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Jungen und Männer als Opfer von Gewalt


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Rolf

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Hans-Joachim Lenz

Spirale der Gewalt





Jungen und Männer als Opfer von Gewalt





Gewalt, so besagt eine landläufige These, geht hauptsächlich von Männern aus. Inzwischen weiß man, dass die meisten Täter ursprünglich auch Opfer von Gewalt waren. In Deutschland setzt sich die Erkenntnis trotz zunehmender Akzeptanz jedoch noch immer sehr zögerlich durch. Das Spektrum männlicher Gewalterfahrung reicht von sexuellem Missbrauch, körperlicher und seelischer Misshandlung, emotionaler Nötigung, Vernachlässigung im Säuglings– und Kleinkindalter bis zu Inzest, Prostitution und Pornografie. In der Öffentlichkeit wird das Thema weitgehend verdrängt, zudem sind Männer viel weniger als Frauen bereit, über erlittene Erfahrungen zu sprechen. Zur Spirale der Gewalt kommt eine Spirale des Schweigens.

Hans-Joachim Lenz will mit seinem Buch das Schweigen durchbrechen, in das nicht nur Betroffene verfallen, sondern das auch weitgehend dafür Zuständige betrifft: Ärzte, Juristen, Psychologen, Sozialarbeiter.

Im ersten Teil des Buches kommen Betroffene zu Wort, die über erlittene Gewalt berichten, aber auch Wege zur eigenen Verarbeitung der gemachten Erfahrungen aufzeigen. In einem zweiten Teil werden die Fallbeispiele medizinisch, psychologische und sozialpädagogisch interpretiert.

Dieses Buch ist jetzt auch im Vertrieb des Verlages

D – 12307 Berlin, Hohenzollernstr. 8,
Tel.: , Fax: ...05
oder Tel.: 030/76503106
E-Mail: jonglerie@gmx.de,
www.verlag-die-jonglerie.de

Hier können Sie es bestellen
228 Seiten, früher DM 24,80
jetzt nur noch € 8,00 (incl. Porto & Versand)



Hans-Joachim Lenz (Hrsg.)



Männliche Opfererfahrungen




Problemlagen und Hilfeansätze in der Männerberatung


Juventa, Weinheim/München 2000



Beratung ist eine traditionelle Aufgabe von Sozialarbeit. Geschlechtsspezifische Beratungsangebote Für Frauen gab es bereits in den 20er Jahren im Zusammenhang mit Ehe- und Sexualfragen. Ein ähnlich ausdifferenziertes Beratungsnetz Für Männer gibt es bislang nicht. Dies liegt daran, dass das Männliche als das Normale gilt, dass Männer insgesamt bislang weniger Beratungsbedarf anmelden und dass die speziellen männlichen Problemlagen bislang von Beratungseinrichtungen überhaupt nicht bzw. zu wenig wahrgenommen werden. Dem spezifischen Beratungsbedarf von Männern liegen die Widersprüche, Ambivalenzen und Konfliktlagen eines Lebens als Mann zugrunde. Bislang verschwinden die männlichen Gewalterfahrungen hinter den Geschlechterklischees. Damit auch die Notlagen von Männern erkannt werden, müssen männliche Gewalterfahrungen als soziales Problem öffentlich gemacht werden.

Die Perspektive dieses Bandes ist auf die blinden Flecken im gesellschaftlich-politischen Geschlechterdiskurs, in der allgemeinen psychosozialen Arbeit und speziell in der Beratung gerichtet. Sie zielt auf das Aufdecken wenig bekannter, teilweise verborgener männlicher Opfererfahrungen, versucht diese und deren Verdrängung im gesellschaftstheoretischen Kontext der Männergesellschaft zu verstehen und entwickelt Handlungsschritte daraus.

Aus dem Inhalt:

Grundlegendes: ... und wo bleibt die solidarische Kraft Für die gedemütigten Geschlechtsgenossen?" Männer als Opfer von Gewalt Hinführung zu einer (noch) verborgenen Problemstellung; Männer als Opfer ein paradigmatischer Versuch

Erfahrungen und Problemlagen männlicher Opfer: Pädosexualität ist sexueller Missbrauch: Gewalterfahrungen eines „geistig behinderten" Mannes; Gewalterfahrungen männlicher Klienten in einer ländlichen Eltern-, Jugend- und Familienberatungsstelle; Mit Widersprüchen loben lernen. Ergebnisse einer empirischen Studie über männliche Jugendliche in der Gruppe von Gleichaltrigen; Schwule als Opfer von ,,häuslicher Gewalt"; Väter - Opfer bei Trennung und Scheidung"

