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Journalist und Pfarrer Birnstein über VPM


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Der Schweizer "Verein zur Förderung der Menschenkenntnis" findet immer mehr Anhänger an den rechten Rändern von Kirche und Gesellschaft

Von Uwe Birnstein

"Wenn die Rechtsextremen ihre Treffen haben, werden wir meistens gerufen!" Mit drei Kollegen saß der Polizist im grün-weißen VW-Bus. Sein Einsatzort: Die Straße vor dem Restaurant "Rother" in Hannover. An diesem lauen Sommerabend sollte im biederen Festsaal der Gaststätte eine Veranstaltung stattfinden, die zwar nicht "rechtsextrem", aber doch stark rechtslastig war. Unter dem Titel "Die Instrumentalisierung des Faschismusbegriffes durch die Linke" hatten die "Konservative Sammlung" und der "Verein zur Förderung der psychologischen Menschenkenntnis", kurz VPM genannt, eingeladen.

Hundert Menschen waren gekommen. Drei Burschenschaftler in stolzer Pose schoben sich durch das gemischte Publikum. Auf dem Büchertisch dicke Werke mit prägnanten Titeln: "Mut zur Ethik", "Standort Schule"; daneben Broschüren zur Suchtprävention, Schriften des "Arbeitskreises Christlicher Publizisten" und des VPM; Faltblätter des "Anti-Drogen-Arbeitskreises der CDU Charlottenburg" sowie des "Arbeitskreises für qualifiziertes Studium" (BAQS).

Dieter von Glahn, trotz schwerer Krankheit kämpferischer Konservativer, und Tankred Schaer, Vorstandsmitglied des hannoverschen VPM-Ablegers "GFPM", begrüßen den Referenten: Hans-Helmut Knütter, Bonner Politikwissenschaftler, Autor des Buches "Die Faschismuskeule". Knütter gehört zur "Neuen Rechten", einer Gruppe neokonservativer Intellektueller, deren Hauptanliegen es ist, das deutsche Nationalbewußtsein wieder mit neuem Leben zu erfüllen. Wichtige Wegstation auf diesem Weg: Der Begriff Antifaschismus müsse ersetzt werden durch "Antitotalitarismus". Warum, erläutert Knütter dem Publikum: Antifaschismus sei nur ein Deckmäntelchen von Sozialisten, die die Gesellschaft nach links hin umpolen wollen. "Nationalsozialismus mit Faschismus gleichzusetzen - das wäre ein Hereinfallen auf die linksextreme Terminologie", erklärt der blasse Professor. Bildreich und scheinbar wissenschaftlich untermauert, malt Knütter seinen Zuhörern apokalyptische Schreckensbilder die Augen: Von "bürgerkriegsähnlichen Situationen" in Deutschland spricht er, von einer Kombination der Zustände wie in Belfast und Johannisburg. Zwar sei das bislang "noch beherrschbar" - doch wie lange noch?

Im anschließenden Gespräch feiern Stammtisch-Argumente fröhliche Urständ. Richard von Weizsäcker habe dazu beigetragen, daß heute auch kommunistische Widerständler des 20. Juli Ansehen genießen; eine Vereinigung "Jugend gegen Rassismus in Europa" sei eine trotzkistische Tarnorganisation; Antifaschisten würden rechte Demokraten körperlich attackieren. Die Hannoveraner GFPM-Vorstandsfrau Klaudia Kruck-Schaer beobachtet eine "Vernetzung zwischen der kurdischen PKK, der PDS und dem Antifaschistischen Forum Göttingen". "Wir sehen das beste Vorbild bei den Linken", zieht Dieter von Glahn das Fazit: "Wir müssen uns zusammenschließen, dann werden wir mit dem Antifaschismus schon fertig."

Als Journalist zu diesem denkwürdigen Abend eingeladen, fotografiere ich den Berufsschullehrer und VPM-Mann Tankred Schaer, als er vom Podium aus dem Referenten dankt. Nach der Veranstaltung stürmen mehrere VPMler auf mich los, was ich mir denn einbilden würde, ungefragt zu fotografieren. Wenige Tage später rollt sich ein Anwaltsschreiben aus meinem Faxgerät: Ich soll eine "Unterwerfungserklärung" unterschreiben, daß ich die Fotos nicht veröffentliche, sondern vernichte. 2.000 Mark wären sonst fällig. Als juristisches Argument zitierte der Kölner VPM-Rechtsanwalt ein Urteil, in dem der ehemaligen Freundin von Boris Becker gerichtlich das Recht auf's eigene Bild zugestanden worden war.

