roth


Röhrnbach.

Eine beschauliche Marktgemeindetief im Bayerischen Wald, nah , an der tschechischen Grenze. Knapp fünftausend Einwohner leben hier. In letzter Zeit hat sich der Erholungsort zu einer regelrechten Pilgerstätte entwickelt, was vor allem an einer Gemeinde namens ,Wort + Geist" liegt. Röhrnbach ist Zentrum und Urzelle mittlerweile vierzehn Tochtergemeinden zwischen Klagenfurt und Hildesheim, die in den letzten fünf Jahren in Deutschland und Österreich gegründet wurden. Neben den monatlichen Heilungsgottesdiensten zieht zur Zeit vor allem die Bibelschule Christen nach Röhrnbach. Unterdessen findet die Lehre von, Wort +i Geist" immer mehr Anhänger, während sie gleichzeitig die Gemüter scheidet und Gemeinden spaltet.

18. April 2006. Viermal im Jahr lockt das ' Zentrum zur einwöchigen Vierjahreszciten-Bibcl-Schule mehrere Hundert Besucher an. Das „Wort + Geist"-Zentrum ist nach dem Eingangsschild das Erste, was Besucher von Röhrnbach zu sehen bekommen. Der Saal im ehemaligen Möbelhaus ist mit einem bunt gemischten Publikum gut gefüllt. Wer noch einen Platz ergattern konnte, hat sich Monate im Voraus angemeldet. Bayerischer Lokalkolorit ist allgegenwärtig, den n in Röhrnbach wird nicht nur gern auf gut bairisch gepredigt, man hat sich lobpreistechnisch auch am regionalen Musikgeschmack orientiert. Und so versetzt die hauseigene „Dynamit-Band" die gelegentlich begeistert mitschunkelnde Bibelschulgemeinde in eine gelöste Festzeltatmosphäre - Lederhosen und schmetternde Trompetensoli inklusive.

In der ersten Reihe sitzt Helmut Bauer. Der von den meisten liebevoll „Pastor Helmut' genannte Leiter des Zentrums sticht allein durch seine große Statur und die dunklen Kringellocken erkennbar aus der Menge hervor. Erst recht, wenn er in sein ansteckendes, lautes Lachen aufbricht. Die Geschichte des Begründers von „Wort + Geist" ist außergewöhnlich:

Im Jahr 1990 erlebt der Kaufmann im Außendienst eine intensive Begegnung mit dem heiligen Geist - und das, obwohl er, so berichtet die Zeitschrift „Charisma", vorher nie etwas mit Jesus Christus zu tun gehabt habe.

Er übergibt sein Leben Jesus, vier Jahre später schließt er sich der freien Christengemeinde im niederbayrischen Freyung an, wird Mitglied im Leitungskreis der Gemeinde und gründet einen Hauskreis.

Bald aber wird deutlich, dass Bauer Ambitionen hat, die mit denen der Gemeinde nicht konform gehen.

Die theologischen Unstimmigkeiten offenbaren sich an verschiedenen Stellen. So zeigt Bauer nur wenig Interesse an einem überkonfessionellen Leitertreffen, in dem für Einheit im Leib Christi gebetet wird. Stattdessen zeigt er bald eine ganz eigene Haltung in Bezug auf den Umgang mit Sünde:

„Es gibt nur einmal Buße und Umkehr", soll Bauer zu Hildegard Jankenschläger gesagt haben, die damals mit ihm im Leitungskreis war und noch immer zur Freien Christengemeinde gehört. Gleichzeitig soll er der Gemeinde vorgehalten haben, im Gesetz zu leben, während er selbst aus Gnade lebe. Nachdem es zudem Differenzen in Bezug auf die von Bauer favorisierte Wohlstandslehre kommt, macht dieser deutlich, sich der Meinung der Gemeindeteilung nicht unterordnen zu wollen.

1999 verlässt er die Gemeinde, im Schlepptau rund die Hälfte der Freyunger Gemeindemitglieder. Die Bitte, keine neue Gemeinde zu gründen, schlägt er ab.„Wir haben nach dieser Spaltung als Gemeinde noch lange Jahre zu kämpfen gehabt", schildert Jankenschläger.