Ansätze zur Hilfe und Unterstützung: Die Suche nach Hilfe Zug zu geschlechtsspezifischen Hilfeangeboten Für männliche Opfer sexueller Gewalt; „... und dass ich dann frei bin." Psychotherapie mit einem Mann, der in seiner Kindheit missbraucht wurde; Opfererfahrungen von Klienten in der Beratung von Männern. Ergebnisse der Studie über Männerberatung als sozialpädagogisches Arbeitsfeld in der BRD; Konzeption der Psychosomatischen Therapie und Psychotherapie von (traumatisierten) Männern. Ein klinischer Arbeitsansatz Opfererfahrung und Transformation in der Beratung und Therapie mit Männern; Selbsthilfe - Ein taugliches Konzept Für Männer die als Junge Opfer sexualisierter Gewalt geworden sind? ,,Im Warteraum kann nichts passieren ; Phantasie im Erleben von männlichen Opfern sexueller Gewalt; Fort- und Weiterbildung zur sexualisierten Gewalt an und durch Jungen. Konzept und erste Erfahrungen eines Modellprojektes

Die Schwierigkeiten, männliche Opfer wahrzunehmen: Sexueller Missbrauch an Jungen: Wahrnehmungstabus bei Männern in der sozialen Arbeit und in der Sozialverwaltung; Der missbrauchte Mann im Kontext von Psychiatrie und Beratung. Fragmentarische Betrachtungen; Männliche Opfererfahrungen: Rollenklischees und Wahrnehmungsblockaden aus der Sicht eines Psychoanalytikers; „... und bei Männern ist noch nicht einmal klar, gibt es das überhaupt?"



Henri Julius u. Ulfert Böhme



Sexuelle Gewalt gegen Jungen




Verlag Für Angewandte Psychologie. Göttingen. 1997
ISBN 3-8017-1004-1


Sexuelle Gewalt gegen Jungen - das Thema des vorliegenden Buches ist ohne Zweifel außerordentlich aktuell und, verglichen mit mädchenspezifischen Untersuchungen zu dieser Thematik, noch relativ unerforscht.

Die Aktualität des Themas ist in weiten Bereichen der öffentlichen Diskussion durch ein beklagenswertes Maß an Emotionalität und Ideologisierung gekennzeichnet. Henri Julius und Ulfert Boehme verfassten ein Buch, welches der Polarisierung und übergroßen Emotionalität entgegenwirkt. Nüchtern werden die verfügbaren Forschungsergebnisse bezüglich des Ausmaßes, der Umstände sowie der Folgen sexuellen Missbrauchs an Jungen zusammengetragen und auf ihre Aussagekraft geprüft. Die Beschreibung der Folgen sexueller Gewalt erschöpft sich nicht in der Darstellung von Einzelsymptomen, sondern erfolgt im Kontext von Modellen und Theorien der psychischen Verarbeitung sexuellen Missbrauchs.

Das vorliegende Buch ist aus einer Verknüpfung von praktischer Beratungsarbeit mit sexuell missbrauchten Jungen und wissenschaftlicher Auseinandersetzung mit diesem Thema entstanden. Diese Verknüpfung prägt auch den Charakter des Buches, welches stets den Bogen zwischen Theorie und Praxis spannt. Es bietet sowohl beraterisch-therapeutisch als auch wissenschaftlich-forschenden Berufsgruppen eine differenzierte Analyse des Forschungsstandes zum sexuellen Missbrauch an Jungen.



Manfred Bieler:




Still wie die Nacht




Memoiren eines Kindes.


Vor Jahren habe ich schon einmal in diesem Buch gelesen, legte es aber nach einigen Kapiteln wieder weg; Ich hatte Mühe mit dem Verstehen.

Und genau darum geht es in diesem Buch. Wie soll ein Kind verstehen, dass es gedemütigt, misshandelt, missbraucht, bedroht, vernachlässigt... wird, wenn es seine Eltern doch liebt? Es ist beängstigend zu lesen, wie einem Jungen zwischen vier und sieben Jahren im wahrsten Sinne des Wortes in die Kniekehlen getreten wird - vom Vater - mit welcher asozialen Bosheit er seelisch und körperlich misshandelt wird; mit dem Kleiderbügel oder durch besonders krudes Benehmen. Er muss da sein zum Wohlgefallen der Erwachsenen und ihren Ansprüchen gerecht werden, sei es durch Vorzeigen seines "Schniepels" oder durch besonders wohlfeiles Verhalten. Es ist egal, so sehr er sich auch müht und rackert, die versprochenen Geschenke bekommt er doch nur in den seltensten Fällen, und dann werden sie entweder zertreten oder wandern in den Keller - die Bosheit ist kaum zu beschreiben. Ein Kind, welches so verunsichert wird, dass es sich vor Freude und/oder Angst in die Hosen macht, dafür malträtiert wird und doch mit ansehen muss, wie der Vater sich winselnd vor der eigenen Frau aufs Hemde scheißt... Ein Kind, dass allein durch sein Dasein stört, kann nicht verstehen. Und ich auch nicht. Bedrückend. (Norbert Remus)

