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Schmerzhafter Ausstieg aus missbrauchenden Gemeinden


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Rolf

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Der Ausstieg aus missbrauchenden Gemeinden

von Pat Zukeran

2004 Probe Ministries.

Deutsche Übersetzung erstellt vom Webteam der UBF-Infoseiten.
Original-Artikel im Internet unter www.probe.org/docs/abuse-ch2.html.


Schmerzhafter Ausstiegsprozess

In einem vorausgegangenen Artikel mit dem Titel Missbrauchende Gemeinden habe ich über die Merkmale missbrauchender Gemeinden gesprochen.1 Anhand der Fragen und Rückmeldungen, die ich erhalten habe, merke ich, dass es hilfreich sein könnte, einige positive Schritte beim Umgang mit dem Durchleben des Ausstiegs aus einer missbrauchenden Gemeinde aufzuzeigen.
Eine ungesunde Gemeinde zu Verlassen kann einige sehr tiefe Narben hinterlassen. Ein Beispiel für den „Kollateralschaden“, den solche Gemeinden verursachen, ist ein sehr schmerzhafter Ausstiegsprozess. Aus einer ungesunden Gemeindesituation auszusteigen kann zu Vereinsamung, Bitterkeit, peinlichen Gefühlen, Trübsal und Groll führen. Oft sind die Aussteiger verwirrt und fragen sich, wie Gott so etwas zulassen konnte. Sie schelten sich auch selbst dafür, in eine solche Gruppe eingetreten zu sein und so lange in der Organisation geblieben zu sein, wie sie dies getan haben.
Ein Mann, der eine solche ungesunde Situation verlassen hat, sagte darüber: „Ich bin verwirrt über die Gefühle, die ich habe. Manchmal bin ich froh, dass ich die Organisation verlassen habe. Ich genieße die neue Freiheit, die ich in Christus habe, und die Befreiung von der Last, die ich viele Jahre getragen habe. Aber manchmal leide ich auch, wenn ich darüber nachdenke, wie viele Jahre ich vergeudet und viele Freundschaften ich verloren habe. Es ist eine Erfahrung wie ein Trauerfall in der Familie.“ Die Ryans, die eine missbrauchende Situation verlassen haben, sagen darüber: „Geistlicher Missbrauch ist eine Art von Missbrauch, der den zentralen Kern dessen beschädigt, wer man ist. Er lässt uns in geistlicher Verwirrung und seelisch abgeschnitten von der heilenden Liebe Gottes zurück.“2
Weil so viel von dem, was ihre Identität ausgemacht hat, auf ihrem Status und den Beziehungen in der Gemeinde basiert hat, haben viele Aussteiger Schwierigkeiten, wieder mit dem alltäglichen Leben in der Gesellschaft zurechtzukommen. Viele leiden unter dem, was Soziologen das „Verlassen einer Rolle“ nennen. Ihr Lebensziel war so sehr mit der Gemeinde verbunden gewesen, dass viele unter der Angst leiden, nicht zu wissen, wo sie nun hingehören oder wie ihre Zukunft aussehen soll. Sie sind in einem „Vakuum“. Es gab schwere Fälle, in denen ehemalige Mitglieder so abhängig von der Gemeinde waren, dass sie sogar so alltägliche Aufgaben wie das Eröffnen und Verwalten ihres eigenen Bankkontos neu lernen mussten.
Viele enden damit, dass sie Kirchenbesuche oder Religion ganz aufgeben. Ein ehemaliges Mitglied schrieb: „Ich weiß, dass die Menschen, wenn sie sich schließlich selber entscheiden zu gehen, so niedergeschlagen und verwirrt sind, dass sie nicht wissen, woran sie sich als wahr halten sollen, und was sie als falsch verwerfen müssen. Viele hören auf, nach Gott zu suchen und geben das Gemeindeleben vollständig auf.3
In seinem Buch Recovering from Churches that Abuse(Ausstieg aus missbrauchenden Gemeinden) schreibt Dr. Ronald Enroth, dass die Opfer von Missbrauch in solchen Gemeinden aus psychologischer Sicht unter einer posttraumatischen Belastungsstörung leiden.4 Viele sind nicht mehr fähig, irgendjemandem zu vertrauen – einschließlich Gott –, was den Ausstiegsprozess verkompliziert, weil die Entwicklung gesunder Beziehungen für den Heilungsprozess wesentlich ist.
Aber selbst wenn der Ausstieg schwierig ist, ist eine Rückkehr zu einem normalen Leben nicht unmöglich. Es gibt Hoffnung! Man muss jedoch beachten, dass der Heilungsprozess bei unterschiedlichen Menschen auch unterschiedlich aussehen kann. Bei einigen braucht es Jahre bis zur vollständigen Heilung, bei anderen kann sie schon nach wenigen Monaten erreicht sein. Einige können durch die Hilfe einer reifen christlichen Gemeinschaft Heilung finden, während andere professionelle christliche Seelsorge benötigen.

