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Jungen und Männer als Opfer (sexualisierter) Gewalt


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Rolf

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Angela May, Norbert Remus
Bundesarbeitsgemeinschaft Prävention & Prophylaxe e.V. (Hrsg.)

Band 5



Jungen und Männer als Opfer (sexualisierter) Gewalt




Verlag die Jonglerie, Berlin 2002, ca. 250 Seiten, 15,00



Rezension von Klaus Wilting

Hintergrund und Thema des Buches: Jungen und Männer als Opfer (sexualisierter) Gewalt finden in der Fachdiskussion trotz einer langsamen Enttabuisierung des Themas noch immer wenig Aufmerksamkeit. Ziel des Herausgeberbandes ist es daher, zur Enttabuisierung dieses Problembereiches beizutragen. Der Schwerpunkt des Buches liegt vor allem im Erlebens- und Erfahrungsbereich und den Möglichkeiten der Bewältigung und Bearbeitung von schwerwiegenden Verletzungen Für die Betroffenen. Ziel des Buches ist es "Opfern Gehör [zu] verschaffen, Missbrauchsmechanismen aufzuzeigen und die Mühsal der Aufarbeitung deutlich zu machen" (S. 12).

Aufbau und Inhalte: Das Buch gliedert sich in vier Hauptkapitel (I. Erfahrungen II. Theorie III. Intervention und IV. Prävention). Außerdem beinhaltet es einen umfangreichen Anhang mit rechtlichen Bestimmungen, Kontaktadressen und Internetlinks.

Einen besonderen Umfang mit mehr als 100 Seiten nimmt das Kapitel I ein, in dem zwei Gewalt betroffene Männer über ihr Missbrauchsmartyrium während ihrer Kindheit und den daraus resultierenden Problemen und Krisen im Erwachsenenalter berichten. Damit unterscheidet sich das Buch sehr deutlich von den wenigen anderen Fachveröffentlichungen zu diesem Thema. Sehr persönlich - teilweise fast in Form von eines "Romans" oder von Tagebuchaufzeichnungen - berichten zwei Autoren von ihrem Leidensweg und der schwierigen persönlichen Auseinandersetzung mit einem gesellschaftlich weitgehend tabuisiertem Thema. In der Direktheit der Sprache gehen die Ausführungen von Thomas Gruner und Johannes Ebert im Kapitel I unter die Haut und machen eine nur kognitive Auseinandersetzung mit dem Thema des Missbrauchs an Jungen unmöglich. Zugleich machen die Ausführungen der Betroffenen auf Probleme und Defizite in den Helfersystemen aufmerksam. In der Form und Eindeutigkeit der Sprache irritieren diese Lebensschicksale und werfen damit auch ein kritisches Licht auf das beraterisches und therapeutische Establishment.

Nach den Erfahrungsberichten wird im Kapitel II der Versuch einer theoretischen Annäherung an das Thema versucht. Dabei wird sowohl auf die Bedeutung der Scham (Beitrag von Hans-Joachim Lenz) als auch auf Verletzungsformen von betroffenen Jungen und Männern (Beitrag von Alexander Bentheim) eingegangen. Mit dem Artikel von Angela May werden empirische Daten zu den Tätern und Täterinnen diskutiert. Das Kapitel zur "Theorie" der Gewalt an Jungen bietet zwar wichtige Grundlagen, bleibt jedoch insgesamt etwas unstrukturiert und punktuell oberflächlich. Vielleicht liegt dies daran, dass das theoretische Niveau der Beiträge sehr heterogen ist und manche Aspekte nur in Stichpunktform skizziert werden.

Klaus Ganser und Peter Mosser beschreiben im Kapitel III (Interventionen) zentrale Erfahrungen aus praktischen Projekten in Hannover und München mit betroffenen Jungen. Zentral erscheint hier die Erkenntnis, dass die Schwellenängste Für die Betroffenen sehr hoch sind und das häufig von der Arbeitshypothese auszugehen ist, "dass von sexueller Gewalt betroffene Jungen zunächst aus eigenem Antrieb keine Hilfe suchen" (S. 189). Gleichwohl beschreiben die Autoren, wie z. B. durch Online-Beratung, Geh-Strukturen, systemisches Arbeiten oder erlebnispädagogische Angebote ein Zugang zu den Klienten hergestellt werden kann. Neben den Erfahrungsberichten im Kapitel I gehört damit dieses Kapitel zu den anregendsten und fundiertestes Teilen des Buches, während das Kapitel IV zur Prävention etwas zu kurz kommt.

Fazit: Das Buch bietet einen umfangreichen Einblick in das Thema der (sexualisierten) Gewalt an Jungen und Männern. Der jeweilige Zugang zum Thema ist in den einzelnen Kapiteln so unterschiedlich (Erfahrungsberichte vs. Professionellenperspektive und wissenschaftliche Distanz), dass sich Für den Leser eine interessante Spannung aufbaut. Das Theoriekapitel (II) bleibt leider etwas hinter den Erwartungen zurück , kann jedoch durch die Stärke in den erfahrungsorientierten Kapiteln und der Praxisorientierung bei der Beschreibung von Präventions- und Interventionsprojekten kompensiert werden. Schade ist, dass die Erfahrungsberichte betroffener Männer sich auf Gewalt durch Mütter beziehen und damit die Dynamik, die sich durch männliche Täter ergibt, weniger deutlich herausgearbeitet werden kann. Insgesamt führt das Buch fundiert in die unterschiedlichen Facetten eines schwierigen Themas ein. Trotz punktueller -auch formaler - Schwächen, bietet es eine gute Basis, um sich in die komplexe Materie einzuarbeiten.