Unterschriften scheinen die unbezahlbare Eintrittskarte für Journalisten zu sein, die in das Netzwerk eintauchen, das sich zwischen dem VPM, konservativen politischen Grüppchen und mehr oder minder ernstzunehmenden Figuren am Rande der Kirchen spinnt. Um ein Interview mit VPM-Präsident Ralph Kaiser zu bekommen, sollte ich die "allgemein üblichen strafbewährten Interviewvereinbarungen" unterschreiben, daß ich meinen "Interviewbeitrag" vor Veröffentlichung vom VPM autorisieren lasse - unter Androhung von DM 20.000 Strafe. Heinz Matthias, skurriler Vorsitzender des unwichtigen, aber lautstarken "Arbeitskreises Christlicher Publizisten" (ACP), ließ mich zum Interview ins hessische Niedenstein anreisen, um dann eine Unterschrift zu verlangen: Ich solle mich "jeder Wertung des ACP und seines Vorsitzenden" enthalten. Und Dieter von Glahn, Vorsitzender der soeben ins Vereinsregister eingetragenen "Konservativen Sammlung", wollte ebenfalls 20.000 von mir für den Fall, daß ich meinen Beitrag mit Zitaten von ihm vorher nicht autorisieren lasse. Von Glahn kann bereits auf reichhaltige Erfahrungen mit Journalisten und Sekten zurückblicken: 1988 referierte er für eine Gruppe der Mun-Bewegung.

Alle drei "Vorsitzende" haben nicht etwa Wichtiges zu sagen. Sie eint neben organisatorischer Zusammenarbeit, daß sie höchstes Unbehagen haben, wenn Journalisten ihnen auf die Finger schauen. Was sie zu verbergen haben, scheint so brisant zu sein, daß es einer Selbstzerstörung gleich käme, wenn sie eine kritische Berichterstattung über das rechte Polit-Psycho-Netzwerk zuließen. Dabei liegen einige Fäden offen. Sowohl von Glahn als auch Matthias kannten beispielsweise meine Korrespondenz mit dem Züricher VPM. "Unter Freunden schiebt man sich schon mal was zu", kommentierte der ACP-Vorsitzende lapidar. Seine pamphletartige und kaum zu unterschätzende Vereinspostille druckt in letzter Zeit ganzseitige Anzeigen des VPM.

Die Angst vor Aufdeckung der wahren Beweggründe und Ziele führt beim VPM zu einer Prozeßwut, die selbst Scientology in den Schatten stellt. Über hundert Prozesse soll VPM bereits bestritten haben; allein in einem Prozeß in der Schweiz seien 1500 Zeugen aufgeboten. Gegen eine EKD-Informationsschrift über den VPM reisten Mitte Juli 14 Zeugen und Zeuginnen aus der Schweiz nach Hannover an, um die Vorwürfe des EZW-Referenten Dr. Hansjörg Hemminger zu entkräften: daß der VPM streng hierarchisch aufgebaut sei; daß der VPM Kinder von ihren Eltern entfremde; daß die formell eigenständigen VPM-Gruppen in Deutschland Therapiegespräche auf Tonband aufnehmen und zur Auswertung nach Zürich schicken würden.

Der Prozeß wird sich nach Meinung von Experten wegen der Zeugenmasse noch Jahre hinziehen. Eine geplante Sektenbroschüre des Bundesministeriums für Frauen und Jugend hat der VPM bereits per einstweiliger Verfügung blockiert, "die mit einem gemopsten Papier erwirkt worden ist", wie der Berliner Sektenbeauftragte Thomas Gandow betont. Bereits vor Drucklegung hätte der VPM den Text der Broschüre gekannt. Im Rausch der Möglichkeiten deutschen Rechtsprechung hat der VPM auch gegen ein Buch des Bremer kirchlichen Sektenbeauftragten Helmut Langel geklagt. Neben konkreten Stellen wendet der Psycho-Verein sich dagegen, überhaupt in einem Buch mit dem Titel "Destruktive Kulte und Sekten" vorzukommen. "Recht und Gesetz ist eben nicht dasselbe", meint resigniert Dr. Dirk F. Paßmann, Programmleiter des betroffenen Verlages "Bonn Aktuell". 2000 Restexemplare der Erstauflage des Taschenbuches muß er einstampfen. "In der 2. Auflage sehen wir uns genötigt, auf den VPM zu verzichten. Wir haben nicht wie der Pattloch-Verlag die gesamte katholische Kirche hinter uns", bedauert Paßmann und spielt auf den prozeßfolgenreichen Bestseller eines Anti-Scientology-Buches an.

