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Kirche will kritischen Pfarrer auf Linie trimmen


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#1
Rolf

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Kirche will kritischen Pfarrer auf Linie trimmen





Von Oliver Trenkamp



Die Initiative "Pro Reli" und die Kirchen wollen Religion zum Wahlpflichtfach an Berliner Schulen machen. Doch ein Pfarrer rebelliert gegen die Kampagne: Er hält neutralen Ethikunterricht für die bessere Lösung. Prompt wird er einbestellt - "zum Dienstgespräch".


Mit deutlichen Worten hatte er sich aufgelehnt gegen die Linie seiner Kirche: Der Berliner Pfarrer Stephan Frielinghaus sagte, er wolle nicht, dass Migranten nur aus der Sicht des Islams etwas über Homosexualität erfahren. Und katholische Kinder sollten nicht nur im katholischen Religionsunterricht etwas über Abtreibungen hören. Doch jetzt, ganz plötzlich, schweigt Frielinghaus - offenbar auf Druck von oben.

Der Pfarrer will, dass in Sachen Religionsunterricht alles bleibt, wie es ist in Berlin: Ethik als Pflichtfach für alle Schüler von der siebten bis zur zehnten Klasse, Religion als freiwilliges Zusatzangebot. Er wendet sich damit gegen die Initiative "Pro Reli", die mit einer großen Kampagne versucht, in Berlin Religion als Wahlpflichtfach durchzusetzen - strikt getrennt nach Konfessionen und ab der ersten Klasse.

Mit viel Pathos und laut lärmend hat die Initiative den Streit um ein kleines Fach zum großen Thema gemacht. Eine Zwischenstation hat sie bereits erreicht und genügend Unterschriften gesammelt, um einen Volksentscheid zu erzwingen. Angeführt wird "Pro Reli" von Christoph Lehmann, katholischer CDU-Politiker und Rechtsanwalt. Kräftige Unterstützung geben die christlichen Kirchen, auch die evangelischen Langeskirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, der Frielinghaus angehört.

Pfarrer Frielinghaus, 49, hat sich weit vorgewagt - und ist damit zum inoffiziellen Sprecher einer innerkirchlichen Opposition geworden, die es mindestens merkwürdig findet, mit welcher Verve sich die Kirche in der politischen Frage zum Ethik- und Religionsunterricht engagiert. Die Skeptiker haben sich zusammengetan zur Gruppe "Christen pro Ethik". Auf ihrer Internetseite schreiben sie: "Als Christen distanzieren wir uns entschieden davon, dass unsere Kirchen aus 'Pro Reli' eine kirchenoffizielle Angelegenheit, ja oft sogar eine Frage des rechten Glaubens gemacht haben."

Pfarrer kritisiert, seine Kirche bombardiere ihn mit Werbung

Viele der "Christen pro Ethik" sind Theologen im Ruhestand. Frielinghaus jedoch ist im Dienst, zuständig für den prominent gelegenen Französischen Dom am Gendarmenmarkt und die dazugehörige Gemeinde mitten in Berlin. Das hielt ihn nicht davon ab, öffentlich anzuprangern, dass seine Gemeinde mit Werbebriefen der Kirche zugunsten von "Pro Reli" bombardiert werde.

Er hat auch seine Sorge geäußert über den propagandistischen Aufwand der Initiative, und er hat deren Slogan "Freie Wahl" als "Euphemismus für Entscheidungszwang" kritisiert, wie er in einem Gastbeitrag für den "Tagesspiegel" schrieb. In zahlreichen Interviews im Radio, Fernsehen und in den Lokalzeitungen verkündete Frielinghaus seine Botschaft: "Wir halten es für richtig, dass der Senat ein Pflichtfach Ethik eingeführt hat, und wollen, dass es so bleibt."

Berlin hat es jetzt also mit zwei Initiativen zu tun - wobei die Mittel ziemlich ungleich verteilt sind. Auf der einen Seite plakatierte "Pro Reli" die Stadt ziemlich flächendeckend und sammelte knapp 300.000 Unterschriften, darunter die von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD), Moderator Günther Jauch (RTL) und Fußballer Arne Friedrich (Hertha).