Sündlosigkeit im Angebot

Bauer besucht von 1997 bis 1999 das ,,Rhema"-Bibeltrainingszentrum im österreichischen Wels. Seine neu gegründete Hauskirche wächst stetig. Hildegard Jankenschläger erklärt sich dies damit, dass der redegewandte ehemalige Vertreter in Gemeinden im Umland immer wieder mit der besonderen Freiheit geworben habe, die in seiner Gemeinde herrsche. Kritik wies er stets ab: Er könne ja nichts dafür, wenn ihm die Leute nachliefen. In den Jahren 200Ü und 2001 werden erste Tochtergemeinden gegründet, 2002 wird der Sitz der Gemeinde schließlich nach Röhrnbach verlegt - mitsamt der neu gegründeten Bibelschule, deren Teilnehmerzahl von anfangs sechzig auf heute über tausend anwächst. Mittlerweile ist das Interesse so groß, dass die Bibelschule auch ins Haus kommt: per Audio-CDs, Internetdownload oder MP3. Monatlich werden gegen eine Gebühr von 100 Euro pro Teilnehmer allein für die Bibelschule 24.000 CDs kopiert, denn der Unterricht umfasst neun Stunden Lehre pro Woche.


Worin jedoch unterscheidet sich die Lehre von „Wort + Geist" von der anderer Gemeinden?

„Der Unterschied liegt darin, dass die normale Bibellehre wenig bewusstseinsbildend ist, sie ist eher eine Verstandesinformation. Das verändert dich nicht", heißt es. Mit „Bewusstsein" ist die Erkenntnis über die neue Identität durch Christus gemeint, begründet durch Bibelstellen wie Galater 2,20 und Kolosser 1,27. Die Betonung, dass der Mensch nicht nur ein leib-seelisches, sondern ein geistliches Wesen sei, ist wohl selten so deutlich formuliert worden wie hier. Mit der Bekehrung wird - der Lehrmeinung von „Wort + Geist" zufolge - der Mensch zur Gerechtigkeit, womit auch das Thema Sünde angeblich ein für alle mal beseitigt ist. Zumal der neue Mensch ja nur noch im Fleisch, jedoch nicht im Geist sündigt. Daher wird auch das Hinweisen auf Sünde bei „Wort + Geist" abgelehnt. Helmut Bauer erklärt: „Wenn wir beginnen, die Menschen in ein Sündenbewusstsein zu führen, handeln wir religiös". In der Kinderbibelschule von „Wort + Geist" wird den Acht- bis Zwölfjährigen der Umgang damit beigebracht. Mit Römer 8,1 („In Christus gibt es keine Verdammnis") und der Begründung auf ihr neues Leben sollen sie Vorwürfe in Bezug auf fehlerhaftes Verhalten selbstbewusst abweisen.Mei, geht's mir guat!Ihre Wurzeln hat die Lehre bei Wort + Geist in der so genannten „Wort-des-Glaubens"-Bewegung.

Diese aus dem angelsächsischen Raum stammende Lehre ist in Deutschland vor allem durch die Bücher des US-Amerikaners Kenneth Hagin bekannt geworden, der vor Jahren in einigen charismatischen Gemeinden großen Anklang fand. Sie vertritt, dass „der Mensch primär ein geistbegabtes Wesen ist, das mit Hilfe seines Geistes und seiner Vorstellungskraft, sofern diese mit Gottes Geist verbunden sind, teilhat an göttlicher Macht und erneuernden und heilenden Einfluss auf Seele und Leib ausüben kann" fasst Reinhard Hempelmann von der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen die Dogmatik dieser Bewegung zusammen. Zentral ist hierbei, dass „Realität durch die Vorstellungskraft des Geistes und das Bekennen des Mundes geschaffen wird. Durch das Proklamieren des göttlichen Gesetzes kann der Mensch Krankheit und Armut überwinden und seine Lebenssituation grundlegend verändern".Eine Sicht, die sich auch in den Predigten von „Wort + Geist" niederschlägt.

