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Emerging in Deutschland - eine Standortbestimmung


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Rolf

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Emerging in Deutschland - eine Standortbestimmung





In den letzten Tagen sind einige Beiträge auf deutschsprachigen Blogs aufgetaucht, die sich in verschiedenerlei Hinsicht damit auseinandersetzen, was es mit der Emerging Church auf sich hat, woher sie kommt und wohin sie geht. Ich finde das deswegen interessant, weil diese Diskussion im Hinblick auf das englischsprachige Ausland an der Tagesordnung ist, für Deutschland aber so weit ich weiß bisher nicht geführt worden ist. Im Folgenden der Versuch, einmal überblicksartig festzustellen, wo und in welchen Kontexten bisher nachgedacht wird, um dann zu fragen, wie es weiter gehen kann.

Aktuelle Diskussionen

Zunächst aber noch einmal der Hinweis auf einige laufende Diskussionen: Peter fragt, was so neu an der Emerging Church ist und in den Kommentaren bildet sich als Konsens heraus, dass Emerging als Meta-Bewegung verstanden werden kann, in der viele Ströme zusammenfließen - so dass nichts wirklich neu ist außer vielleicht der Kombination der verschiedenen Einflüsse. Alex schreibt über sein Verständnis von Emerging und charakterisiert die Bewegung mit den drei Adjektiven “ökumenisch”, “theologisch” und “experimentell” (später ergänzt durch “missional”).

In der folgenden Diskussion und auch in Dannys Beitrag “Ist die Emerging Church eine theologische Bewegung? geht es dann vor allem darum, ob Emerging eben als theologische Bewegung bezeichnet werden kann oder nicht. Danny meint “Nein.” und hat damit zwei ganz große Namen auf seiner Seite - nämlich Andrew Jones (in diesem Beitrag) und Scot McKnight (mit seinem Vortrag “What is the Emerging Church?“). Kapeka antwortet, dass zwar nicht EINE bestimmte Theologie vertreten wird, das theologische Gespräch aber nichtsdestotrotz eine gewichtige Rolle spielt. Und Alex macht noch einmal klar, dass er Begriffe wie “theologisch” und “ökumenisch” als dynamisch versteht, was Prozesse theologischen Fragens und die ökumenische Auseinandersetzung einschließt.

Ebbelwain und dasaweb bemerken in den Kommentaren dazu, dass sie bisher noch die Verbindung zwischen theologischer Diskussion und Gemeindepraxis vermissen und sich wünschen, dass die Emerging-Debatte aus ihrem intellektuellen Elfenbeinturm ausbricht - DoSi meint, dass das schon passiert. Gestern fragte nun Björn, ob wir in Deutschland nicht auch “Emergent Manifesto of Hope” (ein kürzlich erschienenes Buch von Ami-Emerging-Leitern) bräuchten - Leute, die nicht nur lesen, sondern was schreiben. Er meint, in Deutschland gäbe es genügend Leute, die was zu sagen hätten.

Wer und was “emergt” momentan in Deutschland?

Wahrscheinlich muss man in Karlsruhe starten, wenn man etwas über Emerging in Deutschland sagen will, da hier mit Abstand die größte “Emerging-Blogger-Dichte” in Relation zur Gesamtbevölkerung besteht. Und nicht nur das - in Karlsruhe wird gelebt, worüber anderswo geschrieben wird: “Kubik” ist wohl die Vorzeigegemeinde in Sachen Emerging in Deutschland, auch wenn sie das vielleicht gar nicht sein möchte. Beteiligt sind Mark, Daniel, Björn, Johannes und viele mehr. Von hier bestehen u.a. Verbindungen zu Doug Pagitt und Salomon’s Porch in Minneapolis. Im Zusammenhang mit Kubik sind vielleicht noch die “Werkstatt für Gemeindeaufbau” und “Kairos-Media” zu nennen - erstere betreibt auch den Blog “Emergentes Gedankengut“, der für sich allein stehende, kleine, feine Artikel zu verschiedenen emergenten Themen bietet. Was theologische Wurzeln angeht, ist es von hier nicht mehr weit zu zahlreichen Jesus-Freak-Gemeinden, deren Mitglieder auch überdurchschnittlich häufig in der Blog-Welt anzutreffen sind (wobei von hier die Distanz zu den Großkirchen vielleicht noch am Größten ist).

Dann gibt es eine Gemeindegründungsbewegung, die für mein Empfinden eher “Europa” als “Deutschland” denkt - DAWN Europe gehört hier zu den treibenden Kräften und Andreas Wolf bloggt aus seiner Perspektive. Über Landesgrenzen hinweg wurde auch z.B. beim forumgemeindeInnovation gedacht, das in der Schweiz im letzten Jahr stattfand und maßgeblich von Reinhold Scharnowski vorbereitet wurde, der auch zu DAWN gehört. Er und Mike Bishoff haben zudem zahlreiche familiäre und freundschaftliche Kontakte nach Deutschland, weshalb ihre Beiträge und Einsichten auch für Deutschland interessant sind. In der Gruppe derer, deren Blick über Deutschland hinaus geht, wäre dann wohl auch noch Kerstin Hack zu nennen, die in Berlin residiert und schreibt. Außerdem Christoph Schalk, der für “Mehr und bessere Gemeinden” steht.

