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Die "Volxbibel" – ein fettes Comeback für Jesus


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31. Oktober 2007, 04:00 Uhr


Von Jens Schröter





Die "Volxbibel" – ein fettes Comeback für Jesus





Der Messias labert mit seinen Jüngerinnen und Jüngern: Über zwei neue Bibelübersetzungen wird derzeit heiß diskutiert. Die eine ist in Jugendsprache geschrieben. Die andere ersetzt, politisch korrekt, männliche Grammatikformen gegen weibliche: Deshalb darf Gott auch nicht mehr Vater sein.


Ort und Datum waren gut gewählt: Für den 26. September wurde die Übergabe des 100.000. Exemplars der sogenannten "Volxbibel" an der Wittenberger Schlosskirche angekündigt - wo Martin Luther vor 490 Jahren seine 95 Thesen angeschlagen und die Reformation ausgelöst hatte.
Hinter dem eigenwilligen Namen verbirgt sich das Neue Testament in der - angeblichen - Sprache heutiger Jugendlicher.

Proteste gegen den vulgären Jargon

Das liest sich dann etwa so: "Jesus wurde in dem Kuhdorf Bethlehem im Bezirk Judäa in Israel geboren. Herodes hatte damals dort das Sagen. Irgendwann kamen so Forscher aus Vorderasien, die sich tierisch gut mit den Sternen auskannten, in die Hauptstadt Jerusalem und quetschten überall die Leute aus ..."
Jugendliche sprechen dieser Bibel zufolge also in einer Art vulgärem Gassenjargon. Worte wie "Auferstehung" oder "sich fürchten" sind zu steif und nicht drastisch genug. Deshalb werden sie ersetzt durch "Jesus' fettes Comeback" und "sich vor Angst in die Hose machen".

Kein Wunder, dass ein solcher Umgang mit Texten, die vielen Menschen wichtig oder sogar heilig sind, scharfe Proteste hervorgerufen hat.

Luther dachte beim Übersetzen an das Volk

Man kann bezweifeln, dass sich die Mehrheit der deutschen Jugend tatsächlich so ausdrückt. Fragen kann man auch, ob dies, wenn es so wäre, auf eine solche Weise befördert werden sollte.

Wichtiger ist indes eine andere Frage, die diese Bibelausgabe aufwirft. Ist es legitim und sinnvoll, fragwürdige Erscheinungen des Zeitgeistes in Texte zu gießen, die ganz anderen historischen und kulturellen Zusammenhängen entstammen? Und nicht zuletzt: Wo liegen die Grenzen des guten Geschmacks - und diejenigen des Respekts vor dem Original, das angeblich "übersetzt" wird?

Die Bibel ins Deutsche zu bringen, war eines der großen Vorhaben der Reformation. Daraus sind zwei bedeutende Übersetzungen hervorgegangen: Martin Luthers "Biblia Deudsch" und die "Zürcher Bibel". Ziel war es, die bis dahin übliche Vorherrschaft des Lateinischen in der Kirche zu durchbrechen und die Bibel dem "gemeinen Volk" zugänglich zu machen.

Politisch korrekte Bibel für Gutmenschen

Die große Verbreitung der Übersetzungen wurde durch die nicht lange zuvor erfolgte Erfindung des Buchdrucks ermöglicht. Beide Bibelausgaben sind seither immer wieder revidiert und dem aktuellen Sprachgebrauch angepasst worden. Von der Zürcher Bibel gibt es seit kurzem eine Neuübersetzung, die am 24. Juni im Zürcher Großmünster der Öffentlichkeit präsentiert wurde.

Deutsche Bibelübersetzungen sind daher ein Erbe der Reformation. Gern werden deshalb geschichtsträchtige Daten der Reformationszeit für die Vorstellung neuer Bibelausgaben gewählt.

Die "Bibel in gerechter Sprache", ein vom Geist der 68er-Theologengeneration und von feministischen Anliegen inspiriertes Projekt, führt seine "Geburtsstunde" symbolträchtig auf den 31. Oktober 2001 zurück. Am liebsten wäre man mit der Ausgabe am Reformationstag 2006 an die Öffentlichkeit getreten. Daraus wurde jedoch nichts.

Gott darf nicht mehr männlich sein

Diese Bibel gibt die Texte so wieder, wie sie die Übersetzerinnen und Übersetzer für politisch korrekt halten. Grammatisch männliche Formen werden stets durch weibliche ergänzt, auch dann, wenn nur von Männern die Rede ist. Die zwölf Jünger Jesu, allesamt Männer, heißen darum "Jüngerinnen und Jünger", männlich geblieben ist indes der Teufel.
Kurios ist auch, dass nicht mehr die "Brüder", sondern die "Geschwister" belehrt werden, sich beschneiden zu lassen - obwohl im Judentum natürlich nur Männer beschnitten werden. Auch der Unterschied zwischen christlichem und jüdischem Bekenntnis wird eingeebnet, und Gott darf nicht mehr "Vater" heißen, nicht einmal im "Vaterunser".
Auch hier stellt sich - wenn auch aus anderen Gründen - die Frage nach Maßstab und Ziel einer Bibelübersetzung.

Viele Sätze Luthers wurden zu Redewendungen

Luther hat über sein Vorgehen ausdrücklich Rechenschaft abgelegt. In seinem "Sendbrief vom Dolmetschen" formuliert er den berühmten Satz, man müsse der Mutter im Hause, den Kindern in der Gassen und dem gemeinen Mann auf dem Markte aufs Maul schauen, um zu lernen, wie man Deutsch reden soll.

Luther hat das so gut gekonnt, dass seine Bibelübersetzung eine Vielzahl von Wendungen geprägt hat, die als "geflügelte Worte" in den deutschen Sprachschatz eingegangen sind. "Wes des Herz voll ist, des geht der Mund über"; "Hochmut kommt vor dem Fall" oder "jemandem sein Herz ausschütten" sind Formulierungen, die aus Luthers Bibelübersetzung stammen.
Die Kunst des Übersetzens besteht nach Umberto Eco darin, "quasi dasselbe mit anderen Worten" zu sagen. Sprache und Situation ändern sich, aber es soll derselbe Effekt erzielt werden. Dabei müssen auch inhaltliche Entscheidungen getroffen werden.

Es gilt, das Erbe der Reformation zu bewahren

Luther hatte den Gegensatz zwischen der Gerechtigkeit aus Glauben und aus Werken des Gesetzes aus dem Römerbrief des Paulus durch sein berühmt gewordenes "allein" ergänzt: "allein durch den Glauben". Das hat man ihm schon zu seiner Zeit vorgehalten, und auch heutige Bibelausgaben wollen es mitunter besser wissen.
Dabei hat Luther gerade hier den Sinn des Textes sehr genau getroffen. Seine Übersetzung zeichnet sich darum durch ausgeprägtes Sprachgefühl und präzises Textverstehen aus.

Das Erbe der Reformation zu bewahren, bedeutet, die biblischen Texte in unsere Zeit hinein sprechen zu lassen. An diesem Maßstab muss sich jede Bibelausgabe messen lassen, unabhängig davon, ob sie sich in die Tradition der Lutherbibel stellt. Die neue "Zürcher Bibel" ist ein glänzendes Beispiel für eine gelungene Neuübersetzung. Andere Ausgaben bleiben hinter diesem Anspruch dagegen oftmals zurück.

Der Autor ist Professor für Exegese und Theologie des Neuen Testaments an der Theologischen Fakultät der Universität Leipzig.

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