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Wie gründe ich eine Sekte?


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Rolf

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Wie gründe ich eine Sekte?






Zu dieser Frage gibt es ein Buch von Ralf Lehnert: So gründen Sie eine Sekte. Verlag Gudrun Anders, Aachen 2001.

Offensichtlich hatte der Autor die Intention, in satirischer Weise Hintergründe, Strukturen, Funktionsweisen von sektenartigen Gruppen darzustellen. Das ist ihm auch streckenweise gelungen. Man erfährt tatsächlich im Stil einer Art Gebrauchsanweisung, was es Alles braucht, um ein erfolgreicher Guru (eine Gurvi) zu werden. Erfolg bedeutet, ganz klar, "exorbitante Gewinnspannen": "Wofür machen Sie das alles? Richtig: Verlieren Sie nicht das Ziel aus den Augen: Für Geld, für sehr viel Geld. Dabei funktioniert die wirtschaftliche Seite einer Sekte nicht anders als bei einem anderen gewinnorientierten Betrieb." (S. 90)

Lehnert stellt, in einem halb sarkastischen, halb aber auch einfach deskriptiven Stil die wichtigsten Strukturelemente einer autoritären Gruppe dar: Hierarchie und Führerbezogenheit, Rund-um-die-Uhr-Ausbeutung, Destruktion der Persönlichkeit, Musik, Meditation, Askese, Speisevorschriften, Sexualität etc. als Mittel, das Neumitglied schuldbewusst und abhängig zu machen, Angstendenzen und Gesetzmissbrauch.

Und hier liegt auch eines der Probleme des Büchleins: Das Ganze ist ziemlich unstrukturiert aneinander gehängt. Schon das Inhaltsverzeichnis fällt durch diese mangelnde Gliederung auf. Nun könnte man ja argumentieren, dass es sich um eine Satire handelt und nicht um ein Aufklärungsbuch. Da führt zur zweiten Schwäche dieses Buches: Der teilweise ironische Stil, der Vorsatz zur Satire, werden nicht konsequent durchgehalten, an vielen Stellen vermisst man sogar die notwendige Distanz des Autors zum kritisierten Stoff: "Diese interessant anmutende Meditation wird auf dem freien Markt nicht so häufig angeboten wie etwa ... Zumeist wird diese Meditation den Schülern erst während einer Initiation und damit Beitritt zu einer Sekte gewährt." (S.43)

Lehnert erweckt den Eindruck, dass manche Gruppierungen, esoterischen Techniken oder spirituellen Inhalte vielleicht doch nicht so schlimm sind, andere, denen dann der Sarkasmus gebührt, aber schon. Nur erfährt man von ihm leider nicht, nach welchen Kriterien er denn nun das eine per Satire vernichtet, das andere durch einfache Beschreibung anerkennt. Das Referieren von Inhalten wird nicht klar und eindeutig von einer affirmativen Darstellung abgegrenzt.

Vermutlich leidet das Buch an jener Schwäche, welche typisch für Publikationen aus Kleinverlagen oder Verlagen aus einem eher alternativen Umfeld sind: Es wird kaum oder gar nicht lektoriert! Entweder mangels finanzieller und personeller Ressourcen oder auf Grund eines obskuren Anspruches, nicht in die kreative Freiheit von AutorInnen eingreifen zu wollen. Das ist sehr schade, denn eigentlich ist es eine gute Idee, sich diesem, oft ja auch ein bisschen dämonisierten, Thema mal locker zu nähern. Doch mehr Straffung, eine klare Gliederung und den langen Atem, einen Stil, den es nun mal für die Buchschreiberei braucht, auch mehr als 20 Seiten durchzuhalten, wäre der Sache dienlicher gewesen.

Trotzdem würde ich sagen: Besser als gar nichts! Insofern macht es
vielleicht doch Sinn, das Büchlein gefährdeten Jugendlichen, anfälligen FreundInnen oder Leuten, die gerne von einem Esoterik-Unglück in die nächste Psychofalle stolpern, auf den Geburtstagstisch zu legen.

Martina Schäfer

Quelle: Infosekten, 21.06.2004
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