Auf der anderen Seite unterschrieben gerade mal rund 200 Unterstützer den Aufruf der "Christen pro Ethik", darunter der Kirchenkritiker Eugen Drewermann. Frielinghaus aber sorgte immer wieder für mediale Präsenz.

Kirche bestellt unbequemen Pfarrer ein

Jetzt erreicht der Berliner Religionsstreit eine neue Stufe, politisch wie persönlich. Auf politischer Ebene streitet das Abgeordnetenhaus darüber, wann es einen Volksentscheid geben wird. "Pro Reli" will die Berliner am liebsten am 7. Juni über den Religionsunterricht abstimmen lassen. Am selben Tag sind die Bürger zur Europawahl aufgerufen, die Verfechter des Wahlpflichtfachs Religion hoffen deshalb auf eine hohe Beteiligung.

Den Termin legt jedoch die rot-rote Landesregierung fest. Die SPD ist für einen möglichst frühen Urnengang, möglicherweise schon im April. Auf Kritik an "Termintrickserei" entgegnete der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit, die Verfassung schreibe als Regelfall eine Abstimmung innerhalb von vier Wochen nach einem erfolgreichen Volksbegehren vor.

Auf persönlicher Ebene erhöht die evangelische Kirche den Druck auf Kritiker wie Frielinghaus: Der unbequeme Pfarrer wurde einbestellt zum "Dienstgespräch", wie Kirchensprecher Volker Jastrzembski SPIEGEL ONLINE bestätigte. "Wir waren natürlich nicht glücklich über seine Äußerungen", sagt Jastrzembski. Immerhin habe die Kirchen-Synode demokratisch beschlossen, dass sich die Kirche politisch festlegt und "Pro Reli" unterstützt.

Nun wolle die Kirche Frielinghaus auf die Loyalität hinweisen, die er als Pfarrer zu üben habe. Daher werde Mitte Februar der Präsident des Konsistoriums, Ulrich Seelemann, mit ihm ein Gespräch führen. Das Konsistorium führt die Geschäfte der Landeskirche - viel weiter hoch geht es in der Kirchenverwaltung nicht.

Soll da also Druck von ganz oben ausgeübt werden? Dem widerspricht Jastrzembski. Als "Maulkorb", "Einschüchterung" oder "disziplinarische Maßnahme" will er das Dienstgespräch "ausdrücklich nicht" verstanden wissen.

Dafür, dass er ausdrücklich keiner ist, wirkt der Nicht-Maulkorb ziemlich gut: Pfarrer Frielinghaus hat angekündigt, vorerst keine Interviews mehr zu geben.
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#2
Timm

Timm

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"Hier stehe ich, ich kann nicht anders."

Dieser Satz gilt nur für den Gründer dieser Kirche, der sich vielleicht im Grab umdrehen würde, wenn er wüsste was aus ihr geworden ist. Für die Mitarbeiter/innen gilt dieser Satz nicht. Ein Pastor wird zum Dienstgespräch einbestellt, ein nichtklerikaler Mitarbeiter wäre entlassen, in den vorzeitigen Ruhestand oder zum Aktensortieren in den Keller verbannt worden.

Aber vielleicht winkt Herrn Frielinghaus ja bald (in 2 bis 3 Jahren - die lutherische Kirche kann sehr nachtragend sein) eine neue Stelle in der brandenburgischen Provinz? Vorzugsweise mit einer verfallenden Kirche oder einem zu gründenden Verein zur Förderung der Kirchenmusik, einem Fundraising-Ausschuss oder der drohenden Übernahme eines Kindergartens in kirchlicher Trägerschaft. Das wäre doch genug Ärgerpotential um den Mann ruhig zu stellen.

Im 19. Jahrhundert wurden missliebige lutherische Pastoren noch nach Nordamerika entsorgt, heute bietet sich die ostdeutsche Provinz an. Wenn in der dortrigen Gemeindevertretung dann auch noch viele Mitglieder der Linkspartei sitzen, dann dürfte sich das Engagement der Pastoren bald auf nichtkirchliche Themen beschränken und die Kirchenleitung hat einen Querulanten weniger.
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