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Gott beruft keine Menschen ?


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Gott beruft keine Menschen
 
 
 
29. Juni 2022
 

 

Der Theologe Oliver Wintzek begründet in zwei Artikeln für das theologische Feuilleton feinschwarz.net, warum er Berufung für ein Willkürkonzept hält.

 

In der Bibel habe Jesus seine Jünger zur Nachfolge aufrufen können, meint Wintzek. Ein wirkliches Rufen Jesu sei heute nicht mehr möglich. Deshalb bleibe eine Berufung rein subjektiv. „Es geht nicht an, diese subjektiv vermittelte Gewissheit mit dem Etikett göttlicher Unfehlbarkeit zu versehen“, betont der Theologe.
 

Außerdem widerspreche eine Berufung dem freien Willen des Menschen. Als Alternative schlägt Wintzek eine selbst getroffene Entscheidung vor – mit Gründen wie zum Beispiel eigenen Interessen, die nicht auf einer subjektiven Gottesoffenbarung fußen. „Nicht Gott beruft, ich berufe mich auf ihn in meinem Lebensentwurf.“

 

 

Weiterlesen auf der Webseite von feinschwarz.net:

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#2
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Berufung – Plädoyer gegen ein Willkürkonzept

 

 

 

 

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Mit einer erstaunlichen Selbstverständlichkeit hat sich im kirchlichen Jargon die Rede von „Berufung“ etabliert. Oliver Wintzek reflektiert den Begriff theologisch kritisch.

 

Angesichts des grassierenden Personalmangels boomen diverse Stabsstellen für Berufungspastoral, werden Gebetsmobilmachungen organisiert und entsprechende Werkhefte in großer Zahl unter das Kirchenvolk gestreut. Offensichtlich ist man hierbei der unhinterfragten Meinung, dass es so etwas wie „Berufung“ gebe. Dabei geht es ebenso offensichtlich nicht um die fraglose Tatsache, dass wir alle mit hinreichenden Gründen Entscheidungen zu treffen haben, wie wir unsere Biographie im Rahmen unserer Möglichkeiten gestalten und vollziehen.

 

Stattdessen will „Berufung“ glauben machen, dass es so etwas wie eine göttliche Vorabentscheidung gibt, die es dann nur zu ratifizieren gilt. Dies dürfte jedenfalls implizit vorausgesetzt sein, auch wenn das Wortfeld bevölkert ist mit einer breiten Palette von Formulierungen, man habe etwa auf den Ruf Gottes zu hören, man müsse dem auf die Spur kommen, was der Wille Gottes für mein Leben sei, es gelte zu entdecken, welchen Plan Gott für mich gefasst habe.

 

Göttliche Vorabentscheidung.

 

Eine weitere unhinterfragte Selbstverständlichkeit kommt hinzu: Gott scheint es in seiner Vorabentscheidung besonders auf die Berufung zum Priestertum abgesehen zu haben, wobei man ihn irgendwie meint zusätzlich motivieren zu sollen, wenn man die genannten Gebetsmobilmachungen für bare Münze nimmt. Sie merken bereits, dass ich dem Konzept einer göttlichen Berufung skeptisch gegenüberstehe.

 

Ich werde im ersten Teil argumentieren, dass es als begründungshermeneutisch unterkomplex und zudem als autosuggestiv unkontrolliert gelten muss. Im zweiten Teil werde ich aufzeigen, dass geradezu machtmissbräuchlich diskriminierend ist. Dies gilt auch für das subkutan tragende theologische Fundament, das ich ans Licht heben werde: Berufung ist in letzter Konsequenz gnadentheologisch desaströs. Damit wir dann nicht auf einem traurigen Trümmerhaufen sitzen bleiben, werde ich abschließend eine Alternative zu dem bisherigen Willkürkonzept formulieren.

