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„Skandalöse Liebe“: Jungfrauenweihe – mehr als ein Leben ohne Sex


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Rolf

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„Skandalöse Liebe“: Jungfrauenweihe – mehr als ein Leben ohne Sex

 

 

 

 
8. November 2022
 

 

Bernadette Lang hat sich mit Anfang 30 zur „ewigen Jungfrau“ weihen lassen. Sie hat nicht den Verzicht im Blick, sondern die „Einswerdung mit Gott“.

 

Bernadette, du hast im August deine Jungfrauenweihe gefeiert. Wie fühlst du dich?

 

Ich spüre eine sehr große Freiheit, Freude und sowas wie eine existenzielle Bezogenheit. Ich erneuere ja schon seit zehn Jahren immer wieder mein Versprechen, dass ich Jesus in Exklusivität gehören will. Das war immer ein persönliches, privates Versprechen. Jetzt ist es von der Kirche bestätigt worden und hat einen öffentlichen Charakter bekommen – das fühlt sich definitiver an.

 

Merkst du das in deinem Glaubensleben oder deiner Beziehung mit Christus?

 

Ich merke es vor allem an einem größeren Gefühl der Sicherheit. Jetzt ist es nicht mehr nur meine persönliche Entscheidung, sondern Gott hat es durch eine Kirchenautorität bestätigt. Das kann mir niemand mehr nehmen. Die Entscheidung kann zwar infrage gestellt werden, aber es macht existenziell und in der geistlichen Welt keinen Unterschied, weil es für mich eine definitive Gewissheit hat. Ich weiß, dass ich Jesus exklusiv gehöre.

 

Was ist denn eine Weihe eigentlich?

 

Eine Weihe bedeutet, es gibt einen Ritus, bei dem ein besonderer Gegenstand oder eine Person Gott öffentlich anvertraut wird. In diesem Sinne ist die Weihe quasi eine Weiterführung der Taufe. Ich sage noch einmal: „Ja, Gott, ich will zu dir gehören!“

 

Die Ehe und die Weihe sind auf derselben Stufe, sagen dasselbe aus und deuten auf dasselbe hin – auf die vollkommene Vereinigung Gottes mit dem Menschen. Der Unterschied ist: Die Ehe ist ein sichtbares Zeichen einer unsichtbaren Wirklichkeit, also Mann und Frau schenken sich gegenseitig und werden eins, geben sich hin, wie wir uns Gott hingeben sollen.

 

Die Weihe ist eher ein Vorgriff. Im zölibatären Lebensstil sehen wir, dass wir für das Leben und die vollkommene Vereinigung mit Gott gemacht sind. Ich sage mit meinem Leben: „Es gibt die Ewigkeit, es gibt eine Auferstehung der Toten und unser Ziel ist diese Einswerdung mit Gott.“ Und ich nehme das in gewisser Weise vorweg, in dem Bewusstsein, dass es natürlich auf dieser Welt immer nur ein Vorausgriff sein kann und keine Vollendung.

 

Was war für dich der entscheidende Punkt, diesen Weg zu wählen?

 

Den einen Punkt gibt es nicht, es war ein Weg, auf dem ich viele prägende Erfahrungen gesammelt habe. Zum Beispiel als ich mit 14 zum ersten Mal, ganz bewusst die Liebe Gottes erlebt habe. Ich war damals auf einem Festival in Bosnien mit 40.000 Menschen. Ich habe gespürt, Gott liebt mich bedingungslos und ich muss mir seine Liebe nicht verdienen. Er liebt mich allein aufgrund meiner Existenz.

 

Ich glaube auch, das war der erste Schritt, warum ich Gott überhaupt eine Chance gegeben habe. Ich dachte, wenn Gott so ist, dann will ich mehr von ihm! Und so habe ich angefangen, jeden Tag mit ihm zu reden.

 

Je mehr Raum ich Gott in meinem Leben gegeben habe, umso mehr wurde ich gestärkt in meiner eigenen Identität. Er hat mich frei gemacht von den Erwartungen anderer und den Masken, die ich getragen habe.

Ein Jahr später hatte ich noch mal ein sehr einschneidendes Erlebnis, das mich in meiner Berufung erschüttert hat. Da war plötzlich die Frage in meinem Herzen: „Willst du mir gehören?“ Es war eine Frage, von der ich wusste, dass Gott sie stellt, aber ich konnte nicht sofort „Ja“ sagen.

„Je besser ich Gott kennengelernt habe, umso mehr habe ich erfahren, er ist ein Gott der Schönheit ist, der sich Intimität ausgedacht hat.“

Ich musste da erst hineinwachsen und Antworten finden auf die Fragen: Kann ich Gott wirklich vertrauen? Hat er gute Pläne für mich? Oder ist ein Leben mit ihm langweilig? Je besser ich Gott kennengelernt habe, umso mehr habe ich erfahren, er ist ein Gott der Schönheit ist, der sich Intimität ausgedacht hat. Er ist der Erfinder von Abenteuer und Bedeutsamkeit. Das hat ein Leben mit ihm für mich sehr attraktiv gemacht.