Zum Beispiel wenn Fritz Zellner, der Leiter der „Wort + Geist"-Bibelschule seinen Zuhörern zuruft: „Du bist Geist! Du bist aus Gott geboren! Du wirst nicht Geist, wenn die natürlichen Dinge, die Elemente dieser Welt dein Leben dominieren, wenn du von den Umständen gelebt wirst". Dass ein konstantes Ignorieren von Krankheitssymptomen bei gleichzeitigem Proklamieren von „Wort + Geist"-Slogans wie „Mei, geht's mir guat!" gesundheitliche Risiken bergen könnte, wird hier nicht thematisiert. Zweifel oder Probleme mit dem Glauben sind hier ohnehin nicht existent, denn - so Zellner: „Du hast keine Schwierigkeit zu glauben, weil deine Natur erfüllt ist Du bist ein Glaubender!"Mit der Betonung des Ist-Zustands, sprich, dass durch Jesu Auferstehung der Sieg bereits errungen und alle Probleme gelöst sind, hängt auch die Sicht von „Wort + Geist" auf Krankheit zusammen: „Krankheit gehört (...) nicht zu uns und hat bei keinem Menschen etwas verloren. Beanspruche Gottes Verheißung für deine Heilung und deine Gesundheit! Gottes Wille für dich ist ein Leben ohne Krankheit und ohne Schmerzen!", so heißt es auf der Website von „Wort + Geist".Gemeinde-Tourismus und HeilungsgabeTatsächlich sind es die monatlichen Heilungsgottesdienste, für die „Wort + Geist" zunächst bekannt wurde.

Die besondere Heilungsgabe ist Gesprächsstoff an den Stammtischen im niederbayrischen Umland, sie hat allerdings auch in vielen Gemeinden in Deutschland und Österreich einen schieren Gememdetourismus ausgelöst: Stunden vor Beginn der Heilungsveranstaltung werden hier Plätze besetzt, berichten Besucher. Die Quote der Spontanheilungen während der Heilungsgottesdienste wird intern auf fünfundachtzig bis neunzig Prozent geschätzt. Wie viele dieser Heilungen aber tatsächlich von Dauer sind, ist unbekannt. Fakt ist jedoch, dass man bei „Wort + Geist" auch für so exotische Praktiken wie dem Auflegen von „gesegneten Taschentüchern" offen ist - eine moderne Interpretation von Apostelgeschichte 19,12.

Laut einer Presseerklärung sollen sich von den etwa tausend Besuchern monatlich zugleich etwa zweihundert bekehren. Tatsächlich gehören trotz rund zehntausend Gottesdienst-Besuchern in den letzten Jahren aber kaum mehr als zweihundert Personen fest zur Gemeinde vor Ort in Röhrnbach. Was daran liegen mag, dass eine aktive Nacharbeit aufgrund des großen Vertrauens in die Natur des neuen Menschen und die Führung des Geistes nicht praktiziert wird. Zudem würde dies auch dem Anspruch der absoluten Freiwilligkeit und Freiheit widersprechen, der hier einen hohen Stellenwert genießt. „Entspannt euch! Wir müssen nichts tun!", sichert der Nachwuchsprediger  den Teilnehmern der Bibelschule zu und fordert seine Zuhörer auf: „Wenn du hier bist, mach dir keine Gedanken. Schalt einfach ab. Du musst dem Wort in dir Raum geben, ohne dass deine Gedanken es kontrollieren".

Diese Botschaft scheint bei den Teilnehmern auf fruchtbaren Boden zu fallen, was sich an abwechselnd andächtig geschlossenen Augen und begeistertem Klatschen im Publikum offenbart - auch dann, wenn die Schwächen und Fehler anderer Christen aufs Korn genommen werden.Es ist alles so einfach...„Es gibt genügend Gemeinden, die immer unter sich bleiben. Wenn einer dazu kommt,dann wird ihm gleich gesagt, was er tun darf und was nicht. Und wenn er nicht beim zweiten Mal einen Neuen mitgebracht hat, dann wird ihm gesagt, er interessiere sich nicht genug für das Evangelium", karikiert Karl Pilsl, ein zweiter wichtiger Kopf für Röhrnbach, die Lage mancher Gemeinden.

Dass der selbsternannte Medienunternehmer, Bestsellerautor, Wirtschaftsberater, -Journalist und -evangelist auch als Motivationssprecher und Seminarleiter tätig ist, ist kaum zu überhören: Seine Rhetorik zeichnet sich durch eine schlichte, aber umso eingängigere Sprache mit vielen Wiederholungen aus. „Es ist alles so einfach", strahlt Pilsl immer wieder.„Unser Lifestyle ist ein Lifestyle des Befehlegebens, nicht des Bettelns. Wir sind die Eigentümer! Gott wartet darauf, dass wir sagen: ,Ich nehm's in Anspruch.'" Pilsl vermittelt, dass diese Strategie bei ihm selbst aufgegangen sei. In einem Gespräch erklärt er, er habe, finanziell gesehen, mehr als er brauche und er kenne auch gar „kein anderes Evangelium als ein Wohlstandsevangelium", auch wenn damit nicht unbedingt materieller Wohlstand gemeint sei.Einige Wochen später betont er in einer Predigt: „Es ist so einfach! Wir brauchen's nur fließen lassen und schon sind wir flüssig! Die Kunden laufen dir nach und stecken dir das Geld überall hin. Geld läuft dir nach. Wer von euch möchte das?" Und verspricht im Anschluss: „Wenn du nur einige Weizenkörner in der Hand hast, ist das absolut ausreichend, damit du in einigen Jahren ein Multimillionär bist."

