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AHMADINEDSCHAD IN NEW YORK


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AHMADINEDSCHAD IN NEW YORK





"Fahr zur Hölle"



Von Marc Pitzke, New York

Der Auftritt geriet zum Spießrutenlauf: Bei seiner Rede vor New Yorker Studenten erntete Irans Präsident Ahmadinedschad Buhrufe und Hohngelächter - und wurde vom Uni-Präsidenten auf Maß gestutzt.


New York - Das US-Verfassungsrecht auf Meinungsfreiheit liegt Lee Bollinger am Herzen. Der Präsident der New Yorker Columbia University gilt als Eminenz für "free speech". Er hat mehrere Bücher zu dem Thema geschrieben, eines trägt den Titel "Die tolerante Gesellschaft". Niemand, schrieb er, verteidige freie Rede so wie die USA - selbst wenn diese Rede "extremistisch" sei. Was die Frage aufwerfe: "Wie weit darf das gehen?"

Wie weit, das bewies Bollinger gestern selbst: Er hat Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad eingeladen, an der Universität zu sprechen. Dafür hat sich Bollinger reichlich Ärger eingehandelt, inklusive Demonstrationen und Rücktrittsforderungen.

Zu Unrecht, wie sich zeigte: Bevor Ahmadinedschad seine gewohnt blumige Brandrede halten konnte, wurde der Iraner vom Uni-Präsidenten begrüßt: "Mr. President", donnerte Bollinger an die Adresse Ahmadinedschads, der in seinem typischen, sandfarbenen Sakko steif lächelnd auf der Bühne des Auditoriums saß: "Sie legen alle Merkmale eines engstirnigen, grausamen Diktators zu Tage."

"Das Böse ist gelandet"


Ein Raunen ging durch den Saal. Ahmadinedschad runzelte die Stirn, doch Bollinger war noch längst nicht fertig. Er geißelte Irans "Regime" für seine "brutale Unterdrückung" von Frauen und Schwulen, die "Hetzreden" gegen Israel, die Terrorhilfe, die Atomgelüste. "Entweder sind Sie sind schamlos provokativ oder erstaunlich ungebildet." Nichts ließ er aus, auch die "absurde" Holocaust-Lüge nicht: "Damit machen Sie sich, ehrlich gesagt, lächerlich", schmetterte Bollinger ins Mikrofon. Dann überließ er seinem Gast das Podium.

So kann sich Ahmadinedschad das kaum vorgestellt haben. Zur Eröffnung der Uno-Vollversammlung in Manhattan hatte er offenbar eine ähnliche PR-Tournee geplant wie im vergangenen Jahr, als er in New York huldvoll-samtzüngige Pressekonferenzen gab und vom Council on Foreign Relations, einer renommierten Denkfabrik, bestimmt, aber höflich in die Zange genommen wurde.

Diesmal ließen ihm die New Yorker keine Möglichkeit zu kruden Reden. Da erfuhr Ahmadinedschad schon bei der Ankunft. "Evil has landed", "das Böse ist gelandet", schlagzeilte die "Daily News", ihn kurzum "Hitler" nennend. Die "New York Post" verpasste ihm den Titel "Unehrengast". Nur das "New York Magazine" sah das Ganze lockerer: "Ahmadinemania!"

Schon vor Ahmadinedschads Dreitagestrip - sein Visum ist begrenzt auf einen 40-Kilometer-Radius um die Uno - hatte es Zoff gegeben. Der Iraner hatte den Wunsch geäußert, Ground Zero zu besuchen - doch die Visite untersagte Polizeichef Ray Kelly, mit der Begründung "öffentlicher Sicherheit".

Selbst Schäuble geriet in den Sog

Lokalpolitiker kündigten an, die Uni-Ansprache zu boykottieren. Allen voran Bürgermeister Michael Bloomberg: "Mich interessiert nicht, was er sagt." Es half wenig, dass sich Ahmadinedschad im vorab aufgezeichneten CBS-Interview als Friedenstaube geriert hatte. (mehr...)

So suchte er in New York zunächst bei gleichgesinnten Landsleuten Zuspruch. Am Sonntagabend traf er - unter Ausschluss der Öffentlichkeit - in einem Ballsaal des Hiltons Exil-Iraner, handverlesen von der Botschaft. Nach Angaben von Teilnehmern leugnete er dabei erneut jegliches Begehr nach der Atombombe: "Warum sollten wir eine Bombe haben? Das hilft uns nicht."

Am frühen Mittag dann setzte er sich mit den Mitgliedern des National Press Clubs in Washington zum Lunch zusammen - aus sicherer Entfernung, per Videoschaltung. Auch hier wenig Neues: übliche Fragen, übliche Nicht-Antworten. Und diese Attacke: "Wir erheben Einspruch gegen die Art, wie die US-Regierung die Welt zu steuern versucht. Wir halten sie für falsch. Wir finden, sie führt zu Krieg, Diskriminierung und Blutvergießen."

