Charismatisches Phänomen Hammersegen: Wie freiwillig ist das „Ruhen im Geist“?
Veröffentlicht: 2. November 2021 | Autor: |
Von Felizitas Küble
Seit Ende Ende der 80er Jahre befasse ich mich kritisch mit dem sogenannten „Ruhen im Geist“, einem Vorgang, den es auch in anderen Religionen und „Spiritualitäten“ gibt, der in der Neuzeit und innerhalb des Christentums aber erst mit dem Aufkommen der protestantishcen Pfingstbewegung Anfang des 20. Jahrhunderts größere Aufmerksamkeit erregte und eine zumehmende Breitenwirkung entfaltete.
In der katholischen Kirche hingegen war dieses Phänomen eines tranceartigen Rückwärtskippens, das von seinen Verehrern als Heilig-Geist-Erfahrung verherrlicht wird, bis Ende der 60er Jahre so gut wie völlig unbekannt.
Erst mit dem Entstehen der katholischen „Charismatischen Erneuerung“ drang diese angebliche „Taufe im Geist“ auch in entsprechende katholische Gruppen und Kreise ein. In den USA bezeichnet man das Phämomen durchaus trefflich als „Slain in the Spirit“, wörtlich übersetzt: Erschlagenwerden im Geist.
Für mich war stets klar, daß dieses Erlebnis eines stark eingeschränkten oder gar völlig darniederliegenden Wachbewußtseins kein von Gott bewirkter Vorgang sein kann, denn der Geist des Ewigen setzt Verstand, Vernunft und Bewußtsein, die ER selber im Menschen erschaffen hat, nicht außer Kraft und beeinträchtigt sie auch nicht.
Zu den Sieben Gaben des Hl. Geistes zählt die katholische Kirche ganz nüchtern und mit Rückgriff auf biblische Aussagen auch die „Gabe des Verstandes“ sowie der „Einsicht“ bzw. der „Erkenntnis.“
Durch die Firmung werden wir durch die Gnade Gottes in diesen Gaben bestärkt und gefestigt. Es ist noch nie (!) in der 2000-jährigen Kirchengeschichte vorgekommen, daß jemand beim Empfang dieses Sakramentes gleichsam wie ohnmächtig nach rückwärts gefallen wäre – natürlich ebensowenig bei einer Taufe (auch nicht bei einer Erwachsenentaufe) oder etwa einer Priesterweihe.
Es handelt sich somit beim charismatischen „Ruhen im Geist“ um ein fremdartiges Phänomen, das freilich etwa im Hinduismus als „Shakti Pat“ seit Jahrhunderten bekannt ist und auch praktiziert wird.
Nachdem dieser „Hammersegen“, bei dem Menschen plötzlich auf den Boden fallen, auch in der katholischen Kirche immer stärkere Ausmaße annahm und vor allem durch charismatischen Gruppen in Medjugorje und entsprechende „Gebetsgruppen“ befeuert wurde, meldeten sich im Laufe der Zeit immer mehr Betroffene bei mir, bei denen dieses „Erschlagenwerden im Geist“ – vor allem, wenn es öfter vorkam – zu großen seelischen, spirituellen und bisweilen auch psychosomatischen Verstörungen und Problemen führte. Meist handelte es sich dabei um Frauen mittleren Alters.
Auch vor drei Tagen berichtete mir wieder eine Geschädigte von dem mehrmaligen Rückwärtskippen, das ihr u.a. bei dem indischen Heilungsprediger James Manjackal, bei Alan Ames, bei Sr. Margarita Valappila und in Medjugorje bei Pater Zovko widerfahren ist. Hinsichtlich dieser vier „Heiler“ weiß ich auch durch andere Aussteiger, daß sie fleißig diesen schwarmgeistigen „Hammersegen“ verteilen.
Die Familienmutter aus dem Bistum Freiburg erläuterte aus ihrer Erfahrung heraus (was ich ähnlich auch von anderen Betroffenen erfuhr), dass sie seitdem in ihrer seelischen „Fitness“ sehr nachgelassen habe, daß sie innere und äußere Erschöpfungszustände erlebte, die sie vorher nicht kannte.
