Zum Inhalt wechseln

Welcome to Irrglaube und Wahrheit
Register now to gain access to all of our features. Once registered and logged in, you will be able to create topics, post replies to existing threads, give reputation to your fellow members, get your own private messenger, post status updates, manage your profile and so much more. If you already have an account, login here - otherwise create an account for free today!
Foto

Die teuflische Kirchenpraxis des Exorzismus


  • Bitte melde dich an um zu Antworten
Keine Antworten in diesem Thema

#1
Rolf

Rolf

    Administrator

  • Administrator

  • PIPPIPPIP
  • 34215 Beiträge
  • Land: Country Flag
Die Neuen Atheisten
1 Feb 2008 - 11:18 Nr. 3738





Die teuflische Kirchenpraxis des Exorzismus





Johann Hari über Kinder, Teufelsaustreibung und die katholische Kirche.
Jesus Christus als Vorbild für den Missbrauch psychisch kranker Menschen?


Letztes Jahr bin ich einem gezeichneten, bezwungenen 14-jährigen Mädchen
begegnet, das vom Teufel besessen war, bis er und seine Armee des Bösen
aus ihr herausgefoltert wurden.


So erzählte es mir ihr Priester. So erzählte sie es mir.

Sie sprachen, als wäre das alles so offensichtlich wie ihre Narben.
Clarice war ein kleines Mädchen, das sich in eine Wolljacke eingewickelt
hatte. In einer Kirche inmitten des Blutbads im Kongo erzählte sie, wie
sie sich dazu entschieden hatte, Dämonen den Zutritt zu ihrem Körper zu
gestatten, als sie zwölf Jahre alt war.

Seitdem hat sie Satan dazu gezwungen, ihre Mutter stürzen zu lassen, so
dass sie sich ein Bein brach.


Satan hatte sie dazu gezwungen, ihren Vater zu verhexen, so dass es ihm
unmöglich war, einen Job zu finden. Satan hatte sie dazu gezwungen, ihre
kleine Schwester zu töten, indem sie ihr ein tödliches Fieber gab.

Ihr pfingstbeweglerischer Priester, Vater Enoch Boonga, berichtete mir
voller Stolz, wie er die Dämonen aus ihr vertrieben hatte. Er gab Clarice
vier Tage lang nichts zu essen, peitschte sie aus und drohte damit, sie zu
verbrennen, bis sie endlich „beichtete“.

Dann zwang er sie, alles zuzugeben, was sie getan hatte, und er führte
eine lange exorzistische Zeremonie an ihr durch. Sie glaubten, es würde
nur funktionieren, wenn ihr kleiner Körper beginnen würde zu vibrieren und
zu heulen und zu fluchen. Ich fragte Clarice ruhig, ob sie wirklich
glaubte, all diese Dinge getan zu haben. „Ja“, sagte sie.
„Das glaube ich.“ Und so stöhnen wir angeödet: Ein weiteres
Beispiel für den afrikanischen Primitivismus. Aber nein.
Teufelsaustreibung, sogar bei Kindern, wird heutzutage von einem der
mächtigsten Männer der westlichen Welt beworben, wenn auch in einer leicht
gemäßigten Fassung: Von Papst Benedikt XVI. Präsidenten und
Premierminister kriechen vor diesem Mann.

Von jedem seiner Worte wird mit dem Respekt berichtet, den wir der
„Religion“ gegenüber zeigen müssen, damit wir nicht der
Engstirnigkeit bezichtigt werden.

Und doch herrscht er ganz offen über eine Armee von Exorzisten, um sie
schrecklich verstörten und psychisch kranken Menschen erzählen zu lassen,
dass Dämonen und Teufel in ihnen wohnen – weil sie sie eingeladen
haben.

Im vergangenen Dezember kündigte Vater Gabriele Amorth, der offizielle
Exorzist der Römischen Diözese und ein Freund des „Heiligen
Vaters“ an, dass der Papst bald eine neue Kampagne starten wird, um
ein neues Bündel von 400 Exorzisten auf die Welt loszulassen, zusätzlich
zu den 1000, die bereits am Werk sind. (Er fügte hinzu, Harry Potter sei
ein Stellvertreter dieses Bösen).

Die katholische Kirche hatte offiziell geleugnet, solche Pläne zu haben
– sie gibt jedoch zu, dass die Kirche seit 1614 exorzistische Riten
vorgibt und dass Bischöfe und Priester ermutigt werden, sie heutzutage
anzuwenden, wo immer es „angemessen“ sei.

In der Praxis haben sich offizielle katholische Teufelsaustreibungungen
seit Mitte der 1970er laut Michael W. Cuneo, einem Soziologen an der
Fordham Universität in New York, der eine vierjährige Untersuchung zu der
Sache durchgeführt hatte, drastisch erhöht. Es waren jedoch nur sehr
wenige Menschen dazu bereit, mit mir darüber zu reden, was Austreibungen
umfassen.

Ich war schließlich in der Lage, einen der „moderateren“
Exorzisten – falls Sie sich so etwas vorstellen können – in
der römisch-katholischen Diözese von Hallam in Yorkshire ausfindig zu
machen


Vater Anthony Hayne ist ein ruhiger, ernsthafter Mann, der mir berichtet,
dass er in seinem kleinen Stückchen von England „ein Dutzend
Austreibungen im Monat“ durchführt.

