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Kann man mit Vernunft Gottes Existenz beweisen?


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Rolf

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Kann man mit Vernunft Gottes Existenz beweisen?





Für den Atheisten von heute ist ein allmächtiger Vater im Himmel nichts als Wunsch und Wahn einer patriarchalischen Gesellschaft. Ist aber einem Atheisten Gott überhaupt zu beweisen? Ein Dialog über Gottesbeweise, die Rationalität des Glaubens und die Chancenlosigkeit der Wissenschaft, das Absolute zu widerlegen.


Ingo Langner: Ist Gott einem Atheisten zu beweisen?



Walter Brandmüller: Ich frage Sie dagegen: Was verstehen Sie unter Beweis? Und, was verstehen Sie unter Gott? Wenn Sie dabei an einen mathematischen, physikalischen, chemischen, biologischen, überhaupt naturwissenschaftlichen Beweis denken, dann kann man Gott nicht beweisen. Er lässt sich weder mit Zahl, Maß, Gewicht, noch mit chemischen Formeln oder Ähnlichem fassen. Einer geistigen Realität, und das ist Gott, können Sie nicht mit naturwissenschaftlichen Methoden habhaft werden.

Professor Walter BrandmüllerHingegen gibt es philosophische Gründe für den Glauben an Gott. Thomas von Aquin hat die bekannten Fünf Wege zur Erkenntnis Gottes formuliert. Natürlich können diese hier zwar nicht dargestellt, wohl aber angedeutet werden. Der erste ist der kausale Gottesbeweis: Alles was ist, muss eine Ursache für seine Existenz haben. Am Ende muss aber dann eine selbst nicht mehr verursachte Ursache stehen. Schon Aristoteles hatte von dem „ersten unbewegten Bewegenden“ gesprochen. Auch die Tatsache, dass Welt und Mensch sinnvoll eingerichtet und der Vervollkommnung fähig sind, lässt auf ein intelligentes Wesen schließen, das an oberster Stelle stehend Plan und Ziel vorzugeben vermag. Eine moderne Variante: Die physikalischen Naturkonstanten sind dergestalt miteinander in Harmonie und aufeinander abgestimmt, dass Leben entstehen konnte. Würden diese Konstanten nur um geringe Promille abweichen, wäre Leben unmöglich. Auf diesen oder ähnlichen Wegen vermag man in der Tat - eine grundsätzliche Offenheit des Denkens einmal vorausgesetzt -, die Existenz Gottes einsichtig zu machen.

Wer an den Schöpfer von Mensch und Universum glaubt, springt also nicht mit verbundenen Augen vom Sieben-Meter-Brett in ein vielleicht gefülltes Becken. Man kann mit vernünftigen Überlegungen durchaus zur Erkenntnis der Existenz Gottes gelangen. Immer wieder aber geht es darum, ob ich meine persönliche oder auch die allgemeine menschliche Erfahrung zum absoluten Kriterium mache oder aber bereit bin, zu akzeptieren, dass der Bereich des Seienden und des Möglichen größer ist als mein Vorstellungs- bzw. mein Denkvermögen.

Eigentlich dürfte es gar nicht so schwierig sein, von dem ebenso naiven wie arroganten Standpunkt dieses „Ich glaube nur, was ich sehe“ loszukommen, wenn man bedenkt, wie wenig wir allein von der materiellen Welt kennen und wissen. Von da aus kann man sehr wohl zu der Einsicht gelangen, dass es Dimensionen der Wirklichkeit gibt, zu denen die bloße Vernunft keinen Zugang gewährt. Der Glaube setzt überdies die Vernunft nicht außer Kraft, sondern erweitert, schärft unser Erkenntnisvermögen, wie etwa ein Elektronenmikroskop unser Sehvermögen potenziert. Voraussetzung ist dann nur, dass die Zuverlässigkeit dieses Instruments Glaube geprüft und gesichert ist. Hier tritt in der Tat die Vernunft in Aktion. Und darum geht es ja in unserem Diskurs. Da fällt mir übrigens auch Matthias Claudius ein: „Seht ihr den Mond dort stehen, er ist nur halb zu sehen, und ist doch rund und schön. So sind gar manche Sachen, die wir getrost verlachen, weil unsere Augen sie nicht sehn.“ Er hatte eine Ahnung von den Grenzen der Vernunft!

Ingo Langner: In den Augen unserer geistigen Widersacher ist das Gedicht von Matthias Claudius vermutlich kein taugliches Argument gegen einen „naturwissenschaftlichen Anti-Gottesbeweis“.

