Zum Inhalt wechseln

Welcome to Irrglaube und Wahrheit
Register now to gain access to all of our features. Once registered and logged in, you will be able to create topics, post replies to existing threads, give reputation to your fellow members, get your own private messenger, post status updates, manage your profile and so much more. If you already have an account, login here - otherwise create an account for free today!
Foto

Sexueller Missbrauch an Jungen


  • Bitte melde dich an um zu Antworten
Keine Antworten in diesem Thema

#1
Rolf

Rolf

    Administrator

  • Administrator

  • PIPPIPPIP
  • 34025 Beiträge
  • Land: Country Flag

Please Login HERE or Register HERE to see this link!







Sexueller Missbrauch an Jungen





Diesen Artikel haben wir im Internet gefunden.

Autor: Thorsten Kruse

Die Tatsache, dass auch Jungen Opfer sexualisierter Gewalt werden, ist mittlerweile zwar bekannt, aber noch längst nicht immer wirklich anerkannt. Zum Teil resultiert diese Nicht-Anerkennung aus der Unsicherheit der Öffentlichkeit über das tatsächliche Ausmaß der sexualisierten Gewalt gegen Jungen. Hinzu kommen falsche Vorstellungen und Klischees hinsichtlich sexualisierter Gewalt an Jungen, die der Anerkennung der Betroffenheit von Jungen entgegenstehen. Ich werde daher zunächst einen kurzen überblick über Zahlen und Daten, bezogen auf die sexualisierte Gewalt gegen Jungen, geben und komme dann zu den angesprochenen Vorstellungen und Klischees.

Das Ausmaß der sexualisierten Gewalt gegen Jungen

Trotz unterschiedlich verwendeter Definitionen und unterschiedlicher Befragungsmethoden zeigen internationale und deutsche Untersuchungen zur sexualisierten Gewalt gegen Jungen übereinstimmend, dass 8-10 % der befragten Männer sexualisierte Gewalt erfahren mussten. Dunkelfeldschätzungen gehen davon aus, dass jeder fünfte bis achte Junge sexualisierte Gewalt erlebt.

Dauer von sexuellem Missbrauch

Einen einmaligen übergriff erlebten etwa die Hälfte der jeweils befragten Männer. Bei den Übrigen vollzog sich der Missbrauch zum Teil über Jahre. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Bekanntheitsgrad des Täters/der Täterin und dem Opfer und der Dauer des Missbrauches gibt. Je enger die Beziehung zwischen Opfer und Täter/Täterin, desto länger dauert in der Regel der Missbrauch und desto häufiger findet er statt.

Das Alter der Opfer

Das Durchschnittsalter von Missbrauchten Jungen liegt zwischen 10 und 12 Jahren, so die Ergebnisse der Untersuchungen. Allerdings werden Jungen genau wie Mädchen schon als Säuglinge und Kleinkinder Missbraucht. Auch ihre Jugendlichkeit schützt sie nicht vor sexuellem Missbrauch.

Soziale Orte sexuellen Missbrauch

Nur etwa 15 % der befragten Männer erlitten sexualisierte Gewalt durch Fremde, die Übrigen hatten bereits vorher eine Beziehung zu dem Täter oder zu der Täterin. Da Jungen etwa zu 20 % von Familienmitgliedern Missbraucht werden, liegt die Haupttätergruppe im außerfamiliären Nahraum. Außerfamiliär ist hier aber nicht gleichzusetzen mit geringerer intensiver Beziehung, denn gerade Jungen suchen sich häufig außerhalb der Familie eine erwachsene Bezugsperson, zu der sie engen Kontakt haben.

Anteil Täter und Täterinnen

Nach bisher vorliegenden Ergebnissen liegt der Anteil von Frauen an der gesamten Täterschaft (Mädchen und Jungen) etwa bei 10 %, d.h. 90 % sind männliche Täter. Es scheint so zu sein, dass Jungen häufiger als Mädchen von Frauen Missbraucht werden.

