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DIE MENSCHENBILDER DER PSYCHOTHERAPIE


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#1
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DIE MENSCHENBILDER DER PSYCHOTHERAPIE





Roland Antholzer



Teil 1


Die drei großen psychologischen Grundrichtungen, die jeweils eigene therapeutische
Konzepte hervorgebracht haben, sind die Psychoanalyse, der Behaviorismus und die
Humanistische Psychologie. Deren anthropologischen Voraussetzungen sind nicht immer
klar expliziert, können aber aus Theorie und Praxis erschlossen werden. Wir wollen hier nur
auf die wesentlichsten gemeinsamen Merkmale kurz eingehen, das sind eine materialistische
Weltsicht, ein mehr oder weniger ausgeprägter Determinismus, eine darwinistische
Vorstellung von der Herkunft des Menschen sowie eine hedonistische bzw. eudämonistische
Begründung von Sinn und Zweck des menschlichen Daseins.

Psychoanalyse

Der Psychoanalyse, wie auch den beiden anderen psychologischen Richtungen, liegt ein
materialistisches Menschenbild zu Grunde, das heißt, dass der Mensch nur als stoffliches
und immanentes Wesen verstanden wird. Auch wenn in allen drei Konzepten der
physikalische Materialismus überwunden ist, so hängen sie doch einem biologischphysiologischen
bzw. psychologischen Materialismus an, indem sie die Seele des Menschen
nur als Funktion der Materie verstehen, die grundsätzlich mit physikalisch-chemischen
Gesetzen erklärbar sein müsste. Der «Geist» des Menschen ist kein Thema, jedenfalls nicht
im Sinne einer vom Leib unabhängig existenten Wesenheit.

Geradezu exemplarisch für die positivistische Anbetung von Vernunft und Wissenschaft
ist Freuds Vorstellung, dass das Seelenleben mithilfe exakter wissenschaftlicher Forschung
vollständig durch biologische Kausalzusammenhänge erklärbar sein müsste. So schreibt
Freud in «Jenseits des Lustprinzips» : «Die Mängel unserer Beschreibung würden
wahrscheinlich verschwinden, wenn wir anstatt der psychologischen Termini schon die
physiologischen oder chemischen einsetzen könnten. »1

Die Psyche des Menschen beschrieb Freud als einen nach energetischen Prinzipien
funktionierenden Apparat, aufgebaut aus «Es», «Ich» und «Über-Ich» und gespeist von
libidinöser Energie, der nach sehr mechanistisch anmutenden Gesetzen funktioniert. Dabei
ist der Regelmechanismus nicht etwa im Willen des Menschen zu suchen, sondern im so
genannten «Lust-Unlust-Prinzip».

Zu dem biologischen Determinismus, den Freud ausdrücklich bejaht, tritt also auch noch
eine hedonistische Motivationspsychologie. Der Mensch ist letztlich darauf angewiesen, Lust
zu suchen und Unlust zu vermeiden. Freud sieht den Menschen mit sich selbst und der Welt
im Kampf, von Ängsten und unbewussten Wünschen geplagt. Mehr als von
Umwelteinflüssen wird er von angeborenen Instinkten zu bestimmten Verhaltensweisen
getrieben.

Freud war auch ein großer Verehrer von Charles Darwin und dessen Werk hat seine
eigene Theoriebildung stark beeinflusst. Die Darwinsche Entwicklungslehre gab ihm die
Möglichkeit einer Weltsicht, in der Realitäten wie «Gott» (als personales Gegenüber),
«Ewigkeit», «Geist» etc. keinen Platz hatten. In seiner Selbstdarstellung von 1925 gesteht er
1 Vgl. Freud, Sigmund: Jenseits des Lustprinzips (1920). Gesammelte Werke, Frankfurt am Main, Band XIII, S. 65.
dies ein: «Die damals aktuelle Lehre Darwins zog mich mächtig an, weil sie eine
außerordentliche Förderung des Weltverständnisses versprach ...»2

Eine höhere Daseinsbestimmung gab es für Freud nicht. Die Natur des Menschen ist
ausreichend erklärt durch sein angeborenes Streben nach Maximierung der
Triebbefriedigung und Minimierung der Ängste, wobei er im ständigen Konflikt steht
zwischen den egoistischen Ansprüchen des Es und den Forderungen des Über-Ich, zwischen
Lustprinzip und Realitätsprinzip.