Rezensent Dipl.-Päd. Dipl.Soz-Päd. Klaus Wilting, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut, Supervisor (DGSv.). Dozent Für Theorien und Konzepte Sozialer Arbeit an der Kath.-Fachhochschule NW; weitere Lehraufträge an der Fachhochschule Kiel und der Hochschule Für angewandte Wissenschaft Hamburg
Mitarbeit in einer Fachberatungsstelle gegen sexuellen Mißbrauch und körperliche Gewalt, freiberufliche Tätigkeit im Bereich Supervision und Organisationsentwicklung E-Mail KlausWilting@aol.com


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Rezension von Ulfert Böhme

Endlich wieder ein Buch über männliche Opfer sexueller Gewalt!

Nach dem interessanten, aber Für den Normalleser doch etwas wissenschaftlich ausgefallenen Buch von Andreas Kloiber (2002) nun ein Buch Für Praktiker und Praktikerinnen. Angela May und Norbert Remus sowie die Bundesarbeitsgemeinschaft Prävention & Prophylaxe haben mit „Jungen und Männer als Opfer (sexualisierter) Gewalt“ ein Buch heraus gegeben, welches ein breites Spektrum an Themen anspricht:

Zwei betroffene Männer erzählen eindrücklich und offen „ihre Geschichte“. Sie schildern ihr zähes Ringen um die Bewältigung der Missbrauchserfahrungen und erzählen, wie sie dabei oft genug behindert werden – auch von sog. Professionellen, die ihre Ohnmacht angesichts des Leids der Betroffenen ausgerechnet an diesen abarbeiten.

Hans Joachim Lenz und Alexander Bentheim ordnen sexualisierte Gewalt gegen Jungen in theoretische Überlegungen zu geschlechtsspezifischer Sozialisation und Opfer-Sein von Jungen ein. Angela May gibt einen Einblick in Daten über die Täter und Täterinnen. Klaus Ganser und Peter Mosser beleuchten unterschiedliche Aspekte der Intervention. Kai Kabs berichtet aus der Präventionspraxis und Reinhard Winter/Elisabeth Werner stellen dar, dass Prävention mit Jungen tatsächlich wirkt.

Besonders gut gefallen haben mir die Beiträge der Praktiker. Hier bekommt der Leser viele Anregungen, neue Ideen und unmittelbar in die Tat umzusetzende methodische Tipps Für die Arbeit mit betroffenen Jungen bzw. Für die präventive Arbeit. Absolut lesenswert der Artikel von Peter Mosser, der ausgehend von der Beratungspraxis eine Fülle von Denkanstößen liefert, den Finger auf ungeklärte Fragen und Probleme des professionellen Umgangs mit betroffenen Jungen und Männern legt.

So weit so gut und die genannten Highlights sind allemal Grund genug das Buch zu lesen. Doch muss der Leser/die Leserin sich auf ein paar Ärgernisse vorbereiten, die hier nicht unerwähnt bleiben sollen. Das Buch wirkt insgesamt zuwenig aus einem Guss und – ich muss es leider so sagen – mit der heißen Nadel gestrickt: Der Einband und das Titelbild wirken verwirrend und abschreckend. Schon im Titel will man sich nicht festlegen, ob es um sexualisierte Gewalt gehen soll oder um Gewalt überhaupt. Die thematische Vielfalt wirkt ohne einen ordnenden inhaltlichen roten Faden fast beliebig. Ein Endlektorat hätte den meisten Texten gut getan.

Zum Verdruss des Lesers ist das Buch auch noch schlecht gebunden und zerfällt nach einmaligem Lesen.

Fazit: Hier stimmt das oft bemühte Klischee von Licht und Schatten, die dicht bei einander liegen. In die Freude über eine neue Veröffentlichung zu einem immer noch tabuisierten, bagatellisierten, verdrängten Thema mischen sich Verwunderung über die mangelnde Sorgfalt und ein leiser Ärger, dass es wieder einmal die männlichen Opfer sind, mit denen so umgegangen wird.

Diese Rezension erschien in der Dezember-Ausgabe 2003 der Zeitschrift "Switchboard" und in der Dezember-Ausgabe 2003 der Zeitschrift "Prävention & Prophyxlaxe"

Anmerkung der HerausgeberIn: Leider kam es bei der Druckerei zu Unregelmäßigkeiten, sodass die Qualität der Buchbindungen teilweise mangelhaft war. Uns ist das Phänomen bekannt und wir haben das inzwischen beheben lassen. Wer ein fehlerhaftes Exemplar erworben hat, kann es jeder Zeit umtauschen.

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