Durch die Lektüre kritischer Artikel hier im CHRISTLICHEN FORUM über dieses „Ruhen im Geist“ seien ihr erst die Augen vollends aufgegangen. Sie habe schon vorher Bedenken bekommen, insbesondere deshalb, weil sie bei einem „Heilungsgottesdienst“ mit Pater Manjackal im Grunde gegen ihren Willen in Trance gefallen sei – ähnlich einer Hypnosewirkung.
Das habe ihr sehr zu denken gegeben: Kann denn ein Geschehnis, das ohne ihre innere Zustimmung erfolgt, von dem man regelrecht „erschlagen“ wird, wirklich vom Heiligen Geist gewirkt sein? Ist der Geist Gottes nicht ein Geist der Freiheit, wie die Bibel immer wieder betont?
Diese Betroffene ist nicht die erste, die sich und anderen diese Frage stellt.
Mir berichtete ein katholischer Kaplan schon vor vielen Jahren, was er einst in Medjugorje – übrigens ebenfalls bei einer Zusammenkunft mit Pater Zovko – erlebte: Obwohl er weit hinten in der Kirchenbank stand, konnte er sich, als der Geistliche seinen „charismatischen“ Heilungssegen spendete, nur mit Mühe noch aufrechterhalten: Er mußte sich innerlich wie gegen eine Art „Fernstrahlung“, gegen eine starke Kraft wehren, was ihm nur gelungen sei, indem er sich mit letzter Willenskraft an der Kirchenbank festhielt und dann sofort den Raum verließ.
In einer evangelischen Zeitschrift las ich einen ähnlichen Erlebnisbericht: Ein junger Mann war kritisch und hielt nichts von „charismatischen Umtrieben“. Dann ging er gefälligkeitshalber mit einem Bekannten zu einer pfingstlerischen Veranstaltung. Dort wurde eifrig der „Hammersegen“ verteilt – und auch er kippte um. Dies bewirkte, da es sich „sehr schön“ und „harmonisch“ angefühlt habe, daß er immer tiefer in die charismatische Szene geriet. Erst Jahre später erkannte er die irrgeistigen Phänomene und verabschiedete sich davon.
Man darf bei all dem nicht vergessen, daß in solchen „Heilungs“-Seminaren häufig auch ein gewisser Erwartungsdruck aufgebaut wird, was letztlich manipulativ ist und den geistlichen Missbrauch begünstigt.
So erfuhr ich z.B. von Besuchern der Veranstaltungen im charismatischen „Haus Raphael“ (es ist kirchlich nicht anerkannt!), daß dort in Predigten und Vorträgen erklärt werde, das „Ruhen im Geist“ sei ein großartiger „Durchbruch des Heiligen Geistes“, es sei so, wie wenn man gleichsam „Jesus in den Schoß falle“ und dort in himmlischer Geborgenheit „ruhen“ dürfe usw…
Eine Bekannte, die sich dort zwar „absegnen“ ließ, aber eigentlich nüchtern war und mit „diesen Dingen“ nichts am Hut hatte, wurde von dem charismatischen Priester gefragt: „Wollen Sie nicht umfallen?“ – Sie blieb trotzdem stehen. Eine Freundin aus Münster erlebte bei einer ähnlichen Zusammenkunft, wie ein „Heilungsprediger“ ihr gegen die Stirne drückte, um ein Umfallen zu begünstigen. Die Dame blieb trotzdem aufrecht stehen.
Man sollte sich aber nicht vorwitzig auf die Devise verlassen: „Wenn ich es nicht will, dann kippe ich auch nicht um.“ – Das kann zwar gutgehen, aber auch daneben, wie ich aus jahrzehntelanger Erfahrung mit Aussteigern weiß.
Gerade in geistlichen Dingen dürfen und sollen wir nicht mit dem Feuer spielen, sondern nüchtern und wachsam bleiben. Hier gilt außerdem das Wort Christi, das er dem Satan in der Wüste entgegenhielt: Du sollst den HERRN, deinen Gott, nicht versuchen!