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Ukraine - Neue charismatische Sekte


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#1
Rolf

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Sendung vom 03.09.2006 (WDR)


Ukraine
Hilfe von Gott



Sonntag Nachmittag in Kiew. Auf den Stühlen hält es hier keine: Singen und Tanzen fürs Seelenheil. Es hat was von einem Rockkonzert – inklusive Superstar auf der Bühne. Den verehren sie hier alle. Sunday Adelaja nennt sich Pastor und kommt aus Nigeria. Ausgerechnet in der orthodox gläubigen Ukraine hat er vor zehn Jahren eine neue Kirche gegründet – und versetzt seitdem regelmäßig einen ganze Sporthalle in Ekstase. Die Seele reinigen, Jesus finden, und dabei beinahe in Trance geraten.
Pastor Sunday nennt seine Kirche „Botschaft des Königreichs Gottes“. Allein in Kiew, sagt er, gebe es schon fünfundzwanzigtausend Mitglieder. Auch die Kubyshkins gehören dazu. Natalja und ihr Mann Viktor verpassen keine Predigt. Bei Pastor Sunday fällt die meistens aus wie eine Unterrichtsstunde. „Brüder und Schwester, woran erkennt ihr einen Gottesfürchtigen? Nicht daran, dass er hierherkommt. Nicht daran, dass er mich persönlich kennt. Ihr erkennt ihn an seinen Taten.“
Den kleinen Samuil haben die Kubyshkins vor einem halben Jahr adoptiert. Sie sind Patrioten – und Anhänger der neuen Kirche. Das passt sehr gut zusammen, finden sie. Sie waren mit ihren beiden großen Töchtern bei der orangenen Revolution dabei, sie sind stolz auf ihr neues demokratisches Land. Der (selbsternannte) Pastor ist immer dabei, auch zuhause bei den Kubyschkins. Er ist unser Vorbild, sagen sie. In seiner Kirche sind sie seit sieben Jahren. Auch die Töchter machen mit. Kein Alkohol, keine Zigaretten, kein Sex vor der Ehe. Und noch etwas gehört in ihrer Kirche zum gottesfürchtigen Leben: erfolgreich sein und Geld verdienen.
„Ich bin im Klub der tausend Millionäre, sagt Viktor. Unser Pastor hat den Klub gegründet. Wir wollen alle in spätestens zwei, drei Jahren Millionäre sein. Ich bin sicher, ich schaffe es. Denn wer erfolgreich ist, der gefällt Gott.“
Viktor will mit Betten aus Korea reich werden. Voll mit heilenden Steinen, Infrarotstrahlen und verborgener Energie. Man muss nur daran glauben. Bevor die interessierte Kundschaft probeliegen darf, gibt es Anatomie-Unterricht. Und die richtige mentale Einstimmung.
Karaoke gehört zum Geschäftskonzept im Gesundheitsbettensalon: Singen öffnet die Seelen.
Der Salon gehört einem Anhänger von Pastor Sunday, Viktor arbeitet als Geschäftsführer. Er hat bereits ein ganzes Netz dieser Bettenläden eröffnet. Probeliegen ist kostenlos, man darf auch mehrmals kommen. Etwa zweieinhalb tausend Euro kostet ein Wunderbett. Das Geld ist gut angelegt, sagt Viktor. Denn wer so ein Bett kauft, kann es dann stundenweise vermieten und selbst reich werden.
„Hier in diesem Salon bauen wir die neue Ukraine. Wir trinken Wasser statt Wodka, wir wollen ein Land mit gesunden Menschen. Glauben Sie mir, die Leute kommen in unseren Salon, und schon nach der ersten Stunde geht es ihnen besser. Nach ein paar Mal Liegen werfen die einen ihre Krücken weg, und Kurzsichtige sehen auf einmal alles scharf.“
Wunder sind auch der orthodoxen Kirche nicht fremd – aber Pastor Sunday und seine Jünger treiben es eindeutig zu weit, findet man hier. Feiertagsmesse in der Kiewer Wladimir-Kathedrale. Seit mehr als 1000 Jahren sind die Ukrainer Christen. In der Sowjetzeit war die Kirche verfolgt, doch heute herrscht von der Verfassung garantierte Religionsfreiheit.
Zwar bekennen sich die meisten zum orthodoxen Glauben – aber Freikirchen und Sekten haben großen Zulauf. Vor allem jungen Leute können mit den alten orthodoxen Traditionen wenig anfangen. Und Filaret, Oberhaupt der Kiewer orthodoxen Kirche, bangt um seine Schäfchen. Für ihn sind neue Kirchen wie die von Sunday Adelaja Teufelszeugs.
„Wenn sie missionieren wollen, dann sollen sie das bei sich zuhause tun. Der große afrikanische Kontinent bietet ein weites Tätigkeitsfeld für solche wie Sunday Adelaja. Aber er ist hier und nutzt unsere viel zu liberalen Religionsgesetze aus. Mit Christentum hat das nichts zu tun, das ist eine totalitäre Sekte“

Sunday Adelaja hat im ganzen Land Gemeinden gegründet. Und weil er nicht überall gleichzeitig sein kann, hält er regelmäßig Audienzen im Internet. Gerade will jemand wissen, ob man unchristliche Musik hören darf. Kommt auf den Inhalt an, antwortet Sunday. Die Assistentin tippt es gleich ins Reine. Am liebsten würde Sunday auch den Russen dabei helfen, Jesus zu finden. Aber dort hat er Einreiseverbot.
„Na klar, sagt er, wenn Kirchen wie unsere auch in Russland wachsen, dann verlieren die im Kreml doch die Kontrolle. Weil die Leute bei uns lernen, frei zu sein. Sie haben keine Angst mehr vor den Mächtigen, sondern nur noch vor Gott. Und wenn du die Staatsmacht nicht fürchtest, dann bist du nicht mehr beherrschbar. So einfach ist das. Die haben Angst vor uns.“
Den Sportsaal im Osten von Kiew füllt Pastor Sunday mühelos. Auch Geldsorgen hat die Kirche keine: ein Zehntel des Einkommens solle jeder geben, wenn er kann. Und die meisten machen es. Auch Spenden gehört zum gottesfürchtigen Leben dazu.


Bericht Ina Ruck
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