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Die neue Volksfrömmigkeit


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Rolf

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Die neue Volksfrömmigkeit





Warum die Katholiken Mariä Himmelfahrt feiern - Eine kleine Kulturgeschichte des heutigen Feiertags - Deutung ist theologisch umstritten


Bonn - Heute ist Kardinal Joachim Meisner in besonderer, päpstlicher Mission unterwegs. Im Auftrag von Benedikt XVI. bringt der Kölner Erzbischof ein Geschenk zur "Gnadenmutter von Altötting": eine metallene, mit Gold überzogene Rose, wie sie vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert als Zeichen päpstlichen Wohlwollens Personen, Institutionen und Städten verliehen wurde. Das ist just zum Hochfest der Aufnahme Mariens in Himmel, volkstümlich Mariä Himmelfahrt, eine hohe Auszeichnung für den Wallfahrtsort im Herzen Bayerns. Ihm fühlt sich der Pontifex, der Gendarmensohn aus Marktl am Inn, seit Kindheitstagen verbunden, im September 2006, bei seinem Besuch in der Heimat, hat Benedikt den Bischofsring, den er bis zur Papstwahl trug, vor dem Marienbild abgelegt. Es ist aber nicht nur Nostalgie, die in der Rosen-Geste zum Ausdruck kommt. Vom Glanz der edlen Blume soll etwas auf den Feiertag selbst abfallen, der nur noch im Saarland und im größten Teil Bayerns ein "gesetzlicher" ist, und auf die Wallfahrten, Lichterprozessionen und Kräuterweihen, wie sie auf dem Höhepunkt des Sommers in den katholischen Regionen üblich sind.

Es gibt trotz des Säkularisierungsschubs noch immer viele Zeichen einer gelebten Volksfrömmigkeit, aber sie verdecken doch weitgehend die nicht unumstrittene theologische Bedeutung des Festes. Der Gedenktag hat eine lange Tradition. Schon vor dem Konzil von Chalkedon (451) war er in der Ostkirche bekannt, sie begeht ihn bis heute als Fest der "Dormition", der "Entschlafung" Mariens. Die Westkirche übernahm ihn im 6. oder 7. Jahrhundert. Nach einer Legende, von Cäsarius von Heisterbach 1216 niedergeschrieben, schwang sich der Leichnam der Gottesmutter in strahlender Lichtaura, von Engeln getragen, empor. In der niederbayerischen Benediktinerabtei Rohr hat der Barockkünstler Egid Qurin Asam dieses heilige Schauspiel mit lebensgroßen Figuren in Szene gesetzt: Maria ist voller Leben und strahlt zugleich innere Ruhe aus, sie wird von der Heiligsten Dreifaltigkeit in Empfang genommen und empfängt Krone, Zepter und Ring. Maria, die Himmelskönigin - diese Vorstellung ist fest verwurzelt im Volksglauben. Sie ist die "Unbefleckt Empfangene", die vom Makel der Erbsünde Befreite, Pius IX. hat das 1854 zum Dogma erhoben.

Am 1. November 1950 verkündete Papst Pius XII. dann als weiteren festen Glaubenssatz, dass Maria "nach Vollendung des irdischen Lebenslaufes mit Leib und Seele in die himmlische Herrlichkeit aufgenommen wurde". Wer daran zweifle, solle wissen, "dass er vollständig vom göttlichen und katholischen Glauben abgefallen ist". "Aufnahme" beschreibt einen passiven Vorgang. Das unterscheidet das heutige Marienfest deutlich vom Feiertag Christi Himmelfahrt, bei dem von einem Aufstieg, einer Auffahrt die Rede ist. Gleichwohl lehnen die Orthodoxen und die Kirchen der Reformation das Dogma, das bisher letzte in der Geschichte der katholischen Kirche, strikt ab. Es fehle die biblische Grundlage. Zwischen die Papstkirche und die nicht katholischen Christen schob sich eine neue Barriere, sie ist bis heute nicht weggeräumt. Katholische Theologen versuchen indes, dem Tag Mariä Himmelfahrt eine moderne Deutung zu geben. Die Gläubigen, schrieb etwa der Würzburger Pastoraltheologe Erich Garhammer, dürften darauf hoffen, "dass Jesus in ihrer Sterbestunde bei ihnen ist und sie trägt". Für Garhammer ist das Bild der Aufnahme in den Himmel eine "geniale Antwort auf den Nihilismus".

