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Wo sind unsere Toten?


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#1
Rolf

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Professor Dr. Rainer Hauke, Pfarrer


Wo sind unsere Toten? Ein vernachlässigter Aspekt der individuellen Eschatologie (Habilitationsvortrag)

Die hier vorgestellten Gedanken habe ich in eine Andacht am Ewigkeitssonntag 2001 aufgenommen.

Spectabilis, meine Damen und Herren, liebe Kommilitoninnen und Kommilitonen,
er liebte Buttermilch, der Mann in den Fünfzigern, der seit drei Wochen auf Station 10 ÑInnere Männerì lag, ohne daß die Ärzte eine Krankheit hätten diagnostizieren können. Jeden Abend ging eine wahre Schlacht los um die wenigen zur Verfügung stehenden Becher seines Lieblingsgetränkes. Häufig entschied er sie für sich: unter Hinweis auf seinen immer schwächer werdenden Zustand. Ehrlich gesagt: Wir hielten ihn für einen Simulanten. Eines Morgens starb er vor unseren Augen, in einem heftigen Aufbäumen und schnellen Zusammenbruch aller Lebensfunktionen, jede Hilfe kam zu spät. Ein paar Tage schlichen wir bedrückt und schuldbewußt umher. Und bei der Obduktion waren wir Krankenpfleger und -schwestern dabei. Wir wollten es nun wissen. Ergebnis: Gleich drei Befunde mit notwendig letalem Ausgang. Mein stärkster Eindruck aber hatte mit der medizinischen Frage der Todesursache überhaupt nichts zu tun. Ich dachte: Den da die Säge durchschneidet, das ist doch weder der freundliche alte Herr, der vor drei Wochen eingeliefert worden war, noch der renitente Patient, als den wir ihn seitdem kennengelernt hatten. Theologisch großgeworden mit der Ganztodhypothese, durchzuckte mich der Gedanke: Das da ist er doch nicht mehr. Wo ist er jetzt?

I. Natürlich ist schon die Frage in den Augen vieler ein Gedanke theologischer Unkorrektheit, und ich mache kein Argument daraus. Schon deshalb nicht, weil es meinem Kollegen im Praktikum diametral entgegengesetzt erging. Sein Eindruck: Hier und jetzt ? nur Tod. Herr P. ist Vergangenheit, er hat sonst keinen Ort. Mußte ich nun den Worten Heinrich Heines zustimmen: ÑMit dem letzten Atemzug ist alles vorbei, Freude, Liebe, Trauer, Makkaroni, Theater, Lindenbäume, Himbeerbonbons, die Macht menschlicher Beziehungen, Klatsch, Hundegebell, Champagnerì? Oder durfte ich fragen: Wo ist Herr P.? Vielleicht im Himmel? Werde ich ihn gar wiedersehen? ÑHier muß ein klares Nein gesagt und auch verständlich gemacht werden. Zweierlei ist dabei zu verdeutlichen. Einmal wird hier davon ausgegangen, daß ÇHimmelë etwas ist, in dem die engen Familienverbindungen fortbestehen. ... Zum anderen setzt ein Wiedersehen mit dem Verstorbenen voraus, daß beide sich nicht verändern, weder der Trauernde noch der Verstorbene. Das ist jedoch eine Illusion.ì (Yorick Spiegel) So war das in den 70ern als Folge der Ganztodtheorie: Kein Wiedersehen, so die Antwort, mehr noch: ein Nein schon zu den Fragen einer individuellen Eschatologie. Die Toten sind tot. Das wissen wir doch. Der (deutsche) Tote (der Gegenwart) liegt (in Sarg oder Urne) auf dem Friedhof. Da sind unsere Toten. Eigentümlich allerdings, daß sich das Wissen zuweilen zum Glauben aufwirft: Es war dieses Wissen, das einem Friedhofsarbeiter so bedeutsam erschien, daß er es mir gleichsam als sein Glaubensbekenntnis vortrug: ÑSo werden wir alle enden. Es ist noch keiner zurückgekommen.ì

Haben wir dieses Wissen zu glauben? In meinem Vortrag möchte ich das mit solchen Äußerungen errichtete Frageverbot in Frage stellen. Ich frage nun theologisch: Wo sind unsere Toten? Die Frage stellt sich ja sowohl dem, der wie die jüdischen Apokalyptiker auf die endzeitliche Auferstehung der Toten hofft als auch dem, der aus dem Glauben an das in Christi Tod und Auferstehung schon geschenkte Heil lebt. Sie stellt sich aus dem pro me des Heils und aus unserer Geschöpflichkeit als Wesen der Gemeinschaft. Existenziell verstummt ist die Frage ja nie ? auch nicht für die, die die Antwort immer schon wissen. An jedem Grab stellt sie sich erneut. Und viele haben ihre persönliche Antwort darauf. Auch für uns geht es nicht nur um eine Frage theologischer Fachkenntnisse: Sie ruft tiefste Überzeugungen auf. Jede Theorie steht sofort auf dem Prüfstand des Lebens. Aber das ist nicht nur eine Schwierigkeit, das ist auch eine Chance.

Wer diese Fragestellung in der reichlich vorhandenen theologischen Fachliteratur zum Thema Eschatologie sucht, muß sich weithin mit historischen Informationen, ansonsten mit wenigen Andeutungen bescheiden. Die Frage wird der Frömmigkeits- und Erbauungsliteratur überlassen. Wenn Christen sich heutzutage mit ihr auseinandersetzen, verwenden sie häufig Motive der esoterischen Szene. Dort nämlich feiern Jenseitsglaube und Diskussionen um das Schicksal der unsterblichen Seele fröhlich Urständ: Um post mortem Ñin den Himmelì zu kommen, gibt es für die Seele im Jenseits noch viel zu tun, zu leisten, zu erkennen. Im Sterben läuft mein ganzes Leben mir wie ein Film vor Augen ab, vom Tod zum Leben ein Werden wie von der Raupe zum Schmetterling. Die Überzeugung von einem Weiterleben der Seele nach dem Tode hat mit 52,6% (Tendenz zunehmend) mittlerweile selbst unter den sich christentums-skeptisch, ja atheistisch verkleidenden Deutschen mehr Anhänger als fast jede Partei und Kirche, artikuliert sich jedoch zumeist im Gedanken einer Reinkarnation, ein Gedanke, der seinen Kritikern politisch verdächtig erscheint als tendenziell weltverneinender, ja weltzerstörender Umgang mit der Welt, als Ermutigung zu einem Leben, als sei da noch eine Ñzweite Erde im Kofferraumì. Aber auch, wenn nichts mehr aus mir wird, dann wächst doch aus meinem Grab ein Baum, den ich nähre. Herr von Ribbeck aus Ribbeck im Havelland... Lädt der christliche Glaube ein zur Entscheidung zwischen diesen Alternativen ? oder kann er einen eigenständigen Beitrag auf die Frage nach dem Ort unserer Toten leisten?

ÑGott aber ist nicht ein Gott der Toten, sondern der Lebenden; denn ihm leben sie alle.ì (Lk 20, 38) Was bedeutet dieser Grund-Satz jüdisch-christlichen Glaubens?

In der gebotenen Kürze möchte ich Ihnen in einem ersten Teil einige konkrete Antworten aus der christlichen Tradition vorstellen. Nach Auseinandersetzung mit ausgewählter theologischer Literatur in einem zweiten Teil werde ich in Form von Thesen in einem dritten Teil einen Vorschlag machen.

II. Die mittelalterliche Scholastik entwickelte aus biblischen und patristischen Motiven einen Komplex von Vorstellungen, der der Frage nach einem ÇOrtë für die Toten eine klare Antwort gab. Le Goff spricht von einer ausgearbeiteten ÇTopographieë des Jenseits. Voraussetzung für diese Topographie ist die Vorstellung eines Zwischenzustandes zwischen dem Tod des Einzelnen und der eschatologischen Wiederkehr Jesu Christi mit endzeitlicher Auferstehung der Toten und Weltgericht. Eine frühe Antwort auf die Frage ÑWo sind unsere Toten?ì gibt die Alte Kirche mit ihrer Vorstellung von postmortalen ÇSammelstellenë, Orten des Harrens (receptacula, habitacula, promptuaria), verstanden als Refrigerium interim , als Ort Çzwischenzeitlicher Erfrischungë, der nach Anfängen bei Tertullian und Cyprian unter Berufung auf 1 Kor 3, 13 (ÑUnd von welcher Art eines jeden Werk ist, wird das Feuer erweisen.ì) nach Grundlegung durch Gregor d. Gr. scholastisch zum Ort der Läuterung übermalt wurde. (Diese Vorstellung hat der Osten zur Abwehr des Origenismus in der Regel verworfen.) Daß sich Gute und Böse bis zum Endgericht zusammen an einem Ort befinden sollten, wurde zunehmend (aber schon im Rahmen der jüdischen Scheolvorstellung) als ungerecht empfunden: seit dem 12. Jh. also das Purgatorium, neben Himmel und Hölle der Ñdritte Ortì, wie Luther ihn nannte.

Ich riskiere die Gefahr, nunmehr zu anschaulich zu werden: (Die Grafiken stammen aus dem Katalog des Schweizerischen Landesmuseums zur vielbesuchten Ausstellung Himmel?Hölle?Fegefeuer. Das Jenseits im Mittelalter, Zürich 1994.) Bild 1: Kurzbeschreibung: Das Bild ist von links unten her zu lesen: Nach dem Tod des Einzelnen findet das Partikulargericht statt und weist jedem seinen Ort zu: Himmel, Hölle oder Fegfeuer. Für die ungetauft sterbenden Kinder wird die Vorstellung eines Çneutralenë Ortes eingeführt, wo sie weder leiden noch himmlische Freuden genießen, der Limbus puerorum. (Die Vorstellungen sind noch komplexer als unsere Graphik: Für die Gerechten der vorchristlichen Zeit gibt es den sogenannten Limbus patrum. In dieses ÇReich des Todesë ist Christus nach seiner Kreuzigung hinabgestiegen, hat (nach 1 Petr 3, 19 Ñgepredigt den Geistern im Gefängnisì) die dort Gefangenen befreit und ins Paradies geführt, in dem sich Henoch, Elia und der ÇGute Schächerë bereits befanden.)

Folgende theologische Themen und Akzentsetzungen haben durch Kombination und Weiterentwicklung im Westen zur Vorstellung vom Zwischenzustand als Fegfeuer geführt:
1. Die Parusieverzögerung und damit die Sorge um das Schicksal der Toten.
2. Die Übernahme des Vorstellungsmodells einer unsterblichen Seele und der Trennung von Leib und Seele im Tod.
3. Die Vorstellung, daß die Märtyrer schon bei Gott und in Gemeinschaft mit Jesus Christus sind.
4. Der Glaube an die Auferweckung der Toten, und zwar der Auferweckung aller zum Gericht. (Es werden also nicht nur die auferweckt, die an Christus glauben und zu ihm gehören.)
5. Die Übernahme der aus der jüdischen Apokalyptik stammenden Vorstellung einer Scheidung der Guten und Bösen schon in der Zwischenzeit, damit verbunden die sich langsam entwickelnde Vorstellung eines Partikulargerichts ohne Aufgabe der Vorstellung vom kommenden Weltgericht.
6. Die Hervorhebung der Zukünftigkeit des Heils gegen präsentische Vorstellungen.
7. Die durch den Kampf gegen die Gnosis erfolgte Betonung der entscheidenden Bedeutung des künftigen Gerichts und damit verbunden die Hervorhebung von moralischen Kriterien für die Rettung im Gericht.
8. Die (moral-)theologische Unterscheidung von Todsünde und Wundsünde: peccatum mortale und peccatum veniale.

Große Verbreitung fand das Modell des Fegfeuers durch seine Verbindung mit Theorie und Praxis des Ablaßwesens: Es machte Jenseitsvorsorge zur sinnvollen Lebenspraxis. Der Sünder lädt Schuld und Strafe auf sich. Die Schuld wird durch die Absolution nach reuigem Bekenntnis erlassen, die Sündenstrafen müssen entweder in diesem Leben durch gute Werke und Gebet oder nach dem Tod im Fegfeuer abgebüßt werden. Aber es ist möglich, für sich oder einen Verstorbenen einen von der Kirche angebotenen strafmindernden Ablaß zu erwerben. So können die Christen etwas für ihr Heil und das Heil der Angehörigen tun. Sie können Vor- und Nachsorge bezüglich des Jenseits leisten mit Gebet, guten Werken, frommen Stiftungen. Doch ist festzuhalten: Das Fegfeuer ist Vorhof zum Himmel. Die ÇArmen Seelenë mögen zwar leiden, doch ist ihre Leidenszeit begrenzt. Zwischen den Lebenden und diesen Toten besteht eine Gemeinschaft des Gebens und Nehmens.

