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Wenn der Wahnsinn waltet


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Wenn der Wahnsinn waltet




Von Werner A. Perger

Der niederländische Rechtspopulist Geert Wilders warnt vor einem moslemischen „Tsunami“ in Europa - und sät damit Hass und Zwietracht


Wir sind ja so bescheiden geworden. Dafür haben die Wahlerfolge der ausländerfeindlichen Populisten quer durch Europa gesorgt. So sorgen bereits leise Gegensignale für Hoffnung. Als gute Nachricht darf deshalb gelten, dass im fernen Graz die fremdenfeindliche Wahlkampagne der berüchtigten rechtsrabiaten FPÖ nicht in dem Ausmaß belohnt wurde, wie die einstige Haider-Partei das kalkuliert hatte. Mit rüdem Antiislamismus lässt sich in Österreich unter Wählern offenbar nicht mehr so einfach abkassieren. Immerhin. In neuen Demokratien würde man von einem Reifeprozess sprechen.

Anderswo auf unserem altdemokratischen Kontinent - in den Niederlanden - ist die Entwicklung anders. Von guten Nachrichten keine Spur. Dort wartet man bange auf den 25. Januar, den Tag, für den Hollands Haider, der Rechtspopulist Geert Wilders, seinen gewaltigen Schlag gegen die islamische Gefahr angekündigt hat. Mit einem zehn Minuten langen Film will er die Nation – und das übrige Europa – zum Dammbau gegen den moslemischen „Tsunami“ rüsten, den er auf das Königreich zurollen sieht. Der Koran kommt über uns: Holland erwache!

Das mit dem Erwachen könnte, angesichts der möglichen Folgen, auf makabre Weise durchaus eintreten. Schockartig. In Den Haag fürchtet man weltweite Reaktionen, die weit über den Wirbel um die dänischen Karikaturen hinausgehen könnten. Die Auslandsvertretungen des Königreichs sind gewarnt, die Bürgermeister wurden von der Regierung zu Aufmerksamkeit und Vorsorgemaßnahmen angehalten, und Wilders selbst wird von der Regierung bedrängt, von seinem Vorhaben Abstand zu nehmen.

Wilders badet in dieser Aufmerksamkeit, beruft sich auf die Meinungsfreiheit und hofft, dass zumindest YouTube ihm am 25. Zutritt gewährt. Die niederländischen Fernsehstationen haben schon abgesagt. Seine eigene offizielle Parteisendung, die an dem Tag auf dem Fernsehprogramm steht und auf die er Anspruch hat, ist zu kurz, um den ganzen Film auszustrahlen. Da könnte er nur Schnipsel zeigen. Die können aber reichen, jedenfalls für Krawalle nach französischem Vorbild, schlimmstenfalls auch für das „Blutvergießen“, vor dem der syrische Großmufti Ahmed Badr al-Din al-Hassoun kürzlich im Europäischen Parlament gewarnt hat. Alles ist drin, wenn der Wahnsinn waltet.

Natürlich ist die Versuchung groß, diesen Geert Wilders einfach für durchgeknallt zu halten, zumindest für einen akuten Fall von Borderline-Syndrom, der an der Grenze existiert zwischen Realität und Psychose und sich dort vor echten Problemen der sozialen Wirklichkeit in eine Albtraumwelt beschworener oder auch provozierter Gefahren flüchtet. Seit Jahren lebt Wilders abgeschlossen von der normalen Welt, in einer Art Sicherheitsverwahrung, umstellt von Leibwächtern, mit ständig wechselndem Wohnsitz, ohne regelmäßige soziale Kontakte. Mag sein, dass er das nicht wirklich genießt, wie seine Kritiker ihm unterstellen.

Ein Wegfall der Bedrohung, die seit der Ermordung des Filmemachers Theo van Gogh durch einen Islamisten leider sehr real ist, würde für ihn jedenfalls einen abrupten Bedeutungsverlust zur Folge haben. Er müsste, wie die Ex-Somali Ayaan Hirsi Ali, im Ausland untertauchen und seinen Lebensunterhalt dort verdienen. Doch dass sich wie im Fall der prominenten Autorin eine konservative US-Stiftung seiner annehmen und ihn, den Holländer, als Kronzeugen gegen den Islam pflegen würde, ist unwahrscheinlich. Außer seinen wilden Sprüchen hat Wilders nichts zu bieten.