Behaviorismus

Auch das implizite Menschenbild des Behaviorismus geht von einem biologischen
Materialismus aus. Die Vorstellung von einem transzendenten Anteil am psychischen
Geschehen wird als bloße Spekulation abgetan. Die Begriffe «Seele» oder «Geist» werden
überhaupt nicht thematisiert. Da das Seelenleben selbst nicht beobachtbar und messbar ist,
sondern lediglich das Verhalten des Menschen (wobei auch innere physiologische Vorgänge
als Verhalten verstanden werden), macht man nur Aussagen über Reiz-Reaktions-
Beziehungen (Stimulus-Response-Schema). Wohl wurde das orthodoxe S-R-Paradigma
längst durch die Organismus-Variable erweitert (S-O-R). Man gibt also zu, dass es sinnvoll
und wissenschaftlich vertretbar ist, danach zu fragen, was sich zwischen Reiz und Reaktion
abspielt. Jedoch geht es für den Behavioristen bei dieser intervenierenden Variablen
lediglich um noch nicht messbare, weil vorwiegend in den Gehirnstrukturen sich
vollziehende physiologische Abläufe. Das kognitive und affektive Erleben des Individuums
interessiert nicht an sich, sondern wird als Äußerung des Verbalverhaltens aufgefasst und
nur als solches einer Analyse unterzogen.

Wie die Psychoanalyse ist auch der Behaviorismus streng deterministisch, wobei die
Festlegung aus dem Zusammenspiel von organischen Strukturen und Umweltfaktoren
kommt. Das Verhalten des Menschen wird ausschließlich erklärt durch die Mechanismen
von klassischer und operanter Konditionierung. Verhalten, dessen Folgen angenehm und
lustbetont sind oder durch das unangenehme Folgen verhindert werden können, wird
verstärkt. Wo dagegen der Erfolg ausbleibt oder unangenehme Folgen auftreten, wird
Verhalten gelöscht. Wiederum ist der Regelmechanismus des Verhaltens das hedonistische
Lust-Unlust-Prinzip. Zudem ist schwer zu sehen, wo in diesem Konzept so etwas wie
Willensfreiheit Platz haben könnte.

Über die Natur des Menschen wird im Behaviorismus nichts ausgesagt, sie ist
gewissermaßen neutral. Auch das Gewissen ist weiter nichts als ein konditionierter Reflex.
Es gibt weder gutes noch böses, sondern lediglich angepasstes oder unangepasstes
Verhalten. Wo aber der Mensch nur als Bündel von Konditionierungen verstanden wird, da
ist er prinzipiell «machbar», wenn auch innerhalb des Rahmens seiner konstitutionellen
Voraussetzungen. Folgerichtig konnte B. F. Skinner, einer der berühmtesten Vertreter dieser
Richtung, in seinen Büchern « Walden Two» (1948) und «Jenseits von Freiheit und Würde»
(1973) das Programm einer Gesellschaft entwerfen, die durch eine totale psychologische
Kontrolle «befriedet» ist.

Schon der Begründer des Behaviorismus, J. B. Watson, brachte die Überzeugung zum
Aus-ruck, dass er jederzeit aus gesunden Kleinkindern ohne Rücksicht auf deren Anlagen
und Neigungen durch eine geeignete Auswahl von Umwelteinflüssen je nach Wunsch Ärzte,
Advokaten, Künstler, Kaufleute oder auch Landstreicher und Diebe machen könne. Sicher
würden sich moderne Behavioristen um einiges bescheidener geben.
2 Bally, Gustav: Einführung in die Psychoanalyse Sigmund Freuds. Reitibek bei Hamburg 1971, S. 10.

