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Judith Ulmer ist Gender-Beauftragte(r) am Hölderlin-Gymnasium


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Judith Ulmer ist Gender-Beauftragte® am Hölderlin-Gymnasium

 

 

 

 

Warum die Arbeit so wichtig und wieso Offenheit nicht gleich Akzeptanz ist - "Das Thema gehört in die Schulen"

 

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Seit 2016 ist Judith Ulmer Genderbeauftragter am Hölderlin-Gymnasium in der Altstadt. Ihr geht es darum, dass die Menschen so sein dürften, wie sie sind, sagt sie. Foto: Philipp Rothe

 

 

Von Philipp Neumayr

 

Heidelberg. Deutsch und Geschichte: Das ist die Fächerkombination, die Judith Ulmer (45)

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unterrichtet. Seit dem Schuljahr 2016 ist sie zudem als Gender-Beauftragter an der Schule tätig. Ulmer selbst sagt, die männliche Form sei ihr am liebsten. Sie ist genderfluid und homosexuell. Ein Gespräch über den Sinn und Unsinn von Kategorisierungen und darüber, warum es wichtig ist, dass auch Kinder und Jugendliche die ganze Vielfalt der sexuellen und geschlechtlichen Identität kennenlernen.

 

Frau Ulmer, darf ich Sie eigentlich Frau Ulmer nennen oder wie sollte ich Sie am besten ansprechen?

 

Das dürfen Sie machen, wie Sie wollen. Ich erwarte von niemandem, dass er mich spontan richtig einordnet. Ich selbst benutze eigentlich nie die weibliche Form, und nenne mich etwa auch Lehrer und nicht Lehrerin.

 

Sie sind genderfluid. Können Sie das bitte kurz erklären?

 

Ich finde mich weder in dem einen noch in dem anderen Geschlecht wieder, kann mich weder mit dem von der Gesellschaft entwickelten Frauen- noch mit dem entgegengesetzten Männerbild identifizieren. Das ist, als ob man Gelb und Blau miteinander mischt und es entsteht etwas Drittes, eine neue Farbe – in dem Fall Grün.

 

Was halten Sie von der Debatte über die richtige Benennung unterschiedlicher sexueller Zugehörigkeiten und geschlechtlicher Identitäten?

 

Wir haben heutzutage zum Glück viele Kategorien, die Unterschiedliches benennen und helfen, neu zu denken und einzuordnen. Aber diese Kategorien sollten nicht dogmatisch verwendet werden. Die Beschäftigung mit dem Thema sexuelle und geschlechtliche Vielfalt darf nicht nur über die Bezeichnung führen. Was bringt mir ein drittes Klo, wenn sich die Leute dennoch weiter gegenseitig die Köpfe einschlagen? Für mich sind die Kategorien kein Glaubensbekenntnis. Mir geht es vor allem um die Inhalte, darum, dass die Menschen sein dürfen, wie sie sind.

 

Wie genau sehen die Inhalte ihrer Funktion als Genderbeauftragte beziehungsweise Genderbeauftragter aus?

 

Meine Aufgabe ist es, allen Schülerinnen und Schülern, Eltern, Lehrern und Referendaren als Ansprechpartner zur Verfügung zu stehen, die Fragen rund um das Thema Homo- , Bi- oder Transsexualität haben, die auf der Suche nach ihrer eigenen sexuellen Identität sind. Ich stehe Schülern zur Seite, die Angst haben, sich zu outen, Eltern, die nicht wissen, wie sie mit ihrer lesbischen Tochter umgehen sollen, und Kollegen, die fragen, wie sie ein Transgender-Kind im Unterricht am besten ansprechen. Da gibt es von allen Seiten noch immer viele Berührungsängste.

 

Wie kam es überhaupt dazu, dass Sie sich dieses Themas annahmen?