 

Der bisherige Aufriss in puncto Berufung, besonders Berufung zum Priesterberuf, findet sich in exemplarischer Weise etwa bei Joseph Ratzinger, dem der Ruf vorangeht, kein unmaßgeblicher Theologe zu sein. In entsprechender Sprachgestalt erfährt man wie folgt: „Priestertum kann man sich nicht selbst heraussuchen. Man kann es sich nicht ausdenken als eine Art, wie man in seinem Leben Sicherheit erlangen, sich sein Brot verdienen, eine soziale Stellung erreichen kann. Man kann es sich nicht einfach wählen als etwas, womit man Sicherheit, Freundschaft, Geborgenheit findet; wie man sich ein Leben bauen möchte. Es kann niemals bloß eigene Versorgung, eigene Wahl sein. Priestertum, wenn es recht ist, kann man sich nicht selbst geben, auch nicht selbst suchen. Es kann nur Antwort auf seinen Willen und auf seinen Ruf sein.“

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Priestertum kann man sich nicht selbst heraussuchen.

 

Stellt man sich die Frage, woher die Kenntnis dessen rührt, dass es eine Berufung seitens Gottes gebe, werden in aller Regel biblische Exempla angeführt. Es ist unbestritten, dass die biblischen Narrative mit diesen aufwarten können. Herausragende Gestalten sind in der erzählten Welt göttlich auserwählt, ihre Kunde damit göttlich beglaubigt, sie fungieren als Werkzeuge Gottes, womit ihr Wirken und Wort Gott selbst repräsentiert. Dies kann sich bis zu der Vorstellung steigern, diese Erwählung gelte bereits vom Mutterschoße an, sie sei samt und sonders ganz Gottes Werk und diene zur Realisierung seines göttlichen Planes.

 

Berufung – begründungshermeneutisch unterkomplex.

 

Strittig ist indes, ob diese erzählten Welten als Blaupause für tatsächliche Begebenheiten taugen, ob nicht eine kritische Entmythologisierung längst das Gebot der Stunde hätte sein müssen. Die nachträgliche erzählerische Stilisierung religiöser Prägegestalten ist das eine, die real erwartbaren Gegebenheiten einer im positiven Sinne entzauberten Welt bar jeglicher Leichtgläubigkeit sind das andere. Die erwartbare Fokussierung von Berufung auf die Berufungsgeschichten der Schülerinnen und Schüler Jesu bereitet auf der Ebene der faktischen Rekonstruktion kein sonderliches Problem:

 

Der Nazarener rekrutiert seine Anhängerinnen und Anhänger. Wird im gegenwärtigen Berufungsjargon auf einen Ruf Jesu abgehoben, bereitet dies ersichtlich denkerische Schwierigkeiten. Zum einen verlagert sich die göttliche Kompetenz auf die Gestalt Jesu, was christologisch zumindest fragwürdig ist. Zudem stellt sich die Frage, wie es um die Gegenwärtigkeit des rufenden Jesus jenseits der eingeübten Formulierungen bestellt sein soll, er sei als der Auferstandene im Geist gegenwärtig,

 

Bei diesem ersten Kritikgang bleibt als These festzuhalten, die Annahme einer göttlichen Berufung fußt auf einer unkritischen Verwechslung biblischer Erzählwelten mit der realen Welt, suggeriert zudem eine wundersame Ausnahmeaktion Gottes, auf die zu hören sei, die zudem mit einer mehr als fragwürdigen Präsenz Jesu operiert. Da es sich natürlich nicht um ein akustisches Vernehmen eines Rufes handelt, denn so viel Mythologemes wäre dann doch zu viel des Guten, bleibt nur ein inneres Vernehmen oder inneres Gewahrwerden, was indes mit weiterreichenden Problemen einhergeht.

 

Unter der Voraussetzung, es gäbe eine geplante Erwählung seitens Gottes, der auf die Spur zu kommen sei, verlagert sich Berufung auf die subjektive Seite. Diverse Kriterienkataloge, worauf man hier achtsam zu sein habe, können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die unterstellte Objektivität der göttlichen Lebensberufung eine subjektive Interpretationsleistung darstellt. Das Problem liegt nicht in der unvermeidlichen Tatsache des Subjektiven, sondern in der Überbeanspruchung einer zu erringenden Gewissheit, für die es keine Kontrollkriterien gibt.

 

Berufung – autosuggestiv unkontrolliert.