 

Wenn man Gott so erfährt, als eine Antwort auf all unsere menschlichen Sehnsüchte, dann ist es sehr einfach, ihm sein Leben anzuvertrauen. Je besser ich Gott kennengelernt habe, desto leichter konnte ich „Ja“ sagen. Es war eigentlich die logische Konsequenz und ich weiß, dass es mich extrem glücklich macht, ihm auf diese Art und Weise zu antworten. Nicht jeder muss so leben wie ich – es ist eine Berufung, die er mir individuell geschenkt hat.

 

Du sagst, dass dieser Weg dich glücklich macht und du siehst deine Berufung darin. Trotzdem gibt es ja richtige Entscheidungen, die einen aber trotzdem viel kosten. Was kostet dich diese Berufung?

 

Ich glaube, jede Berufung kostet etwas. Ich hatte viele Gelegenheiten, auch mit jungen Männern darüber nachzudenken und abzuwägen, was eine andere Berufung bedeuten würde. Ich habe das Gefühl, dass meine Persönlichkeit mehr meinem jetzigen Weg entspricht.

 

Ich reise gerne und bin viel unterwegs, ich investiere gerne in viele Menschen. Wenn ich verheiratet wäre, würde ich mich weniger Menschen intensiver hingeben – ich sehe auch die Schönheit dieser Berufung – aber für die Art und Weise, wie ich gestrickt bin, wäre das schwieriger.

 

Natürlich hat meine Entscheidung ihren Preis. Ich verzichte zum Beispiel auf sexuelle Intimität. Es ist tief in uns hineingewoben, dass Mann und Frau sich nicht nur emotional hingeben, sondern auch körperlich. Deshalb ist es mir wichtig, dass ich meine Intimität in eine gute Balance bringe und sie auf anderen Ebenen gut lebe – seelisch, emotional, mental und spirituell. Für mich ist es wichtig, Beziehungen gut zu gestalten, auch mit Männern, aber auf die sexuelle Dimension zu verzichten.

 

Ich entsage damit natürlich auch Momenten der Zweisamkeit, Romantik oder eigenen Kinder. Die sind für mich allerdings kein großer Verzicht, weil ich viele Nichten und Neffen habe, die ich sehr liebe, und weil ich in einem Haus lebe, in dem 40 junge Leute sind. Ich engagiere mich viel im Bereich Mentoring und Persönlichkeitsentwicklung, investiere mich in junge Menschen und lebe so eine geistliche, spirituelle Art von Mutterschaft.

 

Im Ordensgelübde ist auch Gehorsam und Armut dabei. Ist das in deinem Gelübde auch enthalten?

 

Ich habe nur das Keuschheitsgelübde abgelegt. Die ersten Zeugnisse geweihter Jungfrauen stammen aus dem 3. Jahrhundert, das heißt noch vor dem Ordensleben hat sich der Stand der Jungfrauen entwickelt, die als Zeuginnen in der Welt berufen waren.

 

In Armut zu leben, das ist im Ordensleben oft einfacher. Ich arbeite ja auch, habe einen Beruf, und insofern habe ich kein direktes Gelübde für Armut oder für Gehorsam abgelegt.

 

War ein Eintritt in einen Orden auch eine Option für dich?

 

Wenn ich für eine kurze Zeit Klöster besuche, genieße ich zwar den Rhythmus des Lebens, aber ich merke, es würde mich zu sehr einengen. Dadurch, dass ich gerne unterwegs bin, gerne neue Leute kennenlerne, Neues entdecke, würde es nicht so sehr meiner Person entsprechen, in einem Orden zu leben.

„Das Herzstück der Beziehung mit Gott heißt skandalöse Liebe.“

Medien berichten über dich mit Headlines wie „Ein Leben ohne Sex“. Bedeutet dein Gelübde für dich auch in erster Linie, keinen Sex zu haben?

 

Das bedeutet es für mich definitiv nicht. In erster Linie bedeutet es für mich, zu verstehen, was es heißt, Braut Jesu zu sein. Und eine Braut zu sein, heißt eine tiefe Form von Intimität mit dem zu leben, der mich ins Leben gerufen hat, der sich Intimität ausgedacht hat. Das ist ja im Grunde die Aufgabe jedes einzelnen Christen.

 

Das Herzstück der Beziehung mit Gott heißt „skandalöse Liebe“. Der Skandal ist erstens, dass Gott Mensch wird und sich auf unsere Stufe begibt, und zweitens, dass er uns zu sich nach oben hebt, nicht nur als Sohn und Tochter, sondern als Braut an seiner Seite. Uns als Kirche, seine Gemeinde, aber auch jeden individuell.

 

Das Leben in Jungfräulichkeit ist ein Hinweis darauf, dass es um mehr geht als um Sex. Es geht um eine ganzheitlichere tiefere Vereinigung. Natürlich sehen die Medien: „Jungfrau – aha, das heißt kein Sex.“ Aber es ist ja viel mehr ein Freiwerden, ein Sich-Öffnen für den Ruf Gottes, der etwas Großartiges für uns träumt. Die Jungfrauenweihe ist ein markanter Punkt in dieser Geschichte, die Gott mit mir schreibt. Aber es ist definitiv weder der Anfang noch das Ende.