Ebenso wie vom Materialismus ist das behavioristische Menschenbild auch vom
Evolutionismus geprägt. Auf Grund dieser Tatsache stellt es für den Behavioristen auch kein
großes Problem dar, Ergebnisse aus Tierexperimenten auf Menschen zu übertragen. Es
muss allerdings fairerweise gesagt werden, dass auch unter Psychologen diese unreflektierte
Forschungsmethodik infrage gestellt wird und schon als «Rattenebenbildlichkeit des Menschen
» glossiert worden ist. Selbst ein entschieden marxistischer Psychologe wie Holzkamp
sah die Fragwürdigkeit solcher Forschung «in dem Mangel an Reflexion darüber, dass etwa
Ratten Organismen 'sind', während sich Menschen im Experiment nur verabredungsgemäß
wie Organismen verhalten».3

Humanistische Psychologie

Im Jahre 1962 forderte Abraham Maslow die Gründung einer Organisation, die das
repräsen-tieren sollte, was er die 'dritte Kraft' nannte, ein psychologisches Denken, das sich
sowohl von der Psychoanalyse als auch vom Behaviorismus unterschied».4 Die
Humanistische Psychologie versteht sich seither als oppositionelle Bewegung gegen die
reduzierte Humanität des Menschen in der naturwissenschaftlich orientierten Psychologie.
Sie möchte zu einer «Rehumanisierung» der Psychologie beitragen, indem sie den
geisteswissenschaftlichen Ansatz wiederbelebt und die ganzheitliche Sicht vom Menschen
betont.

Dabei lässt sie sich von einem Anthropozentrismus leiten und verfolgt das alte Anliegen
des Humanismus: Sie möchte den Menschen einerseits davor bewahren, dass er sich zu
untermenschlichen Zwecken missbrauchen lässt, anderseits aber auch davor, dass er sich
übermenschlichen Mächten und Wahrheiten unterwirft. Jeder Gottglaube wird letztlich als
Einschränkung der Humanität des Menschen gesehen, weil er damit seine Autonomie
preisgibt. Somit ist die Grundlage der Humanistischen Psychologie eine materialistische
Philosophie, die sich ausschließlich mit den immanenten und sichtbaren Bezügen befasst.
Anders als die Psychoanalytiker und Behavioristen formulieren humanistische
Psychologen keinen strengen Determinismus, sondern billigen dem Menschen ein gewisses
Maß an Entscheidungsfreiheit zu, obschon sie den Einfluss der Umwelt sehr hoch
einschätzen. Dennoch ist er grundsätzlich dazu fähig, seine «inhärenten Möglichkeiten» zu
verwirklichen (Selbstverwirklichung).

Während Psychoanalyse und Behaviorismus mehr von einem biologischen Darwinismus
ausgehen, ist die Humanistische Psychologie von einem Sozialdarwinismus geprägt. Man
denke nur an die Bedürfnishierarchie von Abraham Maslow, deren höchstes Ziel, die
Selbstverwirklichung, eben nur von wenigen privilegierten Menschen erreicht werden kann,
weil der Normalbürger täglich um Nahrung, Wohnung und Arbeit kämpfen muss. Der
deutsche Psychologe Carl F. Graumann legt mit warnenden Worten den Finger auf diese
wunde Stelle: «Die Gefahr liegt nun darin, dass in unserer Zeit ein solcher Humanismus
inhuman wird, indem er die Mehrheit von 'weniger entwickelten' Menschen eventuell als
'weniger menschlich' ansieht, weil ihre ökonomische, soziale oder ethnische Situation ihnen
keine Chance gibt, die 'menschlichen Fähigkeiten und Potentiale' herauszubilden, die das
Hauptinteresse der Humanistischen Psychologie sind.»5 Immerhin weiß sich die
Humanistische Psychologie dem hehren Grundpostulat des Philosophen Jean Jacques
Rousseau verpflichtet, nämlich, dass der Mensch von Natur aus gut sei.

