Zum Inhalt wechseln

Welcome to Irrglaube und Wahrheit
Register now to gain access to all of our features. Once registered and logged in, you will be able to create topics, post replies to existing threads, give reputation to your fellow members, get your own private messenger, post status updates, manage your profile and so much more. If you already have an account, login here - otherwise create an account for free today!
Foto

Keine Übereinstimmung in der Rechtfertigung


  • Bitte melde dich an um zu Antworten
Keine Antworten in diesem Thema

#1
Rolf

Rolf

    Administrator

  • Administrator

  • PIPPIPPIP
  • 34223 Beiträge
  • Land: Country Flag
Keine Übereinstimmung in der Rechtfertigung-





Stellungnahme zur evangelisch-römischen Ökumene



Martin Hamel


(Diese Studie ist eine Vorarbeit zu der am 10.4.2000 in Kassel-Wilhelmshöhe vom
Bundesarbeitskreis der Bekenntnisbewegung verabschiedeten gleichnamigen Resolution)

Am 31. Oktober 1999 (dem Reformationstag!) unterzeichneten in Augsburg Vertreter des Lutherischen Weltbundes und der römisch-katholischen Kirche eine „Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre“ (GER) samt Zusatzdokumenten („Gemeinsame Offizielle Feststellung“ und „Annex“). Von manchen wird dieses Ereignis als großer ökumenischer Fortschritt gepriesen.

Dieser Einschätzung entgegen stehen u.a. die eindringlichen Warnungen und Proteste namhafter Theologen gegen eine Unterzeichnung (vgl. z.B. die von 239 deutschsprachigen evangelischen Theologen unterschriebene „Stellungnahme theologischer Hochschullehrer zur Gemeinsamen Offiziellen Feststellung (GOF) zur GER“ in epd-Dokumentation Nr.45/99).
Auch die Mitglieder des Geschäftsführenden Ausschusses und des am 10.4.2000 in Kassel-Wilhelmshöhe versammelten Bundesarbeitskreises der Bekenntnisbewegung ‚Kein anderes Evangelium‘ stellten in einer Resolution fest: „Die ‚Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre‘ (GER) samt Zusatzdokumente und deren Unterzeichnung am 31. Oktober 1999 in Augsburg durch evangelische Kirchenleute sind ein Verrat an der Reformation, eine Preisgabe der biblisch-reformatorischen Lehre von der Rechtfertigung, die das Zentrum des Evangeliums ist, ‚der Artikel, mit dem die Kirche steht und fällt‘ (V.E.Löscher).“

Dies ist angesichts der unverändert fortbestehenden Lehre und Praxis der römisch-katholischen Kirche so klar und deutlich, daß man als evangelischer Christ der GER etc. am besten eigentlich gar keine weitere Beachtung zukommen ließe.
Weil aber die evangelische Christenheit weithin schlecht informiert ist, ja über Jahrzehnte hin systematisch desinformiert wurde (durch die Betreiber dieser Ökumene) über die in Wahrheit fortbestehenden tiefen, unvereinbaren Gegensätze zwischen der biblisch-reformatorischen Botschaft und der offiziellen römisch-katholischen Lehre und Praxis, soll hier noch einmal auf die wichtigsten Fakten hingewiesen werden.

Diese wurden bereits ausführlicher ausgeführt: in dem Buch von Prof. Hellmuth Frey, „Jesus allein oder Jesus und ... ?“, 1997 durch die Bekenntnisbewegung neu (und mit Quellenverweisen zu den römischen Lehrdokumenten) herausgegeben (Johannis-Druckerei, ISBN 3-88002-630-0); und in folgenden Aufsätzen im Informationsbrief der Bekenntnisbewegung: „Fortbestehende Grundzüge römisch-katholischer Lehre und Praxis“, Nr. 191, Dezember 1998, S.9-20, „Abschied von der Reformation?“, Nr. 195, August 1999, S.3-8, „Ablaß 2000“, Nr. 196, Oktober 1999, S.15-22, „Am Ende Maria“, Nr. 199, April 2000, S.14-16, und Nr.200, Juni 2000; sowie auch in dem Anfang Oktober 1999 (vor der Unterzeichnung der GER) herausgegebenen Faltblatt „Einig in Sachen Rechtfertigung? – Eine Stellungnahme der Arbeitsgemeinschaft: Bekennende Gemeinde“ (Rubensweg 1, 33803 Steinhagen).

