Zum Inhalt wechseln

Welcome to Irrglaube und Wahrheit
Register now to gain access to all of our features. Once registered and logged in, you will be able to create topics, post replies to existing threads, give reputation to your fellow members, get your own private messenger, post status updates, manage your profile and so much more. If you already have an account, login here - otherwise create an account for free today!
Foto

nach Sekte Psychosen und Selbstmord


  • Bitte melde dich an um zu Antworten
Keine Antworten in diesem Thema

#1
keine Hoffung mehr

keine Hoffung mehr

    Advanced Member

  • Mitglied
  • PIPPIPPIP
  • 1758 Beiträge
Kennt jemand ähnlcihe Schicksaale ?

Hat es jemals strafrechtliche Konsequenzen bei solchen schweren Folgen gegeben ?



-------------

Traumatische Sektenerlebnisse wirken selbstzerstörerisch
Das tragische Beispiel eines Scientologen zeigt, daß die Indoktri-nation traumatische Prägungen verursachen und psychische Ex-tremreaktionen auslösen kann. Die Tiefenwirkung der Psycho-mampulation ist geeignet, selbstzerstörensche Persönlichkeits-veränderungen herbeizuführen.
Hauptperson des Sektenschicksals aus dem Jahr 1992 ist der damals 34Jährige B., der in klassischer Weise über ein Inserat mit dem Titel »Sie nutzen nur zehn Prozent Ihres geistigen Potenti-als« stolperte. Das darin angepriesene Buch der »Dianetik-Bera-tung« kannte er nicht, und er hatte keine Ahnung, daß Scientolo-gy ihn mit dem angeblich von Albert Einstein stammenden Satz köderte. Erwartungsvoll bestellte er im Sommer 1989 das Diane-tik-Buch, das ihm einen Intelligenzzuwachs versprach. Er erhielt nicht nur das Buch vom Scientology-Zentrum, sondern auch mehrere Telefonanrufe. Eine freundliche Scientologin überredete ihn, ins Zentrum zu kommen und den Persönlichkeitstest auszu-füllen.
Der fröhliche, etwas leichtgläubige Mann ließ sich von der Testauswerterin einschüchtern. Sie zeichnete ein Horrorszenario über seine Persönlichkeitsstruktur und jagte ihm Angst ein. Le-diglich in zwei von zehn Testpunkten kletterte seine Kurve in den positiven Bereich. In drei Aspekten zeigte die Auswertung die tiefstmöglichen Ergebnisse. In seiner Panik über das verhee-rende Resultat unterschrieb er den ersten Kursvertrag und starte-te die erste Lektion am gleichen Tag.
Um dem angeblich drohenden psychischen Unheil zu entge-hen, »studierte« B. viermal pro Woche. Auf Anraten der Sciento-logen verheimlichte er der Mutter, bei der er regelmäßig zum Nachtessen eingeladen war, daß er Kurse im Scientology-Zen-trum besuchte. Nach dem Kommunikationskurs buchte er für 3400 Franken (ohne Saunagebühr und Medikamente) den Purifi-
cation-Rundown, die Sauna-Schwitzkur. Obwohl er bei der täg-lich bis zu vierstündigen Sauna stets unter höllischen Kopf-schmerzen litt, mußte er auf Geheiß seiner Beraterin die mehr-wöchige Kur fortführen.
Anschließend verschrieb ihm der Registrar, der Chefverkäu-fer, Auditingstunden, die eigentliche Scientology-Therapie, bei der die umstrittene Befragungstechnik angewendet wird. Für 37,5 Stunden sollte er - nach Abzug von 30 Prozent Rabatt -14 700 Franken in die Scientology-Kasse zahlen. Er wurde massiv bearbeitet und unterschrieb widerwillig einen Scientology-Check über 50 ooo Franken. Er hinterlegte seine Lebensversiche-rung bei der Bank und erhielt vorerst ein Darlehen von 20000 Franken.
Das Auditing brachte nicht die erhofften und versprochenen Gewinne, weshalb er noch mehr an seinen Fähigkeiten zu zwei-feln begann. In dieser Gemütsverfassung konnte er dem Regi-strar, der ihm den nächsten Vertrag unter die Nase hielt, keinen Widerstand leisten, und er unterschrieb den nächsten Kurs, den »Hubbard Qualified Scientologist«.
Seelische Not als positive Entwicklung interpretiert
Bald kam der Mann nicht mehr klar mit sich. Ängste verfolgten ihn, er hatte seine Gefühle nicht mehr unter Kontrolle. Unange-meldet ging er ms Scientology-Zentrum und sagte, wie er später in sein Notizbuch schrieb, dem Fallüberwacher: »Was habt ihr mit mir gemacht? Etwas stimmt nicht mehr mit mir.« Dieser erkannte die seelische Not des verzweifelten Scientology-Mit-gliedes nicht und entgegnete: »Was hast du denn? Jetzt bist du der richtige B., du bist endlich aus dir herausgekommen.«
