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Heilung charismatisch oder esoterisch?


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#1
Rolf

Rolf

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Hier habe ich einen interessanten Artikel gefunden, der Nähe charismatischen Denkens zum esoterischen Gedankengut deutlich macht.



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Weiche Satan! Krankheit als Schuld





Die calvinistischen Denkstrukturen der Geistheiler


© Elisabeth Aslan

15.03.2008

In Deutschland boomt der Geistheiler-Markt. Das Weltbild, das dahinter steht, ist oft mehr als fragwürdig: Schuld an der Krankheit sind negative Emotionen.

Ob Handauflegen, Reiki, Gebet, Lichtheilung, Aura-Soma, Tarot oder Runen - die Geistheilerzunft hat sich in den letzten Jahren geradezu inflationär vervielfacht. Genau 97100 Treffer meldet die google-Suchmaschine, gibt man den Begriff ein, was, zieht man kritische Beiträge zum Thema einmal ab, vielleicht 50000 ergibt. Und eines der beliebtesten Schlagwörter, die die heilkundigen Möchtegern-Schamanen benutzen, ist das Wort “ganzheitlich” oder ”holistisch”. Ein Wort, das wie eine Art Sesam-öffne-dich das Tor öffnet zu jener geheimnisvoll-spirituellen Welt, in deren mystischem Licht das Rationale, Sachliche und Analytische keinen Ort hat. Das wird verteufelt oder instrumentalisiert, je nachdem, ob es ins Weltbild passt. Die Schulmedizin jedenfalls passt nicht ins System, da sie für den Geschmack der Eso-Heiler die seelisch-geistige Ursache von Krankheit zu wenig einbezieht.

Krebs: Manifest gewordene Gedanken?

Nun ist an diesem Gedanken durchaus viel richtiges. Dass beim Ausbruch einer Krankheit psychosomatische Faktoren eine große Rolle spielen, ist heute ein Allgemeinplatz. Doch die mit dem New Age entstandene Geistheilerfraktion zäumt das Pferd nun von der anderen Richtung auf: Schuld an einer Krankheit ist ausschließlich der krankmachende Geist bzw. die negative Emotion. Ganz der biblischen Tradition verpflichtet gilt bei den Eso-Heilern das “Am Anfang war das Wort” (logos, Geist) in einer erschreckend linearen Kausalität. Und so müssen denn, um das Übel an der Wurzel zu packen, negative Gedanken von Beginn an ausgerottet werden. Denn böse und schlechte Gedanken, häufig und regelmäßig gedacht, "manifestieren" sich im Körper und führen zu Krebs, Darmentzündungen, Tumoren etc. Bis in die kleinste Zelle sollen die dunklen Anteile wirken, was, so will es die esoterische Gemeinde, eine umfassende Reinigungskur notwendig macht.

Krankheit ist selbst verursacht!

Bei Catherine Ponder zum Beispiel, ihres Zeichens Geistheilerin, lesen sich denn auch manche Passagen ihres Buchs "Die dynamischen Gesetze der Heilung", als sei sie das Sprachrohr eines alttestamentarischen Gottes: “Die schockierende Antwort (...) lautet: Krankheit ist selbst verursacht! Krankheit wird durch falsche Gedanken, Einstellungen und Glaubenssätze ausgelöst, die den Körper tangieren und durchdringen und dabei die Lebenskraft drosseln. Neid, Hass und Angst - wenn solche Gefühle zur Gewohnheit werden, können sie organische Veränderungen und letztlich Krankheit auslösen”. Transportiert werden die Gedanken übrigens durch den Flüssigkeitsgehalt des Körpers: "Ihm ist es zu verdanken, daß sich die Gedanken so leicht in ihm bewegen können...". Eine von vielen Behauptungen, die, so hanebüchen sie klingen, von der gläubigen Gemeinde begierig aufgenommen werden.

