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Beseelt von urkirchlichem Enthusiasmus


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Rolf

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Journal: Die "Christliche Rechte" in den USA verliert nach der Amtszeit von Präsident George W. Bush an politischer Bedeutung






Beseelt von urkirchlichem Enthusiasmus





Von unserem Mitarbeiter Josef Tutsch



Obama gegen Clinton: Über diesem Duell bei den Demokraten ist kaum aufgefallen, in welche Bredouille der Siegeszug McCains bei den Republikanern eine der wichtigsten Wählergruppen in den USA gestürzt hat. In den letzten Jahren hatte sich die "Christliche Rechte" in der Hoffnung, politischen Einfluss zu gewinnen, eng mit der Republikanischen Partei verbandelt. Der neue Kandidat McCain hält aber Abstand zu radikal-evangelikalen Predigern.

Eine Rückwendung hin zu den Demokraten wäre ebenso wenig erfolgversprechend. Bei aller programmatischen Unschärfe macht Obama nicht den Eindruck, er würde sich für die Vorstellungen der Christlichen Rechten engagieren.

Vom Phänomen der "Pfingstler"

Als die Vorwahlkämpfe begannen, hatte Michael Hochgeschwender, Kulturhistoriker an der Ludwig-Maximilians-Universität München, seine Studie über "amerikanische Religion" schon abgeschlossen. Am Ende steht dennoch eine vorsichtige Prognose: Die "Pfingstbewegung", jenes enthusiastische Christentum, das den lebendigsten Zweig amerikanischer Religiosität ausmacht, könnte sich aus der Umklammerung des Fundamentalismus und der religiösen Rechten - damit auch der Umklammerung des Neokonservatismus in der republikanischen Partei - lösen. Eine Rückkehr an die Basis, auf die Ebene der Gemeinden.

Den meisten europäischen Beobachtern wird das Phänomen der "Pfingstler", die sich in direktem Kontakt zum Heiligen Geist sehen, kaum weniger fremd sein als der Fundamentalismus, der mit seinem Wörtlichnehmen des Bibeltextes und mit seiner aggressiven Wendung gegen die Evolutionslehre hierzulande viel Kopfschütteln hervorruft. Ekstatische Musik, prophetisches Reden und Wunderheilungen sollen bei Gottesdiensten der Pfingstler nicht selten sein.

Auch in Amerika selbst, vermerkt der Kulturhistoriker, hat das "Inszenatorische" solcher Erweckungsgottesdienste immer wieder Verdacht ausgelöst, nicht nur bei säkular denkenden Intellektuellen, sondern auch bei konkurrierenden Kirchen, die mehr auf festgelegte Rituale als auf spontane Frömmigkeitsausbrüche setzen. Dennoch traut der Forscher am ehesten dieser Erweckungsbewegung zu, für die religiöse Szene Amerikas einen Anschluss an die Moderne zu finden.

Hochgeschwender rekonstruiert die vergangenen 250 Jahre als eine ganze Folge solcher "awakenings" - Erweckungen; er zählt vier "evangelikale", die sich auf die Irrtumsfreiheit des Bibeltextes beriefen, und zwei "pentekostale", von einem sozusagen urkirchlichen Enthusiasmus bewegte. Dazwischen habe es immer wieder Phasen der Institutionalisierung, sogar Säkularisierung gegeben. So seien die methodistischen und baptistischen Kirchen, die aus solchen Erweckungen hervorgingen, längst "mainstream".

Dagegen hat sich in Westeuropa seit der Aufklärung eine relativ stetige Entzauberung der Welt vollzogen. Wie der Unterschied zu erklären ist, das gehört in den Bereich spekulativer Geschichtsdeutung. Hochgeschwender spricht von einer "Tradition der Traditionslosigkeit", die ein scheinbar unmittelbares, in Wirklichkeit bloß unreflektiertes Verhältnis zum Beispiel zur biblischen Offenbarung ermöglicht.

Gibt es einen Zusammenhang zwischen den religiösen Impulsen der Landnahme im 17. und 18. Jahrhundert und der US-Weltpolitik von heute? Hochgeschwender vermeidet es, Kontinuitäten zu konstruieren. Die religiöse Rechte habe nicht einmal ein ausgefeiltes außenpolitisches Konzept, man könne bloß sagen, dass die Ziele der Regierung Bush mit ihren eigenen Vorstellungen eines christlichen Amerikas nicht im Widerspruch stünden. Den puritanischen Pilgervätern, die 1620 mit der "Mayflower" den Ursprungsmythos der USA begründeten, so der Forscher, war der Gedanke an Weltmission aber denkbar fern.

Wie sieht es bei schwarzen Gemeinden aus? In theologischen Fragen seien sie ausgesprochen konservativ, verbindeten dies aber mit gesellschaftlichem Engagement, das wiederum den weißen Rechtsevangelikalen fremd sei.

Bei allem Einfluss der Religion haben die einzelnen religiösen Organisationen offenbar eine relativ geringe Bindungskraft. Mit religiösen Ideen könnte es ähnlich stehen. Hochgeschwender hat bereits in den theokratischen Ideen der Puritaner einen Ansatz gefunden, der viel Flexibilität ermöglichte und dann auch den Weg zu religiöser Toleranz und politischer Mitbestimmung ebnete.

Mannheimer Morgen
28. Juni 2008
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