Gute von missbrauchenden Gemeinden unterscheiden

Wie kann man eine gesunde Gemeinde von einer missbrauchenden Gemeinde unterscheiden? Leider können missbrauchende Gemeinden selbst in evangelikalen Kirchen der großen Denominationen vorkommen. Sie sind nicht einfach Randgruppen an der Peripherie der evangelikalen Kirchen. Bei Gemeinden, bei denen man von geistlichem Missbrauch reden kann, gibt es ein Spektrum von mäßigem Missbrauch – Gemeinden mit gelegentlichen problematischen Praktiken – bis hin zu schweren Fällen der Manipulation und Kontrolle der Mitglieder. Hier sind einige Fragen, die dabei helfen können, aufzuzeigen, ob man sich in einer ungesunden Situation befindet:
Erstens: Lädt die Leitung auch Leute außerhalb ihres direkten inneren Kreises zum Dialog, zur gemeinsamen Beratung, zur Lagebesprechung und zu Fragen ein? Autoritäre Gemeindeleiter fühlen sich durch jede abweichende Meinung angegriffen, egal ob sie von innerhalb oder außerhalb der Gruppe kommt. Ein gesunder Gemeindeleiter beantwortet gerne auch brenzlige Fragen, während in einer ungesunden Gemeinde Unstimmigkeiten mit dem Gemeindeleiter als ein Zeichen dafür angesehen wird, dass man nicht loyal und praktisch Gott ungehorsam ist. Es wird eine geistliche Sprache benutzt, um die Manipulation zu verschleiern, die vor sich geht. Fragesteller werden als rebellisch, aufmüpfig und als Störenfriede für die Harmonie des Leibs Christi bezeichnet. Es wird versucht, sie zum Schweigen zu bringen. Der einzige Weg, auf dem man weiter kommt, ist der Parteilinie zu folgen, die Leiter zu unterstützen und diejenigen zu verachten, die anderer Meinung sind.
Zweitens: Gibt es eine Rechenschaftspflicht für den Gemeindeleiter, oder hat er völlig freie Hand? Autoritäre Gemeindeleiter wünschen kein System, in dem sie Rechenschaft ablegen müssen. Selbst wenn sie einen Ältestenrat haben, besteht er aus Ja-Sagern, die vom Gemeindeleiter letztlich selbst ausgewählt wurden.
Drittens: Wird die Persönlichkeit der Mitglieder im Allgemeinen stärker, fröhlicher und selbstsicherer, nachdem sie in der Gruppe sind? Einschüchterung und das Einflößen von Schuldgefühlen und Angst erzeugt eher Mitglieder mit geringer Selbstachtung. Viele werden mit Gesetzlichkeit unterdrückt, während ein gesundes Selbstbewusstsein als ein Zeichen dafür angesehen wird, dass man nicht lernfähig und daher nicht geistlich ist.
Viertens: Werden Verpflichtungen gegenüber der Familie gestärkt? Es ist ein Problem, wenn Verpflichtungen gegenüber der Gemeinde als wichtiger angesehen werden als Verpflichtungen gegenüber der Familie. Selbst wenn viele mit den Lippen die Familie als Priorität angeben, handeln sie in der Praxis nicht danach. Meine Kollegen bei Probe Ministries, Don und Deanne, wissen von einer Mutter, die von ihrer Gemeinde eine spezielle Erlaubnis bekommen musste, die Hochzeit ihres Sohnes zu besuchen, weil sie mit einer Gemeindeveranstaltung kollidierte. Die Gemeinde flößte ihr Schuldgefühle ein, weil sie der Familie gegenüber Gott Vorrang einräumt hätte. In einem anderen Fall weiß ich von einer Frau, die die offizielle Abiturfeier ihres Sohnes und ihrer Tochter versäumte, um eine Gemeindeversammlung zu besuchen, die zwanzig Minuten von ihrem Haus entfernt war. Die Grundhaltung in solchen Fällen ist, dass Loyalität gegenüber Gott das gleiche bedeutet wie Loyalität gegenüber der Gemeinde. Wie treu jemand gegenüber seiner Gemeinde ist, wird als Maßstab dafür gesehen, wie geistlich er ist.
Fünftens: Regt die Gruppe zu selbständigem Denken an, zur Entwicklung eines Unterscheidungsvermögens, zu Kreativität und neuen Ideen? Missbrauchende Gemeinden beschränken sich darauf, Druck auszuüben, damit die Mitglieder den Vorgaben entsprechen, und es gibt kaum Toleranz bei Abweichung in Glaubensfragen (solchen, die unwesentlich sind) und Verhaltensweisen. Es wird auf gesetzliche Weise der Schwerpunkt darauf gelegt, die Regeln einzuhalten, und sich innerhalb der vorgegebenen Bahnen zu bewegen. Einheit wird als Einheitlichkeit definiert. Diese Leiter messen alle Arten christlicher Spiritualität anhand ihres eigenen vorgesteckten Systems.
Sechstens: Ist die Gruppe darauf bedacht, einen guten Ruf in der Öffentlichkeit herzustellen, der nicht der Erfahrung mit dem Innenleben der Gruppe entspricht?
Siebtens: Ermuntert die Leitung die Mitglieder dazu, Beziehungen und Verbindungen mit der Gesellschaft um sie herum pflegen, die nicht eigennützigen Zwecken dienen? Missbrauchende Gemeinden profitieren von Taktiken, die eine völlige Abhängigkeit von der Gemeinde erzeugen, während sie sich von der „sündigen“ Welt ringsum schützen und absondern.
Schließlich: Gibt es eine große Zahl von Mitgliedern, die sich ausgebrannt fühlen? Um Bestätigung zu bekommen und zu beweisen, dass man ein „wahrer Jünger“ ist, muss man in missbrauchenden Gemeinden in einer Intensität mitarbeiten, bei der man sich langfristig völlig verausgabt.
Wenn die Gruppe, bei der Sie mitarbeiten, derartige Charaktermerkmale aufweist, könnte es sein, dass Sie in einer missbrauchenden Gemeinde sind, und Sie sollten es in Erwägung ziehen, die Organisation zu verlassen.