Gerhard Amendt:




Vatersehnsucht.




Annäherung in elf Essays.
Universität Bremen: Institut Für Geschlechter- und Generationenforschung. Bremen 1999



Vatersehnsucht’ titelt Amendt eine Sammlung von elf Essays. Amendt sucht darin Antworten auf die Frage, was die Mutter-Sohn-Beziehung dazu beiträgt das Sein von erwachsenen Männern zu erklären. Ein Aspekt dieser Beziehungsstruktur ist der verdrängte Vater. Verdrängt nicht nur verstanden als psychisches Konstrukt, sondern auch körperlich und strukturell innerhalb der Familien.

Die Untersuchung des Mutter-Sohn-Verhältnisses, um Aussagen über den Vater treffen zu können, begründet Amendt damit, dass der Vater nur über die Mutter sichtbar wird (S. 6). So erklärt es sich, dass er zur Bestimmung der ‘Väterfrage’ von ihm durchgeführte Befragungen von Mütter n und Söhnen als Stütze seiner Gedanken heranzieht.

‘Vatersehnsucht’ versteht Amendt nicht im Sinne des auf Mitscherlich zurück gehenden Begriffs der ‘Vaterlosen Gesellschaft’, bzw. deren Rezeption in den letzten Jahren, die in Mittelpunkt stellten, dass die Väter dadurch, dass zumeist sie die zentral Erwerbstätigen in der Familie sind, alltagsabwesend und nur in Ausnahmesituationen anwesend sind (1). Auch ist Für ihn die Diskussion über dieses Phänomen in Bezug auf die Entwicklung der Geschlechtsidentität oder allgemeine Persönlichkeitsentwicklung nicht von Relevanz.

„Wenn wir von Vatersehnsucht sprechen, gleich wie sie zaghaft wahrgenommen oder starr verleugnet wird, dann meinen wir den äußerst prekären Zustand, in dem die Väter nicht ausreichend genug, vielleicht sogar
überhaupt nicht mehr als innere Bilder, nämlich symbolisiert in ihren eigenen Kindern existieren. [...] Fehlende oder mäßig aktive Väter stehen nicht Für Vaterlosigkeit noch eine vaterlose Gesellschaft. Vaterlosigkeit hat auch nichts damit zu tun, ob Väter sich beim Windeln der Säuglinge oder der häuslichen Arbeit nicht oder nicht im Ausmaß der mütterlichen Erwartungen beteiligen. Das sind Angelegenheiten der Arbeitsteilung zwischen Frauen und Männern und hängt davon ab, wie sie Lasten und Freuden der Kindererziehung untereinander absprechen. Vaterlosigkeit heißt, dass die Kinder innerlich von Mütterlichkeitsbildern beherrscht werden, die kein anderes Bild neben ihr kennen. Allenfalls gibt es Bilder von Väterlichkeit, die recht blass geraten sind. Unter Vatersehnsucht können wir deshalb den kindlichen Versuch sehen, dem frühen Eindruck der allmächtigen und alles gewährenden guten Mutter die eher einschränkenden Sichten des Vaters, die aus einer völlig anders beschaffenen Welt kommen, hinzuzufügen." (S.17)

Doch führt der Titel ‘Vatersehnsucht’ in die Irre. Der im Untertitel eingeführte Begriff der Annäherung ist ernst zu nehmen, denn über weite Teile beschäftigt sich Amendt mit den Mütter n. Selbst hinter Überschriften wie „Die Macht des Mannes - die Ohnmacht des Vaters. Das Beispiel zur Neuen Männlichkeit" verbergen sich Ausführungen über die Bedeutung oder, in Amendts Begrifflichkeit, über die Macht der Mutter in Familienkonstellationen. Die Verweise, dass die gesellschaftlich als ‘gut’ definierte Mütterlichkeit weder eine machtlose - wie die fast vollständige Beherrschung aller pädagogischer Einrichtungen durch Frauen zeige (S. 242) - noch eine gewaltlose - wie die gesellschaftlich nicht wahrgenommenen doch verbreiteten inzestuösen Beziehungen von Mütter n zu Söhnen belege (Kapitel VI, VII und VIII) - bildet den eigentlichen roten Faden seiner Essays.