"Zweifelhafte „Zustimmung“

In jahrelanger Arbeit hatten Theologen der römisch-katholischen Kirche und des Lutherischen Weltbundes (LWB) bis 1995 (Entwurf) bzw. 1997 eine „Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre“ erarbeitet. Darin stellen sie fest, daß zwischen ihren Kirchen heute eine weitgehende Einigkeit darin bestehe, wie der Mensch vor Gott gerechtfertigt werde. Daran schließt sich die zusätzliche Behauptung an: Die im 16. Jahrhundert jeweils ausgesprochenen gegenseitigen Lehrverurteilungen träfen die jeweils andere Seite heute nicht mehr.

Die GER wurde 1997 weltweit an die Synoden der evangelischen Kirchen und Landeskirchen zur Beratung und Beschlußfassung versandt. Am Ende dieses Prozesses wurde von großer Zustimmung gesprochen, obwohl diese angebliche „Zustimmung“ bei näherem Hinsehen keineswegs so eindeutig und einhellig war. Es gab manche Ablehnung. Von den 124 Mitgliedskirchen des LWB kamen (nur) 79 „positive“ Rückmeldungen (viele davon aber mit klaren Einschränkungen und Vorbehalten. Die votierenden Synodalen waren in der Erwartung und Hoffnung, ihre Einsprüche würden im weiteren Prozeß Berücksichtigung finden und substanzielle inhaltliche Korrekturen der GER bewirken.). Auch hatten Anfang 1998 allein in Deutschland 160 evangelische Theologieprofessoren gemeinsam Einspruch gegen die GER erhoben. Dennoch: Der Lutherische Weltbund meldete am 16. Juni 1998 Zustimmung.

Groß war die Enttäuschung, als Rom am 25. Juni (dem Gedenktag der Evangelischen Augsburger Konfession von 1530!) 1998 zunächst ein „Jein“ sprach, unter Hinweis auf weiter bestehende Divergenzen (!). Weitere Verhandlungen des Lutherischen Weltbundes (ohne Deckung durch evangelische Synodenbeschlüsse!) mit Rom (Päpstlicher Rat für die Einheit der Christen) führten zu Nachbesserungen, denen Rom zustimmen könnte.

Am 27. Mai 1999 hat dann Rom gesprochen. Der Vatikan teilte dem Lutherischen Weltbund seine Bereitschaft zur offiziellen Bestätigung seiner Zustimmung zur „Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre“ mit. Möglich wurde dies durch zwei seit November 1998 zwischen Vatikan und Lutherischem Weltbund insgeheim ausgehandelte, vom römischen Lehramt ausdrücklich gebilligte und am 11. Juni 1999 veröffentlichte Zusatzerklärungen (die nun wohlgemerkt nicht von den evangelischen Synoden beraten wurden).

Ein „Konsens in Grundwahrheiten“ ?

In der „Gemeinsamen offiziellen Feststellung: Ein Konsens in Grundwahrheiten“ (GOF) heißt es: „Auf der Grundlage der in der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre (GER) erreichten Übereinstimmungen erklären der Lutherische Weltbund und die katholische Kirche gemeinsam: ‘Das in dieser Erklärung dargelegte Verständnis der Rechtfertigungslehre zeigt, daß zwischen Lutheranern und Katholiken ein Konsens in Grundwahrheiten besteht’ (GER 40). Auf der Grundlage dieses Konsenses erklären der Lutherische Weltbund und die katholische Kirche gemeinsam: ‘Die in dieser Erklärung vorgelegte Lehre der lutherischen Kirchen wird nicht von den Verurteilungen des Trienter Konzils getroffen. Die Verwerfungen der lutherischen Bekenntnisschriften treffen nicht die in dieser Erklärung vorgelegte Lehre der römisch-katholischen Kirche’ (GER 41).“ In der (als „Anhang (Annex)“ bezeichneten) beigefügten Feststellung werde der in der GER erreichte Konsens weiter erläutert. So werde klargestellt, „daß die früheren gegenseitigen Lehrverurteilungen die Lehre der Dialogpartner, wie sie in der Gemeinsamen Erklärung dargelegt wird, nicht treffen.“

Welche Rechtfertigungslehre wird als verbindlich erklärt ?