Durch die Kombination von Partikular- und Weltgericht wird die Jenseitstopographie vollends komplex. Bild 2: Kurzbeschreibung: Zum Weltgericht müssen die bereits in Himmel und Hölle Befindlichen nach Wiederannahme eines Leibes durch die Seele erneut vor Gericht treten. (In dieser Graphik fehlen die zu jenem Zeitpunkt noch auf der Erde Lebenden und die Vorführung der im Fegfeuer Befindlichen.) Die Notwendigkeit, am Jüngsten Tag aus der vorläufigen Gottesschau zum Gericht zurückzukehren, könnte dazu veranlassen, gewissermaßen von endzeitlichem ÇGegenverkehrë zu sprechen.

Wo also sind die Toten? Im Himmel (Maria und die Heiligen), im Fegfeuer (die Mehrzahl der Verstorbenen, aber eben zeitlich begrenzt), in der Hölle (die Todsünder).

Das alles, diese ganze ÇTopographieë des Jenseits, ist in den Augen der Moderne natürlich mittelalterlich, scholastisch-spekulativ und römisch-katholisch ? und auf für manche unangenehme Weise anschaulich. Faktisch ist dieses detaillierte Wissen um den Ort der Toten durch den biblischen Horizont der Reformation und die Aufklärungskultur ja auch im heutigen Katholizismus zurückgedrängt worden. Aber ging mit dieser detailreichen Topographie des Jenseits nicht vielleicht auch die particula veri dieser Antwort nach dem Ort unserer Toten verloren? Worin könnte sie bestehen? Die Reformatoren jedenfalls verwarfen die Vorstellung eines Zwischenzustandes ? ich spitze zu, indem ich sage: lediglich ? aufgrund ihrer Ablehnung der römischen Lehre vom thesaurus ecclesiae, der der Kirche Macht gab bis in den Herrschaftsraum Gottes hinein. Für die Toten und zu ihrem Heil gibt es nach reformatorischer Auffassung nichts mehr zu tun, weil Jesus Christus alles getan hat. Die Werke des Menschen haben die bedrohliche Tendenz, das sola gratia, das sola fide, letztlich das solo Christo als ergänzungsbedürftig erscheinen zu lassen. Die Lehre vom Ablaß für Lebende und Verstorbene hat daraus in der Tat ein das Evangelium zerstörendes semipelagianisches Gnadensystem gemacht. Eine Vorstellung von der Relevanz menschlicher Werke für Verstorbene im Zwischenzustand verbietet sich für eine evangeliumsgemäße Theologie. Die Frage ÑWo sind unsere Toten?ì aber bleibt.

Martin Luther kehrt die mittelalterliche Sentenz ÑMitten im Leben sind wir vom Tod umfangenì um: ÑDreh's um, so glaubt ein Christ: Mitten im Tod sind wir vom Leben umfangen.ì Damit nimmt Luther eine neue Verhältnisbestimmung von Tod und Leben vor. Die Interpretation seiner Aussagen ist in der Forschung umstritten: Er kritisiert einerseits die Dogmatisierung der Lehre von der Unsterblichkeit der Seele als forma corporis durch das V. Laterankonzil ? spricht aber weiterhin (nicht nur gelegentlich) von deren Unsterblichkeit. Nach Luther ist Ñdie Seele ... ganz von Gottes Wort herì. Es gibt also einen theologischen Begriff von Seele: die Gottesbeziehung des Menschen (besser: die Menschenbeziehung Gottes!) ? damit eo ipso schon Hoffnung über den weltlich verstandenen Tod hinaus! Jedoch überwiegt seine Vorstellung vom Schlaf der Verstorbenen: ÑWir sollen schlaffen, donec veniat und klopfft an das greblin Et dicat: D®. Martine, surge. Ibi in momento surgam und werde ewig mit jhm frolich seinì. Für die Glaubenden hat der Tod noch Gestalt, aber nicht mehr Gewalt.

II. Frömmigkeitsgeschichtlich war das ein nachhaltiger Gedanke, obgleich schon die altprotestantische Orthodoxie die Lehre von der sogenannten Psychohypnie (dem Seelenschlaf) als eine Lehre vom Zwischenzustand beurteilte und ablehnte: Volle Seligkeit oder volle Verwerfung stehen am Ende des Leben eines jeden Christenmenschen, wenngleich sich dessen Seligkeit erst am Jüngsten Tag vollendet. Tod ist die Trennung der Seele vom Leib. Das blieb bis Anfang des 19. Jhs. fast unangefochten. Wo sind unsere Toten? Ihre Seelen sind im Himmel oder in der Hölle, ihre Leiber im Grab. Der theologische Traktat De novissimis hatte nichts Neues zu vermelden. Die Akten waren geschlossen. Dann wurde ? so die gängige dogmengeschichtliche Rede ? alles anders. Exegeten entdeckten die eschatologische Struktur der Botschaft Jesu: Das Evangelium ist Theologie vom Reich Gottes. War Theologie also völlig neu ? d.h. von der Eschatologie her ? zu konzipieren? Hans Urs von Balthasar jedenfalls, der selbst mit seinem Lebenswerk dazu in unserem Jahrhundert einen noch unausgeschöpften Beitrag geleistet hat, hatte auch die evangelische Theologie seit Johannes Weiß und Albert Schweitzer im Blick, als er in Umkehrung einer Äußerung von Ernst Troeltsch schon 1957 diagnostizierte: ÑDas eschatologische Bureau macht Überstunden.ì Dabei standen ihm vor allem die Werke von Paul Althaus, Karl Barth, Emil Brunner und Oscar Cullmann vor Augen.

Betrachten wir die Antwort Karl Barths: Was ist, wenn die zeitliche Frist des Menschen abgelaufen ist? ÑGott wird dann das Jenseits seines Diesseits sein. ... Es wird dann von Gott her darum und nur darum gehen, daß dieses sein Sterbliches Unsterblichkeit anziehe.ì Barth wehrt die philosophische Unsterblichkeitslehre ab: Die Seele, d.h. des Menschen Ñbesonderes Leben als dieser und dieser Mensch, das von seinem Leib wohl zu unterscheiden, aber nicht zu trennenì ist, ist biblisch verstanden der sterbliche Mensch. Sprachlich elegant und in der Sache klar heißt es bei Barth: ÑNicht eine leiblos werdende Seele trennt sich da von einem seelenlos werdenden Leibe, sondern der eine ganze Mensch, der die Seele seines Leibes, aber auch der Leib seiner Seele ist (im Tod nur noch war!), steht jetzt an der Grenze, über die hinaus ihm keine Zeit und die zu überschreiten ihm kein Vermögen gegeben ist, kein leibliches, aber auch kein seelisches.ì Insofern Barth hier die dem Leib-Seele-Modell immanente Problematik einer vom Menschen als Menschen quasi natürlich gehabten Unsterblichkeit durch Betonung der Souveränität Gottes ausschaltet, wird man ihm folgen. Jedoch bringt er für den Menschen und für den Christen ausschließlich den peccator-Aspekt des Menschen zur Geltung (wenn auch nur im Modus der Frage): ÑWird Gott als unser einziges Jenseits, unsere einzige Zukunft da nicht selbstverständlich gegen uns sein?ì Meine Gegenfrage: Wenn der Christ als simul peccator et iustus trotz der bleibenden Sünde zu einem Leben mit Gott angenommen ist, ist dann die Ganztodthese nicht zu differenzieren? Beschreibt sie den Tod derer, die in Christus sterben, nicht nur aspekthaft? Die alleinige Hoffnung auf Gott ist christologisch doch als certitudo zu interpretieren! Bedarf Gottes Macht der verbalen Gegenwendung gegen menschliche Eigenmächtigkeit? Ich denke an Eberhardt Jüngels Mahnung ÑSolange Theologie und Kirche den Glaubenden nur den drohenden Tod und das Leben davor vor Augen zu malen verstehen, sind auch die frömmsten Augen versucht, nach den Bildern des Aberglaubens zu schielenì und seine These vom ÑJüngsten Gericht als Zugang zum Reiche Gottesì . Verdeutlichen läßt sich meine Anfrage anhand seiner vielfach rezipierten Bestimmung des Todes als Verhältnislosigkeit. Ist (mit Jüngel) der Tod des Menschen als das ÑEreignis der die Lebensverhältnisse total abbrechenden Verhältnislosigkeitì zu beschreiben, kann der weltlich verstandene Tod des Christen doch nicht als totale Verhältnislosigkeit gelten. Gott hat in Christus zum Christen ein Verhältnis! Dieses Menschenverhältnis wird Gott der weltlich verstandene Tod nicht nehmen können. Sonst wäre Gott in meinem Tod mich los und ich wäre Gott los! Jüngel spricht von ÑTeilhabe an Gottes eigenem Lebenì . Eine schweigende Korrektur an Barth? Worauf es theologisch ankommt, ist das solo Deo des Lebens in Christus. Wenn das klar ist, kann die Anschaulichkeit zu ihrem Recht kommen. So wurde Karl Barth einmal von einer etwas anstrengenden Dame nach dem ewigen Leben befragt: ÑHerr Professor, sagen Sie bitte, ist es auch ganz gewiß, daß wir im Himmel all unsere Lieben wiedersehen werden?ì Barth sah die Dame scharf an und sagte dann langsam und mit Nachdruck: ÑJa ? aber die anderen auch.ì

Weniges ist evangelischer Theologie heute so gemeinsam und gewiß wie die Ablehnung des Leib-Seele-Dualismus und die Ablehnung eines Zwischenzustandes. Aus anderen Motiven hat die römisch-katholische Theologie um das Zweite Vatikanische Konzil herum begonnnen, einige dieser Gedanken nachzuvollziehen.

Nach der Dogmatisierung der leiblichen Aufnahme Marias in den Himmel (1950) bestand erhöhter Diskussionsbedarf, die damit zu glaubende Vollendung eines Geschöpfes mit der noch ausstehenden Auferstehung der Christgläubigen zusammenzudenken (Otto Karrer). Die Lösung war elegant: Jeder verstorbene Christ findet seine persönliche Vollendung im Tod: Das ÇFegfeuerë findet in der Todesstunde statt (Ladislaus Boros). In seiner Tübinger Antrittsvorlesung sprach Gerhard Lohfink 1973 unter Hinweis auf den scholastischen Begriff des aevum als Begriff, der Zeit und Ewigkeit abdecke, vom persönlichen Weltgericht in der Begegnung des einzelnen Verstorbenen mit Gott. Als These von der ÑAuferstehung im Todì ist sie stark beachtet worden. Karl Rahners Thesen zur ÑHermeneutik eschatologischer Aussagenì hatten schon zuvor die römisch-katholische Theologie vom Vorwurf des ÑBescheidwissenwollensì befreit. Seine Hypothese von der Ewigkeit der Hölle Çohne Insassenë fand bis in die Öffentlichkeit der 60er Jahre viel Beifall. Wo sind unsere Toten? ÑWir kommen alle, alle in den Himmel, weil wir so brav sind.ì Ist das seitdem die Botschaft? Die Folge jedenfalls: Das Konzept der Hölle bekommt zunächst einen neuen Ort, um ihn dann gänzlich zu verlieren. Die Sentenz:Ñdie Hölle, das sind die anderenì, wird ihres existentialistischen Ernstes beraubt und zum Nachbarschaftskonflikt heruntergespielt: ÑMein Nachbar ? mein Feind.ì Das Fremde und Sperrige dieses Ortes wird einverleibt und sich bekannt gemacht. Es stirbt aus. ÑDas imperiale Gesetz dieser Welt ist Verständnis.ì Hollywoods Botschaft ÑAlles wird gutì verlängert die Apokatavstasi~ pantw±n ins Diesseits.

