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Deine Probleme - meine Probleme?


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Rolf

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Deine Probleme - meine Probleme?




Über den Autor
Jens Bertram lebt in Eibelshausen und ist Energieelektroniker (Fachrichtung Anlagentechnik). Zurzeit studiert er am theologischen Seminar in Ewersbach. Er interessiert sich vor allem für das Neue Testament und möchte nach seiner Ausbildung Gemeindepastor oder Missionar werden.

Frage von H.F.:
"Ich möchte an den Sorgen und Nöte anderer Menschen teilnehmen, um ihnen in ihren Problemen und Sorgen zu helfen. Wie kann ich das machen, ohne dass ich Gefahr laufe, selbst emotional zu sehr von dem Problem vereinnahmt zu werden?"
Emotionen - voll normal!

Es ist hilfreich, wenn man sich damit auseinandersetzt, wie man anderen Menschen in ihren Sorgen und Nöten beistehen kann. Wie man dann mit einer Situation umgeht, in der ein anderer Hilfe braucht, dafür gibt es unterschiedliche Wege. Allen gemeinsam ist aber, dass ich mich auf den hilfesuchenden Menschen einlassen muss. Anders geht es nicht. Denn wenn ich als Mensch einem anderen Menschen begegne, der in Not ist, dann spricht mich das als Mensch an. Dann entstehen bei mir Emotionen. Wenn diese Gefühle verleugnet werden, wird das mein Gegenüber schnell merken und zumindest irritiert sein. Ich darf also auch als Helfer/Seelsorger/Freund meine Gefühle zulassen und sie artikulieren. So kann ich zum Beispiel in einem Seelsorgegespräch auch äußern, dass ich über das, was dem Ratsuchenden passiert ist, ärgerlich oder zornig bin. Denn es ist besser, wenn ich diese Gefühle formuliere, statt unterschwellig von ihnen beeinflusst zu werden. Der Bereich der Gefühle wird in einem Gespräch immer mit angesprochen werden. Das ist auch hilfreich. Denn wenn ich mit jemandem mitfühle, dann ist mein Bedürfnis, ihm zu helfen, größer, als wenn es mich kalt lässt.

Freund oder Seelsorger?

Es kann aber passieren, dass mich meine Gefühle auch manchmal behindern. Dass sie mich selber hilflos erscheinen lassen und Einfluss darauf nehmen, wie ich mich in einer bestimmten Situation verhalte. Hier ist es wichtig zu unterscheiden, in welcher Funktion und in welcher Situation ich helfe. Denn es ist ein Unterschied, ob mein Freund zu mir kommt oder ob jemand Rat bei einem Seelsorger einholt. Im Folgenden soll in aller Kürze skizziert werden, wie man jeweils in den unterschiedlichen Situationen reagieren kann. Letztendlich wird das auch immer von der Persönlichkeitsprägung abhängen.

Der Umgang mit den eigenen Gefühlen

Wenn jemand mit seinen Sorgen und Problemen zu einem Freund oder einem vertrauten Familienmitglied kommt, dann erwartet er in der Regel keine professionelle Beratung. Meistens wünscht er sich jemanden, der zuhört, der das Leid oder die Sorgen mitträgt, vielleicht auch mittrauert und einfach für ihn da ist. Hier kann ich meine Gefühle mitteilen, darf mitweinen, mich bei schönen Sachen mitfreuen,… Dem Betroffenen kann es schon viel helfen, wenn er einfach weiß: Ich bin nicht allein. Manchmal helfen Nähe, Geborgenheit und das Gefühl, verstanden zu werden, schon mehr als tausend Worte. In einer solchen Situation ist erst einmal nonverbales Trösten gefragt: So kann ich den Freund dann einfach in den Arm nehmen und ihm so zeigen, dass ich für ihn da bin, egal, was passiert.

Schwieriger wird es, wenn sich solche Prozesse über einen längeren Zeitraum hinziehen und ich merke, dass der andere immer wieder um die selbe Not, um die selbe Trauer kreist. Wenn ich in einem solchen Fall die Trauer immer bestätige, kann es sein, dass wir uns gemeinsam um diesen Punkt drehen und nicht weiter kommen. Da ein Freund aber meistens ein wenig Distanz zu den Nöten und Sorgen des anderen hat, wird er in der Regel nach dem ersten Schock emotional nicht mehr so gebunden sein und kann dann rationaler an die Sache herangehen. Wenn man aber merkt, dass dies nicht der Fall ist und man ebenfalls so von dem Problem eingenommen ist, dass man von selbst nicht mehr heraus zu kommen scheint, dann kann ein guter Seelsorger helfen, wieder Abstand zu gewinnen.