Der typische missbrauchende Leiter

Philip Kerner gab uns in seinem Buch Predators in Our Pulpits(Räuber auf unseren Kanzeln) eine ernste Warnung: „Die größte Bedrohung der Kirche heutzutage kommt nicht von außen, sondern von innen, von ihrer eigenen Leiterschaft.“5 Oftmals entsteht eine missbrauchende Gemeinde um einen Leiter herum, wenn er ungesunde Formen von „Hirtenschaft“ („Shepherding“) praktiziert. Viele solcher Leiter kommen aus Gemeinden, die missbrauchend waren, oder sie werden von einem ungestillten Bedürfnis nach Bedeutung angetrieben. Viele mögen mit noblen Absichten begonnen haben, aber ihre ungelösten persönlichen Probleme verursachen, dass sie von ihrer Gemeinde abhängig werden, die ihre Bedürfnisse erfüllen muss. In seinem BuchHealing Spiritual Abuse(Heilung von geistlichem Missbrauch) hat Ken Blue auf hervorragende Weise identifiziert, wann Leiterschaft ungesund ist. Hier sind einige typische Merkmale eines missbrauchenden Leiters:
Missbrauchende Leiter benutzen ihre Position, um Loyalität und Unterordnung zu verlangen. Ken Blue schreibt: „Ich habe oft gehört, dass Gemeindeleiter zu ihren Gemeinden sagten: ‚Weil ich der Pastor bin, müsst ihr mir folgen.‘ Ihre Forderung basierte nicht auf der Wahrheit oder darauf, dass ihre Leiterschaft besonders von Gott geleitet worden wäre, sondern auf ihrem Titel. Das ist eine falsche Grundlage von Autorität ... jedes Pochen auf Autorität, bei dem man sich auf Position, Rang, Titel, oder Amt beruft, ist falsch. Die einzige Autorität, die Gott anerkennt, und der wir uns unterordnen sollten, ist die Wahrheit.“6 Andere Leiter benutzen Titel wie „Mann Gottes“ oder „der Gesalbte des Herrn,“ damit andere sie mit besonderer Ehrfurcht behandeln, und damit sie nicht wie die anderen Mitglieder in der Gemeinde Rechenschaft abzulegen brauchen. „Wenn Leiter dadurch, dass sie sich auf ihre Position, einzigartige Anrechte oder besondere Salbungen berufen, erfolgreich eine Hierarchie in der Gemeinde schaffen, können sie leichter diejenigen kontrollieren, die in dieser Hierarchie unter ihnen stehen. Sie können sich damit auch gegenüber denjenigen verteidigen, die sie kritisieren könnten.“7
Eine der Lehren aus der Bibel ist, dass alle Männer und Frauen fehlbar sind und sündigen können. Daher brauchen alle Menschen, insbesondere Leiter, irgendeine Form von Rechenschaftspflicht und Überwachung. Auch wenn Pastoren dazu berufen sind, ihre Gemeinden zu führen, sind sie dennoch unter der Autorität des Wortes Gottes. Wenn sie in einer Weise handeln, die im Widerspruch zur Schrift steht, müssen sie konfrontiert werden, und Fehlverhalten muss korrigiert werden. In 2. Samuel 22 konfrontierte der Prophet Nathan den König David mit seiner Sünde. In Galater 2 konfrontierte Paulus den Leiter der Apostel, Petrus, weil er nicht gemäß der Wahrheit gehandelt hatte. „Paulus zeigte durch dieses Vorgehen, dass die Wahrheit immer wichtiger ist als Position oder Titel in der Gemeinde. Wahrheit und die Autorität eines Leiters sind nicht in seiner Persönlichkeit oder seinem Amt verwurzelt. Sie werden vom Wort Gottes abgeleitet und der darin verkündeten Wahrheit.“8 Blue fährt fort: „Paulus lehrte, dass der Leib Christi ein nicht-hierarchischer lebendiger Organismus ist.“9