Wenn die Jahreszeit und das Wetter mal wieder Ñzum Sterbenì sind, klingt das im Radio allerdings schon wieder ein wenig anders: ÑWir sehen uns sowieso alle im Paradies wieder.ì Gegenfrage des Interviewers: ÑAlle?ì Die Band stimmt zur Antwort ihr neues Lied an: ÑSie kommen alle ins Paradies.ì Der Song zählt die diversen Sünder auf, aber endet wie zur neuprotestantischen Bekräftigung: ÑWir kommen alle ins Paradies. Alle-luja.ì Wirklich neu ist der (alte) Protest des Moderators: ÑBestimmt nicht alle!ì

Im Windschatten der akademisch herrschenden Ganztodthese sind auch in evangelischer Theologie Veränderungen auszumachen. Der Titel des polemischen Buches von Fritz Heidler bringt die gegenüber der Ganztodthese neue (alte) Sicht zum Ausdruck: Die biblische Lehre von der Unsterblichkeit der Seele. Er erneuert die Lehre vom Zwischenzustand aus biblischen Gründen. Seine Hauptthese lautet: ÑDie Unsterblichkeit der Seele des Menschen ist der von Gott gesetzte, geschöpflich-konstitutionelle Ermöglichungsgrund für die leibliche Auferstehung der Toten.ì ÑLeben nach dem Tod heißt, daß der Mensch in der Identität seiner Person als Geist und Seele (Geistseele) existiert und im Zwischenzustand nicht einer Ich-Teilung unterliegt.ì [ÑDie Seinsweise Jesu Christi beim Predigen zu den ÇGeistern im Gefängnisë, also zwischen Kreuzestod und Auferstehung, dürfte in Parallele zu sehen sein mit derjenigen der Gestorbenen zwischen ihrem Todestag (ihrem Jüngsten Tag) und der Auferstehung der Toten am großen Jüngsten Tag nach Christi Wiederkunft.ì ] Heidler behauptet eine Ñjenseitige Vorfindlichkeit der Verstorbenen in Richtung Himmel oder in Richtung Hölleì. [Es ist die ÑExistenzweise der glaubenden Christen nach dem Tod eine gestalthafte, erkennbare, aber noch nicht mit dem Auferstehungsleib versehene und ist insofern eine Vorstufe (Zwischenstufe) zur endgültig verheißenen eschatologischen Seinsweise im geistlichen Leib (1 Kor 15, 44ff.).ì Heidler vertritt also keine absolute Lösung von der Kategorie der Zeit und die Vorstellung einer postmortalen Wachheit. Im Anschluß an Bischof Gottfried Noth spricht er von einer Vorvollendung.] Er meint, daraus sogar schlußfolgern zu können: ÑDie Frage nach einer inneren Entwicklungsmöglichkeit der Entschlafenen, aber jenseitig so oder so Wachen und Lebendigen dürfte damit nicht grundsätzlich verneint werden können.ì

Diesem Ansatz folgte im letzten Jahr in kritischer Auseinandersetzung die Dissertation des Slenczka-Schülers Christian Herrmann mit einem programmatischen Vermittlungsversuch: Unsterblichkeit der Seele durch Auferstehung. An Heidler kritisiert er dessen ontisch-dualistische Sicht der Seele. ÑÇSeeleë meint nicht eine unvergängliche Substanz, sondern den Menschen in seiner sich je neu ereignenden Gemeinschaft mit Gott. Der Mensch ist als ÇSeeleë unsterblich, weil der an ihm handelnde und ihn zu sich in Relation haltende Gott unsterblich ist (1. Tim 6.16).ì [ÑDas Kontinuum liegt ganz im Extra nos, im Tote auferweckenden Gott (Röm 4,17); es ist ein soteriologisches Kontinuum.ì ] Herrmann schlägt eine dialektische Betrachtung des Todes vor: als Ganztod und als Nichtsterben des Menschen als Seele Ñaufgrund des fortgesetzten Handelns des geschichtlich-unverfügbar zu sehenden Geistes Gottes am Menschen als Seele.ì ÑDer Mensch ? nicht erst der Christ! ? ist Seele als kommunikatives Gegenüber Gottes und insofern unsterblich.ì [ÑDer Mensch kann, sofern er Christ ist, eine zweifach begründete postmortale Existenz erwarten. Als Mensch befindet er sich in der seit dem Fall vom Gesetz Gottes ausgehenden geschöpflichen Urrelation zu Gott und ist so als Person unzerstörbar. Hinzu kann partiell und kontingent zugeeignet das Sein in Christus, die in heilsgeschichtlich-eschatologischer Zeit geschaffene Gottesbeziehung treten.ì Das Ergebnis Herrmanns: ÑDer Mensch wird von Gott als notwendiges Derivat und Korrelat des Gottesverhältnisses durchgehalten ? durch den Tod hindurch.ì ] Es gibt also eine neue Rede von einer Lebendigkeit nach dem Tod und ihrem Gegründetsein in der Schöpfung.

III. Wo sind unsere Toten? Das waren einige Antworten aus jüngster Zeit. Damit ist ? bei aller Unterscheidung und reformatorisch gebotenener Kritik im Einzelnen ? eine große Nähe zur altkirchlich-mittelalterlichen Tradition gegeben. Jedoch erscheinen diese Antworten weniger differenziert und versuchen, gerade ohne ÇTopographieë auszukommen. Orte werden durch Relationen und durch Existenzbegriffe ersetzt. Aus den drei Orten des Mittelalters wurden zwei, bis schließlich die Konzeption des Himmels alles überstrahlt.

Warum habe ich die Frage dennoch noch einmal gestellt? Hollywood ist wieder sehr schnell und hat jüngst das Fegfeuer wieder etabliert: In dem Film ÑFlatliners. Heute ist ein guter Tag zum Sterbenì experimentieren Medizinstudenten mit Nahtoderfahrungen. Der Film bringt nicht die vertraute Botschaft vom Ñhellen Lichtì. Ganz im Stil der amerikanischen Me-Society der 70er Jahre hat zwar jeder sein persönliches Jenseits, das aber entpuppt sich als Fegfeuer, in dem jeder sich an seinen Taten und Untaten abarbeiten muß. Wir sind in den 90ern: Die psychologische Einsicht bestimmt das Weltbild und verleiht Altüberliefertem neue Plausibilität. Ich möchte dagegen die Rechtfertigungslehre noch stärker in der Eschatologie zur Geltung bringen, und zwar in der individuellen: Den gerechtfertigt wird der Einzelne. Hier spitzt sich das pro me zu. In der theologischen Sache handelt es sich dabei ja um die Zuspitzung der Frage nach unserer Erlösung: nach der schon geschehenen und nach der noch ausstehenden Erlösung. Einerseits darf eschatologisch die schon geschehene Rechtfertigung nicht zurückgenommen werden, sondern ist zu wahren (gegen esoterische und vatikanische Arbeitsmodelle). Andererseits: Ist mit Christi Tod und Auferweckung soteriologisch wirklich schon alles geschehen? Was ist mit der Hoffnung auf das Reich Gottes? Und gibt es über den Getauften nicht noch mehr zu sagen, als daß er Çin Christusë ist? Kann das nicht noch entfaltet werden? (In seiner ÑChristlichen Eschatologieì mit dem Obertitel ÑDas Kommen Gottesì machte jüngst Jürgen Moltmann dazu einen Versuch unter stärkerer Berücksichtigung der individuellen Eschatologie.) Kommt dazu nicht der Begriff des Raumes, nicht naiv-gegenständlich, sondern als Denk-Raum wieder in Frage? Moralische und soziale U-topien (Raumlosigkeiten) haben ja an Plausibilität verloren, das mutmaßliche Ende eines unendlichen Universums führt zu zyklischen Weltmodellen, lebenspraktisch überwiegend aber zu einem ÑLeben als letzte Gelegenheitì: ÑNeben den Tod tritt ein beinah noch ärgerer Widersacher des Lebens: die Angst, etwas zu versäumen.ì Sloganhaft formuliert: Wenn schon aus dem Ganzen nichts mehr wird: Was wird aus mir? Und dann: Ist da noch was? Aidsinfizierte Kinder bekommen wieder zu hören, daß im Himmel ein Garten auf sie wartet. ÑMein Oma ist jetzt ein Stern.ì Das ist die jüngste Berliner Linie ? und wieder wird Wissen zum Glaubensbekenntnis überhöht: Rein physikalisch sind ja die höheren Elemente Resultat eines Kernfusionsprozesses, wir sind also ÑSternenstaubì. Nur: Gott sind wir los. Ich frage hingegen theologisch, also nach Gott, und ich frage nicht nach allen Toten, sondern nach unseren, d.h. nach den Christusgläubigen und höre dazu auf Martin Kähler, der bereits 1896 schrieb: Wir kennen Ñnur eine >letzte< Person, die das freilich auch nur sein kann, weil sie auch die >erste< ist.ì Die verschiedenen Ansätze aufnehmend beantworte ich meine Frage mit folgenden elf Thesen.

1. Die Wirklichkeit des Lebens Gottes erschließt sich allein aus Wort und Werk Jesu Christi. Es auch Kriterium zur Beurteilung aller anschaulichen Bilder vom Jenseits/Himmel/Reich Gottes. Ohne ihn sind Çalle Anschauungen leer, alle Begriffe blindë. Wenn das solo Christo das einzige Kriterium bleibt, behalten auch die weltlich anschaulichen eschatologischen Bilder relatives Recht. Mit Jesu Christi Auferweckung von den Toten hat das allgemeine Erwachen der Toten am Ende der Tage begonnen, er ist der ÑErste der Entschlafenenì (1 Kor 15, 20). ÑEntscheidend ist ..., daß das, was wir selbst im Eschaton sein werden, ganz von Jesus Christus verwandeltes und gehaltenes Sein ist.ì (Krötke)

2. Erst vom Bekenntnis zum Leben des Christen her sind theologisch Aussagen über seinen Tod zu machen (in Analogie zum Verhältnis von Evangelium und Gesetz). Was weltlich als der Çnatürlicheë Tod gilt, gilt Christen als Ñder Sünde Soldì (Röm 6, 23). Den Tod als Gericht Gottes über den Menschen sind sie im Tod Christi mitgestorben. Darin begründet ist das Freiwerden von der Herrschaft der Sünde und Leben Çin Christoë: ÑHaltet dafür, daß ihr der Sünde gestorben seid und lebt Gott in Christus Jesus.ì (Röm 6, 11)

3. Sind wir als durch Glauben Gerechtfertigte Çin Christusë, leben wir in einer Transitexistenz: im Raum seiner proklamierten Herrschaft. Es ist der Zwischenzustand im Leben des angebrochenen, aber nicht vollendeten Reiches Gottes: Die schon geschehene und die noch ausstehende Erlösung sind zu unterscheiden. Unsere Stellung in der Welt ist bereits eine andere, aber die Realveränderung der Welt steht noch aus (Röm 8, 21). Dieser so verstandene Zwischenzustand wird durch den Tod des Christen nicht verändert. Das ist die particula veri der Lehre vom Zwischenzustand. Leben und Sterben sind relativiert durch das Ñdes Herrnì-Sein des Christen: ÑLeben wir, so leben wir dem Herrn; sterben wir, so sterben wir dem Herrn.ì (Röm 14, 8) Der Tod bleibt der Ñletzte Feindì (1 Kor 15, 26), insofern er den Überlebenden den Schmerz des Abschieds zufügt.

4. Der Tod beendet für den Einzelnen sein Leben in Glaube und Anfechtung, er lebt nun Ñin der Hoffnung auf die Krone der Herrlichkeitì (Calvin). ÇWenn alles getan istë, leben unsere Toten in der Erwartung der Verwirklichung des Reiches Gottes, Çin Christusë in Erwartung der Auferstehung. Dem ihm sein Vertrauen auf das kommende Reich bekundenden Schächer am Kreuz verheißt Jesus die Gemeinschaft im ÇHeuteë des ÇParadiesesë (Lk 23, 43), m.a.W.: Der Tod bringt ihn in paradiesische Nähe zum Herrn. Das Reich Gottes aber ist bis zum Tag des Gerichts noch Çim Kommenë. Es gibt es nur ein Gericht. Dieses Gericht Christi Ñnach den Werkenì steht für unsere Toten wie für alle anderen Menschen aus der Perspektive der Lebenden noch aus.