Zwei Aspekte erscheinen mir in diesem Zusammenhang überaus bemerkenswert: Zum einen greift Amendt einen Aspekt auf, der in der Debatte über sexualisierte Gewalt erst in letzter Zeit an Bedeutung gewann, nämlich jenen, auch Frauen als Täterinnen zu fokussieren und zum anderen jenen, darauf hinzuweisen, dass „Missbrauch" im gesellschaftlichen Diskurs an die Ausübung körperlicher Gewalt gekoppelt wurde. Leider verharrt Amendt bei diesen durchaus wesentlichen Feststellungen. Nahe liegend erscheint mir indes, dass beides, also die ausschließliche Fokussierung auf männliche Täter wie auf körperliche Gewalt, eine Erklärung darin findet, dass die Thematisierung der alle gesellschaftlichen Schichten durchziehenden sexualisierten Gewalt über die Thematik Männergewalt gegen Frauen und in diesem Zusammenhang der Institutionalisierung von Frauenhäusern, Eingang in den öffentlichen Diskurs fand und damit aus einem eindeutig definierten Gewaltverhältnis.

Doch kann Amendt diesen Schritt nicht gehen, da er eben die Eindeutigkeit dieses Gewaltverhältnisses an sich in Zweifel zieht. Er sieht in der Gesellschaft ein „Bild [sic!] gewalttätiger Männlichkeit" (S. 223) und Männern wie namentlich Theweleit, Pilgrim und Kimmel, die dieses Gewaltverhältnis (selbstreflexiv) angehen, wirft er vor, sie hätten sich „den Vorhaltungen der Frauen mit entblößter Brust in masochistischer Manier ausgeliefert"; „[sie] haben [...] mit dem traditionell wachem Gespür Für männliche Macht sich scheingrüblerisch unterworfen; nämlich als geheime Vertraute - gehorsamst anempfohlen." (S. 267).

Thesen und Forschungsergebnisse wie etwa von Lothar Böhnisch und Reinhard Winter (2) oder Constance Engelfried (3), die Gewalt als immanenten Bestandteil männlicher Sozialisationsprozesse betrachten, werden von Amendt ignoriert.

Alle qualitativen Studien die sich bislang mit männlicher Sozialisation und biographischen Verläufen beschäftigten, zeugen von einem besonderen Vater-Sohn Verhältnis. Die Männer schildern ihre Väter oft als abwesend und distanziert. Trotzdem berichten sie darüber hinaus sehr oft davon, wie sehr sie sich bemühten Aufmerksamkeit von ihren Vätern zu erlangen. Karin Klees bringt dies auf den Punkt:

„Fast alle Männer setzten sich während des Interviews intensiv mit der Person des Vaters auseinander, analysierten den Charakter in Beziehung zu seiner Arbeit, seiner Ehe und seinen Kindern. [...] Jede liebevolle Aufmerksamkeit des Vaters, die geduldete Anwesenheit bei seinen Beschäftigungen, die Zuwendung beim Spielen, Toben oder Geschichten erzählen hüteten die Männer wie einen seltenen, wertvollen Schatz." (4)

Auch in unserer Forschung im Projekt ‘Biografische Rekonstruktion nichtstereotyper männlicher Sozialisationsprozesse’ erscheint dieses Vater-Sohn Verhältnis. Da erzählen vierzigjährige Männer davon, dass sie ihre Ausbildung machten, ein Studium absolvierten, ihren Doktortitel erwarben und dies alles, um endlich einmal von ihrem Vater gelobt zu werden oder sie berichteten, wie es in Männergruppen dazu kam, dass sie ihren doch nur mehr fiktiven Vater anschrieen: „Du hast mir meine Kindheit gestohlen." Trotz allem und auch dies ist in der psychologisch orientierten Geschlechterforschung keine neue Erkenntnis, die Schuld an dem Erlittenen, delegierten sie letztendlich an die Mütter (5).

