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Abrechnung mit dem Kreationismus


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Rolf

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Abrechnung mit dem Kreationismus





Das gelobte Land der Wissenschaften heißt noch immer USA. International führende Forscher arbeiten dort. Doch fundamentalistische Christen haben der wissenschaftlichen Freiheit den Kampf angesagt. Ihre Waffen sind die Lehre des Kreationismus oder die Denkschule des Intelligent Design.


Kreationisten gibt es in verschiedenen Ausprägungen - angefangen mit jenen, die glauben, dass Gott die Welt innerhalb von sechs Tagen schuf und unser Planet nur wenige tausend Jahre alt ist, bis zu den Anhängern des Intelligent Design (ID). Allen Versuchen zum Trotz, die Idee vom Intelligent Design als Wissenschaft zu deklarieren: Sie ist Religion und gehört somit nicht ins Biologieklassenzimmer. ID ist keine testbare wissenschaftliche Hypothese und löst unter Wissenschaftlern auch keine Kontroverse über die Evolutionstheorie aus.

IDler erkennen immerhin an, dass die Erde Millionen Jahre alt ist (allerdings ist der Planet nochmals tausendmal älter), sind aber der Auffassung, dass die Komplexität der lebenden Welt nicht mit den seit Charles Darwin universell anerkannten Mechanismen der Mutation, erblichen Variation und natürlichen Auslese erklärt werden kann. Sie glauben hingegen, dass nur ein Intelligent Designer, ohne ihn explizit Gott zu nennen, komplizierte Strukturen wie das Linsenauge der Wirbeltiere oder die Geißel einiger Einzeller hervorgebracht, ja erdacht haben könnte. Wissenschaftlich hat die ID-Idee keinerlei Aussage- oder Vorhersagekraft, wie es von wissenschaftlichen Theorien erwartet wird, aber sie erhielt neuen Zuspruch, als der Präsident von "God's own country" im Jahr 2005 dafür plädierte, dass sie neben der Evolutionstheorie gleichberechtigt an US-Schulen unterrichtet werden sollte. Die "New York Times" zitiert George W. Bush seinerzeit mit den Worten: "Ich glaube, Teil der Erziehung ist es, den Menschen verschiedenen Denkschulen auszusetzen."

Natürlich sollten alternative Hypothesen unterrichtet und Belege für und wider vorgestellt werden - wenn diese wissenschaftlich gerechtfertigt sind. Aber ID wird von keiner wissenschaftlichen "Denkschule" vertreten, sie erfüllt nicht die Anforderungen einer wissenschaftlichen Theorie. Denn die wissenschaftliche Methode basiert darauf, falsifizierbare Theorien zu formulieren, die dann im Experiment mit konkurrierenden Theorien evaluiert werden. In der Wissenschaft setzten sich die Theorien durch, die nicht widerlegt sind und durch die besten wissenschaftlichen Evidenzen unterstützt werden und damit der Wahrheit am nächsten kommen.

Intelligent Design ist ausschließlich Religion

ID macht keinerlei Vorhersagen und liefert keine experimentell testbaren Hypothesen, allein die Existenz eines metaphysischen Designers wird postuliert. Das Credo: Wenn darwinistische Modelle keine anscheinend ausreichende Erklärung für beobachtete Phänomene liefern können, dann muss ID richtig sein. ID wird somit als wissenschaftliche Null-Hypothese ausgegeben, obwohl es ausschließlich Religion ist.

Religionen können wichtige gesellschaftliche Funktionen erfüllen und auf der persönlichen Ebene dafür sorgen, dass wir uns im Universum nicht so allein fühlen und einen Sinn des Lebens spüren. Nicht zuletzt versprechen Religionen ein besseres Los nach dem Ableben unserer sterblichen Hülle, was Wissenschaft nicht leisten kann. Wissenschaft ist religionsfrei: Ein Handy funktioniert, egal, ob ein Moslem, Hindu oder Christ es entworfen hat oder damit telefoniert. Ihre Motivation besteht aus einer unvoreingenommenen Neugier, die Welt zu verstehen, und wissenschaftlicher Fortschritt ist auch im Alltag evident.
Nach dem Wissenschaftsphilosophen Karl Popper werden Hypothesen akzeptiert, solange man sie nicht im Experiment ausschließen kann. Und wissenschaftlicher Fortschritt entsteht, unter anderem, aus dem Versuch, Experimente zu erdenken, die das in Frage stellen, was landläufig als richtig angesehen wird.

