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Religiöser Wahn in Afrika


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SÜDWESTRUNDFUNK
SWR2 Glaubensfragen - Manuskript

Uganda und die Todessekten




Religiöser Wahn in Afrika




Autor: Johannes Weiß
Redaktion: Johannes Weiß
Sendung: Sonntag, 14.12.2003, 12.05 Uhr, SWR2



Wenn es ein Paradies gibt – so wie hier in dem Ort Kanungu im Südwesten Ugandas könnte es wohl aussehen: Berge, Hügel und Täler, Bananenhaine, eine saftig-grüne Vegetation, grasende Ziegen, spielende Kinder. Die Menschen hier sind sehr religiös. Von hier aus ist es nicht weit zu den berühmten Gorillas, die im Grenzgebiet von Uganda, Ruanda und dem Kongo leben. Etwas außerhalb des Ortes Kanungu liegt ein Hügel mit mehreren Gebäuden. Vor vier Jahren lebte hier eine Sekte: Movement for the Restauration of the Ten Commandments of God – die Bewegung für die Wiedereinsetzung der Zehn Gebote Gottes.

Am 17. März 2000 gegen 10.30 Uhr wird die scheinbar so paradiesische Ruhe von Kanungu jäh zerrissen. Die Bewohner des Ortes hören vom Sekten-Hügel zunächst eine Art Explosion und dann die verzweifelten Todesschreie vieler Menschen herüber schallen.


So muss es sich damals angehört haben. Die Menschen des Ortes laufen hinauf auf den Hügel, glauben zunächst an ein Unglück. Sie sehen eine der beiden Kirchen der Sekte lichterloh brennen. Alle Versuche, die Türen und Fenster zu öffnen, sind vergebens. Denn ganz offenbar wurde alle Fluchtwege fest verriegelt, die Türen und Fenster mit Brettern zugenagelt. Die Menschen in der Kirche haben keine Chance. Sie verbrennen bis zur Unkenntlichkeit. Bis heute ist nicht klar, wie viele Männer, Frauen und Kinder genau ums Leben kommen. Auf jeden Fall weit mehr als 500. Unter ihnen mehr als 200 Jugendliche, Kinder und Babys.

„Massenselbstmord einer Endzeitsekte“ – so lauten damals die ersten Schlagzeilen. Doch schon bald kommen Zweifel auf. Nicht nur der vielen Kinder wegen, die sich natürlich nicht selbst umgebracht haben. Bei ihren Untersuchungen auf dem Gelände der Sekte bemerken die Polizisten einen ekelerregenden Geruch. Er kommt aus einem der


Wonhngebäude, und zwar aus einer Latrine. Sechs verwesende Leichen werden darin gefunden. Nun ist die Polizei vollends alarmiert. Unter Häusern und auf Grundstücken der Sektenführer in anderen Orten Ugandas werden Massengräber gefunden. Mehr als tausend Tote zählt man schließlich – das größte Sekten-Massaker aller Zeiten.

Wenn man heute durch das Land reist, trifft man immer wieder Menschen, die Kanungu-Opfer kennen. Zum Beispiel dieser Taxifahrer in Kampala. Ein Freund von ihm verlor sieben Verwandte in Kanungu.


Es handelte sich um ein Ehepaar mit sechs Kindern. Die Frau hatte ihren Mann verlassen und die Kinder mitgenommen in die Sekte. Alle sieben sind in Kanungu umgekommen.

Heute ist es wieder ruhig in Kanungu. Die Zeiten, da Untersuchungs-Kommissionen und Journalisten aus aller Welt hier her kamen, sind längst vorbei. Wir sind seit langem die ersten fremden Besucher, die den Weg nach Kanungu gefunden haben.

Ein Projektmanager des Lutherischen Weltbundes hat uns hierher gefahren. Vincent wurde im benachbarten Ruanda geboren, doch seine Eltern flohen mit ihm 1959 nach Uganda, als es damals Massaker der Hutu an den Tutsi gab. In Uganda wuchs Vincent auf, hier ist seine Heimat, auch wenn er jetzt für einige Jahre wieder in Ruanda arbeitet. Da er sich hier in Uganda bestens auskennt, hat er sich bereit erklärt, uns zu fahren. Was große Künste erfordert. Denn jetzt herrscht hier Regenzeit – die Wege sind aufgeweicht, immer wieder droht der Wagen seitlich abzurutschen. Kanungu liegt weitab jedweder asphaltierten Straße.

Dort endlich angekommen, bitten wir einen Polizisten, uns hinauf auf den Sekten-Hügel zu führen.