Bei Amendt findet sich in diesem Kontext folgende Aussage, die meines Erachtens zentral ist Für seine weitere Analyse des Mutter-Sohn Verhältnisses:

„Vieles spricht dafür , dass Männer wie Frauen über den Vater erzürnt sind und deshalb die Nützlichkeit von Väterlichkeit bezweifeln. Aber gerade weil Zorn so maßlos und Entwertung mitunter so bodenlos sind, scheinen mir Zweifel an der Ursprünglichkeit dieser Gefühle angebracht. Wer es wahrnehmen will, kann nämlich die andere Seite der Vaterenttäuschung erblicken: Eine tiefe unerfüllte Sehnsucht nach dem Vater. [...].

Hier soll vielmehr der Vermutung nachgegangen werden, dass die Abwertung des Vaters möglicherweise einem anderen Zweck dient. Jenem Zweck nämlich, weniger erfreuliche Erfahrungen mit der Mutter nicht unmittelbar wahrnehmen zu müssen." (S. 49)

Dieses Zitat scheint mir ein zentraler Schlüssel zu den Überlegungen Amendts zu sein in deren Zentrum steht, dass die Kritik am Verhalten der Väter zu weit ging und gezielt ablenkte von den negativen Erfahrungen, die Kinder mit den Mütter n machen. Amendt sieht derzeit eine von Kultur, Politik und auch Wissenschaft gestützte „Vaterverachtung" (S. 11) in der Gesellschaft und ist der Meinung, dass „man [sagen] könnte [..], daß das Gebot, Du sollst Vater und Mutter ehren in der Moderne den Vater ausschließt" (ebd.). Doch geht es hierbei nicht nur um die tradierte Form von Vaterschaft, sondern Amendt ist der Überzeugung, dass sich die Väterverachtung auf jedwede Vaterschaft erstrecke. So deutet er die Debatte um die Nivellierung des Sorgerechts dahingehend, dass so genannte ‚neue Vaterschaft’, also die Verantwortungsübernahme der Väter in der Kindererziehung, von Frauen als „beunruhigend erlebt wird" (S. 28).

Für Amendt scheint es unumgänglich, dass Kinder in ‚vollen Familien’ aufwachsen. Nur so ist es möglich, sich vom Gegengeschlecht abzugrenzen und in der Auseinandersetzung mit dem eigenen Geschlecht, die Persönlichkeit zu entwickeln. Mann und Frau sind somit als Naturkonstanten nicht hinterfragbar und Für Amendt eben mehr als ein soziales Konstrukt. Daher ist Für ihn die Diskussion um eine Annäherung der zwei Geschlechter unter Schlagwort Androgynität fraglich, und die in ihr formulierten Perspektiven bewertet er folgendermaßen: „Die Vorstellung von androgynen Eltern legt nahe, dass Männer sich dem Weiblichen annähern sollen" (S. 42).

Aus diesen Überlegungen heraus setzt sich Amendt mit Alleinerziehenden auseinander. Allein erziehend heißt hier, allein erziehende Mütter . Sicherlich ist es aufgrund der geringen Anzahl allein erziehender Väter berechtigt, die allein erziehenden Mütter verstärkt zu fokussieren, allerdings verwundert die Ausschließlichkeit mit der dies in den Essays erfolgt.

Amendt schlägt darüber hinaus eine Erweiterung des Begriffs ‚allein erziehend’ vor und ist der Auffassung, dass hierunter auch scheinbar ‚volle Familien’ fallen, in denen jedoch der Vater so weit zur Seite gedrängt wurde, dass die Mutter allein die Gestaltung des Familienlebens übernommen hat (S. 30f).

Für Kinder, deren Mütter sich bewusst entschieden haben ihre Kinder ohne einen Vater aufzuziehen und die nicht bereit sind eine Bindung mit einem anderen Mann einzugehen, befürchtet er, dass die Kinder in einer „Atmosphäre verleugneter Väterlichkeit und des Männerhasses" (S. 39) aufwachsen und über die Motive der Mütter , die einen solchen Lebensentwurf wählen, schreibt er: „Ich vermute, dass die uneingeschränkte Alleinherrschaft über die Kinder diese Gruppe von Frauen trotz der zahlreichen Entsagungen motiviert." (S. 45). Um welche Frauen es sich hierbei handelt, bleibt jedoch unklar. Möglich ist, dass er diese Ausführungen auf lesbische Mütter bezieht. Jedoch spricht er das Thema Homosexualität an keiner Stelle an. Deutlich wird hingegen, dass er die Ansicht vertritt, dass Frauen ihre „Machtsphäre" (S. 53) mit Vehemenz auch zu lasten des Kindeswohls verteidigen.