5. Die schöpfungsgegründete Differenz von Schöpfer und Geschöpf wird weder durch die Erlösung noch durch den Tod noch durch die Auferstehung vom Tode noch durch die endzeitliche Vollendung aufgehoben, sondern eschatologisch wiederhergestellt. Das ist die particula veri der Vorstellung von der endzeitlichen Wiederkehr des Urstandes. Glauben wir an ein Sein Çin Gottë, geben wir also einen bleibenden Ort für uns und unsere Toten an, lehren wir damit keine Identität von Mensch und Gott. (Vgl. Lk 20, 36: ÑSie sind den Engeln gleichì.) Die im Sog der Sünde sich verlierende Individualität des Menschen wird wiederhergestellt.

6. Im Gericht nach den Werken vollzieht sich für alle Christusbegegnung Ñvon Angesicht zu Angesichtì, die die irdisch verhüllte offenlegt und den Menschen von seinen Werken scheidet. Die Lehre vom Jüngsten Gericht denkt nach Mt 25 die Möglichkeit des Heils auch für die, die Jesus Christus im irdischen Leben begegneten, ohne ihn zu erkennen. Hier gibt es einen Ort für ein weiteres Rettungshandeln Gottes, der die Hypothese eines Fegfeuers theologisch überflüssig macht, ohne die abzulehnende Annahme einer menschlichen Entwicklung im Jenseits auskommt und ein Anliegen der Hypothese einer Allversöhnung aufnimmt.

7. Das vollendete Reich Gottes ist zu verstehen als gesteigert-verwandelte Realität: als Raum seiner Herrschaft, der den Herrschaftsraum des Todes besetzt. Das (platonische) Denkmodell von Ausgang und Rückkehr wird mit den (biblischen) Bildern der neuen Schöpfung überboten: Wenn Gott Ñalles in allemì ist, ist das Böse zunichte geworden. Paulus spricht von einer eschatologischen Ordnung des Lebendigwerdens: Erst Christus, dann die Christen, dann das Ende mit der endgültigen Vernichtung des Todes Ñals letzter Feindì (1 Kor 15, 26) und der Übergabe der Herrschaft an den Vater damit ÑGott sei alles in allem.ì (1 Kor 15, 28) Es gibt ? so gesehen ? Phasen der eschatologischen Hoffnung der Christen. Ausgehend vom der im Begriff des Reiches Gottes implizierten Metaphorik des Herrschafts-Raumes, sind Raum-Begriffe möglicherweise fruchtbarer als Zeit-Begriffe: Das vollendete Reich Gottes läßt dem Bösen keinen Raum. (Dieser Gedanke erübrigt die aus dem Gedanken der Gerechtigkeit Gottes begründete Vorstellung einer Phase des postmortalen Ausgleichs für die Opfer: Ñdaß der Mörder nicht über das unschuldige Opfer triumphieren möge.ì )

8. Aus der Erkenntnis Gottes folgt die eschatologische Erkenntnis der anderen. ÑDie Hoffnung auf das Sein mit Christus ist die Hoffnung auf das Ereignis durch nichts gehinderter Kommunikation mit allen.ì (Krötke) Die Wahrheit der Hoffnung auf ein Wiedersehen unserer Toten liegt neben dem Gemeinschaftscharakter der Botschaft Christi und der biblischen Bilder vom Leben Çin Christusë vor allem in ihm selbst: Er selbst sich hat sehen lassen. So liegt in den Erscheinungen Christi die Wiederherstellung der Gemeinschaftsbeziehungen zwischen dem Auferstandenen und dem Jüngerkreis ? und dessen Sendung (Joh 20, 21). Weil wir im Zwischenzustand der schon wirksamen gesteigerten Realität des Reiches Gottes leben, ist auch der Verstorbene in der Beziehung zu Gott Ñals Abwesender anwesendì. So ist er da, vermittelt durch sein Sein in Christus.

9. Es gibt keine Aktivität der weltlich Lebenden für die weltlich Verstorbenen ? außer dem Gebet im Namen Jesu: Ñdein Reich komme.ì Ihr gemeinsamer Raum ist das Lob Gottes. So beten wir für uns, unsere Toten ? und mit ihnen: Wir unterstellen uns Gott dem Herrn: ÑDie gemeinsame Anbetung Gottes in dieser und in jener Welt verbindet uns.ì Für die Verstorbenen ist weder eine Möglichkeit zur satisfactio noch zur satispassio anzunehmen (gg. Hattrup). Dieser Gedanke ist von der geschehenen Rechtfertigung des Sünders her abzulehnen.

10. Die Leiblichkeit des auferstandenen Christus ist die Voraussetzung unserer erlösten Leiblichkeit. Auferweckt wird in Leiblichkeit. Erlöste Leiblichkeit übertrifft irdische Körperlichkeit. Dieses Leben und jenes Leben unterscheiden sich und sind aufeinander bezogen wie Çverweslichë und Çunverweslichë, ÇNiedrigkeitë und ÇHerrlichkeitë, ÇArmseligkeitë und ÇKraftë, Çnatürlichë und Çgeistlichë, Çvon der Erdeë und Çvom Himmelë. Der Wechsel vom einen zum anderen Zustand ist ÇVerwandlungë, ÇAnziehenë der Unsterblichkeit durch das Sterbliche. Nach Ratzinger sind unsere Toten Ñim Christusleibì. [Eine andere Verstehenshilfe sucht der Philosoph Hengstenberg, indem er Körper, Leib und Seele unterscheidet: Der Leib ist der Spiegel der Seele. Der Körper ist der Rahmen dieses Spiegelbildes. Dieser Körper bleibt im Grab.]

11. Unsere Toten haben einen Ort: Sie sind in Christus auf dem Weg des kommenden Reiches Gottes. In Christus finden unsere Verstorbenen ihr Refrigerium interim. ÑSind die Seligen bei dem Herrn, und ist Er bei uns ? wie können wir da weit voneinander sein? Je näher wir bei Jesus sind, umso näher sind wir auch den Seligen.ì (Paul Le Seur) Die Vorstellung einer zusätzlich in der Geschöpflichkeit begründeten Unsterblichkeit ist soteriologisch überflüssig. Gott loben, d.i. Leben.

Dem lasse ich noch eine kleine Anregung zur Hermeneutik folgen. Das Ausmalen der individuellen Eschatologie führt zu Bildern, denen eine gewisse Komik innewohnt. Nehmen Sie das Bild vom eschatologischen Gegenverkehr. Oder das heilsam irritierende Wort (aus Mk 16, 6), das man gelegentlich auf Grabsteinen findet: ÑEr ist nicht hier.ì Oder die scheinheilige Frage eines Skeptikers, wie er im Himmel als Engel sein Nachthemd über die Flügel ziehen solle. Wir Kinder der Aufklärung mögen darauf mit überlegenem Grinsen oder frommem Lächeln antworten. Ich denke: Unser Lächeln ist dem Verheißenen angemessen [und verweise auf Saras Lachen über die so unmögliche Verheißung eines Kindes (Gen 18). Und haben nicht auch Gleichnisse Jesu ihre humorvollen Züge?] Wer ernsthaft etwas über den Ort unserer Toten sagen will, sagt auch was zum Lachen: ÑDas Unbedingte ist immer am Rande der Lächerlichkeit, wenn es mit dem Bedingten zusammenstößt.ì (Helmut Thielicke) Deshalb gibt es so viele Anekdoten davon. Sie stellen eine durchaus angemessene Gattung dar: Anekdoten bewahren vor dem Zuviel- und vor dem Zuwenigwissenwollen. Sie lösen ein Lächeln aus und geben der Hoffnung Raum auf Ñden lieben Jüngsten Tagì (Luther): ÑAber der im Himmel wohnt, lachet ihrer.ì (Ps 2, 4) Wer zuletzt lacht, lacht am besten. Wo Gott lacht, da sind auch unsere Toten. Wir dürfen hoffen, daß Gott das Grinsen der Skeptiker und das Lächeln der Frommen zu einem erlösten Lachen verwandeln wird.
Vielen Dank.




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#2
Guest_Peter Wiem_*

Guest_Peter Wiem_*
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Wo sind unsere Toten? - Habilitationsvortrag

Dieser Vortrag liest sich interessant, aber die einzelnen Gedanken sind viel zu wenig biblisch eingebunden, um ein ernsthaftes Bibelstudium daraus ableiten zu können. Es ist ein Vortrag - nicht mehr und nicht weniger!

Wenn ich daran interessiert sein sollte, eine Lehre über Tod und Totenreich weiterverbreiten zu wollen, die wirklich biblisch verankert ist, und nicht nur die Bibel als Sprungbrett für eigene Gedankengänge nützt, dann sollte ich den lehrhaften Aspekt mehr berücksichtigen auf Kosten des erzählerischen Aspektes.

Überdies ist eine breiter angelegte Basis, was die Erkenntnis von Gottes Wort gerade über dieses Thema anbetrifft , kein Nachteil!

Der nachfolgende Brief kam als Reaktion auf eine schriftliche Ausarbeitung zustande, mit der eine bestimmte Glaubensrichtung ihre Vorstellungen von Tod und Totenreich biblisch zu begründen versuchte.
Die Vorstellungen gründeten sich im Wesentlichen auf die Aussagen Salomos im Buche des Predigers, und deuteten konsequent alle „anderen“ Gedanken (auch die unseres Herrn Jesus) in diesem Sinne um.
Auch Aussagen über die Ewigkeit und die Erlösung mussten z. T. zweckdienlich uminterpretiert werden.

Liebe Y!

Zuerst einmal herzlichen Dank für dein Vertrauen zu uns, das sich auch in den vielen Schriften nieder-schlägt, die du uns freundlicherweise zum Durchlesen zur Verfügung gestellt hast. Ich (Peter) bin thematisch ”hängengeblieben” bei der Frage nach dem Tod, die in einem ”X-Y- Magazin” ausführlich erläutert wird. Diese Broschüren sind anspruchsvoll und übersichtlich aufgemacht, so dass man schnell dahinterkommt, was die Verfasser damit sagen möchten, und wie sie ihre Ansichten begründen. Die Ver-fasser haben sich Mühe gegeben mit ihren Lehrmeinungen, die sie im Laufe dieses Magazins ausbreiten.

Trotzdem getraue ich mich hier, etwas Ergänzendes dazu zu sagen. Als Bibelleser und -lehrer habe ich mir dazu meine Gedanken machen müssen und bin nach jahrelangem Nachsinnen über das Thema Tod zu Ergebnissen gelangt, die ich Dir (und natürlich auch deinem Mann) einfach mal schreiben möchte.
Den Computer verzeihe mir bitte; er macht die Sache unpersönlich, er hilft mir allerdings, meine Argumente zu ordnen und gegebenenfalls sie auch in anderen Fällen verwenden zu können.

Bevor ich hier das eine oder andere Argument anhand des Wortes Gottes ausführe, so wie ich es zu ver-stehen meine, möchte ich meine Beschränkung als Mensch in jeglicher Hinsicht ins Feld führen.
Es gibt einen riesigen Unterschied zwischen Gott und uns, und auf diesen Unterschied möchte ich hingewiesen haben. Wo also die Argumentation gar zu verwegen und/oder zu selbstsicher klingt, da will ich zur Entschuldigung auf diesen Umstand hinweisen, den ich gerade zitiert habe.
Gleichzeitig meine ich ein wenig von den Fähigkeiten und Möglichkeiten des Heiligen Geistes und seinen Geistesgaben zu erkennen. Da diese Gaben verschieden sind hat derjenige eine Art Vorsprung, der zu einer dementsprechenden Aufgabe die dazu passende Geistesgabe anvertaut bekommen hat.

Wenn ich die ganzen Auslegungen bezüglich der Frage nach dem Tod mir so zu Gemüte führe, vor allem diejenigen in diesem Magazin, das du mir freundlicherweise überlassen hast, dann kommen mir zuerst einmal folgende Gedanken darüber in den Sinn: Hier wurde meiner Ansicht nach auf dem Weg zum Ziel die Argumente dafür in einer meiner Meinung nach zu einseitigen und damit unweisen Art verwendet.
Dann wurden meiner Ansicht nach mehrere falsche Schlüsse aus den dabei gewonnenen Ergebnissen gezogen, und zum Schluss die ganze Thematik eher unverständlicher und unübersichtlicher gemacht.