Walter Brandmüller: Das mag sein. Aber sein Gedicht gefällt mir, und ich erinnere mich dabei an Goethe, der in seinem „Faust“ den weltanschaulichen Reduktionismus gewisser Naturwissenschaftler bereits von Mephistopheles verspotten lässt: „Daran erkenn ich den gelehrten Herrn! Was ihr nicht tastet, steht euch meilenfern, was ihr nicht fasst, das fehlt euch ganz und gar, was ihr nicht rechnet, glaubt ihr, sei nicht wahr, was ihr nicht wägt, hat für euch kein Gewicht, was ihr nicht münzt, das gelte nicht“ So weit Goethes Teufel persönlich

Ingo Langner: Für den Atheisten von heute ist ein allmächtiger Vater im Himmel nichts als Wunsch und Wahn einer patriarchalischen Gesellschaft.

Also ein reaktionärer Anachronismus. So etwa argumentiert Dawkins in seinem jüngsten Buch „Der Gotteswahn“, mit dem er missionarisch unterwegs und in den USA den Atheismus salonfähig machen möchte - ein Bestseller auch in Deutschland. Einer der Rezensenten hat es sogar das aufregendste Buch des Jahres 2007 genannt. Mit der These „Gott ist ein unverzeihlicher menschlicher Wunschtraum“ möchte die Dawkinsgruppe das Alte Testament vom Tisch fegen und am liebsten das Neue gleich mit. Ich sage „Dawkinsgruppe“, denn es gehören noch andere Angelsachsen und auch Franzosen dazu. Alle haben die gleichen ideologischen Scheuklappen.

Walter Brandmüller: Aber ich bitte Sie, das ist doch nichts anderes als aufgewärmter Feuerbach. „Gott Vater“ als Wunschtraum! Dazu eine Gegenfrage: Muss es denn ein Wunschtraum sein – oder steht dahinter nicht auch eine existenzielle Erfahrung, wenn man diesen Gott „Vater“ nennt? Auch die patriarchalische Gesellschaft, die, wie man meint, einen Vater-Gott projiziert, muss doch eine Vater-Erfahrung haben!

Ingo Langner: Vielleicht muss ich dann doch differenzierter fragen.

Es kommt ganz offenbar Bewegung in die säkulare Welt. Ja, Bewegung sogar dort, wo man geistig ansonsten ziemlich unflexibel ist, wo man bisher diesen geistigen Dünkel gepflegt hat. Dort also, wo man den guten alten Avantgardeanspruch wie eine Dauerstandarte vor sich her trägt. Es kommt Bewegung in jene medial verstärkte Welt, wo man bisher geistig auf der Stelle getreten ist und die so erzeugte große Delle für einen entscheidenden Einbruch ins metaphysische Denken gehalten hat. Denn inzwischen gibt es „dort drüben“ Stimmen, die sich ihrer Sache nicht mehr so sicher sind. Mit anderen Worten: Da, wo bisher scheinbar ewige Winterstarre war, wird neu über Religion nachgedacht. Und ausgerechnet in dieser Situation, wo das Eis schmilzt, da machen diese „neuen Atheisten“ um Dawkins herum Front. Und zwar mit den allerschlichtesten Argumenten. Ich meine, das sind Naturwissenschaftler, Evolutionsforscher, Biologen usw. Die haben Lehrstühle - sogar in Oxford. Also in sehr respektablen Umfeldern. Was geht da vor?

Walter Brandmüller: Was ihnen im Grunde genommen fehlt, ist einfach ein kritisches wissenschaftstheoretisches Bewusstsein. Sie wissen nicht, wie weit ihre Methoden tragen. Und sie wenden auf den Gegenstand der Forschung unpassende Methoden an. Dawkins mag ein großartiger Naturwissenschaftler sein. Das kann ich nicht beurteilen. Aber: Er kann mit naturwissenschaftlichen Methoden nicht an geisteswissenschaftliche Probleme herangehen. Das ist genauso verfehlt, wie wenn ich etwa die kristalline Struktur eines Minerals mit Methoden der Literaturkritik erforschen wollte. Das geht nicht. Die Methode muss dem Gegenstand der Erforschung angemessen sein.