In dieser Atmosphäre des alleinigen Zugriffs der Frauen auf die Söhne sieht Amendt die Gefahr, dass die Söhne von den Mütter n zu ihren „geheimen Vertrauten" gemacht werden (S. 62 ff). An den geheimen Vertrauten werden die Wünsche der Mutter an das männliche Geschlecht delegiert, er soll die Bedürfnisse der Mutter befriedigen, die Kompetenzen erwerben, die sie beim Vater vermisst. Der Sohn sieht in Folge seinen Vater als Mann, der die Mutter leiden lässt und muss ihn deshalb noch weiter verachten.

Amendt beschreibt damit das gesellschaftliche Phänomen, dass Söhne zum Partnerersatz der Mutter werden. Jedoch sieht er dieses Phänomen als gezielt von der Mutter herbeigeführt an, und es ist Für ihn eben nicht Ausdruck infolge kapitalistisch-patriarchaler Gesellschaftsstrukturen, denen eine Außengerichtetheit männlicher Aktivitäten und eine Bindung der Frauen an die Aufrechterhaltung der häuslichen Familienstrukturen zugrunde liegt. Und eben in dieser von Mütter macht bestimmten Familiendynamik finden sich auch übergriffe der Mütter gegen die Söhne. So belegt Amendt mit Zahlen seiner Mütter Befragung, dass 12,6 % der Frauen in Westdeutschland den Penis ihres Sohnes küssen würden (S.159) und weist darauf hin, dass viele der Handlungen, die von den Mütter n sexualisiert würden, im Kontext von Reinlichkeitsritualen stehen würden. über die Väter sagt er, sie würden dieses oft tolerieren, da die Formen weiblicher übergriffe nur selten Geschlechtsverkehr beinhalten würden. Im weiteren Verlauf werden diese Fälle von ihm ausführlich dargestellt (S. 176 ff).

„Die Übernahme patriarchaler Männlichkeit und sie begleitender Gewalt ist nicht unvermeidbar, weil sie sozial hergestellt und damit auch veränderbar ist. Wenn daher darauf verzichtet würde, von Jungen zu erwarten, Männlichkeitskriterien nach patriarchalen Mustern zu erfüllen, und wenn Jungen erlaubt würde, ihre männliche Identität nach ihrem eigenen Erleben selbst zu bestimmen, dann würde dies vermutlich eine enorme Entlastung Für Jungen bedeuten. Erst durch eine solche Offenheit würde es ihnen möglich werden, gemeinsam mit Mädchen ihre Persönlichkeit und Identität nach Maßgabe ihrer realen Empfindungen sowie entlang konstruktiver sozialer Prozesse zu entwickeln." (6)

Anita Heiliger und Constance Engelfried legten 1995 eine Studie unter dem Titel ‚Sexuelle Gewalt. Männliche Sozialisation und potentielle Täterschaft’ vor. In dieser qualitativen Untersuchung versuchten sie anhand männlicher biographischer Verläufe Thesen zu entwickeln, in welchem Verhältnis die Entwicklung von Männlichkeiten und Gewalttätigkeit zueinander stehen. Zudem versuchen sie Perspektiven Für die Entwicklung eines demokratischen Geschlechterverhältnisses zu skizzieren. Eben dieses wird von Amendt in einem seiner Essays aufgegriffen.

Die Ausführungen über eine Veränderung des hierarchischen Geschlechterverhältnisses subsumieren Heiliger und Engelfried unter der Überschrift ‘Eine Entpatriarchalisierung von Männlichkeit ist gefordert’. Bedingung einer solchen ‘Entpatriarchalisierung’ ist Für sie ein „Bruch mit dem allgemein als selbstverständlich vorausgesetzten Konsens über die Überlegenheit des Mannes über die Frau". (7) Die ‘überlegenheit’ gilt es gesellschaftlich zu dekonstruieren, ihr die ‘GlaubwÜrdigkeit’ zu nehmen. Dann wäre es nur mehr ein ‘kleiner Schritt’ Für die einzelnen Männer, sich „von antiquierten Herrschafts-, Schutz- und Kampffunktionen zu befreien" (ebd., S. 212). Heiliger und Engelfried ist bewusst, dass die anstehenden Schritte zur Veränderung insgesamt nicht ‘klein’ sind, sondern es um eine grundlegende Veränderung traditioneller Männlichkeit geht. In den Mittelpunkt der konkreten Aufgaben einer Veränderung der traditionellen Männlichkeit stellen sie die Möglichkeit Für die Jungen, Emotionalität und Empathie zu erlernen und Für diese Fähigkeit Bestätigung zu erhalten. Als wichtig hierbei erachten sie in Rückgriff auf ihre Forschungsergebnisse die Anwesenheit von einem „zu herzlichem körperlichem Kontakt fähigen Vater". (8) Sie fordern von den Vätern wie auch von den männlichen Fachkräften der schulischen sowie außerschulischen Jugend- und Bildungsarbeit „sich selbstreflexiv einzubringen und sich gemeinsam mit den Jungen auf eine Identität hinzubewegen, die Männlichkeit neu definiert und sich von Sexismus und Gewalt distanziert". (9)

