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Ist unser Rechtsstaat wirklich gerecht?


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Rolf

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Ist unser Rechtsstaat wirklich gerecht?







Als Kind war für mich die (Justiz-) Welt noch in Ordnung. Deutschland ist ja schließlich ein Rechtsstaat - was sollte einem da passieren? Doch - so ca. in der 10. Klasse erzählte uns unser Klassenlehrer etwas über die Justiz, was er kritisierte, und ich sagte: "Aber Herr V... , wir leben doch in einem Rechtsstaat! Darauf machte der Lehrer eine Geste der absoluten Unverständnis.

Ich möchte auf dieser Seite der Frage nachgehen, inwiefern unser "Rechtsstaat" wirklich "gerecht" ist. Richtschnur soll dabei meine eigene Überzeugung sowie auch die Worte Jesu in der Bibel sein.

Zunächst einmal - was ist das, "gerecht"? Wir haben alle so unsere eigenen Vorstellungen von "Gerechtigkeit". Die Bibel sagt "Auge um Auge, Zahn um Zahn", und das empfinden wir als brutal. Unsere modernen Geld- und Haftstrafen finden wir gerecht. In anderen Ländern gelten Todesstrafe, Folter, Auspeitschen und Amputationen von Gliedmaßen als gerecht, was wir als völlig ungerecht und grausam empfinden.

Im Laufe der Geschichte hat sich unser Rechtssystem weiterentwickelt. Haftbedingungen haben sich verbessert, Begriffe wie "schuldunfähig" und "Täter-Opfer-Ausgleich" sind entstanden, manche Straftatbestände wurden abgeschafft und andere neu eingeführt. So wurden z.B. noch viele Jahre nach dem Krieg in der BRD noch homosexuelle Männer ins Gefängnis oder in die Psychiatrie gesperrt. Heute gibt es die Homo-Ehe und erzkonservative Prediger, die diese als "krankhaft" bezeichnen, müssen ihrerseits Angst vor Bestrafung haben. Unser Rechtsstaat entwickelt sich also weiter - aber: Sind wir gerade heute beim absoluten Optimum? Meine Antwort, die ich hier begründen möchte, lautet eindeutig: "Nein!"

Wenn eine Straftat geschieht, kann man sich im Prinzip auf die Seite des Opfers oder des Täters stellen. Beispiel: Nehmen wir an, ein Mensch stiehlt einen Cent. Wenn man absolut unendlich auf der Seite des Opfers wäre könnte man sagen: Wer auch nur einen Cent stiehlt, wird hingerichtet. Das wäre die Strategie der massiven Vergeltung. Wir alle sehen jedoch, daß das falsch ist!

Andererseits könnte man sich unendlich auf die Seite des Täters stellen und sagen: Wer einen Mord begeht, wird grundsätzlich freigesprochen. Daß das auch nicht geht, liegt auf der Hand. Die Wahrheit muß also dazwischen liegen - doch wo? Die Wahrscheinlichkeit, daß ausgerechnet unser Staat völlig gerecht ist, geht gegen null.

Ich möchte mal ein paar Beispiele erwähnen, die sich in Deutschland ereignet haben oder ereignen können:

- Wer einen Erwachsenen beleidigt, z.B. durch einen Vogel oder ähnliches, wird oft mit 30 Tagessätzen bestraft. 30 Tagessätze sind das Netto-Monatsgehalt, dazu kommen Gerichtskosten und Anwaltskosten. Wenn der Täter im Monat 10% des Netto-Monatsgehaltes übrig hat braucht er 10 Monate für die 30 Tagessätze und weitere Monate für Gerichts- und Anwaltskosten, so daß er 1-2 Jahre am Abbezahlen ist. In dieser Zeit kann die Familie und die Kinder sich nur das Nötigste leisten.

Wenn Schüler oder selbst Erwachsene andere mobben, dann hat das meist keine Konsequenzen für die Täter. Das Opfer hingegen muß eventuell die Schule wechseln oder kündigen, es kommt manchmal sogar zwangsweise in die Psychiatrie, z.B. wegen Selbstmordgefahr.

