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Heiliges Wasser


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Heiliges Wasser





Von Dirk Schümer


Heiliges Wasser in Venedig

07. Januar 2009 Jedes Jahr am 6. Januar findet in Venedig um die Mittagszeit ein geheimnisvolles Ritual statt. Es öffnen sich die Tore der orthodoxen Kirche San Giorgio dei Greci, heraus schreiten einige Popen und nehmen Aufstellung am Kanal. Wie jede Kirche in Venedig verfügt San Giorgio über eine Bootszufahrt. In diesem Jahr ist der Steg festlich mit gelben Wimpeln geschmückt, auf denen ein schwarzer Adler prangt: das Wappen des byzantinischen Kaisertums, dem die Venezianer im Jahr 1204 mit der Eroberung von Konstantinopel einen ersten Todesstoß zugefügt haben. Aber das ist an diesem eisigen 6. Januar wenn nicht vergessen, so doch vergeben.

Die vier Popen stehen unter den byzantinischen Wimpeln und singen feierlich, ein Akolyth hält ein Messbuch in vergoldetem Einband, ein paar Dutzend Gläubige sind mit herausgeeilt. Als direkter Nachbar habe ich mich mit Fotoapparat und dickem Schal ans offene Fenster gestellt: Es kommt die Weihe des Wassers. Wie immer hat die Gemeinde die Feier in ihrem Mitteilungsblatt angekündigt: "La santificazione delle acque" oder, wahlweise auf Rumänisch: "Sfintirea apei mari", was korrekter übersetzt die "Heiligung des großen Wassers" bedeutet. Venedig ist der adäquate Ort, um diesen uralten Brauch zu begehen - wenn auch der Canale dei Greci nicht gerade nach heiligem Wasser aussieht oder gar riecht:

Algen haften an den Fundamenten, und in diesen kalten Januartagen wirkt die grünliche Flüssigkeit in der Lagune nicht unbedingt appetitlich. Doch vielleicht ist genau das der Grund, das arme Wasser in die Gebete einzuschließen. Die festlich gewandeten Popen stehen also am Bootsanleger. An der Spitze der Metropolit der italienischen Orthodoxie mit einer imposanten goldenen Krone. Es gibt kaum eindrucksvollere Erscheinungsformen der Liturgie als orthodoxe Gesänge bei hohen kirchlichen Festen - und am 6. Januar beginnt nach dem julianischen Kalender der Heilige Abend. Es ist da besonders bewegend, in einem geisterhaft grauen und menschenleeren Venedig die Stimmen der Popen über das Wasser wehen zu hören, wo sie die eisige Bora dann fortträgt.

Bis auf die Adria? Bis nach Griechenland? Irgendwann greift der Metropolit ein kleines Goldkreuz, schleudert es fast unwillig in den Kanal, ein Helfer zieht es blitzschnell wieder heraus. Es geht alles so schnell, dass ich den Moment mit meiner Kamera verpasse. Und der Metropolit, der sich in seinem Segen wohl gestört fühlt, blitzt mit den Augen böse zu meinem Fenster hoch. Doch das war nur ein Missverständnis. Ich ging hinüber. In San Giorgio war die Messe vorbei, aber immer noch füllten Gläubige aus einem Riesenkessel geweihtes Wasser in kleine Plastikflaschen. Ich zündete zwei Kerzen an. Eine für die Gesundheit aller meiner Freunde. Die andere für das große Wasser in den Kanälen von Venedig.



Text: F.A.Z.


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