Aus welchen Gründen auch immer habe ich überdies den Eindruck, dass die Strategie der Abgrenzung einen zu breiten Raum einnimmt und alle anderen Argumente über Gebühr beeinflusst. Ein Grund dafür könnte sein, dass man sich auch innerhalb gängiger biblischer Ansichten und Meinungen abgrenzen muss, weil die vorgegebenen Argumentationsziele dies zwingend erfordern. Wer zum Beispiel den Tod generell als bewusstlosen Zustand definiert, ohne sich über eventuelle Unterschiede im alten und neuen Bund äussern zu wollen (oder zu können), die auch über Tod und Totenreich in der Schrift berichtet wer-den, der ist ab einem bestimmten Punkt gezwungen, diese Strategie der Abgrenzung gegenüber anderen Todesvorstellungen zu seiner inhaltlich und argumentatorisch wichtigsten Vorgehensweise zu erheben.

Ich persöhnlich schätze diese Vorgehensweise nicht allzu sehr. Mir ist es lieber, den Lesern oder Zuhörern die Herrlichkeit und Souveränität Gottes und seines Wortes aufschliessen zu dürfen, und die Abgrenzung dem Worte Gottes selbst zu überlassen. Das Wort ist tatsächlich schärfer wie ein zweischneidiges Schwert und hat diese Trennungsfunktionen, die wir oft selbst ausüben meinen zu müssen, aber dieses Wort muss von unserer Seite so gehandhabt werden, dass es diese Funktionen in Kraft ausüben kann.

Dazu muss ich aber wissen, was dieses Wort aussagt, vor allem, wenn ich diese Aussagen als Grundlage meiner Argumente benütze. Als ich meine Gedanken über das Thema Tod und den Ansichten darüber in dieser Ausarbeitung meiner Frau gegenüber zusammenfasste, sagte ich unter anderem, dass die Verfas-ser eine zu ungenaue Vorstellung über die Dimension der Ewigkeit, und den Begriffen Totenreich, Paradies und Seele haben, beziehungsweise über dem, was die Bibel darüber sagt. Zwangsläufig müssen alle Schlussfolgerungen, die auf diesen Begriffen aufbauend gemacht werden, ebenso ungenau ausfallen. Deshalb möchte ich, was meine ganz persönlichen Ansichten über das Thema Tod anbetrifft, mit den Definitionen dieser Begriffe beginnen, und auf diesem Fundament aufbauend einige Gedanken stichpunktartig über dieses Thema lehren, wie ich sie aus der Schrift zu sehen meine:

l) Die Ewigkeit = eine für den Menschen nicht erfassbare Dimension

Wenn Menschen versuchen, das Zeit und Raumverständnis Gottes mit menschlichen Masstäben erfassen und umsetzen zu wollen, dann kann es nur Missverständnisse geben, weil die menschlichen Masstäbe immer zu kurz greifen werden. Beispielsweise ist das Zerreisen des Vorhangs im Tempel das Zeichen, dass nunmehr der Weg zum Allerheiligsten durch das Blut Jesu freigemacht worden ist.
Da dieses Zeichen eine Reaktion auf eine juristisch einwandfrei vollbrachte Rechtstat darstellt, bedeutet dies, dass sich diese Rechtstat mit menschlichen Masstäben gemessen geradezu unglaublich schnell ereignet haben muss. Problematisch wird es aber, wenn wir Gott an dieser Stelle nicht zugestehen oder nicht zugestehen wollen, dass er diese Rechtstat in diesem kurzen Zeitabschnitt hat vollenden können.

Wenn wir uns weigern, die Dinge mit Gottes Augen sehen zu wollen, stellen wir unser Verständnis der Dinge über die Möglichkeiten und Fähigkeiten Gottes!
Mit der Ewigkeit verhält es sich genauso: Wo wir Menschen aus welchen Gründen auch immer diese für uns unendliche Dimension eingrenzen wollen, da stellen wir unser Auffassungsvermögen über Gottes Allmacht. Vor allem zwei Konsequenzen dieser Vorgehensweise möchte ich aufzeigen:
Wo ich die Ewigkeit eingrenze, da grenze ich auch Gottes Versprechen an uns Menschen ein. Wenn Gott behauptet, dass seine Güte ewig währt, und ich reduziere die Ewigkeit zu einer endlichen Grösse herab, mache ich damit Gott indirekt zum Lügner! Die Gedankenwelt der Allversöhnung setzt überdies eine zeit-lich begrenzte Ewigkeit voraus. Wo ich also mit einer begrenzten Ewigkeit gedanklich spekuliere, da bin ich in der Gefahr, in das Gedankengut der Allversöhnung hineinzugeraten. Offb 20,10
Und der Teufel, der sie verführte, wurde in den Feuer- und Schwefelsee geworfen, wo sowohl das Tier als auch der falsche Prophet sind; und sie werden Tag und Nacht gepeinigt werden von Ewigkeit zu Ewigkeit.

ll) Jesu Aussagen = inhaltlich nicht relativierbar

Es war aber ein reicher Mann, und er kleidete sich in Purpur und feine Leinwand und lebte alle Tage fröhlich und in Prunk. Ein Armer aber, mit Namen Lazarus, lag an dessen Tor, voller Geschwüre, und er begehrte, sich mit den Abfällen vom Tisch des Reichen zu sättigen; aber auch die Hunde kamen und leckten seine Geschwüre. Es geschah aber, daß der Arme starb und von den Engeln in Abrahams Schoß getragen wurde. Es starb aber auch der Reiche und wurde begraben. Und als er im Hades seine Augen aufschlug und in Qualen war, sieht er Abraham von weitem und Lazarus in seinem Schoß.
Und er rief und sprach: Vater Abraham, erbarme dich meiner und sende Lazarus, daß er die Spitze seines Fingers ins Wasser tauche und meine Zunge kühle! Denn ich leide Pein in dieser Flamme.
Abraham aber sprach: Kind, gedenke, daß du dein Gutes völlig empfangen hast in deinem Leben und Lazarus ebenso das Böse; jetzt aber wird er hier getröstet, du aber leidest Pein. Und zu diesem allen ist zwischen uns und euch eine große Kluft festgelegt, damit die, welche von hier zu euch hinübergehen wollen, es nicht können, noch die, welche von dort zu uns herüberkommen wollen. Er sprach aber: Ich bitte dich nun, Vater, daß du ihn in das Haus meines Vaters sendest, denn ich habe fünf Brüder, daß er ihnen eindringlich Zeugnis ablege, damit sie nicht auch an diesen Ort der Qual kommen!
Abraham aber spricht: Sie haben Mose und die Propheten. Mögen sie die hören! Er aber sprach: Nein, Vater Abraham, sondern wenn jemand von den Toten zu ihnen geht, so werden sie Buße tun.
Er sprach aber zu ihm: Wenn sie Mose und die Propheten nicht hören, so werden sie auch nicht überzeugt werden, wenn jemand aus den Toten aufersteht. Lk 16,19-31

Ob diese Erzählung Jesu ein Gleichnis darstellen soll oder nicht, ist erst in zweiter Linie von Belang.
In erster Linie hat Jesus niemals von Dingen geredet, die sich so, wie er sie formuliert hat, nicht hätten ereignen können. Selbst in seinen Gleichnissen hat Jesus sich stets auf reale Dinge oder Ereignisse bezogen, wenn er seinen Zuhörern damit biblische Wahrheiten hat verdeutlichen wollen.
Wenn ich trotzdem darangehe, und mir aus dieser Erzählung vom reichen Mann und vom armen Lazarus lediglich die Wahrheiten herausziehen möchte, die mir genehm sind und alles andere als unverbindlich
hinstelle, dann degradiere ich unseren Herrn zum Geschichtenerzähler.

Wo ich um des Zweckes willen die Einsichten der Bibel in meinem Sinne auszuwerten gedenke,
bin ich in Gefahr, die Wahrheit und ihren Verkünder auf meine Sicht der Dinge herabzurelativieren!

lll) Erlösung = Gottes Wiederherstellung der Gemeinschaft mit dem Menschen

Daran ist erschienen die Liebe Gottes gegen uns, dass er seinen eingeborenen Sohn gesandt hat in die Welt, d a s s w i r d u r c h i h n l e b e n s o l l e n . 1.Jo.4,9

Die Gemeinschaft zwischen Gott und dem Menschen wurde durch die Sünde des Menschen umfassend gestört. Deshalb sandte Gott Jesus auf diese Erde, um diese Gemeinschaft umfassend wiederherstellen zu können. Die Stufen zur Wiederherstellung der Gemeinschaft:
1.) Jesus musste Mensch werden. 1.Tim.2,5 ..der Mensch Christus Jesus He.2,14-17 Rö.5,15 Ga.4,4
2.) Jesus musste als Mensch gerecht sein. Jo.8,46 Lk.23,47 1,Pe.3,18
3.) Jesus musste als Mensch gehorsam sein.
freiwillig: He.10,7-9 vgl. Ps 40,9 deinen Willen tue ich gern
aus Liebe : Mt.9,36 es jammerte ihn
konsequent: Phil.2,5-8 Mt.26,39 Gehorsam bis zum Tod am Kreuz
4.) Er wurde von Gott für uns zur Sünde gemacht. 2.Ko.5,21
5.) Dadurch wurde Jesus von Gott getrennt. Mt.27,46
6.) Jesus starb leiblich. Rö.6,23
7.) Er vergoss sein Blut als Opfer für die Sünde, He.9,22
d.h. er gab sein Leben als Lösegeld für viele. Mt.20,281
8.) Da Jesus nicht um eigener, sondern um unserer Sünde willen den Tod erlitten hat, konnte er nicht vom Tod und vom Totenreich gehalten werden. Apg.2,24
9.) Tod und Hades wurden daraufhin entmachtet. Off 1,17-18 Das Paradies entstand Eph 4,8-10
10.) Danach erschien Jesus als vollkommener Hohepriester mit seinem Blut durch den Geist Gottes im himmlischen Heiligtum. He.9,11-28
11.) Gott anerkannte dieses stellvertretende Opfer Jesu als für uns gültig Rö.4,25
= Der Vorhang des Tempels zerriss in zwei Teile. Mt 27,50-52
12.) So verwirklichte Gott durch den Tod und die Auferstehung Jesu am dritten Tag sein Ziel: die Wiederherstellung unserer Gerechtigkeit. 2.Ko.5,21
13.) Damit ist dem Menschen die Wiederherstellung der Gemeinschaft mit Gott ermöglicht.

lV) Seele = Geist + Leib

da bildete Gott, der HERR, den Menschen, ‹aus› Staub vom Erdboden und hauchte in seine Nase Atem des Lebens; so wurde der Mensch eine lebende Seele. 1.Mose 2,7

Genau wie Sauerstoff und Wasserstoff zusammen ein neues Element bilden, nämlich Wasser, so führt das Zusammenbringen von Leib und Geist zur Seele.
Geist und Leib sind also mit der Seele wesensverwandt. Dabei ist die Seele, obwohl sie eine "Mischung" aus Geist und Leib darstellt, eine eigenständige Grösse, die bei dem nichtwiedergeborenen Menschen den Geist und den Leib regiert. Trennen sich Geist und Leib, stirbt der Mensch und seine Seele verschwindet:

Und der Staub kehrt zur Erde zurück, so wie er gewesen, und der Geist kehrt zu Gott zurück, der ihn gegeben hat. Pred 12,7
und zu Gott, dem Richter aller; und zu den Geistern der vollendeten Gerechten; Hebr 12,23

Gott ist Geist, der (erlöste) Mensch ist Seele. Das bedeutet aber nicht, das Gott und der Mensch nur aus Geist bzw: Seele besteht, sondern es zeigt, welche Eigenschaft normalerweise regiert.
Bei einem wiedergeborenen Menschen soll der erneuerte Geist die Regentschaft übernehmen.
Mit dem neuen Leib bekommt der Mensch (und unser auferstandener Herr) seine Seele wieder.