Man beachte das Verfahren, das dort angewandt wird: „Ein Konsens in Grundwahrheiten“ wird behauptet - unter Hinweis auf die Rechtfertigungslehre in der Gestalt, in der sie in der GER verstanden und dargelegt wird. Diese Rechtfertigungslehre der GER (!) werde von den früheren beiderseitigen Lehrverurteilungen nicht getroffen. Aber ist denn diese neuartige Rechtfertigungslehre der GER dieselbe wie die der lutherischen Bekenntnisschriften? (Nein!) Und ist sie gleichzeitig dieselbe wie die des in der römischen Kirche bis heute geltenden, gegen die Reformation gerichteten Trienter Konzils (1545-1563)? (Schon eher.) Legt in Zukunft die GER Trient aus? (Wohl kaum.) Oder Trient die GER? (Das ist’s! s.u.) Wird die GER zum Maulkorb für die lutherischen Bekenntnisschriften? Oder ist sie nur soweit relevant, wie sie mit diesen übereinstimmt? Aber was soll sie dann?

In einem „Anhang (Annex)“ wird die in der GER erreichte „Übereinstimmung in Grundwahrheiten der Rechtfertigungslehre“ unterstrichen und nochmals betont, „daß die früheren wechselseitigen Verurteilungen die katholische und die lutherische Rechtfertigungslehre, wie sie in der Gemeinsamen Erklärung dargestellt sind, nicht treffen“. Auch hier also wieder: „die katholische und die lutherische Rechtfertigungslehre, wie sie in der GER dargestellt (!) sind“, die werden von den früheren Verurteilungen nicht getroffen. Das mag ja sein; aber ist denn z.B. die luth. Rechtfertigungslehre in der GER zutreffend und hinreichend vollständig dargestellt? In voller Übereinstimmung mit den lutherischen Bekenntnisschriften oder gar mit Luther? Und auch die römische Rechtfertigungslehre, ist sie in der GER zutreffend und hinreichend vollständig dargestellt? In voller Übereinstimmung mit der offiziell geltenden Lehre und Praxis der römischen Kirche hinsichtlich der Rechtfertigung? (Auf alle vier Fragen: Nein.)

Christus allein, der Glaube allein, die Gnade allein ?

Bei dem Thema „Rechtfertigung“ geht es um die Frage (und die biblische Antwort darauf), wie wir sündigen, verlorenen und verdammten Menschen gerettet werden und vor dem heiligen dreieinigen Gott bestehen können. Biblisch-reformatorisches Zeugnis von der Rechtfertigung bekennt: Christus allein, der Glaube allein, die Gnade allein. Gott rechtfertigt uns, indem er uns Gottlosen - aus lauter Gnade - die fremde Gerechtigkeit Christi zurechnet, zuspricht, zueignet. Das „Fertigen“ oder Vollziehen des Rechtes an einem Missetäter, diese Vollstreckung des Gottesrechtes nahm der allein Unschuldige für uns, die Schuldigen, auf sich, um uns den Freispruch zu erwirken. Um Christi und seines stellvertretenden Sühnopfers willen werden wir Sünder von Gott gerecht gesprochen. Rechtfertigung ist Gerechtsprechung, Freispruch. Sie wird uns zuteil allein im Glauben an das Evangelium.

Zwar ist in der GER und im Annex auch von „allein durch den Glauben“ („sola fide“) und „allein aus Gnade“ („sola gratia“) die Rede, aber diese reformatorische Redeweise wird sofort durch eine Bezugnahme auf Thomas von Aquin entschärft, der bekanntlich eine völlig andere, von den Reformatoren abgelehnte Gnadenlehre vertritt. Und wie kann der Papst weiterhin Ablaß (erneut für das Jahr 2000) anbieten, wenn man das „allein durch den Glauben“ wirklich ernst nimmt? Die römische Rechtfertigungslehre verweist den Menschen - trotz aller Gnadenbeteuerungen - auf dessen eigenes, frommes Mitwirken (nach dem vermeintlichen Vorbild und mit ständig erbetener Hilfe und Fürsprache Marias und der Heiligen).