Anstatt sich die Herde Gottes zu weiden und sich um sie zu kümmern, nähren sie sich diese Gemeindeleiter selbst von der Herde und benutzen sie, um ihr Bedürfnis nach Bedeutung zu stillen. Ken Blue gibt ein Beispiel von einem „Gemeindeleiter, dessen Gemeinde seit zwölf Jahren nicht mehr an Zahl gewachsen war. Frustriert von seinem offenkundigem Misserfolg, wandte er sich an die Gemeinde, dass sie seine Bedürfnisse erfüllen sollte. Er hat ihnen ein Bauprogramm auferlegt, in der Hoffnung, dass ein neues, größeres und attraktiveres Gebäude mehr Menschen anziehen wird. Die Gemeinde hat sich über diese Angelegenheit gespalten. Viele haben die Gemeinde verlassen, und diejenigen, die bleiben, sitzen nun auf den gemachten Schulden.“10
Ich kenne andere Gemeindeleiter, die ihre Mitarbeiter und Gemeindeglieder dafür ausgeschimpft haben, dass sie nicht bei einer Gemeindeversammlung erschienen waren. Viele Mitglieder hatten Verpflichtungen in der Familie oder bei der Arbeit und brauchten persönliche Zeit um sich zu erholen, aber sie wurden dazu gezwungen, die zahlreichen Gemeindeveranstaltungen zu besuchen. Diese Leiter sahen ihren Erfolg in der Anzahl der Leute, die ihre Versammlungen besuchten, und sie brauchten diese hohe Teilnehmerzahl, um ihr Selbstwertgefühl zu befriedigen.
Wahre geistliche Leiter werden durch das Vorbild Christi definiert. „So soll es nicht sein unter euch; sondern wer unter euch groß sein will, der sei euer Diener“ (Mt 20,26). Christus-ähnliche Leiterschaft ist Dienerschaft.
Echte geistliche Leiter gewinnen die Loyalität der Schafe aufgrund ihrer guten Charaktereigenschaften und ihrer Haltung der Dienerschaft. Die Mitglieder ordnen sich freiwillig Christus-ähnlicher Leiterschaft unter, und müssen nicht dazu gezwungen werden zu folgen. Gute Hirten erleichtern die Last der Schafe, während schlechte Leiter den Schafen noch mehr aufbürden.
Falls Sie sich selbst in solch einer Situation wiederfinden, sollten Sie als erstes für den Leiter beten. Zweitens sollten Sie den Leiter auf liebevolle und freundliche Weise mit dem Problem konfrontieren und das ansprechen, was Sie bei seiner Leiterschaft als ungesunde Praktiken empfinden. Es kann eine Weile dauern, bis er ihre Worte wirklich verinnerlicht hat, seien Sie also geduldig. In vielen Fällen jedoch kann der Leiter sich abwehrend verhalten, Ihren Rat zurückweisen und umgekehrt Ihnen gegenüber Anschuldigungen vorbringen. In solchen Fällen sollten sie sich klar machen, dass Sie Gott gegenüber gehorsam waren und nun den Herrn im Herzen des Leiters arbeiten lassen. Jakobus 3,1, Hesekiel 34 und andere Stellen enthalten ernste Warnungen, dass Gott Hirten richten wird, die Schafe benutzen, um ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen, und die Herde Gottes nicht als Diener weiden. Es ist dann oft am besten, die Situation zu verlassen und Gott auf seine Weise mit dem Leiter und seiner Organisation verfahren zu lassen.