Seht meine Hände und meine Füße, daß ich es selbst bin; betastet mich und seht! Denn ein Geist hat nicht Fleisch und Bein, wie ihr seht, daß ich habe. Und als er dies gesagt hatte, zeigte er ihnen die Hände und die Füße. Lk 24,39-40

Und als es das fünfte Siegel öffnete, sah ich unter dem Altar die Seelen derer, die geschlachtet worden waren um des Wortes Gottes und um des Zeugnisses willen, das sie hatten. Offb 6,9
Und ich sah Throne, und sie setzten sich darauf, und das Gericht wurde ihnen übergeben; und die Seelen derer, die um des Zeugnisses Jesu und um des Wortes Gottes willen enthauptet worden waren, und die, welche das Tier und sein Bild nicht angebetet und das Malzeichen nicht an ihre Stirn und an ihre Hand angenommen hatten, und sie wurden lebendig und herrschten mit dem Christus tausend Jahre. Die übrigen der Toten wurden nicht lebendig, bis die tausend Jahre vollendet waren. Dies ist die erste Auferstehung. Offb 20,4-5

V) Das Paradies = Die Stätte der in Christo Gestorbenen

Euer Herz werde nicht bestürzt. Ihr glaubt an Gott, glaubt auch an mich! Im Hause meines Vaters sind viele Wohnungen. Wenn es nicht so wäre, würde ich euch gesagt haben: Ich gehe hin, euch eine Stätte(4945) zu bereiten? Und wenn ich hingehe und euch eine Stätte(4945) bereite, so komme ich wieder und werde euch zu mir nehmen, damit auch ihr seid, wo ich bin. Joh 14,1-3
Lex 4945 topos Ort, Platz, Raum, Stätte, Stelle (Mt 14,13.15.35; 24,15 u. ö.). Dabei bezeichnet es im Unterschied zu chora [(5371)], Land, ausgedehnte Fläche, v. a. einen Platz, der dadurch eingegrenzt ist, daß ihn jmd. oder etw. einnimmt bzw. besetzt hält oder jmd. an ihm wohnt. topos kann auch bedeuten: Raum, Gelegenheit, Möglichkeit (Apg 25,16; Röm 12,19; 15,23; Eph 4,27; Hebr 12,17)

Hier spricht Jesus von einer Stätte, die er in seines Vaters Haus bereiten wird, und in die er seine Jünger zu sich nimmt, damit sie Gemeinschaft mit ihm haben können. Diese Stätte ist m. E. das Paradies:

Und er sprach: Jesus, gedenke meiner, wenn du in dein Reich kommst! Und er sprach zu ihm: Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradies sein. Lk 23,42-43
Ich weiß von einem Menschen in Christus, daß er vor vierzehn Jahren - ob im Leib, weiß ich nicht, oder außer dem Leib, weiß ich nicht; Gott weiß es -, daß dieser bis in den dritten Himmel entrückt wurde.
Und ich weiß von dem betreffenden Menschen - ob im Leib oder außer dem Leib, weiß ich nicht; Gott weiß es - daß er in das Paradies entrückt wurde und unaussprechliche Worte hörte, die auszusprechen einem Menschen nicht zusteht. 2.Kor 12,2-4
Wer ein Ohr hat, höre, was der Geist den Gemeinden sagt! Wer überwindet, dem werde ich zu essen geben von dem Baum des Lebens, welcher in dem Paradies Gottes ist. Offb 2,7

Das Paradies ersetzt einen Teil des Hades (Abrahams Schoß), der auch alle alttestamentlich Gläubigen hat herausgeben müssen, weil ihn Christus die Schlüsselgewalt abgenommen hat (Off 1,17-18):

Ich habe den HERRN stets vor Augen; weil er zu meiner Rechten ist, werde ich nicht wanken. Darum freut sich mein Herz und frohlockt meine Seele. Auch mein Fleisch wird in Sicherheit ruhen. Denn meine Seele wirst du dem Scheol nicht lassen, wirst nicht zugeben, daß dein Frommer die Grube sehe. Ps 16,8-10
Darum heißt es: »Hinaufgestiegen in die Höhe, hat er Gefangene (wörtlich: die Gefangenschaft) gefangen geführt und den Menschen Gaben gegeben.« Das Hinaufgestiegen aber, was besagt es anderes, als daß er auch hinabgestiegen ist in die unteren Teile der Erde? Der hinabgestiegen ist, ist derselbe, der auch hinaufgestiegen ist über alle Himmel, damit er alles erfüllte. Eph 4,8-10

Im Paradies wird gesprochen (2. Ko 12,4) und gegessen (Off 2,7)! Darin haben die gläubigen Toten als Geister ungetrübte Gemeinschaft mit Jesus bis zur ersten Auferstehung: Paulus selbst erlebte dieses Paradies als eine Stätte, in der nach seiner Aussage unausprechliche Worte getätigt wurden.
Paulus erwähnt diese „Entrückung“ (Keine Vision!) im 2. Korintherbrief (um 57 geschrieben) als ein Ereignis, dass vor 14 Jahre stattgefunden hat. Also dürfen wir wissen, dass spätestens um ca. 43 n. Chr es das Paradies in dieser Form gegeben haben muss. Da gesprochen wurde, war diese Stätte bewohnt.

sondern ihr seid gekommen zum Berg Zion und zur Stadt des lebendigen Gottes, dem himmlischen Jerusalem; und zu Myriaden von Engeln, einer Festversammlung; und zu der Gemeinde der Erstgeborenen, die in den Himmeln angeschrieben sind; und zu Gott, dem Richter aller; und zu den Geistern der vollendeten Gerechten; und zu Jesus, dem Mittler eines neuen Bundes; und zum Blut der Besprengung, das besser redet als Abels. Hebr 12,22-24

Vl) Die Totenruhe = aktives Teilhaben an Christi Ruhe

Deshalb, wie der Heilige Geist spricht: »Heute, wenn ihr seine Stimme hört, verhärtet eure Herzen nicht wie in der Erbitterung an dem Tage der Versuchung in der Wüste, wo eure Väter versuchten, indem sie auf die Probe stellten, und sie sahen meine Werke vierzig Jahre. Deshalb zürnte ich diesem Geschlecht und sprach: Allezeit gehen sie irre mit dem Herzen. Sie aber haben meine Wege nicht erkannt. So schwor ich in meinem Zorn: Sie sollen nimmermehr in meine Ruhe(2635) eingehen!«
Seht zu, Brüder, daß nicht etwa in jemandem von euch ein böses Herz des Unglaubens sei im Abfall vom lebendigen Gott, sondern ermuntert einander jeden Tag, solange es »heute« heißt, damit niemand von euch verhärtet werde durch Betrug der Sünde! Denn wir sind Teilhaber des Christus geworden, wenn wir die anfängliche Zuversicht bis zum Ende standhaft festhalten.
Wenn gesagt wird: »Heute, wenn ihr seine Stimme hört, verhärtet eure Herzen nicht wie in der Erbit-terung«, welche haben denn gehört und sich aufgelehnt? denn nicht alle, die durch Mose von Ägypten ausgezogen waren? Welchen aber zürnte er vierzig Jahre? Nicht denen, welche gesündigt hatten, deren Leiber in der Wüste fielen? Welchen aber schwor er, daß sie nicht in seine Ruhe (2635) eingehen sollten, wenn nicht denen, die ungehorsam gewesen waren? Und wir sehen, daß sie wegen des Unglaubens nicht hineingehen konnten. Fürchten wir uns nun, daß nicht etwa - da die Ver-heißung, in seine Ruhe(2635) einzugehen, noch aussteht - jemand von euch als zurückgeblieben erscheint. Denn auch uns ist eine gute Botschaft verkündigt worden, wie auch jenen; aber das gehörte Wort nützte jenen nicht, weil es bei denen, die es hörten, sich nicht mit dem Glauben verband. Wir gehen nämlich in die Ruhe (2635) ein als die, die geglaubt haben, wie er gesagt hat: »So schwor ich in meinem Zorn: Sie sollen nimmermehr in meine Ruhe-stätte- (2635) eingehen!« obwohl die Werke von Grundlegung der Welt an geschaffen waren.
Denn er hat irgendwo von dem siebten so gesprochen: »Und Gott ruhte(2636) am siebten Tag von allen seinen Werken.« Und an dieser wiederum: »Sie sollen nimmermehr in meine Ruhe (2635) eingehen!« Weil es nun dabei bleibt, daß einige in sie eingehen und die, denen zuerst die gute Botschaft verkündigt worden ist, des Ungehorsams wegen nicht hineingegangen sind, bestimmt er wieder einen Tag: ein »Heute«, und sagt durch David nach so langer Zeit, wie vorhin gesagt worden ist: »Heute, wenn ihr seine Stimme hört, verhärtet eure Herzen nicht!« Denn wenn Josua sie in die Ruhe(2636) gebracht hätte, würde er danach nicht von einem anderen Tag geredet haben. Also bleibt noch eine Sabbatruhe dem Volk Gottes übrig. Denn wer in seine Ruhe(2635) eingegangen ist, der ist auch zur Ruhe gelangt(2636) von seinen Werken wie Gott von seinen eigenen. Laßt uns nun eifrig sein, in jene Ruhe(2635) einzugehen, damit nicht jemand nach demselben Beispiel des Ungehorsams falle! Denn das Wort Gottes ist lebendig und wirksam und schärfer als jedes zweischneidige Schwert und durchdringend bis zur Scheidung von Seele und Geist, sowohl der Gelenke als auch des Markes, und ein Richter der Gedanken und Gesinnungen des Herzens; und kein Geschöpf ist vor ihm unsichtbar, sondern alles bloß und aufgedeckt vor den Augen dessen, mit dem wir es zu tun haben. Hebr 3,7-4,13

Lex 2635 katapausis Ruhe, Bleibe, Wohnort; von katapauo [(2636)], ruhen, vgl. dort; außer in Apg 7,49 nur noch in Hebr 3,11.18; 4,1.3.5.10f, wo es das Land bzw. den Ort der Verheißung meint, zu dem Gott sein Volk bringen will und an dem aller Kampf ein Ende haben wird und die Menschen endgültig Ruhe vor dem Bösen haben werden. Es entspricht dem hebr. Wort menucha, welches das Ruhen Gottes bei seinem Volk über der Bundeslade bezeichnet und damit auch die Ruhe seines Volkes (4Mo 10,33; 5Mo 12,9; 1Kö 8,56). Im NT ist es ein Syn. zu ewigem Leben in der Gemeinschaft mit Gott
Lex 2636 katapauo ruhen; von kata [(2566)], durch und durch, und pauo [(3822)], ruhen machen.
Es bedeutet trans.: endgültig zur Ruhe bringen, Ruhe verschaffen (Hebr 4,8) oder beruhigen, davon abbringen, zum Aufhören bringen (Apg 14,18); intrans.: völlig und endgültig ruhen (Hebr 4,4.10).

a) Jesus hat den Toten in Christo m. E. eine qualitativ neue Totenruhe und Totenruhestätte bereitet

Der Kapitelfanfang weisst auf eine (Sabbat)-Ruhe hin, die dem Volke Gottes noch übrigbleibt, aber für den Schreiber des Hebräerbriefes und seinen Lesern noch aussteht. Gleichzeitig wird dieses völlige und endgültige Ruhen mit einem demensprechend dafür geschaffenen Wohnort oder Wohnstätte in Verbindung gebracht, was in den deutschsprachigen Übersetzungen nicht unbedingt zum Ausdruck kommt.
Da der Schreiber des Hebräerbriefes überdies eine Ruhe erwähnt, die dem, der sie erfährt, umfangreiche Gestaltungsmöglichkeit und höchstmögliche Befriedigung gleichzeitig gewährt, ist es in meinen Augen nur konsequent, eine Ruhestätte zu bereiten, welche die geschilderten Voraussetzungen bestmöglich erfüllt.

B) Die Auslegungen über Totenreich und Totenruhe sind in negativer Hinsicht relativ einheitlich

Es gibt viele Ausleger, die dieses Eingehen in die Ruhe erst ab Offenbarung 21 erfüllt sehen. Dagegen gibt es im Grossen und Ganzen wenig zu sagen. Allerdings gibt es unter Theologen die Tendenz, die Dinge, die man nicht so genau versteht und einordnen kann, in die weitestmögliche Zukunft zu datieren.
Das soll keine persönliche Wertung sein, sondern ist in meinen Augen eine bedauerliche Tatsache.