„Glaube“ ist nach biblisch-reformatorischem Verständnis das von Gott im Zuspruch des Evangeliums geschenkte Vertrauen auf Jesus Christus, das Lamm Gottes, auf sein stellvertretendes allgenugsames Sühnopfer zur Vergebung meiner Sünden. Dem Sünder, der so ihm vertraut, also an ihn glaubt, rechnet Gott die Gerechtigkeit Christi zu, schenkt ihm Vergebung, Leben und Seligkeit. Dagegen ist „Glaube“ nach römischem Verständnis eine Tugend (neben anderen), mit deren Hilfe der Glaubende fromme Werke und Verdienste wirken kann.

Dazu steht ihm die aus dem Schatz der Kirche (und durch deren Vermittlung) zufließende „Gnade“ (römisch verstanden) zur Verfügung (auch Mehrzahl: „Gnaden“), die sich durch Ablaß, ständiges Meßopfer (beides für Lebende und Verstorbene im Fegefeuer) und andere Hilfs- und Heilmittel mehren läßt, um am Ende, wenn möglich, die Seligkeit zu erreichen. Nach biblisch-reformatorischem Verständnis dagegen ist die „Gnade“ die unverdiente Gerechtsprechung des sündigen, verlorenen Menschen durch Gott um Christi und dessen stellvertretenden Sühnopfers willen, unter dem Zuspruch und dem Hören des Evangeliums im geschenkten Glauben gültig empfangen. - „Rechtfertigung“, „Gnade“, „Glaube“, ...: hier und dort dieselben Begriffe, aber doch ganz verschiedene Inhalte!

Kardinal stellt klar: Trient als der wahre Maßstab


Schon in der zunächst noch ablehnenden Antwort Roms vom 25.6.1998 wurde - ganz im Sinne des gegenreformatorischen Konzils von Trient - u.a. die Ansicht bekräftigt, „daß das ewige Leben sowohl Gnade als auch Lohn ist, der von Gott für die guten Werke und Verdienste erstattet wird“. Ebenso: Die göttliche Barmherzigkeit befähige den Menschen, „in seiner Antwort auf das Geschenk Gottes mit der Gnade mitzuwirken“. Von „‘cooperatio’ (Mit-wirkung)“ sei deshalb mit Recht zu reden. - Nicht nur hier wird deutlich: Von solchen Aussagen her kann Rom seine gesamte traditionelle unbiblische Heilslehre und -praxis ungebrochen weiterführen. (s.u.)

Und das wird die römische Kirche auch tun. Wie die im Mai 1999 angekündigte Zustimmung Roms zur GER in Wahrheit zu beurteilen ist, zeigt schon jetzt die (noch vor der Unterzeichnung!) getane (dankenswert unverblümte) Äußerung von Kardinal Ratzinger im Juni 1999 in einem Interview in der italienischen katholischen Zeitschrift „30 giorni“, wo er die Rechtfertigungslehre des Trienter Konzils als die einzig verbindliche bekräftigt:

Ratzinger, Mitverfasser der Gemeinsamen Offiziellen Feststellung und des erläuternden Anhangs, weist darauf hin, „daß man nicht schlechthin einen Konsens über die Rechtfertigungslehre hat, sondern über Grundwahrheiten der Rechtfertigungslehre.“ Daneben blieben aber ungelöste Probleme. Z.B. die den Lutheranern (im Annex zur Gemeinsamen Feststellung) zugestandene Formel „simul iustus et peccator“ („zugleich Gerechter und Sünder“), die Ratzinger nur als „persönliche Erfahrung“ Luthers (und nicht als allgemein verbindliche Lehre) gelten läßt, sie also relativiert und dann im Sinne des Konzils von Trient vom Tisch fegt: „Für Luther, verfolgt von der Angst vor der ewigen Verdammnis, war es wichtig zu wissen, daß er, auch wenn er Sünder war, dennoch von Gott geliebt und gerechtfertigt war. Für ihn gibt es diese Gleichzeitigkeit: wirklicher Sünder und ganz gerechtfertigt zu sein. Das ist Ausdruck seiner persönlichen Erfahrung, die dann auch mit theologischen Reflexionen vertieft wurde, Demgegenüber ist es für die katholische Kirche wichtig zu betonen, daß es keinen Dualismus gibt: Wenn einer nicht gerecht ist, ist er auch nicht gerechtfertigt. Die Rechtfertigung, d.h. die Gnade, die ihm im Sakrament gegeben wird, macht den Sünder zu einer neuen Kreatur, wie Paulus sagt.