Gerhard Amendt greift unter der Überschrift ‚Einfühlungsvermögen’ die Studie Heiliger und Engelfrieds auf. Er sieht in ihren Positionen eine „geschlechter- und familienpolitisch instrumentalisierte Version von kindlicher Desidentifikation" (S. 93). Heiliger und Engelfrieds Forderung, dass den Jungen die Möglichkeit zu geben sei, Emotionalität und Empathie zu erlernen, interpretiert Amendt als Aussage, „dass Jungen bis ins Alter der Pubertät bei der Mutter verbleiben sollen, damit die Identifizierung mit ihr nicht abbricht" und weiter „Deshalb schlagen die beiden Autorinnen vor, dass erst in der Pubertät den Söhnen der Weg zur Identifikation freigegeben werden sollte. Wenn man diese Perspektive wörtlich nimmt, dann müssen die Söhne nicht nur räumlich vom Vater getrennt werden, sondern es muss Vorsorge getroffen werden, dass sie sich an seiner patriarchalisch strukturierten Männlichkeit nicht anstecken" (S. 93 f). Es fällt schwer nach den oben angeführten Zitaten aus der Studie Heiliger und Engelfrieds nachzuvollziehen, wie Amendt dazu kommt sie so zu interpretieren. Seine massive Ablehnung der Studie kommt insbesondere darin zum Ausdruck, dass er den Autorinnen unterstellt, Männlichkeit als Krankheit anzusehen. Beleg hierfür sind die Verwendung der Begriffe „Vorsorge" und „anstecken", die eindeutig dem medizinischen Diskurs zuzuordnen sind. Amendt bleibt auch in seinen weiteren Ausführungen in diesem Bild, in dem er behauptet, Heiliger und Engelfried würden die Ansicht vertreten, dass „’positive Mütterlichkeit’ gegen die destruktive Patriarchalität immunisiert" (S. 94). Indem er mit diesen Begriffen operiert, wertet er nicht nur die Studie der Autorinnen ab, sondern greift sie als Personen direkt an. Es grenzt an Demagogie oder eine Verschwörungstheorie, den Autorinnen zu unterstellen, sie wollten die Krankheit ‚Männlichkeit’ – ja was? – ausrotten? Zumindest aus einem ethischen, verantwortungsbewussten Blickwinkel ist Amendts Vorgehen nicht zulässig.

Im neunten der elf Essays setzt sich Amendt mit Pädophilie auseinander. Dieses Essay soll hier erwähnt werden, da es einige m.E. bemerkenswerte Gedanken beinhaltet. In diesem Essay wendet sich Amendt massiv gegen alle Versuche, Pädophilie zu verharmlosen. Amendt sieht als Schwierigkeit in diese Debatte einzugreifen jene „Gradwanderung zwischen liberalisierter Sexualmoral und Pädophilie" (S. 188); es gilt folglich zu verhindern, dass die gerade erst ins Bewusstsein gerückte kindliche Sexualität erneut verdrängt wird und gleichzeitig Pädophilie vehement zurück zuweisen und anzugreifen. In diesem Zusammenhang sieht Amendt derzeit die Forderungen nach Strafverschärfung Für sexualisierte Gewalt gegen Kinder bei gleichzeitiger ‚Trivialisierung’ von Pädophilie nicht zuletzt in den Medien. Eine Ambivalenz die dazu führe, dass sich selbst im Alltagshandeln die Einordnung von Grenzen und Grenzüberschreitungen beginne sich am Strafgesetzbuch zu orientieren (S. 190). Für Amendt gilt jedoch: „Die einzige Grenzziehung zwischen Zärtlichkeit und Missbrauch, die inhaltlich tragfähig ist, ist jene, die mit einem wohl begründeten Kindswohl argumentiert" (S. 191). Pädophilie ist Gewalt und nichts anderes.

In der Erklärung, warum Männer zu Pädophilien werden, macht es sich Amendt einfach: „Was der pädophilie Mann tut, ist das Spiegelbild dessen, was seine Mutter mit ihm tat. [...]. Die pädophil gewordenen Söhne hatten keine Chance, sich ihren Einwirkungen zu entziehen. Sie waren zu schwach und der Vater hielt sich fern" (S. 217).