Selbst Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble, zu Besuch in Washington, wurde zum Thema befragt. Nach einer Rede beim German Marshall Fund wurde er gefragt, was er persönlich von Ahmadinedschad halte. "Wenn er mich fragt, werde ich ihm sagen, dass ich ihn nicht mag", antwortete Schäuble. "Sonst werde ich ihn ignorieren."

Er ist ein Hassprediger!", ruft der jüdische Rentner Albert Marshak. "Ich will aber hören dürfen, was er sagt!", brüllt der Columbia-Absolvent Jacob Sabat zurück

Den Zündler zu ignorieren, schien den New Yorkern das falsche Rezept: Schon früh marschierten Hunderte Demonstranten vor dem Campus der "Ivy-League"-Uni in Morningside Heights im Norden Manhattans auf. Das Haupttor am Broadway wurde zur "Speakers' Corner" für Gegner und Vasallen Ahmadinedschads - wie Bollingers. Unter den Fenstern der Journalism School, wo alljährlich die Pulitzerpreise verliehen werden, prallten beide Seiten lautstark aufeinander: die, die Ahmadinedschad reden lassen wollten - und die, die ihn am liebsten postwendend wieder nach Iran zurückgeschickt hätten.


"Er ist ein Hassprediger!", rief der jüdische Rentner Albert Marshak. "Ich will aber hören dürfen, was er sagt!", brüllte der Columbia-Absolvent Jacob Sabat zurück. Paula Press war mit einem älteren "Post"-Titel angerückt: "Fahr zur Hölle!" Stadtrat Dov Hikind forderte, Ahmadinedschad auf der Stelle zu verhaften, sobald er aufkreuze.

Auch auf dem polizeilich abgeriegelten Campus gingen die Proteste weiter - beiderseits. Studenten hatten Wege, Wände, Mauern mit Flugblättern gepflastert, mit Zitaten aus Ahmadinedschads Hassreden und Fotos von Hinrichtungen. Einige hatten sich in iranische Flaggen gehüllt, andere in israelische.

"Ich möchte mich etwas beschweren"

Hunderte hockten auf dem Rasen an der Bibliothek vor einer Leinwand, auf der die Rede übertragen wurde, da die 600 Plätze im Saal binnen einer Stunde ausverkauft waren. "Lasst Iran für sich selbst entscheiden!", rief die iranische Filmstudentin Fatemeh Farshneshani, 21. Sie hielt ein Poster: "Kein Krieg mit Iran."

Bollinger hatte zwar angekündigt, hart mit Ahmadinedschad ins Gericht zu gehen - doch eine solche Zurechtweisung, von Gastgeber zu Gast, das hatte keiner erwartet. Auch Letzterer nicht, der noch gnädig ins Publikum gewunken hatte, bevor er sich setzte. "Wow", sagte jemand, als der Uni-Präsident zu Ende war. Ahmadinedschad zeigte sich irritiert. "Ich möchte mich etwas beschweren", begann er mit eiskaltem Lächeln und stach mit dem Zeigefinger in die Luft: Bollingers Worte seien "Geschwafel", "unfreundliche Behandlung", eine "Beleidigung" an die iranische Nation.

Danach verlor er sich in einem Vortrag über Gott, Wissenschaft und Politik, gespickt mit Vorwürfen, Anklagen und Andeutungen, von dem Bollinger später sagte: "Ich weiß nicht ganz, was er zu sagen versucht hat." Ahmadinedschad bestritt, den Holocaust zu leugnen, doch im nächsten Satz sagte er: Dies sei eine Theorie, für die es "noch keine ausreichenden Forschungen" gebe. (An dieser Stelle überschlug sich die Stimme der Dolmetscherin fast.) Und abermals bestand er auf Irans "Recht auf friedliche Nuklearenergie".

"Irgendwie mysteriös"

Bei der anschließenden Frage-und-Antwort-Runde gingen die Studenten Ahmadinedschad härter an als zuvor die Journalisten - wiewohl er keine einzige Frage beantwortete. Zu den Hinrichtungen Schwuler sagte er ohne eine Miene zu verziehen: "In Iran haben wir keine Homosexuellen wie in Ihrem Land." Hohngelächter und Buhrufe hallten durch die Aula.

"Ich glaube nicht, dass er sich direkt mit den Fragen befasst hat", sagte Bollinger. Doch darum ging es ja auch nicht - es ging ums Prinzip Meinungsfreiheit. Und mit der Meinungsfreiheit sei das nun mal so eine Sache, sagte der Uni-Präsident und zitierte den früheren US-Bundesrichter Oliver Wendell Holmes: "Sie ist ein Experiment, wie das ganze Leben ein Experiment ist."

Heute wird Ahmadinedschad vor der Uno-Vollversammlung sprechen - ohne böse Begrüßung, ohne freche Zwischenfragen. Seine Rede wurde absichtlich auf den Nachmittag gelegt, sechs Stunden nach der Rede von US-Präsident George W. Bush. Damit sich beide nur ja nicht über den Weg laufen müssen.





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