Doch es bleibt, wie das Konzil zu Trient sagt, die Begierde/ Konkupiszenz, d.h. die Neigung zur Sünde, ein Stimulus, der zur Sünde führt, aber der als solcher nicht Sünde ist.“ Der Mensch sei „nicht Sünder im wirklichen Sinne, wenn er nicht eine persönliche Sünde begeht.“

Befragt, was denn mit den Exkommunikationen (Anathemata; Verdammungen) des Konzils von Trient zur Erbsünde und zur Rechtfertigung geschehen sei, antwortet Ratzinger unter Hinweis auf ein Communiqué des römischen Einheitsrates vom 22.6.1999: „Das Dokument sagt, daß die Exkommunikationen von Trient auf diesem Gebiet (sc. der Rechtfertigungslehre) die Lehre so, wie sie heute dargelegt wird, nicht treffen. Gleichzeitig aber bleibt der Wahrheitswert der Exkommunikationen so: Wer der Lehre des Konzils von Trient widerspricht, widerspricht der Lehre, dem Glauben der Kirche.“

Das Konzil von Trient soll also zum Maßstab aller Lehre werden, auch der lutherischen. Und das beinhaltet auch: Der in Trient mehrfach ausgesprochene Fluch („Anathema sit“ = „der sei verflucht“) über die reformatorische Rechtfertigungslehre und ihre Bekenner wird nicht zurückgenommen, bleibt voll bestehen.

Preisgabe der Reformation und des Evangeliums

Im Zuge der Abfassung und Unterzeichnung von Gemeinsamer Erklärung (samt Gemeinsamer Offizieller Feststellung sowie Annex als integralen Bestandteilen der GER) haben sog. „lutherische“ Theologen die biblisch-reformatorische Lehre von der Rechtfertigung zugunsten der widerbiblischen römisch-tridentischen Lehre und Praxis der Rechtfertigung preisgegeben.

Fortbestehende Grundzüge römisch-katholischer Lehre und Praxis


Dabei gilt es auch zu beachten: Die Lehre von der Rechtfertigung ist kein bloß isoliert zu betrachtender Lehrpunkt, sondern durchzieht das Ganze der christlichen Lehre. Ob eine biblische oder aber eine widerbiblische Lehre von der Rechtfertigung vorliegt, das läßt sich sozusagen nicht nur in einem Kapitel „Rechtfertigung“ abhandeln, sondern wird zugleich an vielen anderen Stellen christlicher Lehre und Praxis deutlich, an denen die Rechtfertigungslehre vordergründig gar nicht das Thema zu sein scheint.

Wenn es der römischen Kirche jetzt - mit welchem Gewissen auch immer - möglich ist, dem Formelkompromiß der GER zuzustimmen (und die benebelten „getrennten Brüder“ damit enger an sich zu binden), so verfolgt Rom doch zugleich unbeirrt weiterhin eine Lehre und Praxis der Rechtfertigung, die der biblisch-reformatorischen Botschaft und Lehre von der Rechtfertigung total entgegensteht und widerspricht. Sogar der Auslöser der reformatorischen Auseinandersetzung - das Ablaßwesen - besteht ohne grundsätzliche Änderung fort, wie jüngst gerade wieder deutlich geworden ist: Für das Jubiliäumsjahr 2000 hat der Papst in einer Bulle einen besonderen „vollkommenen Jubiläumsablaß“ verkündigt, der in einem dazugehörigen Dekret näher geregelt wird (vgl. den sehr aufschlußreichen Beitrag „Ablaß 2000“ im Informationsbrief Nr. 196 der Bekenntnisbewegung vom Oktober 1999).