Wenn wir uns nun langsam von überkonfessionellen, freien Gemeinden und Einrichtungen in Richtung Mainstream-Christentum bewegen, kommt der Bundesverlag ins Bild, der in seinen Zeitschriften “Aufatmen” und “Dran” immer mal wieder “Emerging” zum Thema hat. David Schäfer hat in der Dran-Buchreihe im letzten Jahr den Titel “Die jungen Wilden” rausgebracht, in der junge Gemeinden wie z.B. Kubik vorgestellt werden. Er hat auchdas Forum SmartExchange aufgesetzt, wo es einige Artikel von ihm zu lesen gibt. Christina Brudereck und Kumpanen gehören zu denjenigen, die wie viele andere hier genannte sich wahrscheinlich keinen “Ich bin emergent”-Button ans Revers heften würden, aber viel in diese Richtung denken und arbeiten.

So auch Fabian Vogt, dessen frühere Gemeinde in Niederhöchstadt ja bisher als Aushängeschild für Sucher-orientierte-Gemeindearbeit galt. Er hat auch das Büchlein “Das 1×1 der Emerging Church” geschrieben. Und mit ihm sind wir dann ja in der Landeskirche angekommen, an dessen Rand sich auch Peter Aschoff und die Elia-Gemeinde in Erlangen befinden. Er gehört wahrscheinlich zu denjenigen, die noch am ehesten den Überblick über die Emerging-Diskussion in Deutschland haben und bringt außerdem vielfältige Kontakte wie zu Brian McLaren und - für unseren Kontext vielleicht noch ergiebiger - Jason Clark aus England mit. Ansonsten sieht es im Bereich der evangelischen Landeskirchen und der katholischen Kirche ziemlich mau aus, wenn ich das richtig sehe - und ich beziehe mich hier natürlich nur auf das, was aus Gemeinden nach außen dringt. Es gibt natürlich sowohl bei Frei- als auch bei Landeskirchen zahlreiche Projekte und Gemeinden, die tolle Arbeit machen und sich mit der Gedankenwelt der Emerging-Diskussion verbunden fühlen und Bücher aus der Ecke lesen, dies aber nicht unbedingt nach außen tragen. Einer derjenigen, der gerade damit begonnen hat, ist z.B. Walter Faerber aus der Tiefebene. Hier Kontakte zu knüpfen und weiterzudenken wäre dann auch in Zukunft besonders mein Anliegen.

Und dann gibt es zahlreiche Einzelpersonen in verschiedensten Kontexten (Seminaren, Gemeinden etc.), die auf ihren Blogs manchmal Grundsätzliches und manchmal sehr Praktisches zum Thema verfassen. Besonders einflußreich sind hier wohl besonders Marlin Watling, der Pastor der Vineyard Heidelberg ist, Tobias Faix, der am Marburger Bibelseminar lehrt, Danny, der in Aschaffenburg Gemeindearbeit betreibt (und wenn er nix anderes zu tun hat, Seminararbeiten über die Emerging Church verfasst), Arne, der am Wikipedia-Artikel arbeitet, und dann noch Alex Kupsch und Daniel Hufeisen und Karl Karzelek und Tobias Künkler und HaSo und DoSi und wie sie alle heißen. Mit vielen diesen Blogs wird sich auch Simone Heidbrink in letzter Zeit auseinander gesetzt haben, denn sie verfasst momentan in Heidelberg eine Arbeit zum Thema “Ritualinnovationen der “Emerging Church” / “Alternative Worship-Bewegung“.

Was wird aus Emerging in Deutschland?

Kurz gesagt: Ich habe keine Ahnung und wahrscheinlich hat das zu diesem Zeitpunkt niemand. Dennoch einige Gedanken, die ich zur Diskussion stelle:

1) Zunächst: Ich glaube nicht, dass “Emerging” als Begriff und als Bewegung die Bedeutung in Deutschland erlangen wird, die sie in den USA hat. Das liegt aus meiner Sicht vor allem daran, dass sie insbesondere im (ehemals) evangelikalen Lager einflußreich ist und dieses ist in den USA einfach viel größer als in Deutschland. Wir brauchen uns auch nix vormachen - bisher hat nur ein verschwindend geringer Prozentsatz der deutschen Christenheit den Begriff “Emerging Church” überhaupt mal gehört (gar nicht zu sprechen davon, dass es kaum jemand gibt, der erklären kann, was damit gemeint ist).

