Zum Inhalt wechseln

Welcome to Irrglaube und Wahrheit
Register now to gain access to all of our features. Once registered and logged in, you will be able to create topics, post replies to existing threads, give reputation to your fellow members, get your own private messenger, post status updates, manage your profile and so much more. If you already have an account, login here - otherwise create an account for free today!
Foto

Mandalas - seelsorgerliches und pädagogisches Problem?


  • Bitte melde dich an um zu Antworten
Keine Antworten in diesem Thema

#1
Rolf

Rolf

    Administrator

  • Administrator

  • PIPPIPPIP
  • 34170 Beiträge
  • Land: Country Flag

Please Login HERE or Register HERE to see this link!







Mandalas - seelsorgerliches und pädagogisches Problem?





Dr. Hansjörg Hemminger


Wenn Mandalas im Kindergarten, im Schulunterricht oder in Bildungshäusern auftauchen, wehren sich christliche Eltern oft dagegen, da sie die bunten Kreisbildchen in Zusammenhang mit fremden religiösen oder mit okkulten Praktiken bringen. Was sind Mandalas eigentlich? Das Wort stammt aus dem Sanskrit und bedeutet "Kreis" oder "Bogen". Es handelt sich im Original um hinduistische oder buddhistische Diagramme, die aus Kreisen, Rechtecken und Dreiecken bestehen können. Sie stellen teils gegenständlich, teils symbolisch, Götter- und Geisterwelten oder kosmische Kräfte dar. Das kann zum Beispiel der Grundriss eines Hindu-Tempels sein. Die meisten gegenständlichen Abbildungen stammen aus der tibetischen Tradition des Buddhismus. Die Bilder dienen teils der religiösen Lehre für die nicht schriftkundige Bevölkerung, ähnlich wie bunte Glasfenster in Kathedralen Illustrationen der biblischen Geschichten sein können. Im tantrischen Hinduismus und Buddhismus, also wieder vor allem in Tibet, werden die Mandalas auch als Hilfsmittel für die Meditation betrachtet.

Manche Lehrer und Erwachsenenbildner nehmen diese Tradition auf, wenn sie Mandalas als Entspannungs- und Versenkungshilfen einsetzen. Diejenigen, die bei uns im Unterricht benutzt werden, haben jedoch in aller Regel keinen religiösen Gehalt mehr. Viele der Leute, die sie entwerfen und benutzen, können nicht einmal sagen, woher sie kommen und was sie im Osten bedeuten. Oft findet man frei gestaltete Kreisfiguren, die mit den Mandalas vor allem die graphischen Elemente gemeinsam haben: Sie sind radiärsymmetrisch, und die Linienführung sowie die Farbgebung läuft auf ihre Mitte zu.

Von daher folgen sie Gestaltungsregeln, die im Westen (im Unterscheid zum Osten) eher selten sind. Sie sind aber keineswegs abwesend, man denke an die mittelalterlichen "Weltgemälde", an die spätgotischen Rosetten in unseren Kathedralen oder an manche barocke Deckenmalereien. Mit "Okkultismus" haben die Mandalas nichts zu tun, denn Hinduismus und Buddhismus sind keine okkulten Systeme, sondern Weltreligionen. Probleme bei der Verwendung von Mandalas in unseren Schulen oder kirchlichen Bildungshäusern könnten also Probleme des Religionsimports sein, oder der Religionsvermischung, des Synkretismus. Allerdings verbinden die meisten Leute, die Mandalas verwenden, damit keine religiöse Ideen. Insofern handelt es sich eher um einen Kulturimport. Benutzt werden Gestaltungselemente einer anderen Kultur, nicht Ideen und religiöse Praktiken. Das gehört zur globalen Weltgesellschaft dazu, ob es einem gefällt oder nicht.

Schließlich heiraten Japanerinnen inzwischen auch unter Abspielen von Bach-Chorälen und im weißen Brautkleid, ohne dass sie deshalb Christinnen werden. Allerdings gibt es Mandala-begeisterte Lehrkräften, die selbst meditieren und die Kinder und Jugendliche zu östlich gedeuteten meditativen Erfahrungen anleiten. Dann ist die Bewertung klar: Im öffentlichen Bildungswesen hat religiöse Werbung jeder Art nichts verloren, und im Rahmen einer christlichen Kirche hat Werbung für andere Religionen nichts verloren. Die Frage allerdings, ob im Einzelfall tatsächlich für den Buddhismus geworben wird (Werbung für den Hinduismus über Mandalas kommt so gut wie nie vor.) muss im Einzelfall geklärt werden. Die Antwort hängt weniger von den Bildchen selbst ab, sondern von den An- und Absichten der Anwender. In aller Regel stellt sich heraus, dass diese rein ästhetische oder (in einigen Fällen) undeutliche spirituelle Interessen an den Mandalas haben. Das pädagogische Interesse an solchen bunten Konzentrationshilfen leuchtet dagegen ein: Unsere Kinder (und leider auch die Erwachsenen) sind an vorbeihuschende Bilderfluten gewohnt, die nur über wenige Schlüsselreize wirken können. Sich zu konzentrieren, sich auf die Mitte einer Wahrnehmung hin auszurichten, sie selbst zu gestalten, kann da heilsam sein.

Allerdings gilt umgekehrt: Meditative Versenkungsübungen, die auch nur ansatzweise zu einem veränderten Bewusstsein führen, sind in Kindergarten und Schule, sowie in der kirchlichen Jugendarbeit, nicht zu verantworten, nicht mit Einzelnen, und gleich gar nicht in Gruppen. Lehrer, die meinen, sie könnten Konzentrations- oder Disziplinprobleme durch meditative Übungen lösen, sind auf dem pädagogischen Holzweg. Das gilt unabhängig davon, ob sie Mandalas verwenden oder irgend eine andere Technik. Wenn die bunten Kreisbilder dagegen spielerisch benutzt werden, wenn sie ästhetisches Erlebnis und Mittel der Gestaltung sind, gibt es keinen Grund zur Annahme, der Buddhismus würde für kleine und große Mandala-Maler wahrscheinlicher. Wenn diese Symbole mit christlichen Ideen verbunden werden, zum Beispiel mit dem Schöpfungsdenken, ist sowieso eine andere Richtung vorgegeben. Es ließe sich an die alten christlichen Kosmographien anknüpfen, die den "Erdkreis" bildlich darstellten, manchmal umfangen von der göttlichen Dreieinigkeit. Eine Widerbelebung solcher christlicher Symbolik - soweit sie möglich ist - könnte uns allen gut tun.

Aufmerksam sollte man allerdings bleiben, und man sollte die richtige und falsche Verwendung von Mandalas mit Lehrkräften, Eltern, Jugendmitarbeiterinnen usw. ansprechen. Denn immerhin gibt es meditationsbegeisterte, unkritische Pädagogen, und es gibt eine buddhistische Mission im Westen, die evt. an Gestaltungselemente des Mandalas anknüpfen könnte. Während das erstere, das pädagogische, Problem immer wieder auftaucht, erscheint das zweite Problem in den meisten Konfliktfällen weit hergeholt. Es gibt dringendere Felder des Dialogs und der Auseinandersetzung mit dem Buddhismus im Westen als die Kritik an Mandalas. Gestalten wir diese Begegnung in guter Weise, und wissen wir über unseren eigenen Glauben Bescheid, brauchen wir uns vor ein wenig östlicher Kultur nicht zu fürchten.

Buchtipp: Hemminger, Hansjörg: Geister, Hexen, Halloween. Brunnen Verlag Giessen 2002
  • 0