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Etos TV: Nachrufe in Dauerschleife


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Etos TV: Nachrufe in Dauerschleife




Von Judith Lembke


Drehort für Etos TV? Der Berliner Friedhof St. Matthäus


04. November 2007
Nachdem Etos TV vor wenigen Tagen die Sendelizenz erhalten hat, soll der erste deutsche Trauerkanal spätestens ab Januar ausgestrahlt werden. Doch so lange mögen einige Kunden nicht mehr warten. Zu groß ist ihre Angst, dass sie vorher sterben könnten und die Verfassung ihres virtuellen Nachrufes dann der Verwandtschaft in die Hände fallen könnte. „Bei uns haben schon Leute angerufen und vorsorglich ihren Nachruf bestellt. Den bewahren wir jetzt auf, bis sie tot und wir auf Sendung gegangen sind“, sagt Wolf Tilmann Schneider, Initiator des ersten deutschen Trauersenders. Virtuelle Nachrufe sollen eine der drei Programmsäulen und die Haupteinnahmequelle von Etos TV werden. „Ich fand ungerecht, dass jeder D-Promi einen Nachruf im Fernsehen bekommt, der Normalbürger aber nicht“, begründet Schneider sein Engagement. Schließlich habe jeder etwas auf dieser Welt hinterlassen, „er hat zumindest Steuern bezahlt“.

Dass Andy Warhols bekannte Prophezeiung, in Zukunft werde jeder für 15 Minuten berühmt sein, für einige Menschen wenigstens post mortem in Erfüllung geht, soll die Angehörigen 2000 Euro kosten. Dafür wird ein virtueller Nachruf erstellt, der zehn Mal ausgestrahlt und dann in einer Datenbank gespeichert wird - digitale Ewigkeit ist also garantiert. Vertrieben werden sollen die Nachrufe über die Bestattungsunternehmen, die auch zu 47 Prozent über den Fachverlag des deutschen Bestattungsgewerbes und den Landesverband Nordrhein-Westfalen an dem Sender beteiligt sind.

Dokumentationen über Bestattungsrituale

„Uns geht es dabei nicht so sehr um das Geld, wir sehen die Verbreitung von Informationen über Friedhofs- und Bestattungskultur als unseren kulturellen Auftrag“, sagt Rolf Lichtner vom Fachverlag. Etos TV soll das Image einer Branche aufpolieren, der ihre besten Zeiten seiner Ansicht nach noch bevorstehen. „Die Themen Tod, Trauer und Erinnerungskultur werden aufgrund des demographischen Wandels immer wichtiger werden“, prophezeit Lichtner.

Dokumentationen über Friedhöfe und Bestattungsrituale hat Schneider als zweiten Programmschwerpunkt neben den Nachrufen eingeplant. Einen dritten beschreibt er als „Infotainment“. In dieser Rubrik sollen zum Beispiel die Fragen „Wie finde ich das richtige Altersheim?“ oder „Wie baue ich einen Treppenlift in mein Haus ein?“ erörtert werden. Dafür hofft er auf Sponsoren. Am Anfang soll täglich eine Stunde Programm gesendet werden, das dann sukzessive auf vier Stunden Sendezeit ausgebaut werden solle.

„Ich war schon immer gerne auf Friedhöfen“

Auf die Idee, einen Trauersender zu gründen, brachte Schneider sein persönliches Interesse. „Ich war schon immer gerne auf Friedhöfen“, sagt der ehemalige Marketingleiter von Sat.1. Die Frage nach der Zielgruppe beantwortet er mit statistischen Daten. „Jedes Jahr gibt es in Deutschland 830.000 Todesfälle. Wenn man die mit den vier engsten Angehörigen multipliziert, kommt man auf 3,2 Millionen Menschen. Das sind unsere potentiellen Zuschauer“, glaubt er. Dazu kämen die für das Jahr 2010 prognostizierten drei Millionen Pflegefälle und ihre Angehörigen. Mit dem Spartensender, der über Satellit ausgestrahlt werden soll, wolle er aber auch keine riesige Quote machen. „Menschen zwischen 14 und 49 werden uns nicht gucken, da bin ich realistisch“, sagt Schneider. Aber spätestens ab 50, wenn die Realität einen einhole, wollten sich genügend Menschen mit dem Thema Altern und Tod beschäftigen, glaubt er.

Hermann Weber, Geschäftsführer von Aeternitas, einer Verbraucherinitiative für Bestattungskultur, will nicht so recht an den Erfolg des Geschäftsmodells glauben. „Die Leute fangen erst an, sich mit Bestattungskultur zu beschäftigen, wenn sie direkt von einem Todesfall betroffen sind“, lautet seine Erfahrung. Und dann wollten sie sich so schnell und gezielt wie möglich informieren. Zudem hält er das Informationsangebot in den öffentlichen und privaten Medien für ausreichend. „Für so einen Spartensender ist da kein Platz mehr.“

Schneider lässt sich von solchen Stimmen nicht beirren. Er geht davon aus, dass sich die Investition von etwa 2 Millionen Euro nach einem Jahr rentiert haben wird. „Andere Zielgruppen brechen weg, dieser Markt wird nicht aussterben“, ist er überzeugt. Außerdem sei das Konzept für Investoren sehr interessant. „Der besondere Charme für Anleger liegt in der guten Exit-Komponente.“


Text: F.A.Z., 03.11.2007, Nr. 256 / Seite 19
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