Exorzißmus als Therapie

Es sind Sätze, die exemplarisch sind für eine Geisteshaltung, die das calvinistische Modell - "Jeder ist seines Glückes Schmied" - eins zu eins auf eine angeblich von Liebe durchtränkte Erleuchtungsphilosophie setzt. Und damit eine Hierarchie aufbaut, die da lautet: "Körperliche Beschwerden sind immer ein Zeichen für geistige Unvollkommenheit". Der Kranke hat also im Falle einer schweren Krankheit nicht nur unter diesem Schicksalschlag zu leiden, sondern muß sich gleichzeitig mit Schuldgefühlen herumplagen - er selbst hat ja diese Krankheit in seinen Zellen ausgelöst, er selbst hat durch "geistige Unvollkommenheit" und böse Gefühle das Krebsgeschwür geschaffen. Nun muß er also Licht und Schönheit in sich herstellen, um der Krankheit Herr zu werden. Und so schlägt die Autorin - die hier nur beispielhaft angeführt wird - auch im zweiten Kapitel ihres Buchs ganz richtig "Verleugnung" vor. Damit die "bösen Gefühle und Gedanken" keine Macht über den Menschen gewinnen, muß ihnen gleich zu Beginn das entschiedene "Nein" entgegengeschmerttert werden. "Neid - nein! Du existiertst gar nicht! Eifersucht! nein! Du existierst nicht!" Mit diesem Exorzismus ehrlicher, wenn auch unbehaglicher Gefühle empfiehlt die Geistheilerin, die Reinigungskur zu beginnen, denn wenn sich auch das Böse "im Angesicht des Lichts - und des Wissens - verflüchtigt", muß der Mensch doch nachhaltig an sich arbeiten, um den Teufel aus sich herauszutreiben.

Schon die Bibel beweist das!

Man fragt sich angesichts solcher Empfehlungen, in welchem Jahrhundert wir leben. Und ganz richtig: Als Beweiskraft für diese Thesen muß alles herhalten, was sich vor ca 4000 Jahren als religiöse oder philosophische Überzeugung gerierte. Daß man schon im altbabylonischen Reich vom Zusammenhang zwischen Körper, Seele und Geist wußte, ist der Beweis für die Richtigkeit dieser pseudoschamanischen emotionalen Rosskur. Je älter die Aussagen, desto richtiger - Hauptsache, sie haben nichts mit wissenschaftlicher Aufklärung zu tun. Es ist bemerkenswert, daß viele der sogenannten spirituellen Ratgeber die Beweiskraft ihrer Behauptungen aus Bibel, Kabbala, Upanishaden oder germanischen Überlieferungen beziehen - gleich als ob sich ein Irrtum, der sich länger als 4000 Jahre "manifestiert" hat, allein durch seine Dauer als richtig erweist.

Narzißtischer Allmachtswahn

Es wäre absolut unnötig, auf das beschriebene Gedankengut einzugehen, wäre die Nachfrage nach solch "spiritueller Heilung" nicht so immens groß. Wenn Leukämie, wie z.B. Catherine Ponder schreibt, allein durch "Loslassen" geheilt werden könnte, Tuberkulose durch Affirmationen, Krebs durch Vergebung, dann dürfte im Grunde kein buddhistischer Mönch an einer dieser beschriebenen Krankheiten gestorben sein - was nicht der Fall ist. Zitieren wir zum Schluß des Artikels eine Überlegung von Ken Wilber, dem "Einstein der Bewußtseinsforschung": "Meiner Ansicht nach gehören solche Überzeugungen - vor allem die, daß man seine Wirklichkeit selber herstellt - der zweiten Ebene an. Sie haben alle Kennzeichen des für narzißtische Persönlichkeitsstörungen typischen infantilen und magischen Weltbildes, insbesondere Größenwahn, Allmachtswahn und Narzißmus. Für mich ist die Vorstellung, daß die Gedanken die Wirklichkeit nicht nur beeinflussen, sondern erzeugen, ein direktes Zeugnis unvollständiger Ich-Differenzierung oder verwaschener Ich-Grenzen."
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