Auch in vielen anderen Lehrpunkten (Gnadenlehre, Bußlehre, Papst, Maria, Heilige, Meßopfer usw.) - die sich von der Frage der Rechtfertigung nicht trennen lassen – vertritt Rom die alten unbiblischen Standpunkte, gegen die eine biblisch-reformatorische Theologie und Verkündigung nach wie vor deutlich ihre Stimme erheben muß. Mit den Papst- und Mariendogmen (1854, 1870 und 1950) etwa sind die Beschwernisse gar eher noch größer geworden als im frühen 16. Jahrhundert. Und auch die Konzilsaussagen von Trient (u.v.a.m.) werden in dem vom Papst herausgegebenen „Katechismus der Katholischen Kirche“ von 1992 munter als offenbar immer noch gültig zitiert. Dazu sei verwiesen auf den im Dezember 1998 im Informationsbrief Nr. 191 der Bekenntnisbewegung erschienenen Aufsatz „Fortbestehende Grundzüge römisch-katholischer Lehre und Praxis“ (mit Quellenangaben). Und auch das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) hat in wichtigen Punkten nicht die positiven Veränderungen gebracht, die ihm oft zugeschrieben werden. Das hat im einzelnen Prof. Hellmuth Frey gezeigt in seinem von der Bekenntnisbewegung 1997 neu herausgegebenen Buch „Jesus allein oder Jesus und ... ?“ (Johannis-Druckerei, ISBN 3-88002-630-0).

Im Sog endzeitlicher Verführung

Rom hat durch seine Zustimmung zur GER nicht viel verloren, wenn überhaupt etwas. Die Evangelische Kirche dagegen ist dabei, das Entscheidende und damit alles zu verlieren. Für sie ist die Unterzeichnung der römisch-„lutherischen“ „Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre“ (samt Zusatzdokumenten) ein Verrat an der Reformation.
Dabei gab es auch in den wenigen Monaten vor der angekündigten Unterzeichnung wieder eindringliche Warnungen und Proteste namhafter Theologen gegen einen solchen Schritt (z.B. Prof. Jörg Baur, Prof. Karl-Hermann Kandler, Prof. Thomas Kaufmann, Sup. Ernst Volk; vgl. auch die epd-Dokumentationen Nr.43/99 mit den Voten evangelischer Hochschullehrer und Nr.45/99 mit der von 239 deutschsprachigen evangelischen Theologen und 4 Kirchenrechtlern unterschriebenen „Stellungnahme theologischer Hochschullehrer zur Gemeinsamen Offiziellen Feststellung (GOF) zur GER“). Aber bei den für Augsburg 1999 Begeisterten schienen sie ungehört zu verhallen.

Die GER setzt das reformatorische Bekenntnis durch die Hintertür außer Kraft, ohne dieses aus den Präambeln der Verfassungen der Landeskirchen streichen zu müssen. Zu befürchten ist, daß bibel- und bekenntnistreue Christen, Gemeinden und Theologen mit der GER (samt GOF und Annex) künftig gemaßregelt werden. Und auf jeden Fall ist die Täuschungs- und Verführungswirkung des ganzen Vorgangs auf schlecht und falsch informierte evangelische Christen schon jetzt fatal. Die meisten wissen gar nicht, was für sie und ihr Heil auf dem Spiel steht, und werden vom ökumenischen Sog immer weiter fortgetrieben.

Den Papst übrigens hat Augsburg sehr gefreut, und am Tage der Unterzeichnung der GE in Augsburg hat er in Rom den weiteren Fortgang der ökumenischen Vorgänge (wie fast alles) im Gebet erneut der Jungfrau Maria (!) anbefohlen. (Permanente Abgötterei mit „Maria“ ist ein Wesensmerkmal der römischen Papstkirche. (Vgl. Info.brief der Bek.Bew., April 2000)) Zur Stunde der Unterzeichnung der trügerischen „Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre“ am 31.10.1999 erklärte der Papst beim Angelus (tägliches Marien-Gebet) in Rom: „3. ... Vertrauen wir den ökumenischen Weg der mütterlichen Fürsprache der heiligen Jungfrau an. Sie ist das erhabene Vorbild der Gerechtigkeit, die aus dem Glauben kommt. Sie, die vor nunmehr zweitausend Jahren das menschgewordene Wort zur Welt gebracht hat, möge alle Glaubenden zu Ihm führen, dem ‘wahren Licht, das jeden Menschen erleuchtet’ (vgl. Joh 1,9).“ (L’Oss. Rom., 5.11.1999, S.1)