- Nach einigen Urteilen werden mehrfach erwischte Schwarzfahrer mit 1 - 3 Monaten Haft pro erwischter Schwarzfahrt bestraft. Eine mehrfach vorbestrafte und daher wohl arme Frau wurde für 3 erwischte Schwarzfahrten für je 1,65 Euro (insg. knapp 5 Euro) mit 3 Monaten Haft bestraft, die Vorinstanzen hatten sogar 6 Monate geurteilt! Wenn man mit einer Dunkelziffer von Faktor 20 - 40 rechnet, daß heißt, daß man bei jeder 20. - 40. Fahrt kontrolliert wird, ist diese Frau wegen 100 - 200 Euro Betrug für 3 Monate im Gefängnis. Das sind pro Jahr 400 - 800 Euro und in 10 Jahren 4000 - 8000 Euro! Peter Hartz, der in der VW-Affäre 2,6 Millionen (nicht zu seinen Gunsten) veruntreut hatte, kommt nicht ins Gefängnis und muß 360 Tagessätze = 576.000 Euro bezahlen. Skandal-Schiedsrichter Robert Hoyzer, der den Fußball-Wettskandal 2005 ausgelöst hat indem er den HSV in der ersten Runde des DFB-Pokals betrügerischerweise gegen den Regionalligisten SC Paderborn ausscheiden ließ und einen Schaden von 1,8 Millionen Euro verursacht hat muß lediglich 126000 Euro bezahlen! Seine Gefängnisstrafe von 2 Jahren und 5 Monaten wurde nach der Hälfte ausgesetzt.

Wenn andererseits Menschen unschuldig inhaftiert sind dann bekommen sie in Deutschland pro Tag ca. 11 Euro Haftentschädigung wovon ca. 6 Euro wegen des "Vorteils", Essen bekommen zu haben, einbehalten werden. Das sind am Tag netto ca. 5 Euro, im Monat 150 Euro, im Jahr 1800 Euro, in 10 Jahren 18.000 Euro.

Ein Kanadier hingegen, der 10 Jahre unschuldig als Mörder verurteilt war, bekam im Jahr 2008 über 4 Millionen Euro! Das sind über 1000 Euro pro Tag!!! Sein Kommentar: "Kein Geld der Welt kann meine Leiden wieder gutmachen!"

- Wenn man im Internet eine Markenrechts- oder Urheberrechtsverletzung macht, dann wird man rasch mit Hunderten oder Tausenden Euro bestraft - selbst dann, wenn es die eigenen Kinder waren. Selbst dann wenn man aus Unkenntnis ein unzureichend gesichertes WLAN betreibt kann man für fremde Urheberrechtsverletzungen massiv bestraft werden - im Wiederholungsfall drohen einem Rentner 250.000 Euro!

Wenn Männer ihre Frauen und Kinder verprügeln, dann passiert dem Täter meist nichts, die Frau muß ausziehen und kommt ins Frauenhaus. Wenn aber ein Verliebter eine Frau mit Telefonanrufen nervt droht ihm eine hohe Geldstrafe wegen Stalkings oder Gefängnis. Was ist schlimmer - verliebt sein oder prügeln???

- Wenn ein Mensch an einem Hilfsbedürftigen, der in Lebensgefahr ist, vorbeiläuft, wird er wegen unterlassener Hilfeleistung bestraft (was im Prinzip richtig ist - die Frage ist nur, wie hoch das Strafmaß im Einzelfall ist).

Wenn ein Millionär oder gar Milliardär seine Millionen verpraßt, ist er nach weltlichem Recht nicht der unterlassenen Hilfeleistung schuldig, aber er könnte Hunderten, Tausenden Menschen das Leben retten wenn er einen Teil seines Vermögens spenden würde. Insofern sind Reiche eigentlich der unterlassenen Hilfeleistung schuldig oder - etwas populistisch ausgedrückt: Reiche sind indirekte Mörder!



Ich persönlich empfinde diese Beispiele als zutiefst ungerecht!



Was sagt die Bibel bzw. Jesus über die Justiz?