Alter der Täter (Täterinnen)

Bei etwa 30 Jahren liegt das Durchschnittsalter der Täter. Allerdings gaben ein Drittel der befragten Männer an, von anderen, älteren Kindern oder Jugendlichen, sexuell Missbraucht worden zu sein. Hier liegt eine große Schwierigkeit. Denn auf der einen Seite sollte die auf Neugier und gegenseitige Zustimmung beruhende Sexualität von Kindern und Jugendlichen nicht abgestempelt oder gar verboten werden, auf der anderen darf man sie aber auch nicht bagatellisieren, wenn deutliche Altersunterschiede bestehen und die sexuellen Handlungen irgendeine Form von Zwang beinhalten. Zu dem Alter der Täterinnen gibt es bisher noch zu wenig Informationen und Untersuchungen.

Hinsichtlich der sexualisierten Gewalt an Jungen gibt es leider immer noch eine Reihe von Vorurteilen, Abwehrhaltungen und falschen Bildern. Viele Menschen wissen heute zwar, dass auch Jungen sexuell Missbraucht werden, aber dieses Wissen ist noch nicht mit einem tatsächlichen Bewusstsein dafür verknüpft. So gibt es einige Klischees, Erwartungen und Bilder von der herkömmlichen Männlichkeit, die einer Bewusstseinsbildung Für die Betroffenheit sexuell Missbrauchter Jungen entgegenstehen. Denn diese Bilder und Erwartungen werden sehr häufig automatisch auch auf Jungen übertragen (wer kennt nicht die Anrede "kleiner Mann" Für Jungen) und damit auch Für sie geltend gemacht.

Die Klischees lauten stichwortartig:

Jungen sind keine Opfer.
Sind Jungen doch zu Opfern geworden, hatten sie selber schuld, weil sie sich nicht richtig gewehrt haben.
Sexuell Missbrauchte Jungen wissen sich selber zu helfen.
Jungen verarbeiten sexuellen Missbrauch leichter als Mädchen.
Jungen wissen früh über Sexualität Bescheid und können deswegen sexualisierte Gewalt auch als solchen einordnen.
Jungen wollen den Sexualkontakt und empfinden ihn als angenehm, insbesondere dann, wenn sie von einer Frau Missbraucht werden.
Männliche Täter, die Jungen Missbrauchen, sind schwul.
Frauen Missbrauchen Jungen nicht, sondern führen sie in die Sexualität ein.
Männliche Sexualität und damit auch die Sexualität von Jungen ist rein genital ausgeprägt. Sexueller Missbrauch ist aus diesem Grund nur Missbrauch, wenn er genital ausgerichtet ist.

Missbrauch

Diese Vorstellungen entspringen zum größten Teil einem Bild von herkömmlicher Männlichkeit. Dieses beinhaltet Normen wie: Männer sind stark und können sich wehren; Männer sind keine Opfer von Gewalthandlungen, sondern nur Täter; mit Verletzungen _ physischen und psychischen _ werden sie leicht fertig; Männer haben immer und überall Lust auf Geschlechtsverkehr; eine Erektion zu haben bedeutet, sexuell erregt zu sein; Männer wissen alles über Sexualität; Männer ergreifen immer die Initiative und Männer sind gefühlskalt. Solche Normen und Erwartungen von Männlichkeit führen zu den oben erwähnten Klischees und blockieren damit häufig den notwendigen Schritt von dem kognitiven Wissen über sexuellen Missbrauch an Jungen zu der tatsächlichen Verinnerlichung dieser Tatsache. Leider gilt sogar Für einige professionelle Helfer und Helferinnen, dass sie nicht frei von Vorurteilen Jungen gegenüber sind. Denn diese teilweise tief verinnerlichten Bilder lassen sich nur schwer abbauen und bedürfen einer intensiven Selbstreflexion.

Leidtragende sind die betroffenen Jungen, die in doppelter Hinsicht um eine Anerkennung als Opfer von sexuellem Missbrauch kämpfen müssen. Einmal in Bezug auf die Tatsache überhaupt, dass sie Missbraucht werden, und zum anderen, dass sie als Jungen (also trotz des Jungen-Seins) betroffen sind.