 

Es ist unstrittig, dass eine gläubige Lebensinterpretation und Lebensperspektive immer nur die Leistung des Subjektes ist, das sich hoffend auf Gott bezieht und dies als dialogisches Geschehen ausdeutet. So gewiss sich das auch darstellen mag, so sehr ist doch darauf zu insistieren, dass dabei die grundlegende Fraglichkeit Gottes nicht vergessen werden darf. Gewiss mag die gläubige Bezugnahme auf Gott sein, ungewiss bleibt die Realität Gottes. Um diese Unterscheidung zu wissen und sie aufrecht zu erhalten, ist ein Gebot der Selbstaufklärung und der theologischen Redlichkeit. Es geht nicht an, diese subjektiv vermittelte Gewissheit mit dem Etikett göttlicher Unfehlbarkeit zu versehen.

 

Genau dies ist allerding die lauernde Gefahr, wo Berufungserlebnisse legitimationstheoretisch stark gemacht werden, wo etwa die behauptete Berufung zum Priestertum als göttlich abgesicherter Entscheid für das Leben irritationsresistent gültig sein soll. Ich sehe hier eine lauernde Gefahr in der gängigen Berufungspastoral, die einer solchen pseudoobjektiven Gewissheit Vorschub leistet. Sie leitet an, den Willen Gottes für das Leben finden zu sollen, der sodann seine subjektive Interpretationsleistung im Ergebnis vergessen lässt und sich als göttlich legitimiert verstehen will.

 

Dabei muss dies gar nicht nur systemstützend die exklusive Priesterberufung meinen, sondern kann auch geradezu ein revoltierendes Potential entfalten, wo es sich um Glaubens- und Lebenszeugnisse von Frauen handelt. Diese bringen ihre vermeintlich objektiv gesicherten Berufungserfahrungen gegen eine patriarchalisch eingegrenzte Berufungskontrolle in Stellung. Die beeindruckende und bewegende Zusammenstellung revoltierender Wortmeldungen von Frauen hinsichtlich ihrer priesterlichen Berufungen unter dem Titel „Weil Gott es so will“ ist ein beredtes Zeugnis dafür, dass die auf Männer zugeschnittene Berufungspastoral gewissermaßen die Geister nicht loswird, die sie gerufen hat.

 

Hat man einmal die subjektive Seite aus Letztinstanz göttlicher Berufung stark gemacht, darf man sich nicht wundern, wenn dies nun universalisiert wird und auch durch den kläglichen Einspruch, Frauen könnten nicht von Gott zum Priestertum berufen werden, nicht mehr verhindert werden kann. Gleichwohl ist damit das theologische Problem des zugrunde gelegten Berufungskonzeptes mitnichten behoben. Es bleibt dabei, dass es als autosuggestiv und unkontrollierbar dechiffriert werden muss.

 

Teil II am 23. Juni 2022 …

__

Text: Oliver Wintzek, Prof. Dr. theol., Lehrstuhl für Dogmatik und Fundamentaltheologie an der Katholischen Hochschule Mainz.

Bild: 

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 Pixabay.


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Berufung (Teil II)

 

 

 

 

Berufung-1024x732.jpg Gerd Altmann, Priester-Kreuzen-Glauben, Pixabay

 

 

Oliver Wintzek setzt sein Plädoyer gegen ein Willkürkonzept vom gestrigen Tag fort.

 

Ein subjektives Berufungsbewusstsein kann selbst nicht dergestalt kontrolliert werden, ob ihm ein realer göttlicher Grund entspricht. Nimmt man es dennoch für bare Münze, verböte sich zudem eine äußere Kontrolle durch Dritte. Diese wäre letztlich anmaßend und verginge sich an der Berufungshoheit Gottes. So weit geht es angesichts innerkirchlicher Reglementierungen nun in der Tat nicht. Es gibt hier gewissermaßen eine Wahrheitskommission, die autoritativ über die Gültigkeit einer Berufung entscheidet. Nicht nur, dass sie Frauen in grundsätzlicher Weise eine priesterliche Berufung abspricht, sondern sie setzt sich auch über die gewissermaßen herangezüchtete subjektive Berufungsgewissheit hinweg. Die zahlreichen aus den Priesterseminaren entlassenen Alumnen können hiervon ein Lied singen.

Berufung – machtmissbräuchlich diskriminierend.