Der Weg zur Heilung

Wie wir bereits vorher erörtert haben, ist der Ausstieg aus einer missbrauchenden oder ungesunden Gemeinde ein sehr schmerzlicher Prozess, aber geistliche Wiederherstellung und Heilung ist möglich. In dem Buch Recovering from Churches that Abuse von Dr. Ronald Enroth und in dem Buch Toxic Faith (Vergifteter Glaube) von Stephen Arterburn und Jack Felton werden einige sehr hilfreiche Schritte auf dem Weg zur geistlichen Wiederherstellung aufgezeigt.
Wenn Sie erkennen, dass sie sich in einer autoritären Gemeinde befinden, ist es am besten, die Gemeinde zu verlassen und sich für eine Weile völlig zurückzuziehen. Viele Mitglieder bleiben, weil sie glauben, dass ihre Anwesenheit dazu beitragen wird, die Situation zu verbessern, aber dies ist höchst unwahrscheinlich. Tatsächlich wird ein Bleiben eher dazu beitragen, dass die Organisation fortfahren kann zu existieren.
Geben Sie zu, dass Missbrauch stattgefunden hat. Dies zu leugnen würde den Heilungsprozess nur blockieren.
Als nächstes sollten Sie Beziehungen zu reifen Christen entwickeln, die sich Ihre Geschichte anhören und Sie in ihrem Heilungsprozess unterstützen. In einer sicheren und unterstützenden Umgebung werden Sie in der Lage sein, mit anderen über Ihre Gefühle, Erfahrungen, Hoffnungen und inneren Kämpfe zu sprechen. Auch wenn es schwierig zu sein scheint, sollten Sie verstehen, dass Heilung selten geschieht, wenn man sich absondert. Sie müssen lernen, wieder jemanden zum Vertrauen, auch wenn es in kleinen, vorsichtig tastenden Schritten geschieht.
Machen Sie sich darauf gefasst, dass Sie mit einigen schwierigen Gefühlen kämpfen müssen. Machen Sie sich klar, dass Sie einen kummervollen Prozess durchlaufen müssen – Gram wegen verlorener Jahre, verlorener Freunde, und wegen des Verlustes der Unschuld und Naivität. Sie können vielleicht Schuld, Schmach und Furcht fühlen. Es ist nur natürlich, dass man sich dumm vorkommt und Selbstzweifel durchmacht. Dies sind aber in Wirklichkeit gesunde Gefühle, die Sie nicht im Inneren aufstauen sollten. Das Bedauern über schlechte Entscheidungen ist ein Zeichen von Wachstum, und Sie werden diese Gefühle schließlich hinter sich lassen. Daher ist es entscheidend, Menschen zu finden, die Sie auf diesem Weg unterstützen und die Ihnen helfen, über schwer zu ertragende Gefühle zu sprechen. Einige Menschen benötigen professionelle christliche Seelsorge. Suchen Sie einen Seelsorger, der die Dynamik in missbrauchenden Systemen versteht und Ihnen die notwendige Sorge und Wärme zukommen lassen kann.
Erneuern Sie wieder Ihren Weg mit Gott. Geben Sie zu, dass sie sich ein verzerrtes Bild von ihm gemacht haben, und konzentrieren Sie sich darauf, wieder ein richtiges biblisches Verständnis seiner Eigenschaften und seines Charakters zu gewinnen. Geben Sie die Kirche und das Gemeindeleben nicht auf, trotz ihrer Unzulänglichkeiten. Ich möchte Sie wirklich dazu ermutigen, viele gesunde Gemeinden zu besuchen. Es ist erfrischend zu sehen, wie vielfältig der Leib Christi ist, und dass es viele verschiedene Arten gibt, seine Liebe und Hingabe zu Christus auszudrücken.
Außerdem, entspannen Sie sich! Genießen Sie Ihre neu gewonnene Freiheit. Nehmen Sie sich Zeit für körperliche Erholung, Kunst, Musik und einfach nur Spaß zu haben. Nach dem Ausstieg fühlen sich ehemalige Mitglieder oft schuldig, weil sie Gott nicht sofort wieder in einer Gemeinde dienen, aber das ist falsch. Der Herr weiß, dass wir Zeit zum Trauern, zum Nachdenken und zur Heilung von unserem Verlust benötigen.
Denken sie schließlich daran, dass Vergebung entscheidend für die Heilung ist. Vergebung ist oft nützlicher für denjenigen der vergibt, als für den, der sie empfängt. Heilung braucht Zeit, seien Sie also geduldig während Sie diesen Prozess durchlaufen.

