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Das Problem der Vergebung


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Rolf

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Das Problem der Vergebung





von Dr. Lila Docken Bauman


Vor ein paar Jahren fuhr eine Mutter mit ihren beiden Söhnen von zu Hause weg, um ihre Großmutter zu besuchen. Als sie die Anhöhe eines Hügels erreichten, überkreuzte ein in seinem Fahrvermögen beeinträchtigter Fahrer, dessen Führerschein zudem abgelaufen war, die Mittellinie und stieß mit ihrem Auto zusammen. Wie es häufig in solchen Szenarien vorkommt, überlebte der Fahrer. Auch die Mutter überlebte. Aber ihr Ehemann musste ihr mitteilen, als sie in der Intensivstation um ihr Leben rang, dass beide Jungen bei diesem Unfall ums Leben gekommen waren.

Nachdem die Mutter einen Moment brauchte, um diese erschütternde Nachricht aufzunehmen, schaute sie, eine Christin, zu ihrem Ehemann auf und fragte: „Hast du dem Fahrer gesagt, dass wir ihm vergeben?“ Ja – das hatte er getan, während seine Frau vor einigen Tagen noch im Koma gelegen hatte.

Diese Eltern gewährten Gottes Gnade als ihre erste Reaktion auf ein tragisches Un-recht. Sie waren keine Theologen, aber sie verstanden eines der schwierigsten Konzepte, das Christen konfrontieren müssen.

Vergebung ist mehr als eine ideale christliche Tugend; sie dringt durch bis ins Herz unseres Lebens. Jesus sprach in seinem Dienst das Thema wiederholt und mit großem Ernst an. Wenn man durch das Neue Testament geht, wird deutlich: Wenn wir einander die Verfehlungen vergeben, dann wiederspiegeln und haben wir Anteil am Charakter Gottes, der uns um Jesu willen vergeben hat (Mt 5; Eph 4,32-5,21).

Wenn wir die Botschaft des Evangeliums der Vergebung und Versöhnung analysieren, dann sehen wir, dass Beziehung der ganze Zweck der Schöpfung und der Erlösung ist. Das bedeutet nicht, dass das Streben oder die Fortsetzung einer Beziehung mit einem Täter immer möglich oder ratsam ist. Es bedeutet aber, dass sogar bevor die Menschheit wegen Sünde von Gott entfremdet wurde, Gott in seiner Liebe seinen Plan in Gang gesetzt hat, die Menschen mit sich selbst und miteinander zu versöhnen (1Pt 1,20). Das Kreuz Jesu lehrt uns auf eindrucksvolle Weise, dass Vergebung der Kern der Versöhnung ist.

Theologisch macht das Sinn. Aber wenn jemand Sie verletzt – Sie oder die Ihre Lieben –, dann sehen die Dinge düsterer aus. Sie fragen sich: Bedeutet dieser Person zu vergeben nicht, dass ich rechtfertige, was sie getan hat? Bedeutet vergeben nicht, dass ich den Täter ungestraft davonkommen lasse?

Gute Fragen, aber die Antwort lautet NEIN. Ihre Vergebung hat nichts zu tun mit den natürlichen Konsequenzen der Sünde, die ihren Lauf nehmen. Sünde richtet sich letztendlich gegen Gott, und es ist Gottes, nicht Ihre Aufgabe, sich mit den Sünden anderer zu befassen. Unser Akt der Vergebung ist ein Akt der Demut, unser Eingeständnis, dass auch wir Gottes Barmherzigkeit brauchen, und ein Akt der Liebe, indem wir anderen das gewähren, was Gott uns bereits gewährt hat. Es ist auch ein Akt des Glaubens, indem wir unsere Not, unser Recht auf Vergeltung, auf Rache vollständig Gott übergeben, und glauben, dass Gott sich zu seiner Zeit und auf seine Weise damit befassen wird.

Wenn wir die Geschichte von diesen Eltern hören, die dem fahruntüchtigen Fahrer, der ihre beiden Jungen tötete, vergab, oder von den sechs amischen Familien, die eine sofortige Erklärung der Vergebung formulierten, als sie ihre Töchter durch einen verrückten Amokläufer verloren, ist es natürlich zu fragen: Müssen sie nicht zuerst trauern? Ist es überhaupt für ein Opfer möglich, so schnell zu vergeben? Ich glaube, es ist möglich, und dass ihre Vergebung die richtige Handlung war.

Trauer braucht Zeit; sie entfaltet sich von Schicht zu Schicht und erlaubt uns, nach tiefen Verletzungen emotional und physisch zu heilen. Wenn Sie jemals einen Verlust betrauert haben – sei es ein Todesfall, eine zerbrochene Beziehung, ein verlorener Arbeitsplatz oder der Verlust Ihrer Gesundheit – dann wissen Sie, dass die Trauer Leugnung, Wellen von reißendem Zorn, Benommenheit, Traurigkeit, Feilschen und Depression einschließen kann, bevor die Annahme des Verlustes erstmals kommt.