Darwins Evolutionslehre hat diese Tests seit der Veröffentlichung von "Origin of Species" 1859 in Tausenden Experimenten mit Bravour bestanden. Von allen biologischen Teildisziplinen hat die Evolutionsbiologie das umfangreichste mathematische Modellsystem erarbeitet, beispielsweise in der Phylogenetik, Populationsgenetik und der Spieltheorie. Dagegen sind etwa Molekularbiologie oder Genomik vergleichsweise theoriefrei und beschreibend. Natürlich sind längst nicht alle Details der evolutionären wie auch molekularbiologischen oder physiologischen Mechanismen verstanden, und täglich wird in den Laboratorien der Welt noch Neues gelernt, so auch in der Evolution.

Kirche brauchte Jahrhunderte für die Akzeptanz physikalischer Grundlagen

Aber Evolution ist in der Biologie ebenso selbstverständlich anerkannt, wie die Gravitation unter Physikern, ohne dass sie bis dato ins letzte Detail verstanden ist. Interessanterweise werden physikalische Gesetzmäßigkeiten, im Gegensatz zu biologischen, von der modernen Kirche nicht in Frage gestellt. Wenn ich Rechtgläubige richtig verstehe, hat Gott wohl ganz früh nach dem Urknall entschieden, dass es Konstanten im Universum gibt, wie die Geschwindigkeit des Lichts, woraus dann folgt, dass E = mc2. Aber auch für die Akzeptanz von physikalischen Grundgesetzen, die der Bewegung von Himmelskörpern zugrunde liegen, brauchte die Kirche Jahrhunderte trotz überwältigender Evidenz. Es dauerte 500 Jahre, bis sie anerkannte, dass die Erde um die Sonne kreist, und Galilei somit recht hatte.

Vergleichsweise kurz war dagegen der Zeitraum, bis die päpstliche Akademie 1996 die von Charles Darwin im Jahr 1859 veröffentlichten Theorien zur Evolution akzeptierte. So schrieb Papst Johannes Paul II. 1997 im "Quarterly Review of Biology" über die Ergebnisse der Beratungen seiner von ihm beauftragten Wissenschaftler, dass allein die Erschaffung der menschlichen Seele für Gott beansprucht wird, aber die Entstehung der Arten, einschließlich des Homo sapiens, durch darwinistische Mechanismen der Mutation und Selektion erklärlich ist.
Kein Wissenschaftler hat je ernsthaft versucht, den experimentellen Beleg über den Ursprung der Seele zu erbringen. Nach Papst Johannes Paul II. sind katholische Doktrin und Evolutionslehre somit kompatibel.

Die Kirche ist sich uneinig über die Evolution

Aber innerhalb der katholischen Kirche besteht Uneinigkeit über die Evolution. Im Juli 2005 veröffentlichte der Wiener Kardinal Schönborn in der "New York Times" einen Pro-ID-Kommentar zu "Finding design in nature" und tat die Gedanken von Johannes Paul II. als "vage und unwichtig" ab. Worauf der Chefastronom des Vatikans, der Jesuitenpriester George Coyne, im "The Tablet" antwortete und darauf hinwies, dass 2004 eine internationale theologische Kommission unter der Leitung des Kardinals Ratzinger, dem jetzigen Papst Benedikt XVI., befand, dass kein Konflikt zwischen darwinistischen Erkenntnissen und den Lehren der Kirche bestünde.

Unter Wissenschaftlern findet jedoch ein anderer Diskurs statt. Es wird kein Gedanke daran verschwendet, ob an der ID-Idee etwas wissenschaftlich Wertvolles sein könnte. Diskutiert wird vielmehr darüber, welchen Einfluss die christlichen Fundamentalisten auf die öffentliche Meinung und somit auf die Politik haben könnten.