Durch die Erfahrung stärker werden

Der Ausstieg aus einer missbrauchenden Gemeinde kann zwar seelische und psychische Narben in uns hinterlassen, aber es gibt Hoffnung auf Gesundung und die völlige Wiederherstellung des inneren Gleichgewichts. Tatsächlich kann dieser aufwühlende Prozess sogar unseren Glauben, unser Verständnis von Gottes und dafür, was es bedeutet, mit ihm zu gehen, stärken. Hier sind einige Ratschläge, die Ihnen helfen können, die Erfahrung von geistlichem Missbrauch in der Vergangenheit zu überwinden.
Einer der Wege, auf denen wir durch diese Erfahrung wachsen können, hat mit dem richtigen Verständnis von Gottes Charakter zu tun. Während man in einer autoritären Organisation ist, entwickelt man ein verzerrtes Gottesbild. Gott wird als jemand angesehen, der uns dafür liebt, was wir für ihn tun. Jedes Mal, wenn wir ein Bibelstudium versäumen oder darin versagen, andere Menschen zu bekehren und neue Mitglieder für die Gemeinde zu gewinnen, wird Gott irgendwie unzufrieden mit uns, und wir müssen noch härter arbeiten, um sein Wohlwollen wiederzuerlangen.
Im Kontrast zu diesem falschen Gottesbild sagt 1. Johannes 4,8: „Gott ist die Liebe.“ Mit anderen Worten, Gott nimmt uns bedingungslos an. Er bittet uns nur, dass wir das Geschenk der Gnade annehmen, dass er für uns vorgesehen hat, seinen Sohn Jesus Christus. Sobald wir seinen Sohn aufnehmen, ist unsere Annahme niemals auf unseren Werken basiert, sondern auf unserer Position als seine Söhne und Töchter. Für viele, die mit einem falschen Gottesbild gelebt haben, kann es eine erneuernde Erfahrung sein, Gottes Gnade und Liebe richtig zu erfassen.
Mit diesem Problem hängt auch die Abhängigkeit von Gemeindetätigkeiten zusammen. Viele setzen Gemeindetätigkeiten mit geistlicher Reife gleich. Diese Tätigkeiten halten uns jedoch in Wirklichkeit oft davon ab, uns mit den wahren und schmerzlichen Problemen unseres Lebens zu befassen. Unsere Abhängigkeit von religiöser Aktivität wird ein Hindernis für eine authentische Beziehung mit Gott.
Eine andere wertvolle Lektion, die wir lernen können, ist die, dass unsere Identität in Christus liegt, nicht in der Organisation oder Beziehungen in der Gruppe. Viele von uns finden ihre Bedeutung in der Gemeindearbeit, unserem Status in der Gemeinde, der Abhängigkeit, die andere von uns haben, oder dem Respekt, den wir von anderen bekommen, denen wir mit der Gemeindearbeit dienen. Sobald uns dies weggenommen wird, fühlen wir uns leer oder sogar nutzlos. Dies ist eine Gelegenheit zu erkennen, dass unser Wert und Selbst-Wert sicher ist, weil er auf unserer Beziehung mit Christus beruht. Dies hilft uns, mehr von Christus abhängig zu werden, und weniger von anderen Menschen.
Schließlich lehrt die Bibel, dass Gott aus einer schlechten Situation etwas Gutes machen kann. Römer 8,28 sagt, dass „denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen, denen, die nach seinem Ratschluss berufen sind.“ Diese Verheißung kann auch auf diejenigen angewendet werden, die geistlich missbraucht worden sind. Durch die Schmerzen und den Heilungsprozess kann Gott uns formen, damit wir ihm ähnlicher werden. In Genesis 50 war Josef nach all dem Bösen, das seine Brüder ihm angetan hatten, am Ende doch in der Lage zu sagen: „Ihr gedachtet es böse mit mir zu machen, aber Gott gedachte es gut zu machen.“ Wenn wir uns in unserer Zeit der Notlage enger an Gott halten, können wir geheilt werden und unsere schmerzhafte Vergangenheit überwinden.
Können sich missbrauchende Gemeinden ändern?