Wir alle kennen das oben erwähnte alttestamentarische "Auge um Auge, Zahn um Zahn" (3. Mose 24,20) - und empfinden es als ungerecht. Aber für einen Vogel oder ein "A... loch" soll man je nach Einkommen monate- oder jahrelang abzahlen! Warum kann nicht der Richter auch einfach einen Vogel zeigen und dann hat es sich?

Und was sagt Jesus im Neuen Testament?

"Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet. Denn nach welchem Recht ihr richtet, werdet ihr gerichtet werden; und mit welchem Maß ihr messt, wird euch zugemessen werden" (Matthäus 7,1-2)

"Aber ich sage euch, die ihr zuhört: Liebt eure Feinde; tut wohl denen, die euch hassen; segnet, die euch verfluchen; bittet für die, die euch beleidigen. Und wer dich auf die eine Backe schlägt, dem biete die andere auch dar; und wer dir den Mantel nimmt, dem verweigere auch den Rock nicht. Wer dich bittet, dem gib; und wer dir das Deine nimmt, von dem fordere es nicht zurück. Und wie ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, so tut ihnen auch! Und wenn ihr die liebt, die euch lieben, welchen Dank habt ihr davon? Denn auch die Sünder lieben ihre Freunde. Und wenn ihr euren Wohltätern wohltut, welchen Dank habt ihr davon? Denn die Sünder tun dasselbe auch. Und wenn ihr denen leiht, von denen ihr etwas zu bekommen hofft, welchen Dank habt ihr davon? Auch die Sünder leihen den Sündern, damit sie das Gleiche bekommen. Vielmehr liebt eure Feinde; tut Gutes und leiht, wo ihr nichts dafür zu bekommen hofft. So wird euer Lohn groß sein und ihr werdet Kinder des Allerhöchsten sein; denn er ist gütig gegen die Undankbaren und Bösen." (Lukas 6, 27-35)

"Jesus aber ging zum Ölberg. Und frühmorgens kam er wieder in den Tempel, und alles Volk kam zu ihm, und er setzte sich und lehrte sie. Aber die Schriftgelehrten und Pharisäer brachten eine Frau, beim Ehebruch ergriffen, und stellten sie in die Mitte und sprachen zu ihm: Meister, diese Frau ist auf frischer Tat beim Ehebruch ergriffen worden. Mose aber hat uns im Gesetz geboten, solche Frauen zu steinigen. Was sagst du? Das sagten sie aber, ihn zu versuchen, damit sie ihn verklagen könnten. Aber Jesus bückte sich und schrieb mit dem Finger auf die Erde. Als sie nun fortfuhren, ihn zu fragen, richtete er sich auf und sprach zu ihnen: Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie. Und er bückte sich wieder und schrieb auf die Erde. Als sie aber das hörten, gingen sie weg, einer nach dem andern, die Ältesten zuerst; und Jesus blieb allein mit der Frau, die in der Mitte stand. Jesus aber richtete sich auf und fragte sie: Wo sind sie, Frau? Hat dich niemand verdammt? Sie antwortete: Niemand, Herr. Und Jesus sprach: So verdamme ich dich auch nicht; geh hin und sündige hinfort nicht mehr." (Johannes 8, 1-11)

Ähnlich, wie wir heute die Bestrafung von Schwulen mit Gefängnis und Psychiatrie verurteilen, wird im Reich Gottes vielleicht über unsere heutige Gesetzgebung geurteilt werden. Wobei ich nicht verschweigen will, daß das Rechtssystem in anderen Teilen der Welt hundert- oder gar tausendmal brutaler ist als bei uns.

Ich möchte nicht mißverstanden werden: Ich bin nicht generell gegen harte Strafen. Wenn z.B. Frauenhändler aus Profitgier Zwangsprostituierte in ein Bordell sperren und vergewaltigen bin ich auch für die Maximalstrafe: Lebenslänglich. Aber ein Mensch, der aus einer Not oder Zwangslage heraus etwas Falsches tut sollte mit Augenmaß und Liebe behandelt werden.



Martin Wagner, 16.7.2008, letzte Änderung am 18.7.2008
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