Der 44-jährige Abgeordnete der Zweiten Kammer des holländischen Parlaments, geboren in Venlo in der Provinz Limburg, war in jungen Jahren Assistent des bekannten rechtsliberalen Politikers und späteren EU-Komissars Frits Bolkenstein. Bei dem hat er das politische Handwerk gelernt, nicht zuletzt von dessen Neigung und Fertigkeit, ein offenes Wort auszusprechen, auch wenn es „zur falschen Zeit“ und „politisch unkorrekt“ gewesen sein sollte. Das wirkte in der holländischen Konsensgesellschaft seinerzeit durchaus erfrischend.

Bolkenstein war damit freilich zu einer Art zivilem Vorläufer des späteren Populismus geworden. Als dessen Champion trat dann Anfang dieses Jahrzehnts Pim Fortuyn auf. Seine Ein-Mann-Kampagne gegen moslemische Fundamentalisten war jedoch, gemessen am vulgären antiislamischen Rundumschlag des Herrn Wilders, eine geradezu radikaldemokratische Auseinandersetzung um Grenzen von bürgerlicher Freiheit der holländischen Gesellschaft auf der einen und religiösen Geboten und Traditionen der moslemischen Zuwanderer auf der anderen Seite. Sie war auch insofern legitim, als das „multikulturelle Drama“ im Einwanderungsland Niederlande allmählich offenkundig geworden war.

Wilders hat die Zone der Legitimität längst verlassen. 1998 war er als Vertreter von Bolkensteins rechtsliberaler Partei VVD ins Parlament eingezogen. Damals regierte die Partei noch zusammen mit der Arbeiterpartei Wim Koks. Politisch spielte Wilders keine Rolle. Sein Aufstieg begann erst mit dem Bedeutungsverlust der VVD in der Regierung mit den Christdemokraten, nach Fortuyn und im Gefolge der innenpolitischen Auseinandersetzungen um die Thesen seiner Parteifreundin und Islamkritikerin Ayaan Hirsi Ali.

Wilders begann sich rechts von dem 2002 ermordeten Fortuyn und auch von Hirsi Ali zu profilieren, trat erst aus der Partei aus, gründete dann eine eigene und hatte damit 2006 auf Anhieb Erfolg. Aus der Witzfigur, über die viele gelacht hatten, entwickelte sich ein neuer Volkstribun: der „neue Fortuyn“, wie er seither gelegentlich genannt wird. Doch Fortuyns Populismus stellt Wilders inzwischen in den Schatten seiner finsteren Hetzpropaganda. Er erinnert mehr an den rabiaten Haider zur Zeit des Machtwechsels in Österreich als an den radikalen Spötter aus der Endzeit des „Poldermodells“. Kein Wunder, dass liberale Holländer heute vor einer „Verwildering“ der holländischen Gesellschaft warnen.

Das bisher krasseste Beispiele für den giftigen Vulgärpopulismus, mit dem Wilders die niederländische Integrationsdebatte belastet, war die Forderung nach einem Verbot des Koran und sein Vergleich des Koran mit Hitlers Kampfschrift Mein Kampf. Nun folgt der Film. Wenn nur ein Teil der Folgen, die in Den Haag und Amsterdam, in Medien und Universitäten auf die Wand gemalt werden, eintreten sollten, gehen wir „interessanten Zeiten“ entgegen, wie es in dem berüchtigten chinesischen Fluch heißt. Denn Wilders’ provokativer Irrwitz hat Methode und der terroristische Allmachtswahn seiner Adressaten umso mehr. Die präventiven Fahndungserfolge europäischer Polizeieinheiten wie soeben in Barcelona lassen uns ahnen, wie groß die Gewaltbereitschaft im fundamentalistischen Milieu der vielen kleinen al-Quaidas ist. Und wie weit die Vorbereitungen gediehen sind.

Gegen all dies ist die in Hessen mutwillig losgetretene Debatte über „ausländische Gewalttäter“ eine Kleinigkeit. Erst recht, wenn Wilders das blutige „Echo“ bekommt, das er angeblich nicht provozieren will, das ihm dann aber - scheinbar - recht geben wird. Wie jede Prophezeiung, die sich von selbst erfüllt.
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