Ingo Langner: Man kann mit literaturwissenschaftlichen Methoden keine physikalischen Prozesse beschreiben.
Das wird vermutlich auch einem Herrn Dawkins nicht schwer fallen zu verstehen. Im Prinzip jedenfalls. Doch dann folgt postwendend das große „Ja, aber“. Denn das Erstaunliche ist doch, dass es denkende Menschen gibt, die annehmen, mit naturwissenschaftlichen Erkenntnissen und mit naturwissenschaftlichen Methoden Christentum und Religion in Frage stellen zu können. Walter Brandmüller: Das eben ist ein Irrtum. Man darf nicht vergessen, dass Intelligenz mit einer gewissen partiellen Verblendung, mit einem blinden Fleck im Erkenntnisvermögen durchaus verbunden sein kann. Übrigens hat schon Thomas von Aquin um die Bedeutung des erkennenden Subjekts für die Erkenntnis der außersubjektiven Wirklichkeit gewusst: „Quidquid recipitur ad modum recipientis recipitur – Was auch immer aufgenommen wird, wird nach der Art des Aufnehmenden wahrgenommen.“ Das heißt, dass im Erkennenden selbst Hindernisse für die Erkenntnis bestehen können: Es kommt darauf an, welche „Brille“ einer aufsetzt!

Walter Brandmüller: Das Glauben ist zunächst einmal ein urmenschlicher, alltäglicher Vollzug. Ohne zu glauben hätte man doch nicht einmal das Einmaleins gelernt. Man musste glauben, was der Lehrer sagte. Und, wissen Sie, dass Ihre Frau Sie liebt? Nein. Sie müssen es ihr glauben, denn vom innersten Denken und Empfinden eines Menschen können Sie keine selbst erworbene Kenntnis haben. Hier können Sie nur glauben. Aber auch dieser Glaube kommt nicht ohne Vernunft aus. Ein Beispiel: Sie sind zum ersten Mal in Paris. Sie steigen am Gare du Nord aus dem Zug, und nun? Wo geht’s denn zum Louvre, wo zum Eiffelturm? Sie müssen fragen. Wen fragen Sie da? Einen amerikanischen Touristen? Oder doch lieber den Taxifahrer? Ohne ein begründetes Urteil über die Kompetenz bzw. Glaubwürdigkeit Ihres Gegenübers wird der Glaube zum gefährlichen Abenteuer.

Ingo Langner: Wollen Sie damit tatsächlich behaupten, dass Glauben eine Forderung der Vernunft ist, dass die Vernunft geradewegs zum Glauben führt?

Das, meine ich, ist nun wirklich eine Provokation. Sie behaupten, dass jeder vernünftige Mensch glauben müsse. Und wenn er es dann nicht tut, sprechen Sie ihm die Vernunft ab! Ist das wirklich Ihre Meinung? Walter Brandmüller: Wenn von dem alltäglichen zwischenmenschlichen Glauben die Rede ist, meine ich das in der Tat. Reden wir hingegen vom Glauben an Gott, sieht die Sache anders aus! Der Glaube, wenn es sich um existenzielle Dinge handelt, ist nämlich nicht nur eine Sache der Vernunft. Der Mensch ist mehr als Verstand, er hat ja auch einen Willen. Er hat, auch, wenn manche das nicht akzeptieren wollen, sogar einen freien Willen. Das heißt in unserem Falle, dass die Vernunft mit ihren Überlegungen zwar bis an die Schwelle zum Glauben an Gott führen kann. Den Schritt hinüber muss der Mensch aber tun wollen. Schon Thomas von Aquin wusste: „Homo credere non potest nisi volens“ - der Mensch kann nur glauben, wenn er es will. Ingo Langner: Meint Thomas von Aquin mit „er“ den Menschen oder Gott?

Walter Brandmüller: Na, den Menschen natürlich.

Ingo Langner: Also kann der Mensch nur glauben, wenn der Mensch es will?

Walter Brandmüller: Ja, homo credere non potest nisi volens.

Ingo Langner: Aber schon im Religionsunterricht lernt man doch, dass der Glaube immer ein Geschenk Gottes ist.
Wie geht das zusammen?

Walter Brandmüller: Glauben können - und nun spreche ich als Theologe - ist tatsächlich in letzter Instanz eine von Gott geschenkte Fähigkeit. Ob Gott sie schenken will oder nicht, liegt nicht in unserer Macht. Wenn er sie aber schenken will, und er will es, dann ist es demnach immer der Mensch, der diese Gabe annimmt oder zurückweist. Bei der Entscheidung, ob er das eine oder das andere tut, spielen dann auch Realitäten wie Sünde und Gnade eine in ihrem Zusammenspiel kaum zu ergründende Rolle. Sie verbinden und durchdringen sich dabei mit der Freiheit des Menschen zu einem für uns nicht zu entwirrenden Geflecht, aus dem dann das Ja oder Nein zu Gott erwächst.