Die Fehleinschätzung des Scientology-Mitarbeiters ist ebenso bezeichnend wie fatal. Die durch die Indoktrination verursachte Wesensveränderung interpretierte er zwangsläufig als Durch-bruch in der Persönlichkeitsentwicklung. Für einen Scientologen ist es schlicht undenkbar, daß die Hubbard-Kurse negative Ef- fekte bewirken können. Da die Auditoren ideologisch verblendet und selbst indoktriniert sind, interpretieren sie jede psychische Veränderung zwangsläufig als Ausdruck einer seelischen oder eben thetanischen Genesung. Der absolute Glaube an die Funk-tionstüchtigkeit der Hubbard-Technologie führt dazu, daß das Auditing allen Preclears, also den zu Klärenden, uniform appli-ziert wird. Deshalb konnten die Scientologen gar nicht realisie-ren, daß B. in eine psychische Krise stürzte. Selbst wenn ein Auditor einfühlsam gewesen wäre und bemerkt hätte, daß sein Klient seelisch zu leiden begann, hätte er keine Möglichkeit ge-habt, ihm wirklich zu helfen: Das starre Therapiekonzept gibt den Kursleitern keinen Spielraum für eine individuelle Betreu-ung. Die Technologie muß standardgemäß angewendet werden, wie es in der Hubbard-Terminologie heißt, selbst wenn ein Klient offensichtlich schnurgerade auf eine Psychose zusteuert.
B. durchlitt extreme Stimmungsschwankungen, wie sie typisch sein können für Leute, die psychische Auffälligkeiten zeigen. Wahrnehmungsverschiebungen und Gefühle extremer Angst lö-sten sich mit euphorischen Erlebnissen ab. »Was ich da erlebte, kann ich fast nicht beschreiben«, vertraute er später seinem No-tizbuch an. »Ich lag auf dem Bett und wollte mir ein Leid antun. Ich dachte an das Sturmgewehr, das neben dem Schrank stand, und die Munition im Militärrucksack. Ich mußte alle Kräfte sam-meln, um mich beherrschen zu können.« Wenige Tage danach fiel er erneut in ein schwarzes Loch und flüchtete zur Mutter. Er klagte über starke Kopfschmerzen und legte sich auf das Sofa. »Plötzlich bekam er Krämpfe am ganzen Körper. Er krümmte und wälzte sich«, schilderte die Mutter den Vorfall. »Für mich ist es Zeit, ich muß gehen,« sagte er ihr. Dabei verdrehte er die Augen und fiel, von Krämpfen geschüttelt, vom Sofa.
Der Notarzt bestellte ein Krankenauto, B. wehrte sich mit allen Kräften gegen die Einlieferung in die psychiatrische Klinik. »Im Dianetik-Zentrum haben sie gesagt, in der Klinik würde ich Elektroschocks bekommen«, erklärte er. B. erholte sich relativ rasch und konnte nach zwei Wochen die Klinik verlassen. Er beschloß den Austritt aus Scientology und schrieb ins Tagebuch: »Mich habt ihr nicht mehr in eurer Gewalt.«
Doch damit hatte er sich über- und Scientology unterschätzt. Die Mitarbeiter ließen ihn nicht in Ruhe, riefen häufig an und schick-ten ihm Briefe. B. wurde zunehmend von Verfolgungsängsten bedrängt, die sich immer tiefer in seine Seele fraßen. »Ich gehe nicht mehr hinaus, die Scientologen lauern mir auf«, vertraute er später dem Notizbuch an. Und in einem Brief ans Dianetik-Zentrum schrieb er: »Falls Sie nicht augenblicklich mit dem psy-chischen Druck aufhören, werde ich diese Angelegenheit dem Rechtsanwalt übergeben.«
Die Scientologen ließen jedoch nicht locker. Anonyme Post, die er den Scientologen zuschrieb, fuhr ihm in die Knochen. Sie enthielt das Horrorbild eines dämonischen Geistheilers, der über einen gefesselten Patienten gebeugt war und ein schwarzmagi-sches Ritual zelebrierte. Darüber stand handschriftlich: »Wir ho-len Dich!« Kopfweh, Schlafstörungen und Selbstmordgedanken folgten in immer kürzeren Abständen, B. flüchtete mehrmals freiwillig in die psychiatrische Klinik oder mußte notfallmäßig eingeliefert werden.
Verzweiflungstat am Rand des Ahgrunds