Joseph heißt der 32jährige Constable. Er sagt, er werde uns nachher das Massengrab zeigen, wo mehr als 500 Menschen liegen. Er selbst kam sehr bald nach dem Inferno hierher, um zu sehen, was genau passiert war. Die Sektenmitglieder hätten vorher stundenlang gebetet, das habe man im Dorf hören können. Offenbar rechneten sie nicht damit, dass sie plötzlich alle verbrennen würden. Sicher, sie glaubten daran, dass das Ende der Welt nahe sei. Aber als es plötzlich um sie herum brannte und sie keinen Fluchtweg hatten, muss das für sie ein entsetzlicher Schock gewesen sein.

Es waren sonderbare Menschen, die dort oben auf dem Hügel lebten. Sie sprachen nicht – nicht miteinander und nicht mit den Leuten im Ort. Wenn sie sich verständigten, dann nur durch Zeichensprache. Sie trugen Einheitskleidung, sahen verhärmt und stets ernst aus.

Aber warum ließen sie sich in dieser Kirche einsperren?

Untersuchungen des Sekten-Massakers von Kanungu förderten Folgendes zutage:

Anführerin dieser Sekte war eine Frau, die aus Kanungu stammte. Ihr Name: Credonia Mwerinde. Diese Frau behauptete später, ab 1988 Marienvisionen gehabt zu haben. Zunächst glaubten ihr nur ein paar Frauen – immerhin war damit die Keimzelle zu der Bewegung zur Wiedereinsetzung der Zehn Gebote Gottes gelegt.

Credonia Mwerinde predigte, die Welt werde in einer dreitägigen Akopalypse enden. Nur einige wenige Erlöste könnten sich in eine Arche flüchten. Dort würden sie dann gerettet und in den Himmel geholt, während um sie herum alles in Dunkelheit und Chaos versinken werde.
Vermutlich glaubten die mehr als 500 Sektenmitglieder, als sie am 17. März 2000 in die Kirche gingen, sie seien nun in der sicheren Arche und um sie herum werde die Welt untergehen.

Im Dorf Kanungu fand die Endzeitsekte keine Anhänger. Man kannte Credonia und hielt nichts von ihr. In der Schule war sie mehr als mäßig gewesen, später hatte sie als Prostituierte gearbeitet und eine Bar geführt. Aber sie muss eine attraktive und herrische Frau mit einem enormen Durchsetzungvermögen gewesen sein – vielleicht lebt sie ja
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noch heute irgendwo versteckt. Denn viel deutet darauf hin, dass sie nicht in der brennenden Kirche war.

Dass fast ausschließlich Ortsfremde hierher nach Kanungu kamen, erklärt, dass die Menschen in Kanungu kaum mitbekamen, was sich auf dem Sekten-Hügel wirklich tat.

Credonia Mwerinde gelingt es, einige honorige Männer für sich und ihren Endzeitglauben zu gewinnen. Vor allem den angesehenen Lehrer und ehemaligen katholischen Schulrat und Landbesitzer Joseph Kibwetere. Jetzt wächst die Sekte immer stärker – bis zu 3.000 Mitglieder, so schätzt man, wird sie zuletzt gehabt haben. Mehrere katholische Priester verließen ihre Kirche und schlossen sich der Endzeit-Gemeinschaft an.

Die ging so geschickt vor, dass sie von der ugandischen Regierung zunächst sogar als NGO, als Nichtregierungs-Organisation anerkannt wurde. Man bestellte Felder und Plantagen, es gab eine Schule – alles schien harmlos, ja geradezu vorbildlich.

Das Ganze wurde allerdings von der offiziellen katholischen Kirche als Abspaltung gewertet – und diese Abspaltung traf der bischöfliche Bannstrahl. Heute sagen katholische Theologen, das sei ein entscheidender Fehler gewesen. Der Hochschullehrer Deusdedit Nkurunziza aus Kampala, ein katholischer Priester und Kanungu-Experte, sagt:

O-Ton Deusdedit

Unsere Kirche hat die Leute der Endzeitsekte einfach hinausgeworfen, hat den einst so angesehenen katholischen Schulrat Kibwetere einfach exkommuniziert. Statt den verlorenen Schafen nachzugehen.

Die Dramatik der Ereignisse in Kanungu steigert sich, je näher das Jahr 2000 rückt. Die Sektenführer haben ihren Anhängern gesagt: Am 31. Dezember 1999 wird die Welt unter gehen, dann kommt ihr alle zu Gott, Jesus und Maria in den Himmel.

