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Gender Mainstreaming: Gefahr oder Windmühle?


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Rolf

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Gender Mainstreaming: Gefahr oder Windmühle?






Wir haben in dieser Woche in der Redaktion heiß über den Begriff “Gender Mainstreaming” diskutiert.

Denn in der neuen Ausgabe das Medienmagzin Pro ist ein Artikel darüber abgedruckt. Und irgendwie wusste niemand so recht etwas mit der Energie anzufangen, mit der von verschiedenen Seiten gegen Gender Mainstreaming zu Felde gezogen wird.

Auf der anderen Seite erschöpfte sich unser konzentriertes Fachwissen zugegebenermaßen in ein paar (etwas wirren) Zeitungsartikeln und wilden Gerüchten von amputierten Geschlechtsteilen mit Selbstmordfolge. Und da wir uns einig waren, dass das irgendwie nicht alles sein kann, habe ich mich mal ein wenig auf Spurensuche begeben.

Folgendes ist dabei herausgekommen und am Schluß wage ich mal einen Versuch einer Interpretation - ganz ohne Anspruch auf Letztgültigkeit. Einfach ein Bauchgefühl.

Aber vielleicht können wir ja darüber ins Gespräch kommen und gemeinsam die Wahrheit frei schaufeln.

Die Regierung


Wikipedia sagt:

Davon ausgehend, dass es keine geschlechtsneutrale Wirklichkeit gibt, ist Gender Mainstreaming laut Bundesministerium [...] ein Auftrag an die Spitze einer Verwaltung, einer Organisation, eines Unternehmens und an alle Beschäftigten, die unterschiedlichen Interessen und Lebenssituationen von Frauen und Männern in der Struktur, in der Gestaltung von Prozessen und Arbeitsabläufen, in den Ergebnissen und Produkten, in der Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit und in der Steuerung (Controlling) von vornherein zu berücksichtigen, um das Ziel der Gleichstellung von Frauen und Männern effektiv verwirklichen zu können.

Wenn man der Bundesregierung glauben schenken mag, dann stecken hinter der Vokabel “Gender Mainstreaming” also folgende Erkenntnisse:

Erkenntnis: Männer und Frauen sind unterschiedlich
Erkenntnis: Will man die Gleichstellung von Männern und Frauen erreichen (also gleiche Berufschancen, gleiche Bildungschancen, gleiche Wertigkeit nicht nur auf dem Papier sondern auch in der Realität), dann reicht es nicht, pauschal Frauen zu fördern, wie das in der Vergangenheit der Fall war.Man muss vielmehr bewusst auf die jeweiligen (unterschiedlichen) Situationen und Bedürfnisse eingehen und entsprechend angepasste Angebote machen. Das bedeutet zum Beispiel, nicht nur Frauen den Wiedereinstieg in den Beruf zu erleichtern, sondern auch Männern das Nehmen von Elternzeit zu ermöglichen.

Erkenntnis: Wenn man von vornherein auf diese Dinge achtet, erreicht man das Ziel leichter.

Das ist alles recht einsichtig, weswegen die Einführung des Konzeptes durch die Regierung Schröder im Jahr 2000 auch nicht auf nennenswerte Resonanz gestoßen ist. Die aufgeführten Erkenntnisse sind für jeden Mitteleuropäer - vorbehaltlich er befürwortet grundsätzlich die Gleichstellung von Mann und Frau - eine Selbstverständlichkeit.

Die Kritik

Die Kritik an Gender Mainstreaming dreht sich hauptsächlich um die These, dass Ziel sei die Auflösung der Geschlechtsunterschiede im sozialen wie biologischen Sinne.

Zitat:

Vielmehr behauptet „Gender” in letzter Konsequenz, daß es biologisches Geschlecht nicht gebe. Die Einteilung der Neugeborenen in Jungen und Mädchen sei Willkür, ebensowohl könnte man sie auch nach ganz anderen Gesichtspunkten unterscheiden, etwa in Große und Kleine. Daher liege bereits in der Annahme der Existenz von Geschlecht eine letztlich gewalthafte Zuweisung von Identität: die „heterosexuelle Matrix”.

Diese verschwörerische Interpretation formuliert Volker Zastrow, Politikchef der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung und gleichzeitig der prominenteste Kritiker von Gender Mainstreaming. 2006 schrieb er das Buch “Gender - Politische Geschlechtsumwandlung” und setzte sich damit an die Spitze der Gegenbewegung, die zu diesem Zeitpunkt langsam an Fahrt gewann.

Im gleichnamigen FAZ-Artikel entwirft er eine lange Geschichte des Gender-Begriffs und führt ihn mit teilweise ziemlich waghalsigen Verknüpfungen auf die radikalen Strömungen der frühen Schwulen- und Lesbenbewegung zurück. Dort, wo noch verkündet wurde, dass jede Frau…

“…von Natur aus bisexuell ist und dass allein der Rollendrill mit der damit verbundenen Fixierung auf den Mann bei den meisten Frauen homoerotische Neigungen verschüttet” (Barbara Schleicher im “Vorwärts”).

Und bei Simone de Beauvoir heißt es analog:

„Man kommt nicht als Frau auf die Welt, man wird es.”

Daneben taucht als erschreckendes Beispiel immer wieder der Name Bruce Reimer auf, der 1967 als Zwilling geboren wurde. Sein Glied wurde bei einer OP so schwer verletzt, dass man es ihm amputieren musste. Der amerikanische Psychologe John Money nahm sich daraufhin des Jungen an und operierte ihn mit zwei Jahren Monaten kurzerhand zum Mädchen um.