Eines Tages rief B. seine Mutter an. Seine Stimme verriet ihr, daß er sich dem Abgrund entlang bewegte. Sie beschwor ihren Sohn, sofort zu ihr zu kommen. Als er ausblieb, schaute sie draußen nach. Blutüberströmt kam er ihr aus dem Wald entgegen. Mit einem gebrochenen Sprunggelenk, einem gebrochenen Ellenbo-gen, einem Muskelriß am Arm und drei gestauchten Lendenwir-beln war er in einer Art Trance einen Kilometer weit marschiert. B- war mit übersetzter Geschwindigkeit in ein Brückengeländer gerast. Bremsspuren fand die Polizei nicht. Zwei Ärzte der psychiatrischen Klinik diagnostizierten in einem Gutachten eine schizophrene Psychose, hervorgerufen durch den Druck einer religiösen Gemeinschaft. B.'s Zurechnungsfähigkeit sei zum Zeitpunkt des Unfalls vollständig aufgehoben gewesen. Im Kran-kenhaus verriet er einem Arzt, die Scientologen hätten ihn in den Unfall getrieben. Er starrte unaufhörlich zur Decke, verschwieg die höllischen Schmerzen und sagte eines Tages zur Mutter: »Die Scientologen haben mich, sie sind an mir dran.«
Als sich B.'s Schwester weigerte, den Scientologen den Auf-enthaltsort ihres Bruders bekanntzugeben, drohten sie mit der Polizei. B. hatte während drei Monaten vergeblich versucht, sei-ne Kursgelder zurückzufordern. Nach der Entlassung aus dem Krankenhaus schaltete er einen Anwalt ein und wollte das Diane-tik-Zentrum wegen psychischer Schädigung einklagen und Scha-denersatz fordern. Der Anwalt beauftragte Professor Hans Kind, den ehemaligen Direktor der Psychiatrischen Poliklinik an der Universität Zürich und Spezialist für Kultfragen, ein Gutachten über B. zu verfassen. Der Psychiater kam nach längeren Untersu-chungen zu dem Schluß, die Erlebnisse im Rahmen von Sciento-logy müßten als Auslöser für seine Psychose angesehen werden. Sein Befund: »Ein Knick in der Lebenslinie war aber früher nie zu beobachten. Zu einer »Entgleisung« kam es erst im letzten Herbst, als der Patient in die Fänge der Scientology Church geraten war.« Kind machte eine akute schizophrene Psychose, Depersonalisations- und Derealisierungserlebnisse aus. Der Pa-tient habe sich von den Scientologen manipuliert gefühlt und sei von Suizidgedanken bedrängt worden. »Er steigerte sich so weit in diese Todesangst hinein, daß es zu hyperventilationstetani-schen Krämpfen kam, welche den Anlaß zur ersten Hospitalisie-rung gaben«, schrieb der Gutachter.
Laut Kind war der Kontakt mit dem Gedankengut und der Praxis von Scientology der auslösende Faktor der schizophrenen Psychose. Einen ungünstigen Einfluß hatte auch die unqualifi-zierte Aussage der Testauswerterin, »indem seine Minderwertig-keitsgefühle bis zu Suizidabsichten verstärkt wurden«, schrieb der Psychiatrie-Professor und ergänzte: »Nur ein völlig unbe-kümmerter Mensch, dem elementare Kenntnisse des menschli-chen Seelenlebens abgehen, kann so reagieren.« Kind wies auf ein früheres Gutachten hin, in dem er festgehalten hatte, daß die scientologische Behandlung für labile und selbstunsichere Men-schen eine Gefahr bedeute, weil sie zu Depressionen und psy-chotischen Zusammenbrüchen führen könne.
Nach dem Unfall vegetierte B. teilnahmslos dahin. Die Schwe-ster erinnerte sich nicht, ihn jemals wieder lachen gesehen zu haben. Eines Morgens fand die Mutter einen Brief auf dem Kü-chentisch. Für ihn habe das Leben keinen Sinn mehr, las sie. »Wahrscheinlich denken die Leute, ich sei ein Feigling, daß ich einfach Abschied nehme, aber ich will den ändern nicht mehr zur Last fallen«, endete der Brief. Die Schwester und der Bruder von B. suchten die Umgebung ab und entdeckten bei einer Brücke sein Auto. Sie wagten es nicht, in die Tiefe zu schauen und fuhren zur Polizei. Die schlimmste Befürchtung wurde zur Ge-wißheit: »Die Brücke zur Freiheit« ist für B. zur Brücke in den Tod geworden.
Professor Kind wertete die Erfahrungen der Klinikärzte aus und ergänzte sein Gutachten: »Er fühlte sich von Scientologen durch halluzinierte Stimmen manipuliert, ja zum Suizid ge-drängt.« In der Klinik hatte B. erklärt, die Stimmen würden ihm eingeben, von der Brücke zu springen. Deshalb sei es fast zwin-gend, daß der Selbstmord unter dem Einfluß des psychotischen Erlebens geschehen sei, meinte Kind und schrieb wörtlich: »In-sofern besteht ein deutlicher Zusammenhang zwischen dem Kontakt mit Scientology, der Psychose und dem Suizid.«


Quelle : Hugo Stamm „ Sekten“
  • 0