Während der VPM gegenüber kritischen Kirchenmännern die Zähne fletscht, lassen sich konservative Theologen von der vermeintlichen Wertediskussion einlullen. Neuester Fang des VPM auf der Suche nach prominenten Sympathisanten: Georg Huntemann, jener Bremer Theologe, der als Reisender die Freie Evangelische Akademie Basel und die Ev.-theol. Fakultät Leuven (Belgien) mit seinen biblisch-fundamentalistischen Ansichten beliefert. Über die "Revolution der Schamlosigkeit" will der Bremer Ende September in Feldkirch (Österreich) auf dem nächsten "Mut zur Ethik"-Kongreß ein Hauptreferat halten. Dreimal habe Huntemann mit VPM-Leiterin Annemarie Buchholz-Kaiser gesprochen, erzählt er; an ihr und anderen VPMlern könne er "nichts Sektiererisches" entdecken, im Gegenteil: "Sie essen, sie trinken, sie haben Humor..." Speziell die öffentlichkeitsscheue und Bodyguard-bewachte Buchholz-Kaiser, sei "ein offener Mensch, der Humor hat und der kommunikationsfähig ist und der auch harte Sätze hinnimmt, wie ich sie dann von mir gebe, etwa gegen die Emanzipation der Frau, oder daß die Frau dem Mann untertan sein soll... Als Ethiker freu' ich mich über solche Kongresse", so Huntemann; und da in der Gesellschaft "Päderastie und Inzest" demnächst erlaubt sein würden, will er die Chance nutzen, die Vorzüge der "noachitischen Ethik" zu betonen. Der VPM sei schließlich, wie er selbst, wertekonservativ und vertrete christlich-abendländische Kultur. Das mag auch Bodo Volkmann denken, der als zweiter Evangelikaler auf dem Kongreß sprechen wird. Der Stuttgarter Mathematikprofessor gehört dem Vorstand des Christlichen Jugenddorfes an. Sein Thema: "Christliche Ethik im Geschäftsleben."

Würden die beiden Evanfelikalen auf ihren Kollegen Peter Beyerhaus hören, würden sie vielleicht ihre gute Meinung vom VPM korrigieren. Zwar begrüßt auch der Tübinger Missionswissenschaftler den "ebenso wichtigen wie mutigen Aufklärungsdienst in Bereichen wie der Schweizer Drogenpolitik, der neomarxistischen Konfliktpädagogik, dem Einsatz gruppendynamischer Techniken sowie der pornographischen Verführung von Jugendlichen und Kindern im Zusammenhang mit der staatlich geförderten AIDS-Hilfe". Doch nachdem Beyerhaus als Moderator des letzten Mut zur Ethik-Kongresses "Gott" nicht in die Schlußresolution einbringen konnte, klagt er heute: "Der VPM vertritt ein letztlich unbiblisches, nämlich tiefenpsychologisches Menschenbild sowie eine rein humanistische Begründung der Ethik, welche dem biblischen Verständnis der Sündigkeit und Vergebungsbedürftigkeit des Menschen nicht gerecht wird."

"Vielleicht ist meine Überzeugungsarbeit etwas tiefgreifender als die von Peter Beyerhaus", kontert Huntemann. Sein Lebenswerk, eine 700seitige Ethik, hat er denn auch gleich dem VPM-Verlag Menschenkenntnis zur Veröffentlichung angeboten. Da wohl kein anderer deutscher Verlag das verlegerische Risiko einer Huntemann-Ethik zu tragen bereit wäre, ist das für ihn die einzige Möglichkeit, die eigenen biblisch-fundamentalistischen Thesen in Buchform zu drucken. Für den VPM würde die verlegerische Betreuung jedoch eine Genugtuung bedeuten; mit einer christlichen Ethik könnte der VPM im kirchlichen Bereich noch salonfähiger werden. Kenner der Szene vermuten jedoch, daß der Schuß nach hinten losgeht. Denn Georg Huntemann ist ein einsamer Don Quijote im Kampf gegen den Werteverfall, der mit seiner fundamentalistischen Theologie sogar außerhalb des evangelikalen Lagers steht.