Moneys sah in dem Fall seine große Chance, anhand der unterschiedlichen Entwicklung von Bruce und seinem Zwillingsbruder zu beweisen, dass Geschlecht nicht angeboren, sondern anerzogen sei. Am Schluss mündete Bruce trauriges Schicksal in einem Selbstmord.

Auch kommt in der Argumentation der Kritiker immer wieder ein Artikel aus dem Spiegel vor, in dem René Pfister 2006 einige Entgleisungen im Namen des Gender Mainstreaming benannte. So die Aktivitäten des Berliner Vereins “Dissens“. Pfister beschreibt dem Leser eine Situation im Rahmen einer Projektwoche mit Jungs in Marzahn: Die Jungs sollten in einem “Vorurteilswettbewerb” darüber diskutieren, ob Mädchen im Stehen pinkeln und Jungs Gefühle zeigen können. “Am Ende”, so protokolliert der Spiegel, “warfen die beiden Dissens-Leute einem besonders selbstbewussten Jungen vor, dass er eine Scheide habe und nur so tue, als sei er ein Junge”. Über den Zusammenhang dieses Einwurfs wird der Leser leider im Dunkeln gelassen.

Wir merken: Insgesamt tun sich die Kritiker schwer, ihre Kritik in Worte zu fassen. Stattdessen wird tief in der Gruselkiste gewühlt, um mit Schreck-Geschichten von Geschlechtsumwandlungen Zweijähriger und möglichst vielen Worten ein negatives Bild von Gender Mainstreaming zu zeichnen.

Für den unbedarften Leser ist es allerdings schwer zu beurteilen, welches Zitat nicht aus dem Zusammenhang gerissen ist und in welchem Maße Vermutungen als Tatsachen dargestellt werden.

Der Versuch einer Interpretation

Aus dieser Quellenlage wage ich mich mal folgende Interpretation:

Sicherlich hat der Gender-Begriff kuriose Wurzeln. (Genauso übrigens wie die Umweltbewegung, man erinnere sich nur an die ersten Grünen Parteitage und deren Forderungen. Teilweise lachen die Grünen selbst darüber, teilweise setzen wir sie heute unter dem Begriff “Bewahrung der Schöpfung” auch als Christen ganz selbstverständlich um.)

Das allerdings, was wir heute “Gender Mainstreaming” nennen, hat nichts mit der Abschaffung von Geschlechtern oder mit der Verneinung der eigenen Geschlechtsidentität bis hin zur sexuellen Umerziehung zu tun. Und auch, wenn wie bei allen ideologischen Großprojekten einige über das Ziel hinaus schießen und sicherlich viele Interessensgruppe ihre Chancen wahrnehmen und im Fahrtwind von GM Morgenluft schnuppern… das Gros der Förderer, darunter natürlich auch die Familienministerin, bleibt doch auf einer ganz geerdeten, sehr pragmatischen Ebene.

Und dass die Bundesregierung - egal ob Schröder, der das Konzept in die Bundespolitik eingeführt hat oder Merkel, die diese Politik fortsetzt - die geschlechtliche Polarität abschaffen will, halte ich für eine ziemlich gewagte Annahme.

Weil aber die Kritik so nebulös bleibt, drängt sich mir der Verdacht auf, der Griff zu den Extremen ist nötig, weil der eigentliche Stein des Anstoßes nicht im Gender Mainstreaming selbst, sondern in den ganz alltäglichen gesellschaftlichen Konsequenzen liegt, die es nach sich zieht. Und die sind natürlich ein beträchtliches Ärgernis für konservativ orientierte Menschen.

Zum Beispiel ist da die Auflösung des traditionellen (vermeintlich christlichen) Familienbildes vom Mann als Versorger und der Frau als Erzieherin, wenn Männer mehr und mehr Lust empfinden, den Haushalt zu schmeißen und die Frau das Geld verdienen zu lassen.

Oder da ist die erwartete Angleichung der Wertigkeit von klassischen Familien und gleichgeschlechtlichen Partnerschaften, wenn die sozialen Unterschiede zwischen Männern und Frauen und damit - so wird befürchtet - die Rolle der klassischen Familie nach und nach aufgehoben werden.

Das alles mag stimmen und wäre eine eingehende Diskussion wert. Aber der Kampf gegen Gender Mainstreaming im Speziellen bleibt nach meinem Empfinden ein Kampf gegen Windmühlen.

Wenn die Kritiker sachlich, konkret und offen argumentieren würden, könnte man bestimmt auch ernsthaft miteinander über das Thema ins Gespräch kommen. Solange aber eher nebulöse Ängste geschürt und mit vielen Worten wilde Zusammenhänge hergestellt werden, finde ich es schwierig, auf diese Kritik zu reagieren.

So bleibt mir bis dahin nur die Annahme, dass die Bundesregierung mit Gender Mainstreaming das meint, was sie sagt. Nämlich…

“…bei allen gesellschaftlichen Vorhaben die unterschiedlichen Lebenssituationen und Interessen von Frauen und Männern von vornherein und regelmäßig zu berücksichtigen, da es keine geschlechtsneutrale Wirklichkeit gibt.” (

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)

Und? Was denkt ihr? Stimmt diese Interpretation eurer Meinung nach?




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