Brisanz gewinnen diese Aussagen vor dem Hintergrund von Pilsls persönlicher Lebensgeschichte als Pastor und mehrfacher Firmengründer in Personalunion. Nach diversen Firmenpleiten bekehrt sich der Österreicher und lässt sich von 1988 bis 1990 im „Rhema Bible Training Center" in Tulsa (Oklahoma) unter Kenneth Hagin zum Pastor ausbilden. Mitte der neunziger Jahre kehrt er nach Europa zurück, um eine Gemeinde in Wels zu gründen. Parallel dazu startet er eine Firma mit Beschäftigten aus dem Gemeindeumfeld. „Weil die Spenden seiner Schäfchen nicht ausreichenden laufenden Betrieb samt Nebenkosten mit großem Fuhrpark und luxuriöser Villa abzudecken, versucht sich der selbsternannte Pastor als Unternehmer", kommentiert die „Welser Rundschau" am 25. Juli 1996 die Unternehmung und folgert: „So beutet ein Guru seine Jünger aus."Schulden und verbrannte Erde.

Als Pilsl im Oktober 1997 vom Gemeindevorstand einstimmig seines Amts enthoben wird, hinterlässt er neben unbezahlten Rechnungen auch einen enormen Schuldenberg nicht nur auf dem Firmen-, sondern auch auf dem Gemeindekonto.

Im Januar 1997 wandert er mit seiner Familie nach Tulsa aus, kehrt aber im September 1998 zurück und siedelt nach Wittenberg über. Doch auch hier hinterlässt er eine Gemeinde ein halbes Jahr nach ihrer Übernahme finanziell und seelsorgerlich ruiniert. Pilsl zieht weiter nach Hof. Als Helmut Bauer ihn als Prediger zu „Wort + Geist" hinzuzieht, ist Pilsl erneut am Ende seiner finanziellen Mitte!

Pilsls Ausbildungsstätte erkennt ihm unterdessen im Jahr 2002 seine Ordination ab. Auch die Bibelschule, in der Bauer ausgebildet wurde, distanziert sich offiziell: „,Rhema Bible Training Center' kann die Dienste und Methoden Karl Pilsl das,Wort + Geist'-Zentrum und jegliche ihrer Partner weder billigen noch unterstützen oder empfehlen."

Dass diese Hintergründe weitgehend unbekannt zu sein scheinen, zeigt sich an der lauffeuerartigen Ausbreitung von „Wort + Geist". Während an manchen Orten nur wenige Mitglieder begeistert sind, springen andere Gemeinden fast geschlossen auf den rasant fahrenden Zug eines scheinbar perfekten, unbesiegbaren Erweckungszentrums auf. Wer möchte schließlich nicht an einem solchen Segen teilhaben, wenn er schon einmal nach Deutschland kommt - wenn auch ins hinterste Eck der Nation? Nachdem sich die Bewegung zunächst im süddeutschen Raum verbreitet, gibt es mittlerweile auch weiter nördlich „Wort + Geist"-Gemeinden. Wie viele Gemeinden sich derzeit im Prozess befinden, zu solchen zu werden oder sich lehrmäßig an stark „Wort + Geist" zu orientieren, darüber gibt es keine genauen Zahlen. Manche Beobachter sprechen jedoch von Hunderten, die auf die Lehre von Wort + Geist setzen.

Wie die Veränderungen in einem solchen Fall aussehen können, schildert ein Gemeindemitglied aus Franken: „Die Predigten werden zunehmend einseitiger: Hungrigen wird Sattheit gepredigt. Probleme werden unterdrückt und nicht bearbeitet, sie werden nur noch als Umstände' gesehen. Buße und Umkehr sind kein Thema mehr. Fürbitte fehlt, da wir ja schon alles haben1."Vergewaltigung am Reich GottesFest steht: Gerade im Süden Deutschlands hat „Wort + Geist" bei Pfingstlern bis zu Landeskirchen und Brüdergemeinden zu etlichen Gemeindespaltungen beigetragen und eine Spur von Problemen hinterlassen.