Essays sind keine wissenschaftliche Abhandlung im strengen Sinne. In ihnen wird Neues entwickelt, wird sich aus dem Fenster gelehnt, Gedanken werden - reiflich überlegt, doch ohne Anspruch belegt zu sein - zur Diskussion gestellt. Dadurch haben Essays oft einen Vorteil: sie sind ehrlicher; in ihnen darf der Verfasser sich in seiner ganzen Subjektivität ‘austoben’. Gerhard Amendt tut dies. In manchen Passagen lässt sich der Eindruck gewinnen, er schreibe nicht, sondern male. Z.B. wenn er schildert, dass viele Männer Probleme haben vor dem „fußballfähigen Alter" mit ihren Söhnen etwas anzufangen. Eine neue ontogenetische Phase ist entdeckt: die „Fußballreife" (S. 20).

Doch noch mehr als er malt, positioniert er sich, wertet er und ordnet ein. So ist vom „verdammenden Feminismus" die Rede, vom „sprachlosen männlichen Wegducken" (S. 8) oder auch den „wohlstandsverwahrlosten Jugendlichen der Mittelschicht" (S. 254). So emotionalisiert Amendt seine Ausführungen; gut und böse werden klar zuordbar. Wobei er gerade dieses, die wertenden Urteile, die Festschreibung moralinsaurer Einteilungen anderen, wie z.B. Anita Heiliger und Constance Engelfried vorwirft.

Den Großteil der von Amendt in den Essays ausgeführten Gedanken - dies sollte deutlich geworden sein - kann ich nicht teilen. Dies bezieht sich auf das Dargestellte, aber auch auf die Kapitel, die hier nicht näher behandelt worden. Mir blieb bei der Lektüre unverständlich, warum der Frauenarzt der Prototyp moderner Männlichkeit sein soll, der in seiner Profession jenes auslebt, was er in der engen Beziehung zur Mutter in der Kindheit erlebte; mir wurde nicht zugänglich, warum afro-amerikanische Jugendgangs in den us-amerikanischen Ghettos als Symbol des Vaterverlustes und gescheiterter - weil auf die Mutter bauender - Sozialpolitik stehen und ein Film über eine italienische Jugendgang dies besonders gut zum Ausdruck bringt sowie vieles mehr. Es wäre angemessen eine Rezension abzuschließen mit einem abrundenden Satz, bspw. dass die Essays provokativ und diskussionsanregend sind. Dies sind sie sicherlich. Doch - dies mag durchaus eine unwissenschaftliche Haltung sein und mag mir den Vorwurf einer dogmatischen-politischen Haltung einhandeln - bei vielem ist mir nicht klar, ob ich darüber überhaupt noch diskutieren möchte.

Fußnoten:

1 Für den Vater gilt: „Das einzig Konkrete an ihm ist seine Nichtexistenz" (Schnack/Neutzling: Kleine Helden in Not; 1990, S. 73).

2 Böhnisch, Lothar; Winter, Reinhard: Männliche Sozialisation. Bewältigungsprobleme männlicher Geschlechtsidentität im Lebenslauf. Weinheim; MÜnchen 1993

3 Engelfried, Constance: Männlichkeiten. Die Öffnung des feministischen Blicks auf den Mann. Weinheim; MÜnchen 1997

4 Klees, Karin: Partnerschaftliche Familien. Arbeitsteilung, Macht und Sexualität in Paarbeziehungen. Weinheim; MÜnchen 1992, S. 122f)

5 vgl. Pech, Detlef: Selbst ist der Mann. In: Deutscher Frauenrat (Hg.): Adams nachhaltige Erneuerung. Bonn: 1999

6 Heiliger, Anita; Engelfried, Constance: Sexuelle Gewalt. Männliche Sozialisation und potentielle Täterschaft. Frankfurt a.M./New York 1995 S. 211

7 ebd.

8 Heiliger/Engelfried a.a.O., S. 214

9 Heiliger/Engelfried a.a.O., S. 214

Detlef Pech, *1970; Diplom-Pädagoge und Diplom-Sozialwissenschaftler; Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Forschungsprojekt
‚Biografische Rekonstruktion nichtstereotyper männlicher Sozialisationsprozesse’ an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg; pädagogische Tätigkeit in der Jungen- und Männerarbeit, u.a. im Bereich der Prävention sexualisierter Gewalt. (Wir berichteten in Ausgabe 1/2000 darüber!)
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