2) Dennoch denke ich, dass wir eine Menge aus der ganzen Emerging-Diskussion lernen können, besonders wenn es um “missionales Denken” geht (diese Terminologie wird auch in amerikanischen Mainline-Kirchen eher verwendet als “emerging”, ist aber eng verwandt). Dann die Debatte über das Ende der konstantinischen Ära. Die Frage von Gemeindegründungen. Die Neuentdeckung von Missiologie und Ekklesiologie. Alles Themen, die im Zentrum der Emerging-Diskussion stehen und aus meiner Sicht für die deutsche Christenheit absolut dran sind. Vieles passiert schon in dieser Richtung und wenig davon nennt sich “emerging” und das ist auch in Ordnung so.

3) Mein Eindruck momentan ist, dass vieles im deutschsprachigen Raum noch etwas konfus verläuft. Es gibt mal hier eine Gemeinde, dort einen Blogger, irgendwo anders jemanden, der ein Buch von Alan Hirsch oder N.T. Wright liest, dann mal eine kleine Konferenz. Einerseits gefällt mir das: Es entstehen Beziehungen und Freundschaften, es gibt informelle Treffen, man tauscht sich online aus, alles verläuft sehr dezentral und das mögen emerging-Leute ja schließlich so. Andererseits frage ich mich, ob wir durch etwas mehr Struktur nicht noch mehr voneinander profitieren und gemeinsam lernen könnten. Ich weiß nicht, ob so was wie “Emergent Village” oder “Emerging UK” für Deutschland irgendwann dran ist oder das Schreiben eines Buches wie von Björn vorgeschlagen oder eine Vertiefung dessen, was vom forumGemeindeInnovation ausgegangen ist oder was auch immer … Vielleicht ist auch alles gut so, wie es ist, dass jeder einfach in seinem Bereich arbeitet und lebt und man sich ein bißchen über Blogs austauscht und ab und an mal trifft.

4) Mein Eindruck ist, dass viele sich momentan wünschen, dass aus der bisher stark intellektuell geprägten Debatte (zumeist von Theologen über die Frage geführt, was die Emerging Church denn nun eigentlich ist) die Brücke zur Praxis geschlagen wird. Beides ist natürlich wichtig - sorgfältiges theologisches Nachdenken und die tatsächliche Gemeindearbeit. Es scheint aber vielen so zu gehen, dass es bisher oft beim Ersteren geblieben ist (was auch nicht verwunderlich ist, denn so viele Jahre reden wir ja noch nicht über das Thema).

5) Aus meiner Sicht ist in Deutschland für viele von uns das Verhältnis von Landeskirche und Freikirche weitgehend ungeklärt. Man flüchtet sich oft in Auskünfte, dass beide irgendwie ihre Arbeit fürs Reich Gottes machen oder ignoriert sich weitgehend (außer in der Allianzgebetswoche, wo die frommen landeskirchlichen Gemeinden dann mitmachen). Als jemand, der in den letzten Jahren zwischen diesen beiden Welten gelebt hat und viele Bekannte in beiden Gruppen hat, wünsche ich mir von Seiten der Landeskirchler vor allem mehr Lernbereitschaft, von seiten der Freikirchler vor allem die Einsicht, dass immer noch zwei Drittel der Bevölkerung Kirchenmitglieder sind und das Potential und die Öffentlichkeitswirksamkeit der Volkskirche immens ist (zumindest im Vergleich zu den Freikirchen). Wenn wir von einer neuen Reformation der Kirche und der Christenheit im Hinblick auf Deutschland sprechen und träumen, sehe ich nicht, wie das momentan an den Großkirchen vorbei geschehen könnte, wenn man die Lage einigermaßen nüchtern betrachtet. Ich verstehe, dass nicht jeder meine lutherische Kirche so wie lieben kann wie ich es tue und es sogar Leute geben soll, die nicht Mitglied in ihr sein möchten - aber ich wünsche mir, dass wir aufeinanderzugehen und voneinander lernen. Und irgendwie scheint mir, dass dies gerade mit den Themen, die in der Emerging-Debatte obenauf sind, gut möglich sein könnte (es hat sich in der Vergangenheit gezeigt, dass ökumenische Zusammenarbeit meist dann gut funktioniert, wenn man an Themen gemeinsam arbeitet und nicht an und für sich und überhaupt über sich und das Verhältnis zueinander spricht).

Einladung zum Gespräch

So, falls ihr bis hierhin durchgehalten habt, würde ich sehr, sehr, sehr gerne mit Euch ins Gespräch kommen und dies ist nun mit Abstand der Beitrag in der kurzen Geschichte dieses Blogs, bei dem ich mich am allermeisten über Rückmeldungen freuen würde (vor allem im Vergleich zum eher unwichtigen Beitrag über Pastoren-Tatoos). Erstmal dürft ihr mir mitteilen, welche Fehler mir bei der schubladenmäßigen Beschreibung der gegenwärtigen Lage in Deutschland passiert sind. Außerdem, was und wen ich dabei Wichtiges übersehen habe. Und schließlich, was ihr euch für die Zukunft in Deutschland wünscht und wohin Eurer Meinung nach die Reise geht. Ob ihr das hier in den Kommentaren macht oder auf Euren Seiten finde ich ziemlich schnuppe - mir geht es um möglichst viele Stellungnahmen.

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