Es geht mir hier nicht darum zu fragen, ob und inwieweit solche Entscheidungen berechtigt sind. Positiv ist zu vermerken, dass es sich hier im Idealfall um begründete Entscheidungen handelt, die sich an kontrollierbaren Kriterien orientieren, etwa was soziale Kompetenz, kritische Loyalität zur Kirche und nicht zuletzt theologische Kenntnisse anbelangt. Erfreulich ist dies alles insofern, als dass hier die übernatürliche Ebene des theologisch Vagen und Strittigen eines berufenden Gottes verlassen wird, und es stattdessen mit natürlichen Dingen zugeht.

 

Es wäre in höchstem Maße wünschenswert, wenn namentlich die Ausschlusskriterien, was die Zulassung von Frauen zum Priestertum angeht, theologisch entzaubert würden. Die theologische Redlichkeit verlangt es, die reichlich wackeligen Konvenienzargumente als das zu dechiffrieren, was sie sind, nämlich zeitgebundene Annahmen, die nicht für sich in Anspruch nehmen können, göttlich legitimiert zu sein. Der Versuch, diese dem kritischen Diskurs dadurch zu entheben, dass man sich auf die Immunisierungsstrategie zurückzieht, die Kirche habe keine Vollmacht, lässt einen bestenfalls ratlos zurück.

 

Spiegelverkehrt zur gewissermaßen unfehlbar aufgeladenen Berufungssubjektivität tritt hier eine Berufungsverweigerung lehramtlicher Art, die ebenso unkontrollierbar ist, mag sie sich auch noch so sehr durch eine übernatürliche göttliche Infomationspolitik absichern wollen. In willkürlicher Weise, durchaus machtmissbräuchlich und diskriminierend entbirgt sich hier eine Bezugnahme auf den göttlichen Willen, der sich den Standards freier Selbstbestimmung und der Verpflichtung nachvollziehbarer Argumentation widersetzt und sich stattdessen auf die Ebene göttlicher Uneinsehbarkeit verlagert – nach dem Motto: Wer wären wir Menschen, dass wir die göttlichen Willensentscheide und seine Gnadenwahl zu beurteilen hätten.

 

Berufung – gnadentheologisch desaströs

Die Berufung auf ein göttlich verbürgtes Sonderwissen, die Berufung auf ein unfehlbares Gewahrwerden, was der göttliche Wille für das Leben erheischt, die zu suchende Absicherung der ungewissen Lebensläufe durch eine vorverfügte Planung Gottes haben ihren theologischen Nukleus in einer bestimmten Form der Gnadenlehre. Für den Kenner und die Kennerin stellt dieser dogmatische Traktat über weite Strecken eine Quadratur des Kreises dar. Menschliche Autonomie – Freiheit – und göttliche Heteronomie – Gnade – sollen hier kombiniert werden. Die immer subtiler gewordenen Gnadensysteme offenbaren, dass dies nicht so recht gelingen will, worüber auch eine vernebelnde Theologensprache nicht hinwegzutäuschen vermag. Die letzte Ausflucht ist dann stets der Verweis auf das göttliche Geheimnis, womit nichts erklärt wird.

 

Ich äußere den Verdacht, dass die Vorstellung einer göttlichen Berufung sich die desaströsen Konsequenzen der schon im Ursprung falsch justierten Gnadentheologie nolens volens einkauft und einkaufen muss. Seit den Tagen des Augustinus, des doctor gratiae oder des Erfinders der Gnadenlehre, betont die westliche Theologie in unterschiedlicher Vehemenz den Vorrang und die Unwiderstehlichkeit der Gnade. Sie – so ein dogmatischer Spitzensatz – wirke in uns ohne uns, sie bewege mich, ohne dass ich mich selbst bewege. Es sei allein Gottes Walten anheimgestellt, welcher Mensch erwählt und welcher verworfen wäre.