Doch die Prophezeiung tritt nicht ein. Was zur Folge hat, dass immer mehr Sektenmitglieder gegen ihrer Führung aufbegehren und ihre Fähigkeit, das Ende aller Zeiten vorauszusagen, in Zweifel ziehen. Viele


Sektenmitglieder hatten alles, was sie besaßen, verkauft und der Führungsclique gegeben. Nun machen sie ihren Führern Vorwürfe.

Offenbar beginnen die damals, die Protestler gezielt zu ermorden und in Massengräbern zu verscharren. Zugleich scheinen die Sektenführer ihren Anhängern den Anbruch des Weltenendes für Mitte März verprochen zu haben. Deshalb ließen sich die Mitglieder der Sekte am 17. März in die Kirche locken, in der sie dann verbrannten.

O-Ton Polizist Latrine

Joseph, der junge Polizist, zeigt mir auf dem Sekten-Hügel in einem der Wohnhäuser die Latrine, in der man damals sechs verwesende Leichen fand – wodurch die ganze Untersuchung ins Rollen kam. Die Latrine liegt unmittelbar neben den Wohnräumen von Sekten-Chefin Mwerinde.

Ob die heute noch lebt, weiß – wie gesagt - niemand. Das gilt auch für den Sektenführer Joseph Kibwetere. Wilde Gerüchte ranken sich bis heute um die Sekte. Einmal heißt es, Kibwetere sei in Israel, Mwerinde im Kongo. Dann wieder wird gemutmaßt, die Sektenführer hätten sich der sogenannten Lord´s Resistance Army angeschlossen, die im Norden von Uganda immer wieder fürchterlichste Massaker anrichtet. Diese Widerstandsarmee des Herrn entführt Kinder und dressiert die Jungen zu erbarmungslosen Kindersoldaten, die minderjährigen Mädchen zu Prostituierten. Angeblich kämpft sie im Auftrag des Herrn – aber der katholische Priester Albert Byaruhanga sagt, die Lord´s Resistance Army sei nichts weiter als eine Bande von Kriminellen und Terroristen.

O-Ton Vater Albert zur LRA

Der Führer der Lord´s Resistance Army, Joseph Koney, ist – nach allem, was man hört – ein Irrer, ein brutaler Psychopath.

Und viel deutet darauf hin, dass auch Credonia Mwerinde und Joseph Kibwetere kranke Gemüter, vielleicht auch kranke Gehirne hatten bzw. haben. Aber das erklärt nicht, warum ihnen so viele Menschen folgten und bereit waren, sich von ihnen quälen zu lassen.

Denn die Regeln der Sekte waren unmenschlich. Niemand – außer der Führungsclique – durfte reden. Sex war streng verboten, Männer wurden


von ihren Frauen, Kinder von ihren Eltern getrennt. Niemand durfte Seife benutzen, die Sektenmitglieder litten Hunger und mussten auf den umliegenden Feldern hart arbeiten. Nachts wurden sie geweckt und mussten stundenlang beten. Wer gegen die Chefs aufbegehrte, kam in das winzig kleine Gefängnis in einem der Gebäude.

Während wir jetzt das Gelände der Sekte mit den verlassenen Häusern ansehen – darunter eine große Schule mit geräumigen Klassenzimmern und eine große, damals gerade fertig gestellte Kirche – folgen uns zwei kleine Jungs aus dem Dorf. Sie zeigen uns das winzig kleine Gefängnis – nicht einmal zwei Quadratmeter groß. Hier wurden widerspenstige Sektenmitglieder eingesperrt. Man kann hier nur stehen, zum Hinlegen reicht der Platz nicht. Und als sei das nicht schon Folter genug, ist dieses Kleinstgefängnis noch einmal durch eine Tür unterteilt – wer in den abgeteilten Raum kam, der hatte nicht mal mehr einen Quadratmeter zum Stehen und lebte in völliger Dunkelheit. Wer weiß, welche schrecklichen Dinge sich hier damals abgespielt haben.

O-Ton Kinder

Das Sekten-Massaker ist bis heute im Ort das Thema Nummer eins – gerade die Kinder reden natürlich oft davon.

Aber nochmals: Warum haben sich so viele Menschen dieser Sekte damals angeschlossen?

Vincent, der Projektmanager des Lutherischen Weltbundes in Ruanda, der uns hierher nach Kanungu gefahren hat und mit dem wir nun diesen Ort des Grauens wieder verlassen, versucht eine Antwort.