Immerhin: das neue, VPM-nahe Blättchen "Zeit-Fragen" hat den Bremer Fabrikantensohn Huntemann schon mal vorsorglich mit einem ganzseitigen Abdruck aus seinem Buch "Gottes Gebot oder Chaos - was bringt Europas Zukunft?" hofiert. Christa Meves, die zum Katholizismus konvertierte Psychagogin aus Uelzen, steht gar in den "Zeit-Fragen" dort, wo sie der von ihr mitherausgegebene Rheinische Merkur in der Größe wohl nie drucken wird: auf der Titelseite. Obwohl die Buchautorin den VPM nicht öffentlich unterstützen würde, fühlt sie sich mit ihm in vielem einig. Nach einem kritischen SPIEGEL-Bericht schrieb sie dem VPM: "Mir ist zu Ohren gekommen, daß Sie als Sekte verteufelt werden. Aber auf der Liste der Auszustoßenden habe ich im SPIEGEL bereits genauso am Pranger gestanden wie Sie. Und die Mediendiktatur ist ungebrochen!... Man kann sich nur damit trösten, daß letztlich doch die Wahrheit und nicht die Lüge siegt. Mut zum Durchhalten wünsche ich Ihnen."

"Die Wertediskussion spielt für die Mitglieder des VPM gar keine Rolle", meint Pfarrer Thomas Gandow, "die ist nur aufgesetzt, damit der VPM politischen Anschluß gewinnt." Der stellvertretende Bundesvorsitzende der Jungen Union, Udo Schuster, bezeichnet den VPM deswegen als "neue Form von aggressiver Polit-Sekte. Man gibt sich politisch bewußt, scheinbar konservativ, obwohl man ja eigentlich aus einer anarchistischen Ecke kommt, und mit Themen wie Drogen, Familie und Sicherheit versucht man, sich ein konservatives Mäntelchen zu geben und benutzt dann Leute aus dem politischen und kirchlichen Bereich, die einen gewissen Namen haben, als Deckmäntelchen für die eigenen unseriösen Aktivitäten." Daß der VPM Psycho-Verein seit einigen Jahren zur Polit-Gruppe mutiert mit dem Ziel, möglichst viel Einfluß in der Gesellschaft zu erlangen, bestätigen auch Aussteiger.

Deswegen hat der VPM Recht, wenn er sich gegen die Bezeichnung "Sekte" wehrt. Zwar hat das Gericht die Bezeichnung "rechte Psycho-Sekte" erlaubt; zwar erfüllt der VPM viele Kriterien einer Sekte, u.a. Zentrierung auf eine Führungspersönlichkeit, dogmatisches geschlossenes Weltbild, Realitätsverlust der Mitglieder. Mit seinem ganzen Wirken auch in der Psycho- und Politik-Szene trifft auf den VPM aber besser der Begriff "moderner Psychokult" zu.

Denn VPM trotz seiner relativ kleinen Mitgliederzahl - etwa 3000 - in seiner Wirkung zu unterschätzen, wäre sträflich. Denn kaum eine andere Gruppe geht so maßlos und juristisch-aggressiv gegen Kritiker vor. Ob 180.000 Flugblätter in Hannover gegen den Sektenpfarrer Wilhelm Knackstedt verteilt werden; ob sich VPMler auf dem Kirchentag "wie eine Horde Wilder" (Udo Schuster) gebaren und "uniformiert" die Veranstaltung stören; ob Sektenpfarrer als "Linksmarxisten" diffamiert werden - dem VPM sind scheinbar alle Mittel recht, um gegen Kritik anzugehen. Kleinkriminelle Vorfälle im VPM-Umfeld, von denen sich der VPM jedoch distanziert, werfen zusätzliches Licht auf die Szene: Da versendet der VPM eine anonym gefälschte Presseerklärung der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen, in der deren Mitarbeiter Hansjörg Hemminger diffamiert wird. Da findet eine Rechtsanwältin, die VPM-Kritiker verteidigt, eine Rinderzunge im Briefkasten und eine Warnung, sich weiter mit dem VPM zu befassen. Und Hugo Stamm, Züricher Journalist und VPM-Beobachter, wird nach einem Vortrag zusammengeschlagen. Die Häufung dieser Fälle gibt zu denken - auch wenn der VPM sich davon distanziert.

In der völlig überzogenen und taktisch unklugen Abgrenzung gegen Kritiker scheint sich der VPM am besten beschreiben zu lassen; sie macht auch den Reiz des Vereins aus. "Das ist 'ne Kampfgemeinschaft, darin besteht das Faszinosum", befürchtet Sektenpfarrer Gandow; "sie benehmen sich wie Untergrundkämpfer, schleichen sich unter falschen Namen in Veranstaltungen ein, tragen unter der Jacke kleine Tonbandgeräte und sind der Meinung, sie würden 'ne marxistische Verschwörung verhindern. Und ich glaube, daß dies Indianerspiel für manche Aufregung sorgt und dann auch den Gruppenzusammenhang stärkt."

Daß sich noch immer evangelikale Christen von diesem Spiel um Macht und Lobby beeindrucken lassen, weist auf mangelhafte Menschenkenntis hin.

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