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Merkmale wahrer und falscher Prophetie


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Rolf

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Adolf Köberle



Merkmale wahrer und falscher Prophetie



Von Sören Kierkegaard gibt es einen mit Recht berühmt gewordenen Traktat, »Was der Unterschied sei zwischen einem religiösen Genie und einem Apostel«. Kierkegaard sagt dazu: Das religiöse Genie holt aus sich selbst heraus mehr oder weniger geistvolle Gedanken über Gott, Welt und Mensch, über Zeit und Ewigkeit. Der Apostel aber ist ein von Gott überwältigter, beauftragter Zeuge, der eine Botschaft weitergeben muß, die nicht aus seinem Inneren stammt, die vielmehr zurückgeht auf eine göttliche Geisteinhauchung.

In dem Sinn kann Paulus den Korinthern schreiben: Es liegt auf mir ein heiliger Zwang, eine heilige Notwendigkeit; wehe mir, wenn ich das Evangelium nicht verkündige! Was Kierkegaard so herausgearbeitet hat als unterscheidendes Merkmal zwischen einem religiösen Genie und einem Apostel, läßt sich ebenso übertragen auf das Wesen der biblischen Prophetie. Die in Israel zu solchem Amt Berufenen wollen oft gar nicht den ihnen zugedachten Auftrag übernehmen. Sie weichen aus, sie suchen nach Entschuldigungsgründen: ich bin zu jung, ich habe eine schwere Zunge, ich tauge nicht zu der großen Sendung, Herr, schicke einen anderen! Und dennoch müssen sie Worte des Gerichts und der Verheißung ausrichten, weil sich die Last Jahwes mit übermächtiger Gewalt auf sie gelegt hat. So bekennt der Prophet Jeremia:

»Herr, Du hast mich überredet und ich habe mich überreden lassen. Du bist mir zu stark geworden und hast gewonnen. Ich bin darüber zum Spott geworden täglich, und jedermann verlacht mich. Denn seit ich geredet, gerufen und gepredigt habe, ist mir des Herrn Wort zum Hohn und Spott geworden. Da dachte ich: wohlan, ich will sein nicht mehr gedenken und nicht mehr in seinem Namen predigen. Aber es war in meinem Herzen wie ein brennendes Feuer, daß ich schier wäre vergangen.« Eine solche Aussage läßt uns tief hineinblicken in die Einsamkeit und Anfechtung des prophetischen Amtes. Zugleich aber zeigt diese Confessio, wie übermächtig das heilige Müssen werden kann, das zum Sendungsauftrag drängt.

Die Lage der also Ergriffenen wird dadurch erschwert und belastet, daß andere Prophetengestalten entgegentreten, die sich ebenfalls als gottbeauftragte Seher und Sendboten ausgeben und die den wahren Propheten vor der Öffentlichkeit zum Lügner und Volksfeind stempeln. Ein klassisches Beispiel dafür ist die Begegnung des Propheten Jeremia mit dem Pseudopropheten Chananja.

Jeremia hat das Volk vorbereitet auf das Geschichtsgericht, das in Kürze hereinbrechen wird, vollzogen durch den babylonischen Großkönig, und er hat hinzugefügt: »Darum gehorcht nicht den Worten der Propheten, die euch sagen: Ihr werdet nicht dienen müssen dem König zu Babel; denn sie weissagen euch falsch!« Da tritt ihm bei einer Versammlung im Tempel zu Jerusalem in Gegenwart der Priester und des ganzen Volkes Chananja entgegen mit den Worten: »So hat der Herr der Heere, Israels Gott, gesprochen, ich zerbreche das Joch des Königs von Babel.« Jeremia war in der Stadt umhergegangen mit einer Jochstange auf dem Hals, um durch diese symbolische Handlung anzudeuten, was für ein hartes Geschick auf das besiegte Volk wartet. Chananja aber nimmt die Jochstange vom Nacken des Propheten und zerbricht sie mit gewaltiger Körperkraft, wie sie fanatischen Schwärmern nicht selten zu eigen ist.

Dazu ruft er aus: »So spricht der Herr: Ebenso will ich zerbrechen das Joch Nebukadnezars, des Königs zu Babel.« Wenn
ein Prophet gegen den anderen aufsteht, ist oft schwer zu unterscheiden: wer ist im Recht und wer im Unrecht, wer ist der von Gott Bevollmächtigte und wer ist der Verführer?

Soviel freilich läßt sich an dieser Szene bereits erkennen: die falschen Propheten schmeicheln dem Volk, sie reden ihm nach dem Mund, sie bestärken die Hörer in ihren fleischlichen Wünschen, sie tun nicht gern weh, während der wahre Prophet die undankbare Aufgabe auf sich nimmt, dem Volk die verhängnisvollen Wirkungen von Verblendung und Berauschtheit vor Augen zu stellen. Im > Dritten Reich« haben wir dieses Gegenüber im Ringen zwischen »Bekennender Kirche« und »Deutschen Christen« unmittelbar erlebt. Was wurde da alles getönt und geschwärmt von dem Offenbarungsereignis des Frühjahrs 1933, von dem gottgeschenkten Führer, der dem Deutschen Volk zum Heil erweckt wurde, und wie hilflos verhallten daneben die Worte eines Paul Schneider und Reinhold Schneiders!

Es heißt in dem Bericht von der Auseinandersetzung des Propheten Jeremia mit dem Lügenpropheten Chananja (Kapitel 27 und 28) vielsagend: »Und der Prophet Jeremia ging seines Wegs.« Mehr kann man oftmals nicht tun, als schweigend seines Wegs zu gehen und dabei die Worte im Herzen bewegen: »Dixi, et salvavi animam meam.« Jeremia allerdings empfing bald danach den Auftrag: »Geh hin und sage Chananja: Höre doch, der Herr hat dich nicht gesandt, und du hast gemacht, daß dieses Volk sich auf Lügen verläßt. Darum spricht der Herr also: Siehe, ich will dich vom Erdboden nehmen. Dieses Jahr sollst du sterben; denn du hast sie mit deiner Rede von Gott abgewandt. Also starb der Prophet Chanania desselben Jahres im siebten Monat.«
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