3 Holzkamp, Klaus: Kritische Psychologie. Frankfurt am Main 1972, S. 57.
4 Bühler, Charlotte und Melanie Allen: Einführung in die humanistische Psychologie. Stuttgart 1973, S. 6.
5 Graumann, Carl F: Psychologie - humanistisch oder human? In: Völker, Ulrich (Hrgs.): Humanistische Psychologie.
Weinheim und Basel 1980, S. 48.

Darüber hinaus schöpft sie aus existential philosophischen Quellen. So hofft sie, «dass ihr
tiefer Glaube an die Fähigkeit des einzelnen Menschen, Sinn aus dem Absurden heraus zu
schaffen, im Leben der Gegenwart eine positive Kraft darstellen kann».6 Die Fähigkeit der
Humanistischen Psychologie, im Absurden Sinn zu finden, ist geradezu phänomenal. So
vermag sie trotz der Annahme, dass der Mensch ein Zufallsprodukt vergänglicher Materie
ist, zu einer soteriologischen Hoffnung vorzudringen.


6 Bühler, Charlotte und Melanie Allen, a.a.O., S. 9.
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DIE MENSCHENBILDER DER PSYCHOTHERAPIE





Roland Antholzer


Teil 2




GEIST, SEELE, LEIB – DER MENSCH IN SEINER BESCHAFFENHEIT



Dichotomie oder Trichotomie: Die trichotome Sicht

Wenn wir von der Beschaffenheit des Menschen reden, dann geht es um die alte Streitfrage:
Besteht der Mensch aus zwei (Dichotomie) oder drei (Trichotomie) Teilen. Heute ist vor
allem die trichotome Vorstellung sehr verbreitet. Man geht davon aus, dass der Mensch aus
drei Teilen besteht, aus dem stofflichen Leib, der nichtstofflichen Seele und dem ebenfalls
nichtstofflichen Geist. Bei dieser Vorstellung hat Seele also eine Existenz unabhängig von
Geist und Leib. Diese Lehrauffassung wurde bereits auf der Synode von Konstantinopel
(381 n. Chr.) durch Athanasius verworfen. Sie hat ihren Ursprung im griechischen Denken.
Martin Luther äußerte sich manchmal dichotomisch, manchmal trichotomisch. Er vertrat
vermutlich eine Dichotomie der Substanz und eine Trichotomie der Funktion. Alle drei
Elemente können nach Luther geistliche oder fleischliche Eigenschaften aufweisen. Ende
des letzten Jahrhunderts wurde die trichotome Sicht von deutschen Erbauungsschriftstellern
(z. B. Otto Stockmaier) und später auch vor allem von Watchman Nee mit dem Buch „Der
geistliche Christ“ wieder belebt. Sein Einfluss wurde vor allem im deutschen Pietismus, aber
auch in der angelsächsischen Christenheit wirksam.

Mit der Dreiteilung verbunden ist auch die Zuordnung unterschiedlicher Funktionen zu
Seele und Geist. Der Seele werden die Funktionen „Verstand“, „Wille“ und „Gefühl“
zugeschrieben, dem Geist dagegen die Funktionen „Intuition“, „Gewissen“ und
„Gemeinschaft mit Gott“ (siehe Diagramm im Anhang). Ich möchte dagegen halten, dass
der Geist keineswegs unpersönlich ist. Er ist voll und ganz Person, wenn auch nicht ganz
Mensch, wie Gott den Menschen gemeint hat, weil der Mensch nur in seiner Ganzheit
vollständig ist. Doch auch die Geister (oder Seelen), die vor der Auferstehung beim HERRN
sind, können denken, fühlen und wollen (siehe Lk 16,19-31: Der reiche Mann und der
arme Lazarus).