Bislang scheint es leider nicht zur Allgemeinbildung zu gehören, dass in der modernen Physik das deterministische, Newtonsche Weltbild von dem der Quantenphysik überholt ist, wo Zufall und statistische Wahrscheinlichkeiten eine überragende Rolle spielen. Der Zufall bestimmt zu einem gewissen Teil auch in der Evolution, welche Nachkommen überleben. Die Welt und ihre Organismen sind weder perfekt noch optimal, denn das Zusammenspiel von Selektion, aber eben auch von Zufällen der Milliarden Jahre währenden evolutionären Vergangenheit prägte das Leben von Anfang an.
Für IDler sind dies vielleicht beunruhigende Einsichten, aber zumindest für Biologen ist klar, dass Zufall nicht nur etwas Negatives, weil Unbestimmtes und damit Bedrohliches bedeutet, sondern auch etwas Kreatives und Positives. So wie sich die Welt durch Newton erklärt, und das Spaceshuttle auch allein mit Newtonschen Berechnungen fliegt, so scheint auch eine statistisch unveränderliche prädarwinistische Weltsicht auszureichen, um durchs tägliche Leben zu kommen. Aber erst die Quantenwelt seit Planck, Bohr und Pauli erklärt umfassender, wie ein Computer im Innersten funktioniert, so wie die Evolutionslehre von Darwin besser erklärt, wie Adaptationen und neue Arten entstehen, als die statische Sicht von Prädarwinisten wie Aristoteles oder Cuvier.

Es ist hochmütig, den Menschen als Krönung der Schöpfung zu sehen

Die Evolution auch unserer Spezies - es tut mir leid, sollte ich damit Gefühle verletzen - wurde in der Vergangenheit vom Zufall beeinflusst. Auch Homo sapiens ist nicht ex nihilo erstanden. Daher erscheint es mir hochmütig, den Menschen als Krönung der Schöpfung zu sehen. Schon vor etwa 360 Millionen Jahren im Devon, als unsere Fischvorfahren das Land besiedelten, setzte sich wohl eher zufällig die Linie durch, die fünf Finger hatte, obwohl im gleichen Zeitraum auch Fische existierten, die acht oder sogar noch mehr "Finger" besaßen. Da alle Amphibien, Reptilien, Vögel und Säugetiere von denselben frühen Fischsiedlern abstammen, haben alle diese Tiere fünf Finger.

Manchmal, wie bei Pferden, wird die Anzahl der Finger wieder reduziert - es läuft sich schneller und mit weniger Reibungsverlust auf einem Finger in der offenen Steppe als auf fünf Fingern im morastigen Wald, den ihre Pferdevorfahren bewohnten. Auch wenn schwimmende Olympioniken oder Konzertpianisten mit mehr Fingern "perfekter" sein könnten; der Zufall bestimmte fünf Finger und ist seit dem Devon in allen Landwirbeltieren im entwicklungsbiologischen Programm auf diese Maximalzahl festgelegt.

Unser Körper ist von sinnlosen Zeichen gezeichnet

Auch der Rest unseres Körpers ist gezeichnet von sinnlosen Zeichen der Geschichte, wie es der Evolutionsbiologe Stephen Jay Gould einmal nannte. Unser Blinddarm ist ein unnötiges und funktionsloses Überbleibsel, der als größere Darmtasche in anderen Primaten einmal dazu diente schwer verdauliche Pflanzenbestandteile zu fermentieren. Er ist ein gefährliches Rudiment unsere Vorgeschichte und sicherlich kein intelligentes Designprodukt, denn wie viele Menschen starben schon an einer Blinddarmentzündung?

Der menschliche Fötus ist im Alter von fünf bis acht Monaten mit Lanugo, einer dünnen Schicht Haare, bedeckt, die beim Homo sapiens, im Gegensatz zum Beispiel von Schimpansen und Gorillas, wieder vor der Geburt verloren geht. Ein adaptiver Grund für ein wärmendes Fell wird sich bei angenehmen 37 Grad Celsius im Mutterleib nur schwer finden, aber die Erklärung aus der gemeinsamen Evolutionsgeschichte mit behaarten Primaten ist offensichtlich.