Vergebung ist anders. Vergebung schließt ein, das Unrecht an den perfekten und treuen Richter zu übergeben (Ps 9), weil der Versuch, die Bürde selber zu tragen, Sie zerstören wird – Sie wurden nicht geschaffen, um diese Art von Gewicht zu tragen. Vergebung schließt ein, dass man akzeptiert, dass Gott Details kennt, die Sie nie erraten könnten. Es schließt ein, dass man es ihm überlässt, sich um die Situation zu kümmern, weil er der Fähigste ist, um es richtig zu machen, und es schließt ein, dass man mit der Zukunft, die er für Sie vorbereitet hat, weitermacht. Vergebung schließt ein, dass das Leben mehr ist, als nur dieses gegenwärtige Leben zu führen.

Die Gefühle mögen eine Weile brauchen, um das Erlebte zu verarbeiten. Sie mögen die Verletzung eine Zeitlang erneut vor Gott bringen und sagen müssen: „Ich habe dir diese Sache übergeben. Ich habe vergeben. Bitte nimm es.“

Während meiner letzten Monate an der Hochschule bekam ich einen Brief von der Darlehensgesellschaft meines Colleges. Der Brief informierte mich, dass die Firma meine Schuld an eine andere Firma verkauft hatte. Ich schuldete der ursprünglichen Firma keinen Cent von den Tausenden von Dollars mehr, die ich ausgeliehen hatte. Sie wünschten mir alles Gute für die Zukunft, und wuschen sich offiziell ihre Hände von meiner Schuld frei. Es war bloß eine gewöhnliche geschäftliche Mitteilung, aber ich erkannte hinter den Worten eine Leichtigkeit. Ich schuldete immer noch Geld, aber nicht mehr dieser Firma. Sie hatten sich selber davon befreit, für meine Schuld verantwortlich zu sein. In diesem Moment verstand ich etwas von dem A & O des Vergebens.

Wenn eine Mutter oder eine Gemeinschaft erklärt: „Ich habe vergeben“ bedeutet das nicht, dass sie nicht trauern. Es bedeutet nicht, dass sie das Böse stillschweigend dulden. Es bedeutet nicht, dass sie sich nicht gegen den Terror von Verbrechen gegen die Unschuldigen erheben werden.
Es bedeutet, dass sie die Schuld Gott übergeben, bevor die Rache eine Chance hat, in ihrem Herzen eine Wurzel zu schlagen. Sie sagen: „Es endet hier.“ Dann arbeiten sie an ihrer Trauer, von Gottes Armen umfangen. Stellen Sie sich vor, wie viele Bürgerkriege und ethnische Konflikte und bleibender regionaler Hass jetzt aussehen könnte, wenn irgendjemand, oder eine Gemeinschaft zu ihrer Zeit ihre Bürde an Gott übergeben und gesagt hätte: „Es endet hier. Gott wird das mit ihnen lösen – ich werde diese Bürde nicht mehr länger tragen.“

Die Wahrheit ist, dass den Opfern in materieller Hinsicht immer noch eine Menge geschuldet wird, und dass Gott nicht erwartet, dass eine Gemeinschaft oder ein Einzelner Ungerechtigkeit und Unrecht toleriert. Eine Person, die ihr ganzes Leben institutionelle Diskriminierung und Demütigung erfahren hat, kann vergeben, während sie weiter daran arbeitet, die Institution rechenschaftspflichtig und gerecht zu machen. Und wehe den Menschen, so sagt die Heilige Schrift, die darin versagt haben, die Schwachen zu schützen, für die Bedürfnisse jedes Mitglieds zu sorgen und Ungerechtigkeit zu bekämpfen.

Gott hat dieses Versprechen gemacht. Er wird alles Unrecht wiedergutmachen. Wenn ich die letzten beiden Kapitel der Offenbarung lese, finde ich mich selber inmitten einer Vision, wo Gott alle Tränen abwischt. „Diese Worte sind gewiss und wahrhaftig“ verkündet ein Engel, der die Zeit in seinen Händen hält.

Ich glaube, dass die Eltern der beiden Jungen und die amischen Familien in der Lage waren, Vergebung zu gewähren, weil sie auf Gottes Treue vertrauten. Sie verstanden den Unterschied zwischen einem Leben unter der bitteren und erdrückenden Schuld der Unversöhnlichkeit und einem Leben in Freiheit, das daher kommt, dass man die eigenen Verletzungen dem verwandelnden Licht von Gottes Gnade anvertraut.
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