 

Wie gehst du damit um, von unterschiedlichen Seiten angegriffen und hinterfragt zu werden?

 

Ich gehe sehr entspannt damit um. Kritik ist nicht schlecht, wenn sie durchdacht und begründet ist. Es ist gut, wenn man sich Fragen stellt und auch durchaus kontrovers diskutiert.

 

Ich fühle mich nicht hinterfragt in meinem Lebensstil, weil mir klar ist, dass es der richtige Weg für mich ist und ich alles wieder genauso machen würde. Ich entscheide mich ja auch täglich dafür, tiefer in diese Berufung reinzuwachsen und das gibt mir eine sehr große Freiheit und auch die Gelassenheit, mit Kritik gut umzugehen.

„Ich gebe gerne Zeugnis, denn ich glaube, meine Berufung ist nicht nur für mich alleine, sondern das Wesen einer Berufung ist FÜR andere. „

In der Tradition ist die Jungfrauenweihe eher eine kleine, intime Zeremonie. Du hast von außen betrachtet eine große Hochzeit gefeiert. Warum hast du so viele Leute eingeladen?

 

Ich habe sehr viele Leute in meinem Leben kennengelernt und habe viele junge Menschen begleitet. Ich gebe gerne Zeugnis, denn ich glaube, meine Berufung ist nicht nur für mich alleine, sondern das Wesen einer Berufung ist FÜR andere.

 

Ich habe auch viele Leute eingeladen, die ein Stück des Weges mit mir gegangen sind, damit sie teilhaben, an dem, was Gott mir geschenkt hat. Ich habe persönlich auch sehr viel positives Feedback bekommen. Einige Gäste haben sich neu den Fragen des Christentums gestellt – das motiviert mich. Wir sind aufgerufen, Zeugen zu sein in einer Welt, in einer Zeit, die von sehr vielen Herausforderungen geprägt ist.

 

Die Welt dürstet nach Zeugen, sie dürstet nach Gott, aber wir müssen die Botschaft auch nach draußen bringen und insofern war ich mir durchaus bewusst, dass es ein kontroverses Thema sein wird. Ich wusste nicht, dass es so groß wird, aber gleichzeitig sehe ich es als Chance, über die Themen Gott, Intimität und Sexualität zu reden.

„Ich heirate keinen Toten, sondern ich vertraue mich jemandem an, der lebendig ist und relevant für unsere Zeit.“

Also war es für dich weniger eine Ersatzhochzeit, sondern ein geeigneter Rahmen, das zu teilen, was dich bewegt und warum du diesen Schritt tust?

 

Ja, definitiv. Der Ritus ist ja eine Mischung zwischen Priesterweihe und Ehesakrament. Man geht mit einem weißen Brautkleid, man bekommt einen Ring und einen Schleier, das ist normal bei der Jungfrauenweihe, das war nicht meine Idee.

 

Aber für mich war es ein Fest, bei dem ich gerne mein Lebenszeugnis auf die Bildfläche gebracht habe. Nicht, um mich selbst zu ehren, sondern um zu sagen: „Das ist das, was Gott getan hat, und ich möchte die Botschaft teilen, dass Christus lebendig ist und wir Zeugen sind, dass er auferstanden ist. Ich heirate keinen Toten, sondern ich vertraue mich jemandem an, der lebendig ist und der relevant ist in unserer Zeit.“

 

In der freikirchlichen Szene ist in den letzten Jahren immer stärker die Single-Thematik aufgekommen. Identifizierst du dich mit diesem Wort?

 

Ich identifiziere mich nicht als Single, weil es suggeriert, dass ich offen bin für eine Beziehung, und das bin ich nicht. Ich bin zwar nicht verheiratet, aber ich bin in einem geweihten Stand. Ich sehe, dass das Singleleben diese wunderschöne Möglichkeit bietet, verfügbar für den Herrn und das Reich Gottes zu sein und auf ganz andere Weise in einer lokalen Gemeinde dienen können als Ehepaare. Ich würde jedem sagen, der Single ist: Nutz die Zeit!

 

Ich wünsche mir, dass wir uns in Gemeinden gegenseitig wertschätzen und uns ermutigen, tiefer in die Hingabe zu Gott hineinzuwachsen. Dass Ehepaare nach der Familienphase wieder verfügbarer sind und ein schönes Miteinander mit Singles pflegen. Wir tragen uns gegenseitig– manchmal können Singles Familien oder Ehepaare unterstützen und manchmal ist es umgekehrt.

 

Wertschätzung des jeweils anderen Lebensstandes und das Wahrnehmen der Vorteile kann sehr fruchtbringend sein und ich wage zu behaupten, dass das sogar notwendig für eine gesunde Gemeinschaft ist. Da gibt es sicher noch ungenutztes Potenzial.

 

Vielen Dank für das Gespräch!

 

 

Die Fragen stellte Julia Bothe.

 


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