O-Ton Vincent

Vincent hat recht. In der Tat dürften Armut und mangelnde Bildung, außerdem Krankheit und Verzweiflung viele Menschen in die Arme der Kanungu-Sekte getrieben haben. Unter ihnen waren vermutlich etliche Tutsi und gemäßigte Hutu aus Ruanda, das im Süden an Uganda grenzt. Als dort 1994 der Völkermord begann, dem in nur drei Monaten 800.000 Menschen zum Opfer fielen, flohen viele völlig traumatisiert nach Uganda. Etliche von ihnen dürften später in die Kanungu-Sekte geraten sein – sie nahmen alle Entbehrungen und unmenschlichen Regeln auf


sich, weil sie auf das baldige Ende der Welt hofften und darauf, in den Himmel zu kommen. Auf dieser Erde – mit ihren Massakern und Krankheiten – erhofften sie sich keine Zukunft.

So paradiesisch, wie diese Region auf den ersten Blick aussieht, ist sie keineswegs. Armut und Aids plagen die Menschen – deshalb zieht es viele fort in die Städte, obwohl es ihnen dort eher noch schlechter geht.

Musik Gospel
Uganda ist, wie die meisten afrikanischen Länder, extrem religiös geprägt. Dabei haben die großen Kirchen, die das Christentum ursprünglich auf diesen Kontinent brachten, ihr Monopol längst verloren. Natürlich sind die lutherischen, die anglikanischen und die katholischen Kirchen nach wie vor voll. Die Internationalen kirchlichen Organisationen wie eben zum Beispiel der Lutherische Weltbund leisten eine vorzügliche Arbeit. Sie beziehen einheimische Kräfte bewusst mit ein, planen Projekte – für sauberes Wasser, für Arbeitsplätze, für Bildung und Gesundheit. Aber neben den traditionellen Kirchen und ihren internationalen Entwicklungs-Organisationen explodiert geradezu die Zahl der neuen religiösen Gemeinschaften. Gemeinschaften wie die der Zeugen Jehovas sind da schon fast traditionell zu nennen.

Der katholische Priester Albert Byaruhanga, ein Berater des ugandischen Präsidenten Museveni, sagt:

O-Ton Vater Albert

Es gibt in unserem Land ein enormes Sekten-Wachstum. Die Leute erhoffen sich alle möglichen Vorteile davon.

Wer in die ungandische Hauptstadt Kampala kommt, der sieht alle paar hundert Meter das Schild irgendeiner Religionsgemeinschaft. Sie heißen „Kampala Church of Christ“ oder „Glory Church International“, „Paradise Faith Christian Church“ oder „Power Center Church“ oder auch einfach „Hallelujah Studio“. Es gibt die „Ugandische Katholische Charismatische Erneuerung“ – was immer sich hinter diesem Namen verbirgt – und jede Menge Pfingstkirchen.


Was hier stattfindet, ist auch eine Privatisierung des christlichen Glaubens. Nur der einzelne zählt, ihm wird Heilung und Wohlstand versprochen – die gesellschaftliche und politische Relevanz des christlichen Glaubens kommt dabei unter die Räder.

Wer über den lauten und völlig chaotischen Bus- und Taxibahnhof von Kampala geht, hört an allen Ecken und Enden irgendwelche frommen Lieder aus den Kassettenrekordern plärren.


Und sofern in einem der Läden ein Fernseher steht, kann man in mindestens 50 Prozent aller Fälle darauf gefasst sein, gerade irgendeinen weißen Fernsehprediger über die Bühne toben zu sehen.

O-Ton TV Prediger

Und bei alledem reden wir noch gar nicht von den vielen Moscheen, den Hindu- und Sikh-Tempeln.

Wenn man es böse ausdrücken will, so kann man sagen: Religion grassiert in Afrika wie Aids. In vielen Ländern macht sich eine hochexplosive religiöse Mixtur breit. Mit europäischen Maßstäben, die von einigen hundert Jahren Aufklärung geprägt sind, kann man sie kaum verstehen.

Frage an den katholischen Theologen Deusdedit Nkurunziza, ob er zwischen dieser neuen religiösen Bewegung abseits der offiziellen Kirchen und dem Sekten-Massaker von Kanungu eine Verbindung sieht:

O-Ton Deusdedit
Ja, sagt der Theologe, diese neuen religiösen Bewegungen bilden sozusagen die Grundlage, auf der so etwas wie Kanungu entstehen konnte. Es geht hier in der Tat um eine Privatisierung und Entpolitisierung des Christentums. Die neue Politik der ugandischen Regierung demonstriert eine große Offenheit gegenüber allen Religionen – und das ist dann der Preis.