„Alle Glaubenden“ - auf dieser Linie versammelt der Papst sowohl schwedische und finnische lutherische Erzbischöfe um sich (am 13.11.1999), um im Anschluß an den ökumenischen Gottesdienst eine neue, über fünf Meter hohe Marmorstatue der hl. Birgitta zu segnen (erhoben zur „Mitpatronin von Europa“), die in einer Nische in der Außenmauer der Petersbasilika angebracht wurde (L‘O.R. vom 19.11.1999); sodann (am 18.1.2000) u.a. den Präsidenten des Lutherischen Weltbundes, den deutschen lutherischen Bischof Krause, um mit ihm und anderen im Gefolge die „Heilige Pforte“ an der Kirche St. Paul vor den Mauern zu öffnen und zu durchschreiten (L’O.R. vom 21.1.2000), ein Vorgang, der im Zusammenhang mit dem „Heiligen Jahr“ 2000 und u.a. mit dem dafür verkündeten Jubiläumsablaß steht.

„Alle Glaubenden“ – derselbe Papst läßt ganz bewußt „den ‚Geist von Assisi‘ in dieser Welt lebendig halten“ und wiederholte bei einer Interreligiösen Begegnung auf dem Petersplatz am 28.10.1999 einmal mehr den zuerst im Oktober 1986 in Assisi von ihm veranstalteten gotteslästerlichen Greuel eines multireligiösen Friedensgebetes (L’O.R. vom 12.11.1999). Bei seiner Reise nach Ägypten und zum Sinai Ende Februar 2000 ließ er einen Besuch beim Groß-Scheich von Al-Azhar, Mohammed Sayed Tantawi, dem Oberhaupt der ägyptischen Muslime, nicht fehlen und brachte den dort versammelten Moslems gegenüber mehrfach seine „große Dankbarkeit“ zum Ausdruck (L’O.R. vom 3.3.2000) (auch für deren Pflege des Islam (DIE WELT vom 26.2., S.9)).

(Repräsentanten nichtchristlicher Weltreligionen gegenüber äußerte der Papst am 7.11.1999 in Indien, „daß wir weltweit Brüder und Schwestern sind“, mit dem gemeinsamen Anliegen, „das zu bewahren, was im großen religiösen Erbe der Menschheit als das Wertvollste gilt.“ (L’Oss. Rom. vom 26.11.1999, S.12)).

Und dann am 12.3.2000 sein trickreicher Bluff eines „Schuldbekenntnisses“ der Kirche (L’O.R. vom 17.3., S.6), das bei näherem Hinsehen überhaupt keines war. Vergebung von Schuld wurde erbeten, nicht etwa für die römisch-katholische Kirche als solche, ihre Päpste, Bischöfe, Konzilien, sondern (ausweichend auf Einzelne) für „die Christen“, die sich schuldig gemacht haben. Von konkreten Verfehlungen der römisch-katholischen Kirche – insbesondere etwa der Gegenreformation ! oder in Form der widerbiblischen Irrlehren und Praktiken der römischen Kirche bzgl. Rechtfertigung, Ablaß, Papst, Maria, Heilige, nichtchristliche Religionen usw. – war in dem medienwirksamen Scheinbekenntnis nicht die Rede.
Weitere römisch-evangelische „Gemeinsame Erklärungen“ zu anderen, in Wahrheit eigentlich kontroversen Lehrpunkten (z.B. dem Papstamt) werden dennoch folgen und der evangelischen Christenheit (und damit allen anderen Menschen) im Nebel der vermeintlichen Einheit die klare biblische Sicht des allein rettenden Evangeliums nehmen.

„Die Unterzeichner der ‘Gemeinsamen Erklärung’ müssen sich dessen bewußt sein, daß ihre Unterschrift die Entscheidungen des großen gegenreformatorischen Konzils von Trient anerkennt und daß sie damit die gesamte Reformation preisgeben. Die lutherischen Väter hätten in ihrem Bekenntnis zur Rechtfertigung des Sünders um Christi willen allein aus Glauben geirrt. Die Verfolgungen, Schmähungen und Bannflüche, die sie als Ketzer erdulden mußten, bestünden also zu Recht. Vor allem aber setzen die Unterschreiber die befreiende Gewißheit des Evangeliums aufs Spiel. Was noch übrig bleibt, mag religiös anziehend sein; aber das Evangelium geht verloren.“ (Sup. Ernst Volk, „Verlust der biblischen Wahrheit“, August 1999)

