
Quantenphysiker Anton Zeilinger sieht keinen Widerspruch zwischen Glaube und Naturwissenschaft. Er warnt aber beide Seiten davor, die Grenzen ihrer Zuständigkeit zu überschreiten.
Von Markus Kosian ( )
Der österreichische Pionier der Quantenphysik sprach aktuell mit dem Salzburger über die aufkommende Skepsis gegenüber wissenschaftlichen Fakten. Zeilinger wurde im Jahr 2022 mit dem Physik-Nobelpreis ausgezeichnet. Im Interview nahm er auch Bezug auf die unterschiedlichen Erkenntnis-bereiche von Glauben und Naturwissenschaft. Mit Blick auf die im Zuge der Corona-Pandemie angestiegene Wissenschaftsfeindlichkeit betonte Zeilinger: „Es gibt zuerst einmal Fakten – und diese Fakten sollte man nicht infrage stellen.“
Der 78-Jährige verwies darauf, dass die meisten Menschen seines Alters „ohne Wissenschaft überhaupt nicht mehr am Leben“ wären und die moderne Forschung „viele, viele Leben“ gerettet habe. Zudem sollte die Gesellschaft die Lebenserleichterung wahrnehmen, die mit der modernen Wissenschaft verbunden ist. Neben den Chancen behält Zeilinger aber auch die Gefahren, die mit wissenschaftlichem Aufschwung verbunden sein können, im Blick. So rät er der jungen Generation „mehr persönlicher Interaktion und weniger Computereinsatz“. Das verkürzte Nachdenken aufgrund der Schnelligkeit, die mit dem Einsatz der Künstlichen Intelligenz verbunden ist, hält er gar „für ein riesiges Problem der Zukunft und unserer Gesellschaft“.
Physiker: Grenze der Zuständigkeiten nicht überschreiten
Einen im Zuge des Fortschreitens wissenschaftlicher Erkenntnis oft propagierten Widerspruch zwischen dem Glauben an Gott und der Naturwissenschaft kann Zeilinger, , indes nicht erkennen. Er ist der Ansicht, dass es „mehr als das Faktische“ gibt. Danach gefragt, wie das mit der Faktendominanz der Naturwissenschaften vereinbar sei, erklärt der Naturwissenschaftler, dass es nur dann zu Konflikten zwischen dem metaphysischen und dem physischen Erkenntnisbereich kommt, „wenn eine der beiden Seiten die Grenzen ihrer Zuständigkeit überschreitet“. Dazu betonte Zeilinger mit Blick auf eine Grenzüber-schreitung von naturwissenschaftlicher Seite: „Wenn einige Naturwissenschaftler behaupten, die Annahme der Existenz Gottes würde dem widersprechen, was sie naturwissenschaftlich finden, dann ist das eine sehr vereinfachte Sicht von Gott.“
Umgekehrt würden Grenzüberschreitungen von kirchlicher Seite stattfinden, wenn etwa naturwissenschaftliche Erkenntnisse abgestritten werden, wie es zum Beispiel „der Kreationismus in einigen Bewegungen“ tun würde. Wenn die Grenze des jeweiligen Erkenntnisbereichs eingehalten würden, „gibt es eigentlich keine Möglichkeiten für einen Konflikt“, fügte Zeilinger hinzu.
Bereits im August 2012 erklärte Anton Zeilinger im , dass die Perspektive, hinter dem Urknall den Schöpfer bzw. den Zufall zu sehen, sei.
Erst kürzlich äußerte sich der emeritierter Professor an der Universität Wien in einem mit den Salzburger Nachrichten zur Gretchenfrage und gab dabei ein deutliches zu seinem christlichen Glauben. Dabei brachte Zeilinger zum Ausdruck, dass sein Glaube keine Frage der Vernunft, sondern vielmehr eine Willensentscheidung ist, was der 78-Jährige wie folgt erklärte: „Das ist weder eine rationale Überlegung noch eine Intuition. Das ist einfach so. Ich habe schon immer an Gott geglaubt.“
Mit Verweis auf den großen Theologen warnte Zeilinger mit Blick auf fortschreitende wissenschaftliche Erkenntnis davor, Gott zu konkrete Eigenschaften zuzuschreiben. Dazu sagte er: „Der Theologe Karl Rahner hat gesagt, der Fromme der Zukunft werde ein Mystiker sein oder er werde nicht mehr sein. Das heißt, dass wir uns von vielen allzu genauen Vorstellungen von Gott verabschieden müssen.“
„Der Fromme von morgen wird ein Mystiker sein, einer, der etwas erfahren hat, oder er wird nicht mehr sein.“
Karl Rahner
Zugleich verwies Zeilinger auch darauf, dass die Möglichkeiten wissenschaftlicher Begründbarkeit nicht endlos ausgedehnt werden könnten. So höre an einem bestimmten Punkt „die Begründbarkeit auf“, was Zeilinger zu folgender Schlussfolgerung bringt: „Es wird immer Fragen geben, die wir nur philosophisch diskutieren können.“
Quellen:
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