Zu Beginn dieser Ausarbeitung habe ich von den Fähigkeiten und Möglichkeiten des Heiligen Geistes und seinen Geistesgaben gesprochen. Da diese Gaben verschieden sind hat derjenige eine Art Vorsprung, der zu einer dementsprechenden Aufgabe die dazu passende Geistesgabe anvertaut bekommen hat.
Diese Verschiedenartigkeit der Charismen, die das Wort Gottes auch innerhalb der Gemeinde erwähnt, macht voneinander abhängig im positiven Sinne.
Natürlich sind auch negative Ergebnisse wie Neid, Eifersucht usw. mit all ihren Auswirkungen möglich.
Wo Menschen am Werk sind, leider auch am Werk Gottes, da menschelt es ab und zu kräftig.
Ich will mich an dieser Stelle keineswegs ausnehmen, im Gegenteil.
Aber ich möchte auch darauf hingewiesen haben, dass es nicht immer nur geistliche oder rationelle Gründe sind, welche die Gläubigen in punkto Lehrfragen zu verschiedenartigen Lösungen führen.

Jede erfüllte oder so gut wie erfüllte Verheissung Gottes macht den Gläubigen ein Stückchen unabhängiger von theologischen Auslegungen samt ihren Gründen und Zielen, die manchen dieser Auslegungen zu Grunde liegen. Erinnert sei hier an das Beispiel der Erbsünde, die dazu gebraucht wird, die Gläubigen in der Abhängigkeit ihrer Verkünder zu halten. Auch deshalb schaue ich nach dem einen oder anderen Argument in der Schrift, welche das Eingehen in diese umfassende Ruhe samt ihrer Ruhestätte, die der Hebräerbriefschreiber so eindrücklich schildert, schon zu einem früheren Zeitpunkt ermöglichen könnte.
Ich persönlich könnte z. B. diese Katapausis (Hebr. 3) oder diese von Jesus bereitete Ruhestätte (Joh 14) durchaus als dieses Paradies ansehen, welches Paulus in 2. Ko 12,3 so eindrucksvoll beschreibt.

c) Die Totenruhe wird auslegerisch bedingt gerne mit einer Art „Schlafen“ gleichgesetzt

Dies sprach er, und danach sagt er zu ihnen: Lazarus, unser Freund ist eingeschlafen[2811]; aber ich gehe hin, damit ich ihn aufwecke Joh 11,11
Lex 2811 koimao schlafen, zur Ruhe gehen, entschlafen, sterben; Mt 28,13, Lk 22,45; Apg 12,6 in der normalen Bedeutung »schlafen«. Weil aber schon im AT das Schlafen der Zustand des Toten ist (?), erscheint das Verb am häufigsten in der Bedeutung »entschlafen, sterben« Mt 27,52; Joh 11,11f; Apg 7,60; 13,36; 1Kor 7,39; 11,30; 15,6.18.20.51; 1Thes 4,13-15; 2Petr 3,4.

Was ich unter anderem an der griechischen Wortkonkordanz so grossartig finde, ist die Ehrlichkeit, mit der die Ausleger dieser Konkordanz ihre Begriffe ausformuliert haben.
Diese Ausformulierungen sind keinesfalls frei von theologischen Wertvorstellungen, aber in ihrer Ausführlichkeit und in ihrem aufrichtigen Bemühen, Schwerverständliches erklären zu wollen, haben sie unter anderem auch mir geholfen, in meinem Glaubensleben vorwärts zu kommen.

Wie aus der Wortbedeutung von koimao ersichtlich gibt es dort mehrere Bedeutungen, die rein theoretisch möglich wären, dass man sie dort einsetzt, wo dieses griechische Wort im neuen Testament vorkommt. Da aber eine theologisch geprägte vorhandene Auslegungsvariante für diesen Begriff vorliegt, nämlich das Verb „schlafen“, ist für die anderen möglichen Begriffe an diesen Stellen kein Bedarf mehr vorhanden. Warum dient z. B. das Vorbild Daniel und sein Ruhen (12,13) nicht als Orientierungshilfe in dieser Frage?

Im Johannesevangelium geht es also laut Bibel um den Zustand, den das griechische Verb „koimao“ bei Lazarus beschreibt, welcher durch seine Auferweckung von Jesus beendet wurde. In den nachfolgenden ausgewählten Bibelstellen geht es ebenfalls um diesen Vorgang samt seiner „eigenwilligen“ Übersetzung:

Und niederkniend rief er mit lauter Stimme: Herr, rechne ihnen diese Sünde nicht zu! Und als er dies gesagt hatte, entschlief[2811] er. Apg 7,60
Denn David freilich entschlief[2811], nachdem er seinem Geschlecht nach dem Willen Gottes gedient hatte, und wurde zu seinen Vätern versammelt und sah die Verwesung. Apg 13,36
Nun aber ist Christus aus Toten auferweckt, der Erstling der Entschlafenen(2811); 1.Kor 15,20

Siehe, ich sage euch ein Geheimnis: Wir werden nicht alle entschlafen[2811], wir werden aber alle verwandelt werden 1.Kor 15,51
Wir wollen euch aber, Brüder, nicht in Unkenntnis lassen über die Entschlafenen[2811], damit ihr nicht betrübt seid wie die übrigen, die keine Hoffnung haben. Denn wenn wir glauben, daß Jesus gestorben und auferstanden ist, wird auch Gott ebenso die Entschlafenen[2811] durch Jesus mit ihm bringen. Denn dies sagen wir euch in einem Wort des Herrn, daß wir, die Lebenden, die übrigbleiben bis zur Ankunft des Herrn, den Entschlafenen[2811] keineswegs zuvorkommen werden. 1.Thess 4,13-15

d) Die Begründung der Wortwahl des „Schlafens“ hat theologische Hintergründe:

1.) Das Schlafen hat der Zustand der Toten im alten Testsament zu sein! Die Aussagen darüber werden aus dem Buche Prediger entnommen und entheben in ihrer Eindeutigkeit jeder Notwendigkeit des Nachsinnens über Texte, die in eine andere Richtung weisen könnten, was dieses Thema anbetrifft.
2.) Weil im AT das Schlafen der Zustand des Toten ist, hat es dies im neuen Bund ebenfalls zu sein. Jesus hat zwar die Schlüssel des Todes und des Totenreiches, aber das ändert in diesem Fall nichts. Diese Schlüssel hat er sich irgendwie „im Schlaf“ besorgt (Jesus = Der Erstling der „Entschlafenen“ 1. Ko 15,20).
3.) Die Ruhe, über die der Hebräerbriefschreiber berichtet, kann deshalb nichts mit diesem „Todesschlaf“ gemeinsam haben, und das Eintreffen dieser Ruhe wird daher hinter das tausendjährige Reich datiert!
4.) Die Geister der vollendeten Gerechten, über die in der Schrift gesprochen wird (Hebr 12,24), schlafen!

e) Meine persönliche Ansichten über die Ruhe der Toten und ihrer Ruhestätte

Ich persönlich würde diese Theologie samt ihren Begründungen nicht durchgängig bejahen, weil sie mir
in ihrer Gesamtheit unter anderem eine vorsätzliche Einschränkung von Gottes Möglichkeiten beinhalten.
Wenn der Schreiber des Hebräerbriefes eine Ruhe erwähnt, die dem, der sie erfährt, umfangreiche Gestaltungsmöglichkeit und höchstmögliche Befriedigung gleichzeitig schenkt, warum soll ich Gott nicht zutrauen, dass er den Geistern der vollendeten Gerechten diese nicht jetzt schon gewähren will?

Ich gehe hin, euch eine Stätte zu bereiten. Und wenn ich hingehe und euch eine Stätte bereite, so komme ich wieder und werde euch zu mir nehmen, damit auch ihr seid, wo ich bin. Joh 14,2b-3

Wenn Jesus extra einen Ruheort (katapausis) oder eine Ruhestätte denjenigen bereitet oder bereitet hat, die an Ihn glauben, und der griechische Begriff für koimao dieses „zur Ruhe gehen“ ebenfalls beinhaltet, dann ist es meiner Ansicht keinesfalls abwegig, diese Dinge ursächlich in Verbindung bringen zu wollen.
Ob diese Dinge tatsächlich so zusammenhängen, weiss ich nicht, aber es könnte Vieles dafür sprechen.
Unter anderem ist Jesus nach seiner Auferstehung seinen Jüngern erschienen (wiedergekommen).
Das „Wiederkommen“ und das danach erwähnte „Mitnehmen“ sind in unterschiedlichen Zeitformen wiedergegeben, sind also nicht zwingend Ereignisse, die unmittelbar hintereinander passieren müssen.

Als Paulus seinen zweiten Brief an die Korinther schrieb, war das Paradies bereits eine Zeitlang bewohnt. Da Paulus von einer Entrückung und nicht von einem Gesicht oder einer prophetischen Schau spricht, ist es m. E. in auslegerischer Hinsicht berechtigt, mit konkreten Jahreszahlen zu arbeiten, was sein Erleben im Paradies anbelangt. Paulus spricht darin von einem überwältigend positiven Gemeinschaftserlebnis.

Spatestens hier hätte ich einige Fragen an die Verfechter derjenigen Theologie, welche das Schlafen der in Christo als eine Art Bewusstlosigkeit definieren, in welcher der heimgegangene (wohin?) Gerechte für sich „dahindämmert“. Einige davon würden sich um das Thema „Paradies“ drehen und mit alle dem, was nach den Aussagen der Schrift hier und heute damit zusammenhängt. Meine wichtigste Frage aber würde sein: Warum nur will ich die Todesvorstellungen eines in seinem Herzen gottlos gewordenen Menschen (Salomo) als verbindlich für mein Glaubensleben und als Masstab für meine Glaubenslehren übernehmen.

Vll) Das Buch Prediger = Weisheit + Hoffnungslosigkeit

Der Prediger ist eines der am meisten missverstandenen Bücher der Bibel.
Teilweise stehen hier Behauptungen drin, die nicht mit anderen Aussagen der heiligen Schrift übereinstimmen. Deshalb zwingt uns dieses Buch, unser Verständnis der gesamten Bibel zu überprüfen!

Alle Schrift ist von Gott eingegeben und nützlich zur Lehre, zur Überführung, zur Zurechtweisung, zur Un- terweisung in der Gerechtigkeit, damit der Mensch Gottes richtig(731)sei, für jedes gute Werk ausgerüstet.
Lex 731 artios vollkommen, ausreichend, ganz geeignet; nur in 2Tim 3,16-17; von arti , jetzt, eben.
Es ist ein näheres Syn. zu holokleros etw., von dem alle Teile vollständig, ganz sind, was sie auch sein sollen, damit sie ihren Zweck erfüllen können.

Gottes Wort arbeitet in seiner Gesamtheit auf dieses vierfache Ziel hin. Dabei zeugt es von sich selbst, daß es vollkommen ist (Psalm 19), aber nirgends, dass alle darin enthaltenen Aussagen wortwörtlich übereinstimmen. Gott definiert Vollkommenheit vom Ziel her, also als etwas, was es zu erreichen gilt, nicht so sehr als etwas, was es nach unserem Begriffsvermögen hier und jetzt darstellen müsste. Vollkommenheit ist also kein Zustand sondern ein innerer Entschluss (Annahme und Umsetzung
der Erlösung in Jesus Christus), der als zielorientierter Lebensstil neben guten Werken auch äusserliche scheinbare Unvollkommenheit nach sich ziehen kann. Jesu Erdenleben ist ein gutes Beispiel dafür.

A) Grundsätzliche Feststellungen zum Buch Prediger

1.) Wenn von Gott die Rede ist, wird nie der Name Gottes Jahwe (HERR) erwähnt, sondern stets ”Elohim”.
Zum Vergleich: Man kann den Bundeskanzler als solchen bezeichnen oder ihn mit ähnlichen Ausdrücken belegen, die seine herausragende Stellung würdigen, man kann ihn aber auch nur als ”Politiker” bezeichnen. Dieser Vorgehensweise könnte ein Mangel an Vertrauen und Einsicht zugrundeliegen.

2.) Parallel dazu nimmt der Prediger seinen gewählten Standpunkt ”unter der Sonne ” ein (29 mal).
Folgerichtig fehlen alle Hinweise auf ein persönliches Verhältnis mit Gott (kein Lob) und auch alle möglichen Folgen, die aus diesem persönliche Verhältnis erwachsen könnten (kein Friede).

3.) Dementsprechend sinnleer und enttäuscht schildert der Prediger sein Leben. Hier addieren sich ein
falsches Gottesverständnis und ein falscher Standpunkt zwangsläufig zu falschen Ergebnissen.
Der Prediger ist nicht nur hoffnungslos, sondern zieht aus dieser Hoffnungslosigkeit heraus auch falsche Schlussfolgerungen, die teilweise im Widerspruch zu den Gesamtaussagen der heiligen Schrift stehen.