Sexueller Missbrauch löst bei Jungen wie bei Mädchen unangenehme Gefühle aus, die Für sie zum Teil sehr verwirrend sein können. Sie fühlen sich verraten, schämen sich und sind verletzt. Manche Jungen fühlen sich Für das, was ihnen passiert ist, mitschuldig, weil sie meinen, sich nicht richtig gewehrt zu haben, oder weil sie teilweise während des Missbrauches eine Erregung gespürt haben. Gerade auch wenn die Jungen eine Erektion gehabt haben, reden ihnen die Täter oder Täterinnen ein, dass sie "es doch gewollt haben und es ihnen Spaß gemacht hat". Eine fast perfekte Täter-Opfer-Umdrehung, die die Jungen an ihrer Wahrnehmung und an sich selbst erheblich zweifeln lässt.

Viele Jungen haben nach dem sexuellen Missbrauch durch einen Mann Angst davor, schwul zu sein. Sie müssen den Täter sexuell gereizt haben, so lautet häufig ihre Erklärung. Sie werden damit mit einer der belastendsten Jungenängste konfrontiert. "Schwul sein" bedeutet Für sehr viele Jungen nicht männlich zu sein. Das Schimpfwort "du Schwuler" ist ein diffuser, aber sehr mächtiger Angriff auf die Geschlechtsidentität eines Jungen. In der Arbeit und dem Kontakt mit den Jungen ist es wichtig, sowohl diese Ängste ernst zu nehmen, als auch zu versuchen, die Homophobie abzubauen. Denn sie verwehrt den Jungen zärtliche und weiche Körpererfahrungen mit anderen Jungen. Zärtliche Bedürfnisse untereinander können die Jungen dann nur realisieren, wenn sie sie mit Aggression überdecken, wie zum Beispiel in einem Ringkampf.

Sexuell Missbrauchte Jungen fühlen sich hilflos und ohnmächtig, Für einige stellt der Missbrauch eine traumatische Erfahrung dar. Diese Gefühle passen nicht zu dem herkömmlichen Bild von Männlichkeit, verunsichern die Jungen, lösen erhebliche Selbstzweifel aus und führen dazu, dass viele Jungen sich nicht trauen, über das Erlebte zu sprechen. Denn wenn sie es täten, müssten sie sich selber eingestehen, hilflos und schwach zu sein, oder sie Fürchten, von der Umwelt als Schwächlinge angesehen zu werden.

Ich denke, aus dem oben Skizzierten wird deutlich, dass sexuell Missbrauchte Jungen Hilfe und Unterstützung brauchen. Sie benötigen Menschen, die ihnen zuhören, sich ihrer annehmen, denen sie vertrauen können und die ihnen vor allen Dingen glauben. Auch wenn es in der BRD immer mehr Beratungsstellen gibt, die sowohl Für Mädchen als auch Für Jungen arbeiten, gibt es bisher keine Beratungsstelle, die sich explizit nur an Jungen wendet. Gerade sie hätte aber eine öffentliche Signalwirkung, die nicht nur den Jungen deutlich macht, dass sie Hilfe und Unterstützung benötigen.

© Torsten Kruse von Widerspruch (eine Einrichtung, die Aus- u. Weiterbildungsangebote in dem Bereich kritisch-solidarische Männer- u. Jungenarbeit mit dem Schwerpunkt sexualisierte Gewalt anbietet) c/o Consult Büro Kiel Königsweg 9 24103 Kiel Tel.: 0431/678258 Fax: 0431/674943

Die Daten sind aus folgenden Büchern bezogen: - Ulrike Brockhaus / Maren Kolshorn: Sexuelle Gewalt gegen Mädchen und Jungen. Mythen, Fakten, Theorien. Campus Verlag. - Julius, Boehme: Sexueller Missbrauch an Jungen - Eine kritische Analyse des Forschungsstandes


  • 0