Ingo Langner: Was aber sagen Sie zu dem gar nicht so seltenen Phänomen, dass mancher eine eigentlich erkannte Wahrheit nicht wahrhaben will?

Walter Brandmüller: Ja, dieses Phänomen gibt es in der Tat, und es hat ohne Frage ziemlich viel mit Tiefenpsychologie zu tun. Aber da kommt auch noch anderes ins Spiel. Mancher sagt: Ich möchte gerne glauben, aber ich kann es nicht. Eine solche Aussage ist unbedingt ernst zu nehmen, auch wenn, und gerade weil dies nicht mehr viel mit Vernunftgründen zu tun hat. Wer weiß, welche inneren Konflikte, ja Verzweiflung und Angst hierbei einfließen! Glauben ist nämlich nicht nur ein intellektuelles, theoretisches Ja zu religiösen Wahrheiten. Es ist im gleichen Maße existentielle Hingabe an den Gott, an den, ja, dem man glaubt. Existentielle Entscheidungen werden nun einmal nicht nur mit dem Kopf getroffen, dabei spielt mehr mit - und in letzter Instanz Gott selbst.

Ingo Langner: Ich habe in den letzten Jahren immer wieder
das Argument gehört, dieses „Glaubenkönnen nur wenn Gott es gibt“, sei eine subtile Ausrede der Kirche.

Denn Gott müßte doch eigentlich wollen, dass alle Menschen an ihn glauben.

Walter Brandmüller: Er will es ja auch. Aber was meinen Sie, wenn Sie von einer subtilen Ausrede der Kirche sprechen?

Ingo Langner: Er will es, sagen Sie. Nun klappt es aber offensichtlich mit dem Glauben nicht immer.

Wir wissen von Menschen, die wollen von Herzen gern glauben. Die schauen in ein katholisches Gotteshaus hinein, und das nicht nur wegen der dortigen Kunstwerke. Die nehmen sogar an einer ganzen Reihe von Heiligen Messen teil. Die gehen Ostern, die gehen Weihnachten, die gehen immer wieder zu Gottesdiensten. Die sprechen mit gläubigen Menschen und stellen Fragen zum Katechismus. Es nützt aber alles nichts. Sie finden trotzdem nicht zu Gott und wenden sich deshalb von allem Kirchlichen wieder ab. Was ist denn das?

Walter Brandmüller: Möglicherweise liegt das – unter anderem - daran, dass die von Ihnen beschriebenen Menschen einen irrigen Begriff von „glauben können“ haben, dass sie mit „Glauben“ irgendwelche Vorstellungen von erhebenden seelischen Erlebnissen oder Gefühlen verbinden. Das aber ist nicht so. Nicht jedem geht es wie dem 18jährigen Paul Claudel, der, als man in Nôtre Dame bei der Weihnachtsvesper das Magnifikat sang, vom Bewußtsein der Wirklichkeit Gottes überwältigt wurde. Augustinus – der ja alle Höhen und Tiefen menschlicher Existenz erfahren hatte - läßt Gott einem, der klagt, er finde ihn trotz allem Suchen nicht, antworten: du würdest mich nicht suchen, wenn du mich nicht längst gefunden hättest. Ingo Langner: Ein schöner Satz vom Hl. Augustinus. Aber ist das wirklich die Antwort auf meine Frage? Walter Brandmüller: Ich meine, hier sollten wir wieder einmal erst Begriffe klären! Was meint man denn eigentlich, wenn man sagt ich glaube? Wie tut man das: glauben? Das muß erst klar sein, ehe wir weiter reden.

Ingo Langner: Dann bitte ich um eine Definition.

Walter Brandmüller: Gern. Glauben ist ein intellektuell verantworteter Akt des Willens! Viele verstehen darunter irgendein nebulöses Gefühl des Erhabenen, Heiligen, Göttlichen. So etwas mag sich dann und wann einstellen - glauben ist das nicht! Glauben geht anders. Ingo Langner: Wollen Sie damit ernsthaft sagen, dass glauben also ein rationaler Vorgang ist? Walter Brandmüller: Das will ich in der Tat.

Ingo Langner: Wie begründen Sie das?

Walter Brandmüller: Natürlich ist Glauben ein Akt des Vertrauens und des Willens. Ich muss aber vor meiner Vernunft rechtfertigen können, warum ich vertrauen, warum ich glauben will. Ergo: Ohne Vernunft kann man nicht glauben! Aufgabe der Vernunft ist es, die Glaubwürdigkeit dessen zu prüfen, dem ich glauben will.