Prof. Kandler im August 1999: „Wenn Lutheraner nun sich anschicken, diese veröffentlichten Papiere zu unterzeichnen, müssen sie wissen, was sie tun. Sie haben kein offizielles Mandat dazu. Sie verleugnen in wichtigen Punkten die klaren biblischen Aussagen der lutherischen Bekenntnisschriften und damit das Evangelium. Die Kirchenpolitik hat mal wieder den Sieg davongetragen. Es handelt sich um einen Kompromiß, der erzielt wurde. In Fragen christlicher Lehre, in Fragen der Wahrheit kann und darf es aber keine Kompromisse geben. Unsere Vorfahren haben das gewußt, als es um Leib und Leben ging. Und wir?“

Notvolles Augsburger Interim

In Augsburg wurde übrigens nicht zum erstenmal eine Unterschrift unter ein solches kirchenpolitisches Dokument gesetzt. Im Mai 1548 wurde den Evangelischen vom siegreichen Kaiser auf einem „geharnischten Reichstag“ das „Augsburger Interim“ aufgezwungen. „Interim“ wurde es genannt, weil es nur eine „Zwischenlösung“ bis zur beabsichtigten endgültigen Wiedereingliederung der Lutheraner in die römische Kirche darstellte. Dogmatisch und lehrmäßig unterschied sich das Interim nicht von der heutigen „Gemeinsamen Erklärung“. Beide Dokumente legen das Evangelium Christi als „neues Gesetz“ aus, durch das der Mensch sich im Mitwirken mit der Gnade vervollkommnet. Damals wurden die Lutheraner gezwungen, das Interim zu unterschreiben. Heute tut man es ohne Not, aber verzaubert von der „faszinierenden Idee“ einer wie auch immer geeinten Christenheit in „versöhnter Vielfalt“.

Das klare Evangelium von der Rechtfertigung des Sünders um Christi willen, allein durch den Glauben, allein aus Gnade, bleibt dabei auf der Strecke. (vgl. Sup. E. Volk, S.16)
Die GER und die Zusatzdokumente haben keinerlei Anspruch auf Verbindlichkeit. Verbindliche Grundlage der evangelischen Landeskirchen und Maßstab ihrer Verkündigung und Lehre sind allein Bibel und reformatorisches Bekenntnis. Daran halten wir uns und sind evangelische Kirche. Wir empfehlen deshalb keinen Austritt aus der Kirche der Reformation, sondern erheben bekennenden Einspruch gegen die falsche Kirche, die sich in ihr ausbreiten will.

Der ganze Vorgang ist zugleich eine ernste Mahnung an uns selbst: Gott ganz neu dafür zu danken, daß er das biblische Evangelium von der Rechtfertigung des Sünders - aus Gnade, um Christi willen, durch den Glauben - in der Reformation neu hat aufleuchten lassen. Es ist, wie sich angesichts der endzeitlichen Verführung zeigt, dringend notwendig, dieses Zeugnis wieder zu hören und zu predigen, es gründlich kennenzulernen (Luthers Katechismen, Bekenntnisschriften, reformatorische Lieder) und die Kenntnis davon in unserer Kirche (Theologen und nachwachsende Generation) neu zu verbreiten, es der Gemeinde und der Welt ohne Entstellung, Verkürzung oder modische Verflachung treu zu verkündigen.

„Mich wundert, daß ihr euch so bald abwenden laßt von dem, der euch berufen hat in die Gnade Christi, zu einem andern Evangelium, obwohl es doch kein andres gibt; nur daß einige da sind, die euch verwirren und wollen das Evangelium Christi verkehren. Aber auch wenn wir oder ein Engel vom Himmel euch ein Evangelium predigen würden, das anders ist, als wir es euch gepredigt haben, der sei verflucht.“ (Gal 1,6-8)

„Ich schäme mich des Evangeliums nicht; denn es ist eine Kraft Gottes, die selig macht alle, die daran glauben, die Juden zuerst und ebenso die Griechen. Denn darin wird offenbart die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, welche kommt aus Glauben in Glauben; wie geschrieben steht: ‘Der Gerechte wird aus Glauben leben.’“ (Röm 1,16f)




Autor: Pfarrer Dr. Martin Hamel
Georgenkirch Weg 1, 09117 Chemnitz,

  • 0