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2. Kor 3, 6: Der Buchstabe tötet?


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#1
Hebräer83

Hebräer83

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2. Kor 3: Der Buchstabe tötet?

Hätte Paulus das Alte Testament weggeschmissen?


Von Anhängern der WORT+GEIST-Bewegung hört man immer wieder: „Das Alte Testament ist für uns nicht mehr gültig“.
Eine Wort+Geist-Pastorin war vor einem Jahr soweit zu sagen: „Alles, was Jesus vor seiner Kreuzigung gesagt hat, bezog sich noch auf den Alten Bund und gilt nicht für uns (z.B. das Vaterunser)."
Inzwischen gehen Bibelschullehrer soweit zu sagen: „Der Geist macht lebendig, d.h. Gottes Wort ist in uns. Die Bibel, den Buchstaben, brauch ich nicht mehr.“

Wie wenig das mit dem zutun hat, was Paulus in 2. Kor 3, 6 sagen wollte, konnte ich in einem Aufsatz* nachlesen, den ich zu diesem Thema gefunden habe. Ich gebe danach einmal hier kurz und klar das Verständnis von 2. Kor 3 wieder um zu zeigen, das Paulus alles andere als den „Alten Bund“ oder gar das „Alte Testament“ als schlechten Einfall Gottes brandmarken wollte. Man rückt Paulus damit in ideologische Nähe zu Marcion (2. Jhd.) oder gnostischen Strömungen, die im Gott und Schöpfer des AT einen bösen Demiurgen sahen, der nicht mit dem Gott in Jesus Christus identisch war.

Was ist der „Buchstabe“? Griechisch ist es das Wort „gramma“. Zunächst ist das aber nicht der Begriff, mit dem das griechischsprechende Judentum die „Bücher“ bezeichnete („ta iera grammata“ – „die Heiligen Schriften“). Paulus will nicht das Alte Testament abwerten. Eine solche Interpretation von „Buchstabe“ verbietet sich schon angesichts Vers 14, wo Paulus von der „Verlesung (Buch!) des Alten Bundes“ spricht und etwas absolut Positives erblickt, nämlich Christus. Man müßte schon die Hälfte von dem, was Paulus in seinen Briefen geschrieben hat und dabei wörtlich oder inhaltlich aus dem Alten Testament zitiert, ignorieren - oder wie Marcion: herausschneiden - um dahin zu kommen.

„Der Buchstabe tötet, aber der Geist macht lebendig“ – hier formuliert Paulus einen vermeintlichen Gegensatz, der etwas auseinandernimmt, was von Haus aus zusammengehört - und Paulus weiß das auch. So hat er es ja in 2. Tim 3,16 auch beschrieben, „alle Schrift von Gott eingegeben“ – Geist und Schrift sind eigentlich kein Gegensatz. Der Geist Gottes hat die Schrift eingegeben und die Bibelstelle auf die sich Paulus bezieht, nämlich Ex 34 - in der Mose von Gott (Geist) die Tafeln des Zeugnisses (Schrift) empfängt – bezeugt dies ebenso (Nach jüdischer Tradition erhielt Mose dort nicht nur die 10 Gebote, sondern die ganze Torah).

Dem „Buchstaben“ des Alte Testament genauso wie dem Buchstaben des Neuen Testaments liegt keine Tötungsabsicht zugrunde. Nicht der Buchstabe ist schlecht: „So ist also das Gesetz heilig und das Gebot heilig und gerecht und gut. Ist nun das Gute mir zum Tod geworden?" (Röm 7, 12f.)
Nein: "Das sei ferne! Sondern die Sünde, damit sie als Sünde erschiene, indem sie durch das Gute mir den Tod bewirkte, damit die Sünde überaus sündig würde durch das Gebot.“ (Röm 7, 13).
Weder das Gesetz Gottes - noch irgendeine von Ihm eingegebene Schrift - ist schlecht oder unrecht. Allein die Sünde des Menschen machte es zu einem „Dienst des Todes“ und „Dienst der Verdammnis“ (2. Kor 3, 7 und 9). Der Gegensatz von Geist und Buchstabe ist also nicht ohne die Realität der menschlichen Sünde in dieser Welt zu sehen und diese - und nicht etwa das Gesetz Gottes - bewirkt die Verdammnis.
Wer die Stelle andersherum versteht, der macht Gott für seine eigenen Sünden verantwortlich: "Ach Herr, wärst du nicht so überaus gerecht, dann hätte ich nicht gegen dein Gesetz verstoßen".