Als Freund oder Familienmitglied ist es also wichtig, mit in den Schmerz des anderen hineinzugehen, um ihn mittragen zu können. Denn das kann ich nicht, wenn ich distanziert und kühl an die Sache herangehe. Das ist vermutlich sowieso nicht möglich, da man zumindest unbewusst bei nahestehenden Menschen immer mitleidet. Handelt es sich um eine weniger enge Freundschaft oder um Bekannte, dann fällt es leichter, sich abzugrenzen. Aber auch hier gilt, dass ich mich auf den anderen einlassen muss, um ihm das zu geben, was er braucht.

Mentor, Supervisor & Co

Zu einem Seelsorger kommen die Menschen meist mit einem bestimmten Problem. Sie erwarten, dass ihnen geholfen wird. Hier muss der Berater eine innere Distanz schaffen, um konstruktiv arbeiten zu können. Trotzdem darf er auch als Seelsorger Emotionen haben. Es ist nur wichtig, dass er sich diesen Gefühlen bewusst ist und sie gegebenenfalls ausspricht. Denn wenn ich z.B. durch die Erzählung des anderen Zorn auf dessen Eltern empfinde und mir dessen nicht bewusst bin, dann kann es sein, dass ich der Versöhnung zwischen dem Ratsuchenden und seinen Eltern unbewusst im Weg stehe.

Da sich ein Seelsorger auf den anderen einlassen muss, werden Emotionen entstehen. Die Frage ist, wie ich damit umgehe. Eine Möglichkeit ist sicher das Gebet. Ich bitte Gott, dass er mir hilft, meine Emotionen zu erkennen und dass sie dem Gespräch nicht im Wege stehen. Deswegen ist es wichtig, dass ich meine Emotionen im normalen Leben kenne, zulasse und richtig einordnen kann. Denn wenn ich nie gelernt habe, meine Gefühle zu verstehen und zu lenken, wird es mir schwerfallen, mit den Emotionen umzugehen, die in einem Seelsorge - Gespräch aufkommen können.

Schließlich hilft im Umgang mit den eigenen Gefühlen auch die Nachbereitung einer Beratung. Dafür gibt es verschiedene Hilfsmittel wie zum Beispiel ein Gespräch oder ein Ergebnisprotokoll. Anhand dieser Möglichkeiten geht ein Seelsorger die Beratung noch einmal durch und reflektiert sowohl das Verhalten seines Gegenübers als auch sein eigenes. Danach wird dann überlegt, welche Emotionen entstanden sind und wie sie das Gespräch gefördert oder aber auch gehemmt haben. Hilfreich kann in so einem Fall auch ein Mentor oder Supervisor bzw. eine Supervisionsgruppe sein, mit der man einzelne Gespräche reflektiert (natürlich anonym und am besten in Absprache mit dem Ratsuchenden). Das hilft, um im nächsten Gespräch nicht in die selben emotionalen Fallen zu laufen und den Hilfesuchenden besser begleiten zu können.

Mit meinen Gefühlen umgehen lernen.

Abschließend ist zu sagen, dass Gefühle gut sind und das Leben erst lebendig machen. Gespräche ohne Emotionen sind fade und bringen meistens nicht weiter. Und das gilt auch bei seelsorgerlichen Gesprächen jeder Art. Damit ich aber von diesen Gefühlen nicht überfordert werde, ist es wichtig, dass ich sie nicht verdränge, sondern lerne, mit ihnen umzugehen. Denn dann haben nicht sie die Kontrolle über mich, sondern ich kann sie lenken und steuern.

Außerdem darf ich als Laie wissen, dass ich in den meisten Fällen nicht die fachliche Leistung eines Seelsorgers erbringen kann und auch nicht erbringen muss. Das befreit von dem Druck, alles richtig machen zu müssen. In vielen Fällen hilft es schon, wenn ich da bin, zuhöre und Trost oder Mut zuspreche.

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