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Was mich Wort und Geist lehrte - mein Erfahrungsbericht


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Guest_Anonymous_*

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Ich bin seit meinem 10. Lebensjahr zusammen mit meinen Eltern regelmäßig in eine charismatische Freikirche mit stark Hagin'scher Ausrichtung gegangen. Ich wuchs dort zunächst recht unreflektiert hinein und übernahm deren Selbsturteil, in Sachen geistlicher Erkenntnis über die anderen Ortsgemeinden zu stehen. Daß die Gemeinde von außen als eine Sekte betrachtet wurde, kam mir schon recht bald durch meine Klassenkameraden zu Gehör. Das konnte in mir natürlich noch keinen Zweifel erwecken. Aber besonders zu Beginn meines Studiums und schon eine kleine Zeit davor nahm in mir die Nachdenklichkeit und die Suche nach 'wahrer' Gottesnähe zu. Ich fühlte, daß so viele Praktiken und Actions und Aktivitäten in der Gemeinde und allgemein in der charismatischen Szene, mit der wir in Verbindung standen, eigentlich nur eine "hohle Leere" hinterließen und nicht von Wert waren und mich nicht näher zu Gott brachten. Aufgrund meines Studiums an einem anderen Ort gewann ich mehr Distanz zu jener Gemeinde, mit der ich durch Dienste, u.a. recht gute Freizeitangebote und Freunde stark verbunden gewesen war.

Mit der Zeit machten sich einige Veränderungen in der Gemeinde bemerkbar. Bestimmte Themen, wie zum Beispiel die Daseinsform des Menschen als Geist mit Seele in einem Körper und "unsere Identität in Christus", wurden immer und immer wieder behandelt und der Gemeinde quasi eingebleut. Es wurde begeistert berichtet von einer großartigen Erweckung in Bayern; immer mehr Gemeindemitglieder fuhren dort hin, um sich das anzuschauen und etwas davon mitzukriegen. Dann stellten sich neue Gast-"Prediger" ein, nämlich von Wort und Geist Röhrnbach, und damit erschloß sich mir langsam das Bild. Ich konnte mit dem, was sie da angeblich so "Neues" und "Großartiges" zu erzählen haben, nichts anfangen. Manches ging einfach an meinem Verständnis davon, was das Wesentliche am Christentum ist, vorbei, und anderes kannte ich schon vorher aus zahlreichen Gottesdiensten und Lehrveranstaltungen. Ein Gastredner aus Röhrnbach, der öfter kam, redete z.B. ständig über weltliche Reichtümer und Luxus, die uns wohl als gläubige Christen zustünden und vermittelte das Bild, man würde seine Frau mit teurem Parfum und hundert Paar Schuhen glücklich machen. In mir konnte keine Begeisterung für Wort und Geist aufkommen; ich fragte mich und andere immer nur, wozu wir die von da unten denn bräuchten. Ich war auch einmal in Röhrnbach und wurde dort u.a. Zeuge der skurrilen Praxis, Taschentücher zu salben.

Ich sah die Gefahr, und die bewahrheitete sich, daß unsere Gemeinde ihr eigenes individuelles Gesicht verliert. Als von Seiten der Pastorenschaft zunehmend verlautbar wurde, daß sich unsere Gemeinde der Wort und Geist-Bewegung anschließen würde, läuteten bei mir die Alarmglocken. Mir wurde jetzt erst so richtig klar, daß die Gemeinde schon zuvor mehrfach von einer Bewegung in andere „geschippert“ war, sich mal diesem Verbund anschloß, dann jenem. Man ging ständig von einem Extrem zum anderen. Das zeugte nicht gerade von guter geistlicher Reife und Führung, jedenfalls nicht meiner Meinung nach. Im Prinzip waren wir ständig am Experimentieren, am Suchen – wobei die Frage ist, ob es wirklich die schlichte gute Suche nach Gott war.

Gewiß, man verfolgte doch im Kern gute Ziele: Man sehnte sich nach der Erweckung, die endlich kommen sollte, man sehnte sich danach, daß die Menschen der Stadt und der Umgebung endlich erreicht werden würden, daß Gott etwas tut. Doch praktisch gesehen schottete sich die Gemeinde immer mehr ab, zeigte immer weniger Wirkung nach außen. Einen gewissen elitären, exklusiven Charakter hatte sie sowieso schon länger gehabt. Besonders schmerzhaft fand ich, daß die Freizeitangebote, die auch von außergemeindlichen, wenig oder gar nicht christlich geprägten Kindern und Jugendlichen gern genutzt wurden, einfach aus dem Plan genommen wurden. Das allgemein-soziale Engagement reduzierte sich zunehmend.

Dann war es soweit: die Einweihung in eine neue Wort und Geist-Gemeinde fand statt. (Ich, die ich immerhin Gemeindemitglied war, wurde nie offiziell gefragt, ob ich dem Anschluß an die Wort und Geist-Bewegung zustimme. So etwas wie eine Art Gemeindeabstimmung soll es gegeben haben, allerdings zu einem mir nicht bekannt gewordenen Termin; es war eben da, wer da war. Von einer „demokratischen“ Entscheidung konnte dabei aber nicht die Rede sein – so etwas paßt nicht in eine von „gesalbten“ Leitern geführte Gemeinde.) Anläßlich dessen waren die Begrüßenden und die Ordner uniform in dunkle Anzüge gekleidet und trugen Namensschildchen. Am Haus wurden die alten Schilder abgenommen und das Wort und Geist-Schild angebracht. – Alles „herrlich“ offiziell. Der Wechsel war nun nicht mehr nur innerlich, in Lehre, Programm und Musik, sondern auch äußerlich sichtbar vollzogen. Spätestens jetzt war dies für mich nicht mehr die Gemeinde, mit der ich mich so viele Jahre identifiziert hatte.

Es war für mich eine befreiende, aber auch sehr schmerzhafte Trennung. Schließlich hatte ich das Gefühl, nun einen lange Zeit für mich so bedeutenden Teil meines Lebens hinter mich zu lassen und mich auch ein Stück weit von meiner Familie und einem Teil meiner Freunde zu entfernen, die für sich weiterhin ihren Platz in der Gemeinde sahen und sehr überzeugt und begeistert von der neuen Entwicklung waren. Mit diesen ließ sich leider meist auch nur schwer reden.
Ich bin froh, daß sich das inzwischen verbessert hat und ich nicht mehr die Einzige in meiner Familie bin, der die Einseitigkeit und Fehlerhaftigkeit und Gefährlichkeit der Wort und Geist-Lehre erkannt hat. Im Zuge der Auseinandersetzung mit Wort und Geist wurde mir klar, daß die Wort-des-Glaubens-Lehre irrig und falsch ist und einen schlimmen Druck auf die gläubigen Menschen ausüben kann. Denn was ist, wenn das name-it-claim-it-Prinzip nicht funktioniert?! Gott wird in dieser Theologie ein gutes Stück weit entpersonifiziert und seiner Souveränität beraubt. Und dem Kranken wird gesagt, er sei selber schuld, wenn er nicht gesund werde, die Heilung stehe ihm doch zu. Wahre Barmherzigkeit, Buße und Gnade sucht man leider bei Wort des Glaubens und Wort und Geist vergebens.

Ein Gutes hatte die Wort und Geist-Bewegung also: Sie gab mir durch ihre Extremität den Anstoß, alteingesessene charismatische und Hagin'sche Lehren kritisch zu hinterfragen und mich neu mit meinem Glauben an Gott zu beschäftigen.
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