Pastor Hubert Jarnig aus dem österreichischen Klagenfurt war schockiert, als rund vierzig ältere Gemeindemitglieder geschlossen seine Gemeinde verließen, um eine Tochtergemeinde von „Wort -t-Geist" zu gründen: „Wir standen am Rand des Konkurses: Innerhalb eines Monats hatten wir bei denselben Kosten für den Gemeindebetrieb nur noch die Hälfte des Einkommens".

Jarnig hatte zuvor versucht, den Dialog mit „Wort + Geisft affinen Gemeindegliedern aufrecht zu erhalten und auf deren Wünsche einzugehen. Mit Bauer hatte er vereinbart, dass ohne Absprache keine Gemeinde in Klagenfurt gegründet werden würde. Umso herber war die Enttäuschung, als dieser die Gründung der Tochtergemeinde auf einer eigens in Klagenfurt veranstalteten Konferenz bekannt gab. Die offensive Gemeindegründungspolitik von „Wort + Geist" empfindet Jarnig als „Vergewaltigung am Reich Gottes".Bernhard Olpen, Pastor und Regionalleiter für Nordbayern im Bund Freikirchlicher Pfingstgemeinden, verlor rund zwanzig Gemeindemitglieder an „Wort + Geist". Gemeinsam mit Mitgliedern verschiedener anderer Gemeinden gründeten sie vor Ort eine neuen Ableger; „Das hat viel Unruhe in Bayreuth verursacht - aber auch die betroffenen Gemeinden aller Konfessionen näher zusammengebracht." Olpen erkennt an, dass bei „Wort + Geist" in einem Geist der Auferbauung die durchaus notwendige und segensvolle Lehre von .Christus in dir' gepredigt" werde. Kritisch sieht er jedoch die Einseitigkeit. Durch ein verkürztes und tendenziös erklärtes Textverständnis werde ein Heiligungsprozess wie ihn die Bibel ausdrücklich beschreibt nicht gelehrt. Außerdem fehle die „eschatologische Spannung", das noch nicht vollständig herangekommene Reich Gottes auf Erden.

„Um in einem Bild zu sprechen:

In Röhrnbach wird ein leckerer Fisch angeboten - aber mit vielen Gräten darin, an denen man sich böse verschlucken und sogar ersticken kann."

Schwachheit, von der beispielsweise Paulus in seinen Briefen spricht, wird ausgeblendet. Andere charismatische Leiter drücken es etwa so aus: „20 Prozent der Lehre sind gut und nötig - und die Leute merken nicht, dass nach und nach 80 Prozent vergiftete Botschaft folgen'. "Dass die Lehre das Christsein und den Alltag vieler „Wort -t- Geist-Bibelschüler positiv verändert und revolutioniert, sowie das Selbstbewusstsein vieler gestärkt hat, wird - Bewegung zusammen. Zentral ist hierbei, dass „Realität durch die Vorstellungskraft des Geistes und das Bekennen des Mundes geschaffen wird. Durch das Proklamieren des göttlichen Gesetzes kann der Mensch Krankheit und Armut überwinden und seine Lebenssituation grundlegend verändern". Eine Sicht, die sich auch in den Predigten von „Wort + Geist" niederschlägt. Zum Beispiel wenn Fritz Zellner, der Leiter der „Wort + Geist"-Bibelschule seinen Zuhörern zuruft: „Du bist Geist! Du bist aus Gott geboren! Du wirst nicht Geist, wenn die natürlichen Dinge, die Elemente dieser Welt dein Leben dominieren, wenn du von den Umständen gelebt wirst".