Und die Evolution bastelt - Kompromisse eingehend - mit dem schon vorhandenen Material, um sich auf veränderte Umweltbedingungen einzustellen. Wir Zweibeiner sind von unserer vierbeinigen Primatenvergangenheit der letzten Millionen Jahre in vielerlei Hinsicht vorbestimmt. Unser Körpergewicht wird durch die Wirbelsäule besser von Gliedmaßen an Schulter- und Beckengürtel getragen als nur mittels Becken. Jeder, und nicht wenige schlagen sich mit Rückenleiden herum, wird bestätigen können, dass die Umgestaltung zum Aufrechtgeher nicht ohne Kompromisse und Imperfektionen zu bewerkstelligen war.

Das Bastlertum - und eben nicht Ingenieurwesen - der Evolution zeigt sich auch in unserem Erbgut, in dem sich zu einem nicht unerheblichen Teil Gene befinden, die schon in Bakterien vorhanden sind. Im menschlichen Genom finden sich auch die fast gleichen Netzwerke von Genen, die ein Facettenauge der Fliege bauen, nur bei uns starten sie die Entwicklung des Kameraauges. Im Experiment konnte so die Erbinformation vom Anfang der genetischen Kommandokette aus einer Maus auch bei Fliegen die Augenentwicklung starten. Diese funktionelle Äquivalenz von solchen homologen Fliegen- und Mäusegenen zeigt, wie konservativ die Evolution ist: Es wird eher mit dem vorhandenen genetischen und entwicklungsbiologischen Werkzeugkasten gebastelt, aus dem neue Formen entstehen, als völlig neue Gene entstehen zu lassen. Der französische Nobelpreisträger François Jacob nannte die Evolution deshalb einen Bastler.

Perfekte Organismen gibt es nicht


Ein kosmischer Ingenieur hätte wohl vermeintlich perfekte Organismen entworfen. Die gibt es aber nicht. Evolutionsbiologie kann problemlos erklären, warum 99,99 Prozent aller jemals bestehenden Arten wieder ausgestorben sind. Für Anhänger des ID-Gedankens ist es wohl schwieriger zu akzeptieren, dass ihr Designer nicht so perfekte Organismen entwirft und alle seine frühen Schöpfungen schon ausgestorben sind. Ein Schicksal, das übrigens allen Arten blüht. Ein Designer würde bei einem gegebenen evolutionären Problem bei jeder Generation oder jeder neuen Art von vorne anfangen. Er könnte seine Materialien und deren Form geschichtsfrei der optimalen Lösung anpassen.

ber Evolution, einmal als Prozess gestartet, fängt nie wieder bei Null an. Durch die Kette der Vererbung muss sie mit dem genetischen Material und den entwicklungsbiologischen Möglichkeiten arbeiten, die in der vorherigen Generation schon zur Verfügung standen. Neben Mutation und Selektion kennt sie aber Tricks, mit denen größere evolutionäre Schritte gemacht werden können: Gen-, Chromosom- und Genomduplikationen, die das genetische Material verdoppeln. Dies erlaubt einem kopierten Gen, mehr Mutationen zu akkumulieren, die dann möglicherweise schneller zu neuen Funktionen führen. Die ursprüngliche Aufgabe wird von der anderen Genkopie erfüllt.

Die Evolution plant nicht zielgerichtet voraus, sondern es überleben die Gene in den Nachkommen jener Organismen, die sich trotz der von Generation zu Generation ständig ändernden Umweltbedingungen mehr Nachkommen hinterlassen als ihre Konkurrenten. Fitness ist nur eine relative, keine absolut gemessene Einheit. Die fittfesten Organismen sind allein die, die im Vergleich zu den Mitbewerbern ihrer Population die meisten Nachkommen haben. Das Prinzip des "Survival of the Fittest" wirkt damit zwar von Generation zu Generation verbessernd. Optimierend ist es aber nur unter gleichbleibenden Umweltbedingungen wie zum Beispiel bei der künstlichen Selektion domestizierter Tiere. Aber die Evolution kann nicht die sich ändernden Selektionsdrücke der Zukunft vorhersehen und deshalb auch nicht nach Perfektion streben.

Organismen sind immer nur so perfekt, wie sie sein müssen, um möglichst viele Nachkommen unter den Selektionsbedingungen der vorherigen Generation zu erzeugen. Trotzdem ist Evolution ein offensichtlich sehr erfolgreicher Uhrenmacher, der komplexe Interaktionen von Genen selektieren kann, aber sie bastelt blind und ohne Plan.

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