Die afrikanische Religiosität ist geprägt durch Wunder- und Aberglauben. Die Wirklichkeit ist für viele Afrikaner voller Mythen. In Kanungu erzählt


man sich angeblich, auf dem Gelände der Endzeitsekte kämen die Toten des Nachts aus ihrem Massengrab. Es soll Leute im Dorf geben, die
versichern, sie hätten genau gesehen, wie sie sich die Toten unheimlich hin und her bewegten, dort oben auf dem Sektenhügel.

Die offiziellen Kirchen beklagen, dass viele Schwarze in ihrer Religiosität unmündig und unkritisch gehalten werden. Die Leute müssten lernen, Fragen zu stellen. Wer sich die Arbeit etwa des Lutherischen Weltbundes in Afrika ansieht, der weiß: Dieser LWB verfolgt das Prinzip der Hilfe zur Selbsthilfe. Die vielen schwarzen LWB-Mitarbeiter zum Beispiel in Ruanda und Uganda sind gebildete, selbstbewusste, kritische und sachkompetente Männer und Frauen, die sich der enormen Probleme ihrer Länder annehmen.

Für sie alle sind die vielen kleinen Kirchen und Sekten, sind vor allem auch die angeblichen Wunderheiler, die aus Übersee hierher kommen, wie ein Schlag ins Gesicht.

Zum Beispiel der deutsche Prediger Reinhard Bonnke, der jetzt
in Nigeria Hunderttausende anzog – weil er versprach, „Afrika im Blute Christi rein zu waschen“ und weil er vor einer unübersehbar großen Menge schwarzer Menschen die Heilung aller nur erdenklichen Krankheiten allein aus dem Glauben versprach.

Oder der kanadische Prediger Todd Bentley. Anfang Dezember zieht er in Kampala Zig-Tausende in seine Veranstaltungen. Er hat ein riesiges Zelt aufbauen lassen – tagelang verspricht er den Schwarzen Wunderheilungen. Tausende von Plakaten hängen in Kampala, die das feiste Gesicht des blonden Weißen zeigen.

Musik Todd

Im Inneren des großen Zeltes bietet sich ein groteskes Bild. Eine endlose Schlange schwarzer Männer, Frauen und Kinder defiliert an einer Bühne vorbei. Dort steht eben jener Todd Bentley. Neben ihm vier weitere Weiße – eine blonde toupierte Frau und drei Männer, die allesamt aussehen die Conferenciers bei Kaffeeeinkaufsfahrten. Sie legen den unter ihnen vorbeigehenden Schwarzen die Hände auf und segnen sie. Dabei hampeln sie zum Rhythmus der Musik herum, als befänden sie sich in einer Show. Ab und zu – die Segnerei strengt an, seit mehr als einer Stunde geht das nun schon so – ab und zu lässt sich


Todd Bentley eine Cola reichen, die er hinunterstürtzt. Dann wird weiter gesegnet. Einer der Männer erklärt uns später, warum sie hier sind. Es ist der Vater von Todd Bentley.

O-Ton Bentley Vater

So einfach ist das. Man braucht keine Medizin gegen Aids – man muss nur zu Jesus beten, dann wird man auch von Aids geheilt. Acht bewiesene Wunderheilungen hat Vater Bentley anzubieten. Kein Wunder, das so viele Schwarze hierkommen, im Zeitalter der Aids-Epidemie, die vor allem Afrika heimsucht.

Während wir reden, beobachtet uns ein schmächtiger Schwarzer mit adrett gebügeltem Hemd. Jetzt kommt er näher und sagt: Er sei auch ein Prediger, ein Straßenprediger, der den Leuten von Jesus predige. Und er hält uns eine Kurzpredigt: Kommt zu Jesus, Leute. Der gibt euch alles, was ihr braucht. Wir haben keine Macht, aber mit Jesus haben wir Macht. Gott segne dich, Bruder!

O-Ton Preacher


Experten fürchten zu recht, “Kanungu” könnte sich in Afrika jederzeit wiederholen. Eben wegen jener hochgefährlichen religiösen Mischung.

Wenn wieder eine skrupellose Clique religiöser Fanatiker auftritt und behauptet, ihnen sei die Jungfrau Maria erschienen; das Ende der Welt sei nah, nur wenige kämen zu Gottvater, Jesus und Maria in den Himmel - dann werden sich wieder viele um diese Seelenfänger scharen.

Weil sie aufgrund ihrer verzweifelten Situation hier auf dieser Erde keine Zukunft für sich sehen. Und weil ihnen scheinbar nichts weiter bleibt als die Hoffnung auf das Jenseits.
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