Dass ein konstantes Ignorieren von Krankheitssymptomen bei gleichzeitigem Proklamieren von „Wort + Geist"-Slogans wie „Mei, geht's mir guat!" gesundheitliche Risiken bergen könnte, wird hier nicht thematisiert. Zweifel oder Probleme mit dem Glauben sind hier ohnehin nicht existent, denn - so Zellner: „Du hast keine Schwierigkeit zu glauben, weil deine Natur erfüllt ist. Du bist ein Glaubender!" Mit der Betonung des Ist-Zustands, sprich, dass durch Jesu Auferstehung der Sieg bereits errungen und alle Probleme gelöst sind, hängt auch die Sicht von „Wort + Geist" auf Krankheit zusammen: „Krankheit gehört (...) nicht zu uns und hat bei keinem Menschen etwas verloren. Beanspruche Gottes Verheißung für deine Heilung und deine Gesundheit! Gottes Wille für dich ist ein Leben ohne Krankheit und ohne Schmerzen!", so heißt es auf der Website von „Wort + Geist".Gemeinde-Tourismus und HeilungsgabeTatsächlich sind es die monatlichen Heilungsgottesdienste, für die „Wort + Geist" zunächst bekannt wurde. Die besondere Heilungsgabe ist Gesprächsstoff an den Stammtischen im niederbayrischen Umland, sie hat allerdings auch in vielen Gemeinden in Deutschland und Österreich einen schieren Gemeindetourismus ausgelöst:

Stunden vor Beginn der Heilungsveranstaltung werden hier Plätze besetzt, berichten Besucher. Die Quote der Spontanheilungen während der Heilungsgottesdienste wird intern auf fünfundachtzig bis neunzig Prozent geschätzt. Wie viele dieser Heilungen aber tatsächlich von Dauer sind, ist unbekannt. Fakt ist jedoch, dass man bei „Wort + Geist" auch für so exotische Praktiken wie dem Auflegen von „gesegneten Taschentüchern" offen ist - eine moderne Interpretation von Apostelgeschichte 19,12. Laut einer Presseerklärung sollen sich von den etwa tausend Besuchern monatlich zugleich etwa zweihundert bekehren. Tatsächlich gehören trotz rund zehntausend Gottesdienst-Besuchern in den letzten Jahren aber kaum mehr als zweihundert Personen fest zur Gemeinde vor Ort in Röhrnbach. Was daran liegen mag, dass eine aktive Nacharbeit aufgrund des großen Vertrauens in die Natur des neuen Menschen und die Führung des Geistes nicht praktiziert wird. Zudem würde dies auch dem Anspruch der absoluten Freiwilligkeit und Freiheit widersprechen, der hier einen hohen Stellenwert genießt. „Entspannt euch! Wir müssen nichts tun!", sichert der Nachwuchsprediger  den Teilnehmern der Bibelschule zu und fordert seine Zuhörer auf: „Wenn du hier bist, mach dir keine Gedanken. Schalt einfach ab. Du musst dem Wort in dir Raum geben, ohne dass deine Gedanken es kontrollieren". Diese Botschaft scheint bei den Teilnehmern auf fruchtbaren Boden zu fallen, was sich an abwechselnd andächtig geschlossenen Augen und begeistertem Klatschen im Publikum offenbart - auch dann, wenn die Schwächen und Fehler anderer Christen aufs Korn genommen werden.Es ist alles so einfach ...„Es gibt genügend Gemeinden, die immer unter sich bleiben. Wenn einer dazu kommt, dann wird ihm gleich gesagt, was er tun darf und was nicht. Und wenn er nicht beim zweiten Mal einen Neuen mitgebracht hat, dann wird ihm gesagt, er interessiere sich nicht genug für das Evangelium", karikiert Karl Pf/s/, ein zweiter wichtiger Kopf für Röhrnbach, die Lage mancher Gemeinden. Dass der selbsternannte Medienunternehmer, Bestsellerautor, Wirtschaftsberater, -Journalist und -evangelist auch als Motivationssprecher und Seminarleiter tätig ist, ist kaum zu überhören: Seine Rhetorik zeichnet sich durch eine schlichte, aber umso eingängigere Sprache mit vielen Wiederholungen aus. Jesus ist alles so einfach", strahlt Pilsl immer wieder. „Unser Lifestyle ist ein Lifestyle des Befehle gebens, nicht des Betteins. Wir sind die Eigentümer! Gott wartet darauf, dass wir sagen: ,Ich nehm's in Anspruch.'" Pilsl vermittelt, dass diese Strategie bei ihm selbst aufgegangen sei.