Obwohl es schon einige Jahre her ist, seit er den Film Der Exorzist
gesehen hat, hält er ihn für weitgehend akkurat und fügt hinzu: „Als
Katholik würde ich diese Methoden benutzen, ja.“


„Seit kurzem treffe ich eine Facharbeiterin, die einen sehr
augeglichenen Eindruck macht, abgesehen von ihrem Gefühl, dass Dämonen ihr
Leben ruinieren. Sie spricht manchmal mit einer Stimme, die gewiss nicht
ihre Stimme ist. Es handelt sich offenbar um einen Dämonen, der sie
benutzt... Wir haben zusammen gebetet, aber wenn das nicht funktioniert,
dann machen wir einen feierlichen exorzistischen Ritus, den wir ausüben
können, wenn uns der Bischof die Erlaubnis dazu gibt.“

Er sagt, dass er die Frage, ob diese Menschen psychisch krank sind,
„sehr ernst“ nimmt.



Er empfiehlt jedem, der sich besessen fühlt, zu seinem Arzt zu gehen
– er behauptet jedoch, dass er ihnen wegen der ärztlichen
Schweigepflicht glauben muss, wenn sie sagen, dass ihr Arzt keine
physische oder psychische Ursache für ihre Störung feststellen konnte.

Vater Anthony sagt mir, dass er in der Tat glaubt, dass Kinder besessen
werden können, auch wenn er nur dann ein Kind „behandeln“
würde, wenn dessen Eltern anwesend sind und mit ihm zusammenarbeiten. Am
nächsten kam er dem, als er einige Leute in ihren späten Teenager-Jahren
behandelte, die „Hexenbretter verwendeten und die Dunkelheit in ihr
Leben gelassen hatten“.

Es ist wahr, dass die offiziellen katholischen Exorzismusriten keine
physische Folter enthalten, wie sie Clarice erfahren musste, aber in
vielen Fällen erzählen katholische Priester den psychisch Kranken, dass
sie für ihr Leid selbst verantwortlich sind.

Einer der Helden der katholischen Exorzisten ist zum Beispiel M. Scott
Peck, der schreibt: „Menschen, die an dämonischer Besessenheit
leiden, haben auf die eine oder andere Weise mit dem dämonischen Bösen
zusammengearbeitet; sie haben ihm Zutritt zu ihrem Leben gewährt. In
solchen Fällen gibt es – vielleicht auf einer unbewussten Ebene
– eine Art Verkauf der eigenen Person an das Böse.“ Stellen
Sie sich vor, so etwas einer heulenden Frau zu erzählen, die Stimmen hört.
Jeden Tag gibt es einen Fall, wenn ein Exorzist die katholische Theologie
ernst nimmt, aber ihre stinkenden Regeln überschreitet. Um ein aktuelles
Beispiel von mehreren zu nennen: Vor kurzem überzeugte man eine 23-jährige
rumänische Nonne namens Maricica Irina Cornici, dass sie die Stimme Satans
hört.

Ihre Kolleginnen reagierten darauf, indem sie sie an ein Kreuz banden,
ihren Mund mit einem Handtuch verstopften, und sie dort drei Tage lang
ohne Nahrung und Wasser hängen ließen, um „Satan
auszuhungern“. Im Verlaufe der gerichtlichen Untersuchung stellte
man fest, dass sie schon lange an Schizophrenie litt. Immer, wenn ich über
das Leid schreibe, das organisierter Aberglaube anrichtet, dann schreiben
mir gutmeinende Leute und fragen – warum so aufgeregt? Geht es bei
der Religion nicht nur um Liebe und Licht und darum, Menschen durch
schwierige Zeiten zu helfen?

Nein. Hier haben wir die größte, reichste und mächtigste religiöse
Institution der Welt, wie sie psychisch schwer gestörten Menschen erzählt,
dass der Teufel von ihnen Besitz ergriff, weil sie ihn eingeladen haben
und dass sie leiden müssen, um ihn zu entfernen. Sogar die bekanntermaßen
weiche und wollene englische Nationalkirche hat einen offiziellen
Exorzisten in jeder Diözese. Das ist weder Liebe, noch Licht.

Wir können auch nicht den Rückzieher machen und die aalglatte Behauptung
aufstellen, dass diese Leute nur die „wahre“ Religion
verzerren, bei der es nur um Frieden und Liebe geht. Jesus Christus führte
selbst Teufelsaustreibungen aus und rief seine Jünger dazu auf, es ihm
nachzumachen und dem spirituellen Schützengrabenkampf gegen Satan
beizutreten. Wenn ein Christ jemand ist, der dem Beispiel von Christus
folgt, dann sind diese Menschen wahre und gute Christen – und sie
sind außerdem zutiefst unmoralisch.

In dieser Bombentrichter-Kirche im Kongo wollte ich Clarice in die Arme
schließen und ihr sagen, dass es einen Ort auf dieser Welt gibt, wo dieser
barbarische Aberglauben ein fernes, überholtes Relikt ist. Dank der
katholischen Kirche konnte ich ihr nicht einmal das anbieten.



Übersetzung: Andreas Müller
Quelle: comment.independent.co.uk; 21. Januar 2008


Der Autor Johann Hari ist ein britischer Journalist, der schon für fast
alle großen Zeitungen weltweit geschrieben hat und für mehrere
journalistische Preise nominiert wurde. Er ist Autor des Buchs God Save
the Queen?, das sich kritisch mit dem britischen Königshaus der Windsors
auseinandersetzt. Christopher Hitchens findet es „superb“.



Die Neuen Atheisten

Please Login HERE or Register HERE to see this link!


  • 0