Kommen wir nun zu Mose, der vor den Israeliten offenbar etwas Negatives - die Herrlichkeit, die vergeht - zu verstecken scheint:

"...so daß die Söhne Israels nicht fest in das Angesicht Moses schauen konnten wegen der Herrlichkeit seines Angesichts, die verging," (Vers 7)
„...Mose, der eine Decke über sein Angesicht legte, damit die Söhne Israels nicht auf das Ende des Vergehenden blicken sollten.“ (Vers 13)

Paulus schreibt, daß der Glanz auf Moses Gesicht verging. Wenn man sich dabei nur auf das Leuchten seiner Gesichtshaut bezieht mag dies wohl richtig sein. Doch beachte man, daß „Mose“ für Paulus nicht nur eine Person ist, sondern auch eine Chiffre für die Offenbarung am Sinai und für dessen Inhalt: „Aber bis heute, sooft Mose gelesen wird,...“ (Vers 15). Es geht also nicht nur um die Haut des Mose, sondern - und v.a. - um die Offenbarung, die Torah, das Alte Testament. Wann vergeht denn dessen Herrlichkeit?:
"Denn wenn das Vergehende in Herrlichkeit war, wieviel mehr das Bleibende in Herrlichkeit!" (Vers 11)


Wenn man sich das griechische Wort für "vergehen" (katargeo) ansieht, dann ist hier nicht von einem zeitlichen, sondern von einem apokalyptischen Geschehen die Rede. Die Herrlichkeit des „Mose“ wird „vergehen“, aber erst, wenn diese vergängliche Welt vergeht und dann das Bleibende kommt, so wie es auch in 1. Kor 13, 10 heißt:
„Wenn das Vollkommene kommt, wird das Stückwerk beseitigt werden (katargethesetai).“

Was erblicken, wir, wenn wir das das Alte Testament „ohne Decke“ lesen. Auch das sagt uns Paulus: "Wir alle aber schauen mit aufgedecktem Angesicht die Herrlichkeit des Herrn an" (Vers 18). Christus ist das Ende (gr. "telos") des Vergehenden oder: der Ausgang, das Ziel des Vergänglichen. Er ist das Bleibende und das Vollkommene. Mose hat nichts negatives verdeckt (das Verschwinden des Glanzes), sondern das Ziel dieser Welt.

Es ist diese Sicht, ohne die Paulus seine Briefe nicht mit Beweisen für das Gekommensein des Christus und dessen Vorankündigung in Gottes erster Offenbarung - dem "Alten" Testament - hätte spicken können. Das Strahlen des Mose - unter einer Decke - ist jene Vorausschau auf das Kommende.

Etwas weiter schreibt Paulus noch folgendes:
"Wenn aber unser Evangelium doch verdeckt ist, so ist es bei denen verdeckt, die verlorengehen, den Ungläubigen, bei denen der Gott dieser Welt den Sinn verblendet hat, damit sie den Lichtglanz des Evangeliums von der Herrlichkeit des Christus, der Gottes Bild ist, nicht sehen." (2. Kor 4, 3f.)

Nicht nur das Alte Testament kann verhüllt sein, auch das Neue; mit dem Unterschied, daß hierbei der Teufel am Werke ist. Wenn man Paulus Wertschätzung der Offenbarung Gottes an Mose, gerade in 2. Kor 3 betrachtet und zugleich die Arroganz all jener sieht, die das Alte Testament abtun wollen, so muß man den Schluß ziehen, daß demjenigen, der das Evangelium im Alten Testament nicht zu entdecken vermag, die Herrlichkeit Gottes im Neuen Testament ebenso verdeckt ist.



(*Nach einem Aufsatz von Ekkehard Stegemann: "Der Neue Bund im Alten. Zum Schriftverständnis des Paulus in II Kor 3.", Theologische Zeitschrift, Nr. 42/1986, S. 97- 114.)
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