4.) Der Prediger sieht die Dinge aus seiner Sicht genau und bewertet sie von seinem angenommenen Standpunkt her folgerichtig. Die Weisheit ist bei Ihm durchaus vorhanden, aber die Erkenntnis scheint im Laufe seines Lebens ”verdreht” worden zu sein. Entscheidend dafür ist die Unpersönlichkeit seines Gottesverhältnisses. Dadurch bekommt sein ganzes Leben eine pessimistische Schieflage, auf der alle Werte abgerutscht sind. Weisheit ohne Erkenntnis ist wie ein Haus ohne Fundament.
Wer den ”Prediger” deshalb zum ersten Male liest, ist verblüfft und verwirrt zugleich, weil hier auf schein-bar gutem Weg ein schlechtes Ergebnis herauskommt. In den Sprüchen, die zum grossen Teil auch von Salomo verfasst sind, ist das Gottesverhältnis in Ordnung. Deshalb ist das Vertrauen in die Werte des Lebens dort noch ungebrochen und der Grundton ist Zuversicht. Diese Werte des Lebens kann man im neuen Testament mit den Früchten des Geistes (Gal 5,22) gleichsetzen.

5.) Der Prediger bietet all denen hervorragende Argumente, die sich in einer Auseinandersetzung mit Menschen ohne klare Gottesvorstellung befinden.
Der Prediger weist solchen Leuten zwingend die schlussendliche Sinnlosigkeit aller ihrer Bemühungen nach. Unklare Gottesvorstellungen führen zwangsläufig zu unklaren Wertmasstäben.

B) Die Bedeutung des Buches Prediger

1.) Dieses Buch nimmt innnerhalb der Bibel eine Sonderstellung ein.
Wenn der Prediger von den sichtbaren Dingen spricht, was er vorwiegend tut, dann sieht er die Dinge zwar genau, aber verhältnismässig hoffnungslos. Sobald der Prediger aber die unsichtbaren Dinge mit einbe-zieht, weichen seine Feststellungen zum Teil stark von den Aussagen der restlichen heiligen Schrift ab.

2.) Der Prediger ist zuallerserst an Weisheit interessiert, um diese bemüht er sich und streicht den Unterschied zur Torheit genau heraus.
Sein Ziel ist die Freude, die er zum Teil als Gewinn aus seinen Bemühungen begreift.
Zum anderen Teil sieht er die Freude als von Gott relativ willkürlich zufallend. Glaube und Hoffnung erwähnt der Prediger gar nicht und Liebe ist für ihn lediglich das Gegenteil von Hass und Abneigung.

3.) Folgerichtig sieht der Prediger Gott genauso wie sich selbst, nur mächtiger!
Gottes Machtfülle lässt ihn in den Augen des Predigers als unpersönlich, unangreifbar und etwas unbe-rechenbar erscheinen. Diesem Gott ist demnach mit Furcht zu begegnen, weil er die Fehler des Menschen wahrnimmt und sie nach seinem Tod richtet. Selbstverständlich denkt und fühlt Gott nach Ansicht des Predigers genau wie er selbst, und hat deshalb mit Glaube, Liebe und Hoffnung auch nichts am Hut.

4.) Da, wo es vor allem um die Geschehnisse nach dem Tod geht, zieht der Prediger völlig andere Schlussfolgerungen als das übrige Wort Gottes.
Das Vorhandensein eines Gerichtes nach dem Tod ist für den Prediger selbstverständlich, aber dahinter oder daneben erwartet er nichts Wesentliches mehr.

5.) Der Prediger traut Gott nicht zu, dass dieser anders denken und handeln könne, als er selbst.
Der Gott des Predigers ist deshalb nicht nur unpersönlich, sondern auch verhältnismässig gleichgültig den Empfindungen und Erlebnissen des Menschen gegenüber.
Laut Prediger scheinen Gott besonders die Dinge am Menschen zu interessieren, die er äusserlich wahrnimmt und als fehlerhaft erkennt. Diese Dinge richtet er, ansonsten ist das Gefallen oder Missfallen eines Menschen in Gottes Augen eine für den Prediger reichlich unergründliche Angelegenheit.

6.) Das Gott den Menschen gnädig sein will, ist für den Prediger nicht denkbar.
Deshalb kann sich der Prediger auch nicht vorstellen, dass Gott von sich aus irgend etwas unternehmen könnte, um den Menschen seine Liebe zu Ihnen zu verdeutlichen.
Gottes Machtfülle distanziert ihn laut Prediger von der Machtlosigkeit des Menschen, deshalb ist Furcht vor Ihm und Weisheit zur Vermeidung von Fehlern angesagt. Gleichzeitig erkennt aber der Prediger indirekt die Untauglichkeit seiner Strategie Gott gegenüber, weil in seinen Augen der Unterschied zwischen Gott und den Menschen einfach zu gross ist, und er verzweifelt fast darüber.

7.) Bei aller Weisheit ist deshalb der Grundton des Predigers von einer Hoffnungslosigkeit, die etwa mit dem Psalm 88 verglichen werden könnte.
Weil der Prediger die Sicht und das Wertempfinden für die unsichtbaren Dinge fast gänzlich verloren hat, ist seine Auseinandersetzung mit Gott und der Welt trotz aller Weisheit zum Scheitern verurteilt.
Die Art und Weise, wie der Prediger diesen Verlust und dieses Scheitern formuliert, ist meines Wissens in der gesamten Literatur ohne vergleichbares Beispiel.
1.Kor 15,19+32b
Wenn wir allein in diesem Leben auf Christus gehofft haben, so sind wir die elendesten von allen Menschen. Wenn Tote nicht auferweckt werden, so »laßt uns essen und trinken, denn morgen sterben wir«!

Der Prediger ist die praktische Auslegung dieser Bibelverse. Er weisst zwingend nach, dass ein Gottes-glaube persönlich sein muss und über den Tod hinausreichen muss! Wenn das Wort Jesu der ”Same” darstellt, dann ist der Prediger der ”Pflug”, der diesen Acker zum Einsäen vorbereitet.

Vlll) Die verschiedenen Arten der Totenauferstehung

Aber was auch immer mir Gewinn war, das habe ich um Christi willen für Verlust gehalten; ja wirklich, ich halte auch alles für Verlust um der unübertrefflichen Größe der Erkenntnis Christi Jesu, meines Herrn, willen, um dessentwillen ich alles eingebüßt habe und es für Dreck halte, damit ich Christus gewinne und in ihm gefunden werde - indem ich nicht meine Gerechtigkeit habe, die aus dem Gesetz ist, sondern die durch den Glauben Christi, die Gerechtigkeit aus Gott aufgrund des Glaubens -, um ihn und die Kraft seiner Auferstehung(388) und die Gemeinschaft seiner Leiden zu erkennen, indem ich seinem Tod gleich--gestaltet werde, ob ich irgendwie hingelangen möge zur Auferstehung(1798) aus den Toten. Phil 3,7-11

Lex 388 anastasis Auferstehung; von anistemi [(451)], aufstehen. Es bezeichnet das Wieder- auf-die-Füße-Kommen oder Aufstehen im Ggs. zum Fallen und wird übertr. in Lk 2,34 gebraucht. Im NT wird es vor allem für die Auferstehung des Leibes aus dem Grab verwendet (Joh 5,29; Apg 1,22; 2,31; u. ö.).

Lex 1798 exanastasis Auferstehung, Herausauferstehung aus den Toten heraus; von ek/ex [(1517)], aus ... heraus, und anastasis [(388)], Wiedererstehen, Auferstehung; nur in Phil 3,11.

Dieser Text aus dem Philpperbrief zeigt auf, dass es mindestens zwei verschiedene Arten von Auferstehung gibt. Wo wir Gläubige uns lediglich auf eine Art Auferstehung beschränken und diese in ausschliess-licher Art und Weise für unsere Lehre und für unsere Hoffnung heranziehen, haben wir uns vorsätzlich beraubt oder berauben lassen. Wo wir uns beispielsweise auf die Anastasis als einzig mögliche Auferstehungsvariante festlegen, und die Exanastasis (und mögliche andere Auferstehungsvarianten) aus welchen Gründen auch immer vernachlässigen oder vernachlässigen wollen, dann ist uns diese Variante in unserem Glaubensleben mit Christus verwehrt. Was nicht gelehrt wird, wird nicht geglaubt, und was nicht geglaubt wird, erleben wir nicht an und durch uns selbst.

Siehe, ich sage euch ein Geheimnis: Wir werden nicht alle entschlafen, wir werden aber alle verwandelt werden, in einem Nu, in einem Augenblick, bei der letzten Posaune; denn posaunen wird es, und die Toten werden auferweckt werden, unvergänglich , und wir werden verwandelt werden. 1.Kor 15,51-52

Die Auslegungen, die ich über diese Verse gehört habe, konzentrieren sich überwiegend auf den Aspekt der Verwandlung. Deshalb möchte ich auf die Tatsache hinweisen, dass wir laut diesen Versen nicht alle entschlafen werden. So gut wie alle Ausleger konstruieren hier einen nicht stets vorhandenen Zusammenhang zwischen beiden Themen, d. h., ich werde nur dann nicht entschlafen, wenn ich verwandelt werde.

Denn wir wissen, daß, wenn unser irdisches Zelthaus zerstört wird, wir einen Bau von Gott haben, ein nicht mit Händen gemachtes, ewiges Haus in den Himmeln. Denn in diesem freilich seufzen wir und sehnen uns danach, mit unserer Behausung aus dem Himmel überkleidet zu werden, insofern wir ja bekleidet, nicht nackt befunden werden. Denn wir freilich, die in dem Zelt sind, seufzen beschwert, weil wir nicht entkleidet, sondern überkleidet werden möchten, damit das Sterbliche verschlungen werde vom Leben. Der uns aber eben hierzu bereitet hat, ist Gott, der uns das Unterpfand des Geistes gegeben hat.

In diesem Text (2.Kor 5,1-5) werden diese Tatsachen, die bis jetzt angeschnitten wurden, präzisiert.
Unser Bau von Gott ist unser neuer Leib, die Sehnsucht nach der Überkleidung ist die Sehnsucht nach der Exanastasis oder Herausauferstehung.

Die Entkleidung führt dazu, dass unsere Geister zusammen mit allen anderen Geistern der vollendeten Gerechten meiner Ansicht nach im Paradies in der ungetrübten Katapausis (Gottesruhe) auf ihre Anastasis (Auferstehung) und ihre Verwandung oder Überkleidung warten.

Die Überkleidung vereint den Zeitpunkt der Verwandlung und der Exanastasis (Herausauferstehung) mit dem Zeitpunkt unseres Abscheidens von dieser Erde.
Unser Geist und unser Körper sind und bleiben dadurch auch immer vereint, die Verwandlung vom irdischen zum himmlischen Leib geschieht sofort nach unserem irdischen Lebensende.
In Off 6,9 werden Menschen (Seelen = Geist + Herrlichkeitsleib) beschrieben, die dieses Ziel schon erreicht haben. Das Paulus zu diesem Ziel unbedingt hingelangen will, ist verständlich. Ich will es ebenfalls.

lX) Einige persönliche Schlussgedanken

Als mein geistlicher Vater in Christus vor etwa zehn Jahren heimging, durfte ich ihn bei seinem Begräbnis nochmals im Sarg sehen. Sein Gesichtsausdruck war eine faszinierende Mischung aus Staunen und Ehrfurcht. Sein Gesicht spiegelte wieder, was er sah: seinen und unseren Herrn!

Manchesmal freue ich mich wie ein Stephanus auf die Begegnung mit Jesus:
und er sprach: Siehe, ich sehe die Himmel geöffnet und den Sohn des Menschen zur Rechten Gottes stehen! Apg 7,56

Ein höflicher Gastgeber steht auf, wenn er Gäste erwartet, mit denen er Gemeinschaft haben möchte!

In dieser Hoffnung persönlich nicht nur ein wenig getröstet wünsche ich deinem Mann und Dir weiterhin Gottes reichen Segen. In der Liebe Jesu mit euch verbunden grüsse ich euch herzlich: euer Peter Wiem
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