Diejenigen, die sich in autoritären Gemeinden befinden, bleiben häufig trotz der Schwierigkeiten, weil es eine ständige unterschwellige Hoffnung gibt, dass sich die Gemeinde ändern könnte. Selbst nachdem sie die Gemeinde verlassen haben, bleiben sie häufig stark an den Angelegenheiten der früheren Gemeinde interessiert, weil sie hoffen, dass eine Wiederherstellung immer noch geschehen könnte.
Können sich missbrauchende Gemeinden ändern? Auch wenn ich weiß, dass mit Gott alle Dinge möglich sind, bin ich der Meinung, dass es äußerst unwahrscheinlich ist, dass dies passieren wird. Auch wenn es bei einigen Gemeinden geschehen ist, sind sie dennoch die Ausnahmen.
Warum ist eine Veränderung in diesen Organisationen so schwierig? Ein Grund ist der, dass Veränderung gewöhnlich bei der Leiterschaft anfängt. Die Leiterschaftsstruktur ist jedoch so eingerichtet, dass der Leiter Kontrolle über die Mitarbeiter hat. Auch wenn es einen Ältestenrat geben mag, sind die Personen in diesem Ältestenrat letztlich vom autoritären Leiter selbst ausgewählt worden. Er wählt Männer und Frauen aus, die ihm gegenüber loyal sind, die ihn nicht in Frage stellen oder von ihm Rechenschaft verlangen. So schirmt er sich selbst davon ab, dass seine ungesunden Praktiken angesprochen werden und er sich mit schwierigen Problemen befassen muss.
Problematische Leiter mit gestörtem Selbstverständnis widersetzen sich auch Veränderungen, weil sie dann zugeben müssten, etwas falsch gemacht zu haben. Damit eine echte Herzensänderung stattfinden kann, müssen Leiter zuerst ein Problem zugeben und Buße tun. Ein Leiter jedoch, der sich selbst als „Mann Gottes“ oder Sprachrohr Gottes versteht, wird sich kaum selbst demütigen und seine Unzulänglichkeit eingestehen. Solange diese Verhaltensweise nicht konfrontiert wird, ist die Wahrscheinlichkeit für eine echte Veränderung herabgesetzt.11
In den meisten Fällen schiebt die Leiterschaft die Schuld auf andere. Diejenigen, die die Gemeinde verlassen haben, werden als Leute dargestellt, die unverbindlich bleiben wollen und nur von Gemeinde zu Gemeinde springen usw. Stephen Arterburn schreibt: „Jeder, der gegen das System rebelliert, muss persönlich angegriffen werden, damit die Leute denken, das Problem läge in der betreffenden Person, nicht am System.“12 Es ist meist zwecklos, Fehler aufzuzeigen, weil eine missbrauchende Gemeinde in einer Welt der Verleugnung der Probleme lebt. Viele der Leiter sind selbst Betrogene. Sie mögen zwar ernsthaft in ihrem Bemühen sein, können aber dabei keine Ahnung haben, dass ihr Leiterschaftsstil ungesund und schädlich ist. Sie sind gewöhnlich so narzisstisch oder so auf irgendeine große Sache konzentriert, die sie für Gott tun, dass sie keinen Blick für die Wunden haben, die sie anderen zufügen.13 Diese Leiter verdrehen oft Bibelstellen, um ihr ungesundes Verhalten zu rechtfertigen. Die meisten Mitglieder machen dies mit, weil sie davon ausgehen, dass ihre Gemeindeleiter die Bibel besser kennen als sie selbst.
Schließlich setzen autoritäre Gemeinden alles daran, sicherzustellen, dass ihr guter Name und guter Ruf erhalten bleiben. Daher laufen Leiterversammlungen oft im Geheimen ab. Mitglieder, die andere Meinungen haben, werden bedroht und zum Schweigen verdammt, oder sie werden still und leise entlassen.
Aus diesen Gründen ist es meine Meinung, dass es am besten ist, eine missbrauchende oder ungesunde Gemeinde zu verlassen. Lernen Sie loszulassen und Gott die Sache mit dieser Gruppe in die Hand zu geben. Nur er kann Menschen zur Buße führen. Auch wenn es schmerzhaft ist, wird das Verlassen einer ungesunden Gemeinde und der Anschluss an eine gesunde Gruppe von Gläubigen den Heilungsprozess in Gang setzen und Ihnen neue Türen öffnen, um Gemeinschaft mit andern zu haben und Gott anzubeten und zu dienen.