 

Den Ausschlag gab ein spontanes Gespräch in einer meiner Klassen, die sich über das Thema Bi- und Homosexualität gestritten hat. Ich habe das Ganze verfolgt und gemerkt, dass eine Schülerin dabei stark in die Verteidigungsrolle geriet. Ich habe es später im Unterricht aufgegriffen, habe sachlich mit den Schülern gesprochen und gespürt: Das ist ein wichtiges Thema, das die Jugendlichen gerade in der Pubertät stark beschäftigt, aber in der Schule eigentlich in keinem Fach richtig thematisiert wird.

 

Sie sind vermutlich die erste Person, die eine solche Position an einer Schule ausfüllt – zumindest in Baden-Württemberg. Braucht es diese Tätigkeit nicht an allen weiterführenden Schulen?

 

Seit dem neuen Bildungsplan aus dem Jahr 2016 zählt in Baden-Württemberg die Bildung für Toleranz und Akzeptanz von Vielfalt, auch von geschlechtlicher Identität und sexueller Orientierung, zu den Leitperspektiven. Jede Schule ist also verpflichtet, in diesem Sinne zu wirken. Ich finde wichtig, dass das Thema auch und vor allem aus der Schule heraus angesprochen wird und nicht allein von außen, durch externe Beratungsstellen etwa. Deren Arbeit ist wichtig, aber das Thema gehört in die Schulen, weil sie ein wichtiges Lebensumfeld für Kinder und Jugendliche darstellen.

 

Warum sollten sich auch schon Kinder und Jugendliche mit dem Thema auseinandersetzen?

 

Zum Leben der Kinder und Jugendlichen gehört nun einmal auch die sexuelle Orientierung und die sexuelle Identität. Jeder zehnte Jugendliche in Deutschland ist schwul, lesbisch, bisexuell oder trans*. Das ist eben keine Randgruppe und das war schon immer so. Angesichts dessen ist es schlimm, wie wenig präsent dieses Thema in den Schulen ist, dass es dort noch immer eine Art Tabu darstellt.

 

Was antworten Sie denjenigen Menschen, die ihrer Arbeit nichts abgewinnen können, die dahinter eine Gender-Ideologie vermuten?

 

Ich will keine Gräben auftun, ich bin kein Aktivist und auch keine Jeanne d’Arc. Es geht ja nicht darum, die Kinder umzupolen und sie in eine Richtung zu drängen, sondern darum, ihnen ein Spektrum aufzuzeigen, in dem sie sich dann selbst verorten können.

 

Wie nehmen Schülerinnen und Schüler, Kolleginnen und Kollegen sowie Eltern Sie und ihre Tätigkeit wahr?

 

Sehr unterstützend und mit viel Respekt. Bisher habe ich nur positive Rückmeldungen erhalten. Es ist zwar noch immer nicht so, dass ich mich total locker vor Schüler und Eltern setze und an meinem Beispiel über das Thema spreche, das ist ja auch etwas sehr Persönliches, aber ich bin eben der Meinung, dass es diese Arbeit braucht. Ich habe in diesem Kontext noch nie Diskriminierung erfahren. Das motiviert mich, weiterzumachen.

 

Wo stehen wir hierzulande als Gesellschaft hinsichtlich der Akzeptanz und Vielfalt unterschiedlicher sexueller und geschlechtlicher Lebensformen?

 

Die gesellschaftliche Ignoranz ist ein großes Problem. Viele Betroffene werden noch immer nicht genug gesehen. Sie kommen einfach nicht vor. Man sieht zwar schon eine gewisse Sensibilisierung gegenüber dem Thema Homosexualität. Das liegt aber auch an einer politischen Korrektheit, die nach außen getragen wird. Mit dem Denken und Fühlen verhält es sich dagegen oft anders. Die Offenheit hat grundsätzlich zugenommen, die Akzeptanz meines Empfindens nach aber oft noch nicht. Hier kann man nur an den gesunden Menschenverstand appellieren. Vielfalt anzuerkennen hat viel mit dem Respekt gegenüber seinen Mitmenschen zu tun.

 

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