Erst, wenn diese Glaubwürdigkeit feststeht, kann ich vernünftigerweise glauben. Ich glaube also nicht, weil ich, z. B., es für vernünftig halte, dass Gott in drei Personen ein Einziger ist, sondern weil ich mich davon überzeugt habe, dass diese Aussage von Gott geoffenbart ist.

Ingo Langner: Das ist eine Antwort, die sicherlich manchen nachdenklich machen wird, und auch eine Antwort für jene, die Glauben für eine reine Gefühlssache halten.

Oder schlimmer noch für etwas Absurdes, Reaktionäres, zu Überwindendes. Aber meinen Sie, dass mit dieser Klarstellung diejenigen zufrieden sein werden, die Gott gesucht, aber nicht in die Katholische Kirche gefunden haben?

Walter Brandmüller: Als Gläubiger denke ich da an einen Vers: „Wechselnde Pfade – Schatten und Licht – alles ist Gnade! Fürchte dich nicht!“ Wer sagt denn, dass aus der Gott-Suche in jedem Fall sofort eine Kircheneintrittserklärung werden muß! Und wer weiß, ob nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt dann doch dieser Schritt erfolgt? Jeder Mensch hat seine ganz individuelle Glaubens- und Heilsgeschichte, die mit Respekt zu akzeptieren ist!

Ingo Langner: Wenn Sie das jetzt so sagen, heißt das: Glauben muss mit einem Eingefügtsein in die Katholische Kirche zunächst einmal gar nichts zu tun haben?

Walter Brandmüller: Naturgemäß steht das Ziel am Ende, nicht am Beginn des Weges! Und wie gesagt, der Heilsweg eines jeden Menschen ist in gewissem Sinne Maßarbeit der göttlichen Vorsehung. Dass die Zugehörigkeit zur Katholischen Kirche in diesem Zusammenhang der Normalfall ist, ist selbstverständlich. Aber wie zahlreiche Lebensläufe zeigen, sind es oft verschlungene Pfade, auf denen Gott einen Menschen auf seine je eigene Weise zum Heil führt, und dabei auch „auf krummen Zeilen gerade schreibt!“

Ingo Langner: Ist dies ein Kapitel von menschlicher und göttlicher Freiheit?

Walter Brandmüller: Kein Zweifel! Und eben dieses ist ein ungemein dramatisches Kapitel. Da geht es um Freiheit – auch wenn dies für Materialisten und Deterministen ein anstößiger Begriff ist!

Ingo Langner: Und was ist mit dem alten katholischen Lehrsatz: Außerhalb der Kirche kein Heil?

Walter Brandmüller: Natürlich, der Einwand, musste kommen! Mit diesem Zitat kann man doch trefflich den Vorwurf der Arroganz und Intoleranz gegen die katholische Kirche erheben. Aber weder der Märtyrer-Bischof Cyprian von Karthago († 258), auf den dieser Satz zurückgeht, noch die verbindliche Lehre der Kirche haben je behauptet, dass ein Mensch, der nicht zur Katholischen Kirche gehört, deswegen das ewige Heil nicht erlangen könne.

Cyprian meint, dass die Heilsgüter – die rechtmäßigen Sakramente und die rechte Glaubenslehre nur in der katholischen Kirche zu finden sind. Das bedeutet, dass der Einzelne innerhalb der Kirche ebenso verloren gehen, wie einer außerhalb der Kirche gerettet werden kann, da hat nun Goethe einmal recht, wenn er im Faust seinen Engel sagen lässt: „Wer immer strebend sich bemüht, den können wir erlösen!“ Man muss die objektive Heilsordnung vom subjektiven Heilsweg unterscheiden. Genügt Ihnen diese Antwort? *** Dieser Dialog stammt aus dem Manuskript eines Buches, das unter dem Titel „Atheismus? Nein danke. Vernünftig glauben!“ 2009 auf Deutsch bei „Weltbild“ und in einer italienischen Übersetzung bei „Libreria Editrice Vaticana“, dem offiziellen Verlag des Heiligen Stuhls, erscheinen wird.

Prälat Professor Walter Brandmüller ist Priester der Erzdiözese Bamberg, Kirchenhistoriker, Präsident der Päpstlichen Kommission für Geschichtswissenschaften und Canonicus von St. Peter in Rom. Er lebt im Vatikan. Ingo Langner ist Dokumentarfilmer und Publizist. Er lebt in Berlin.

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