In einem Gespräch erklärt er, er habe, finanziell gesehen, mehr als er brauche und er kenne auch gar „kein anderes Evangelium als ein Wohlstandsevangelium", auch wenn damit nicht unbedingt materieller Wohlstand gemeint sei. Einige Wochen später betont er in einer Predigt: „Es ist so einfach! Wir brauchend nur fließen lassen und schon sind wir flüssig! Die Kunden laufen dir nach und stecken dir das Geld überall hin. Geld läuft dir nach. Wer von euch möchte das?" Und verspricht im Anschluss: „Wenn du nur einige Weizenkörner in der Hand hast, ist das absolut ausreichend, damit du in einigen Jahren n Multimillionär bist." Brisanz gewinnen diese Aussagen vor dem Hintergrund von Pilsls persönlicher Lebensgeschichte als Pastor und mehrfacher Firmengründer in Personalunion. Nach diversen Firmenpleiten bekehrt sich der Österreicher und lässt sich von 1988 bis 1990 im „Rhema Bible Training Center" in Tulsa (Oklahoma) unter Kenneth Hagin zum Pastor ausbilden. Mitte der neunziger Jahre kehrt er nach Europa zurück, um eine Gemeinde in Wels zu gründen. Parallel dazu startet er eine Firma mit Beschäftigten aus dem Gemeindeumfeld.„Weil die Spenden seiner Schäfchen nicht ausreichen, den laufenden Betrieb samt Nebenkosten mit großem Fuhrpark und luxuriöser Villa abzudecken, versucht sich der selbsternannte Pastor als Unternehmer", kommentiert die „Welser Rundschau" am 25. Juli 1996 die Schulden verbrannte Erde Als Pilsl im Oktober 1997 vom Gemeindevorstand einstimmig seines Amts enthoben wird, hinterlässt er neben unbezahlten Rech immer wieder betont. Weniger laut sind die Stimmen derer, die von Depressionen unter „Wort + Geist"-Anhängern berichten - von Menschen, die trotz Dauerproklamieren nicht gesund werden. Es gibt noch deutlichere Stimmen - doch wenige möchten sich zitieren lassen. Ein Phänomen, das sich durch die Recherchen dieses Artikels zieht: deutliche Statements, schmerzhafte Gemeindeerfahrungen, klare Ablehnung, auch von gestandenen christlichen Leitern - doch wenige möchten mit ihrem Namen dafür stehen. Was wohl größtenteils der gut gemeinten Absicht entspringt, manche unentschlossenen Gemeindemitglieder durch solche Aussagen nicht ganz zu verlieren oder das christliche Nest nicht zu beschmutzen. Mittler weile haben sich diverse Gemeindebünde wie etwa die Gemeinden im Bund Freier Pfingstgemeinden (BFP) und charismatische Gemeinde-Netzwerke wie das D-Netz oder die Geistliche Gemeinde-Erneuerung im Bund Evangelisch- Freikirchlicher Gemeinden ausdrücklich von „Wort + Geist" distanziert oder die Zusammenarbeit beendet.Darüber, wie „Wort + Geist" sich noch entwickeln könnte, gehen die Meinungen auseinander. Manche Pastoren befürchten auch langfristig einen anhaltenden Einfluss auf die deutsche Gemeindelandschaft, während andere ein nahes Ende der Bewegung sehen. Helmut Bauer selbst ist optimistisch: „Diese Erweckung wird noch stärker werden und über ganz Deutschland gehen - und sie wird vor allem Heiden anziehen." Bleibt die Frage, wie wir in unseren Gemeinden mit den Sehnsüchten langjähriger Christen umgehen, die in Röhrnbach aufgegriffen und scheinbar erfüllt werden. Eine Sehnsucht nach klaren, einfachen und eindeutigen Antworten auf die Fragen und Probleme des Lebens. Nach Freiheit, Freude, Liebe, Anerkennung und Ermutigung. Nach überwältigenden Wundern, Sorglosigkeit, Wohlergehen, Heilung von jeglichen Krankheiten. Nach einem kraftvollen, unkomplizierten und attraktiven Glaubensleben ohne Sünde. Danach, dass auch die widersprüchlichen, unerforschlichen Bibelstellen plötzlich leicht verständlich werden.Dass diese Sehnsüchte in ihrer Gesamtheit nie jemals per Handstreich gestillt werden können - ob in Röhrnbach oder sonst irgendwo auf dieser Erde -, scheint klar. Warum viele Gemeinden und Bewegungen immer wieder von der großen Einfachheit der Verkünder angezogen werden, darüber sollte unsere christliche Landschaft dringend einmal intensiver nachdenken und forschen.


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