Anmerkungen:

1. Pat Zukeran, Missbrauchende Gemeinden, 1993, Probe Ministries, www.probe.org/docs/abuse-ch.html.
2. Ken Blue, Healing Spiritual Abuse (Downer’s Grove, Ill.: InterVarsity Press, 1993), 15.
3. Ronald Enroth, Recovering From Churches that Abuse, (Grand Rapids, Mich.: Zondervan Publishing, 1994), 26.
4. Ebd., 39.
5. Philip Keller, Predators in our Pulpits, (Eugene, Ore.: Harvest House, 1988), 12.
6. Blue, 27-28.
7. Ebd., 29.
8. Ebd., 30.
9. Ebd., 34.
10. Ebd., 65.
11. Enroth, 152.
12. Arteburn, Stephen. Toxic Faith, (Nashville, Tenn.: Oliver Nelson Publishing, 1991), 260.
13. Blue, 13-14.
Literaturverzeichnis:
· Arterburn, Stephen and Felton, Jack. Toxic Faith. Nashville, TN: Oliver-Nelson Books, 1991.
· Blue, Ken. Healing Spiritual Abuse. Downer’s Grove, IL: InterVarsity Press, 1993.
· Enroth, Ronald. Recovering From Churches that Abuse. Grand Rapids, MI.: Zondervan Publishing, 1994.
· Enroth, Ronald. Churches That Abuse. Grand Rapids, MI: Zondervan Publishing, 1992.
· Johnson, David and Vanvonderen, Jeff. The Subtle Power of Spiritual Abuse. Minneapolis, MN: Bethany Publishers, 1991.
· Yeakley, Flavil. The Discipling Dilemma. Nashville, TN: Gospel Advocate Co., 1988.
· Zukeran, Patrick. A Critique of the International Church of Christ. Magisterarbeit, Dallas Theological Seminary, 1995



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