Bei der trichotomen Sicht des Menschen ist es zudem fast immer so, dass man sich den
Geist als das reine, von Sünde und Befleckung nicht betroffene Reservat vorstellt, das
Organ, das Gott als seine Wohnstätte wählt. Die Schrift macht aber unmissverständlich klar,
dass im Menschen nichts Gutes wohnt, dass der ganze Mensch durch den Fall betroffen ist.
Paulus schreibt an die Korinther, dass sie sich „von aller Befleckung des Fleisches und des
Geistes reinigen“ sollen (2Kor 7,1).

Der bekannte Theologe Wilhelm Schlatter schrieb: „Wer vom Geist wahr denken und
reden will, muss sich durch das Wort Gottes sagen lassen: Menschengeist ist nicht der
Heilige Geist. Er ist nicht Gott, sondern in den Menschen hinein geschaffen, also
geschaffener Geist. Als solcher konnte auch er sich der Sünde nicht erwehren, sondern ist
selbst in ihre Gewalt und dadurch in Not und Erlösungsbedürftigkeit geraten. Mit diesem
Bekenntnis der Wahrheit, dass auch der Geist im Menschen unter der Sünde steht, ist
eingeräumt, dass das gesamte natürliche Menschenwesen bis in den Grund, den Geist,
widergöttlich entartet ist und Errettung nötig hat.“1

1 Schlatter, Wilhelm: Biblische Menschenkunde. Die biblische Lehre von Geist, Seele und Leib. Bielefeld 1979, S. 30.

Jede Vorstellung, die beim natürlichen Menschen ein unversehrtes, von der Sünde
verschontes Reservat vermutet, ist entschieden falsch. Der Mensch ist nicht ein Sünder, weil
er sündigt, sondern er sündigt, weil er ein Sünder ist. Sünde entspricht seiner gefallenen
Natur. In Spr 22,15 heißt es, dass Torheit dem Knaben im Herzen steckt. Noch nie musste
einem Kind beigebracht werden zu sündigen. Das ganze Menschenwesen ist von Geburt an
durchdrungen von der Sünde.

Man sagt, der Geist des Menschen vor der Bekehrung war tot und ist nun durch die
Wiedergeburt lebendig gemacht worden. Das ist wohl richtig, doch verbindet man damit
gleichzeitig die Vorstellung, dass der Geist des Menschen durch die Wiedergeburt von allem
Sündhaften befreit wurde und nun die reine Wohnstätte Gottes darstellt. Dabei verkennt
man eben die Ganzheitlichkeit des Menschen, die die Vorstellung verbietet, es könnte einen
Teil geben, der dem Einfluss der innewohnenden Sünde enthoben wäre.

In manchen christlichen Büchern wird die Sünde bzw. das Fleisch ausschließlich mit der
Seele identifiziert. Der Unterschied zwischen dem Heiligen Geist und dem Menschengeist
wird oft gar nicht mehr gemacht. Und so redet man vom Geist des Menschen in einer
Weise, wie sie nur wahr wäre, wenn man dasselbe vom Heiligen Geist sagen würde. Der
Geist entspricht dann gewissermaßen dem göttlichen Funken in uns. Diese Vorstellung liegt
ja auch der Selbstverwirklichungslehre zu Grunde: Das Gute liegt in uns, es gilt lediglich,
dieses Gute zu verwirklichen. Auch die Mystiker aller Zeiten waren von dieser Vorstellung
ausgegangen. Durch Versenkung in sich selbst hinein wollten sie Gott begegnen.