 

Selbst eine freie gläubige Bezugnahme auf Gott wäre nicht eigentlich Werk des Menschen, sondern Werk der göttlichen Gnade – in uns ohne uns. Bezogen auf das zunächst harmlos klingende, wenn auch oben bereits kritisch sezierte Berufungskonzept hieße dies, dass auch das angemahnte Suchen nach der göttlichen Bestimmung für das Leben von Gott bestimmt, initiiert und geleitet wäre. Es hieße fernerhin, dass von einer freien Lebenswahl nicht die Rede sein könne, dass vielmehr eine souveräne Vorherbestimmung seitens Gottes anzunehmen wäre, die ihrerseits wiederum undurchschaubar wäre, selektiv, entmündigend und letztlich willkürlich. Es ist nicht so, dass die desaströsen Konsequenzen für das Gottes- und Menschbild von der theologischen Tradition nicht gesehen wurden, doch opferte man lieber die menschliche Freiheit, statt dass man die universale Bestimmungsmacht Gottes hinterfragte.

 

Die enigmatischste Variante der gnadentheologischen Quadratur des Kreises findet sich etwa bei Thomas von Aquin und hat bis in die Gegenwart ihre theologischen Vertreterinnen und Vertreter – ich gehöre nicht dazu. Gott bewege uns gnadenhaft so, dass wir uns selbst bewegen können, seine Fremdbestimmung meint meine Eigenbestimmung, je heteronomer ich von Gott her bin, desto autonomer bin ich. Berufung wäre göttliches Diktat unter dem Anschein der eigenen Biographie, Entmündigung des Selbst. Aber „antworte“ ich hier dann eigentlich noch?

Berufung – willentlich aus Gründen.

Ich komme zur angekündigten Alternative. Priestertum kann man sich selbst heraussuchen. Man kann es sich ausdenken als eine Art, wie man in seinem Leben Sicherheit erlangen, sich sein Brot verdienen, eine soziale Stellung erreichen kann. Man kann es sich wählen als etwas, womit man Sicherheit, Freundschaft, Geborgenheit findet; wie man sich ein Leben bauen möchte. Es kann niemals bloß eigene Versorgung, eigene Wahl sein, denn diese Wahl erfolgt ja nicht im luftleeren Raum.

 

Sie ist motiviert, weil man gerne Seelsorgerin oder Seelsorger ist, weil man gerne sozial-caritativ tätig ist, weil man gerne die uralten Gottesgeschichten weitererzählt und im Heute bewährt, weil man gerne gottesdienstliche Erinnerungsgemeinschft pflegt, weil man gerne das göttliche Lebenspotential lebendig hält, weil man gerne wissbegierig in der theologischen Wissenschaft unterwegs ist. Dazu braucht es keine übernatürlich-unfehlbare Gottesplanung über meinen Kopf hinweg – und darf es auch nicht geben. Dazu darf es Gott nicht als Movens geben, der mich ohne mich bewegt, dazu reicht es, Gott als Motiv für meine Biographie zu wählen – mit Gründen, willentlich, nicht, weil Gott es vermeintlich für mich will oder immer schon gewollt hat.

Gott ist keine fixe Größe.

Dem Personalmangel in der Kirche wird nicht durch Gebete um Berufungen abgeholfen, sondern durch grundlegende Reformen, die die Sozialgestalt Kirche inhaltlich wie strukturell mit der Gegenwart, ihren ungeahnten Möglichkeiten freier Entfaltung, ihren aufgeklärten Wissenswelten und ihrem nicht versiegten Sinnbedürfnis versöhnen und korrelieren. Gott ist keine fixe Größe, sondern ein unendlich andockfähiges Sinnpotential, ein attraktives Motiv, ein Warnschild vor ideologischen Verkennungen einer offenen Zukunft, ein unendliches Gerücht, das den Menschen in Atem hält und atmen lässt.

Das kann man wollen, begründet und begründbar wollen – in der Haltung theologischer Bescheidenheit, dass der prinzipiell strittige Gott sich im Leben bewährt. Gott wäre so nicht willkürlich wählend, sondern ich wählte ihn willentlich. Nicht Gott beruft, ich berufe mich auf ihn in meinem Lebensentwurf. Ich sehe nicht, warum auch ein solchermaßen gesuchtes Priestertum nicht recht wäre, es wäre Antwort auf dieses göttliche Motiv, das ich für das Leben will. Das müssten prinzipiell alle wollen können.

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Text: Oliver Wintzek, Prof. Dr. theol., Lehrstuhl für Dogmatik und Fundamentaltheologie an der Katholischen Hochschule Mainz.

Bild: 

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