Das katholische Brauchtum stört sich nicht an den theologischen Streitereien, es gibt dem Fest viele Namen: Großer Frauentag, Maria Würzweih, Büschelfrauentag. Wenn die ersten Baum- oder Strauchnüsse reif waren, schenkte man sie den Kindern am 15. August als Mariennüsse. Früher wurden auch an anderen Feiertagen Kräuter geweiht, heute überall nur noch am Fest der Aufnahme Mariens in den Himmel. Warum gerade dieser Tag mit Kräutern in Verbindung steht? "Das lässt sich nur spekulativ beantworten", sagt der an der Hochschule der Pallottiner in Vallendar bei Koblenz lehrende Brauchtumsforscher Manfred Becker-Huberti. Wohl kaum dürften die vielen Marienlegenden, in denen duftende Rosen und Kräuter im leeren Grab der Gottesmutter eine Rolle spielen, ursächlich sein. Eher ist es nach Becker-Huberti wahrscheinlich, dass "die jahreszeitlich bedingte Getreidereife und Hochblüte der Natur in Erinnerung brachten, dass Maria traditionell als 'Blume des Feldes und Lilie in den Tälern' verehrt und seit dem 5. Jahrhundert als 'guter und heiliger Acker' benannt wurde, der eine göttliche Ernte brachte, woraus sich die Darstellung Mariens im Ährenkleid entwickelte".

Schon der Sachsenspiegel des 13. Jahrhunderts belegt den Brauch der Kräuterweihe. Glaube verband sich von Anfang an mit Aberglauben. "Mit disen Kreutern geschicht seer vil zauberey", heißt es im "Weltbuch" des Sebastian Franck von 1534. Um sicherzugehen, dass die Kräuterbüschel viel Segen "mitbekamen", wurden sie vor der Messe unter das Altarbuch gelegt, bis dies verboten wurde. Die Symbolhandlung - mit Gottes Hilfe die Kräfte der Natur zugunsten von Mensch und Tier einzusetzen - bezog auch die Anzahl und die Auswahl der Kräuter ein. Ihre Anzahl, weiß Becker-Huberti, war nicht gleichgültig, sondern betrug - landschaftlich und zeitlich unterschiedlich - zwischen sieben und 99 Kräutern: sieben (als die alte heilige Zahl) oder neun (also drei mal drei) waren normal, aber auch zwölf oder 24, 72 oder gar 99, darunter Johanniskraut, Wermut, Beifuss, Schafgarbe, Königskerze, Tausendgüldenkraut, aber auch Kamille, Thymian, Baldrian, Klee und Getreidearten. Die geweihten Kräuter wurden im Haus und im Stall meist an der Wand angebracht, um Mensch und Tier zu schützen, krankem Vieh wurden sie ins Futter gemischt. Bei Gewitter warf man die Kräuter ins Feuer, um sich vor Blitzschlag zu schützen. Verstorbenen legte man ein Kreuz aus geweihten Kräutern auf den Sarg.

Vor der Reform des katholischen Heiligenkalenders endete Mariä Himmelfahrt mit dem Oktavtag, dem 22. August. An ihm wurde das Fest Unbeflecktes Herz Mariä gefeiert - es hatte sich parallel zum Herz-Jesu-Fest entwickelt. Die Kalenderreform hat das Fest Unbeflecktes Herz Mariä auf den Samstag nach dem Herz-Jesu-Fest verlegt, den Samstag nach dem zweiten Sonntag nach Pfingsten. An den ehemaligen Oktavtag wird jetzt das Fest Maria Königin begangen. Es war von Pius XII. zum Abschluss des Marianischen Jahres 1954 eingeführt worden. Sein vierter Nachfolger, der Pole Johannes Paul II, setzte die Anfangsbuchstaben von Marias Namen in sein Wappen und machte die Marienfrömmigkeit zum Zentralthema seiner Verkündigung. In gewisser Weise scheint ihm der Papst aus Deutschland darin zu folgen.
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