Heute hat die Mystik in vielfältiger Weise wieder Einzug gehalten. Einerseits haben wir
ein ungeheures Angebot an medidativ-religiösen Praktiken fernöstlicher Herkunft, anderseits
wird unser Büchermarkt überschwemmt von esoterisch-okkulter Literatur. Im christlichen
Feld haben wir die charismatische Bewegung, die in ihrem tiefsten Grund eine mystische
Bewegung ist. In der Welt ist es die New-Age-Bewegung, die die Menschen für
Übersinnliches öffnet. Immer geht es um besondere Geisterfahrungen, die zum eigentlichen
Ziel religiösen Strebens gemacht werden. Da man das Böse der Seele zugeordnet hat, kann
man jetzt ein grenzenloses Vertrauen zu allem haben, was über den Geist vermittelt wird. So
ist der Verführung durch Satan Tür und Tor geöffnet.

Dichotomie oder Trichotomie: Die dichotome Sicht

In 1Mo 2,7 wird uns sehr knapp und doch außerordentlich aufschlussreich mitgeteilt, wie
sich die Erschaffung des Menschen zutrug: „Da bildete Gott, der HERR, den Menschen, aus
Staub vom Erdboden und hauchte in seine Nase Atem des Lebens; so wurde der Mensch
eine lebendige Seele.“ Der Ausdruck „Staub vom Erdboden“ (Luther übersetzte
„Erdenkloß“) soll deutlich machen, dass der Mensch nach seiner stofflichen Beschaffenheit
durchaus mit den irdischen Geschöpfen zusammengehört. Er ist Materie - aber er ist nicht
nur Materie. Diesem Erdstoff, den Gott zur Substanz menschlicher Leiblichkeit wählte,
hauchte Er seinen Atem (ruach) ein. Das Wort kann auch mit „Geist“ übersetzt werden.
Dieser Geist ist Träger und Vermittler des Lebens. Infolge der Geisteinhauchung wird der
Mensch „eine lebendige Seele“ (nephesh) oder zu einem beseelten Lebewesen.

Zwar ist der Geist des Neugeborenen schon persönlicher Geist, doch zunächst noch ein
unbeschriebenes Blatt. Dieser Mensch wird während seines Lebens in der raum-zeitlichen
Dimension seine Erfahrungen machen. Die Persönlichkeit bekommt also ihre eigene
unverwechselbare Gestalt, die wiederum dem Geist des Menschen eingeprägt wird, so dass
der transzendente Teil des Menschen während seines Lebens wie auch nach seinem Tod
sowohl Geist als auch Seele genannt werden kann. Es hat daher eine gewisse Berechtigung,
von „Geist-Seele“ zu reden. Tatsächlich zeigt sich, dass die beiden Begriffe in der Bibel oft
austauschbar verwendet werden (vgl. Joh 12,27 und 13,21; Mt 20,28 und 27,50; Hebr
12,23 und Offb 6,9).

Funktionell betrachtet kann also beim lebendigen Menschen, wenn man seine Ganzheit
berücksichtigt, durchaus von Geist, Seele und Leib gesprochen werden, wie es z. B. in
1Thess 5,23 geschieht. Substanziell aber bleibt es dabei, dass der Mensch nur aus zwei
„Teilen“ besteht, dem transzendenten Teil der Geist-Seele und dem immanenten Teil des
Leibes. Somit könnte man von einer substanziellen Dichotomie und einer funktionellen
Trichotomie sprechen. Seele hat also keine eigenständige Existenz, unabhängig von Leib
und Geist, obwohl sie auch nicht völlig mit dem Geist identisch ist, sondern immer – auch
nach dem Tod eines Menschen – unterscheidbar bleibt.

Oft wird Hebr 4,12 als Beleg für eine trichotome Auffassung hergenommen: „Denn das
Wort Gottes ist lebendig und wirksam und schärfer als jedes zweischneidige Schwert und
durchdringend bis zur Scheidung von Seele und Geist, sowohl der Gelenke als auch des
Markes, und ein Richter der Gedanken und Gesinnungen des Herzens.“ Es wird
argumentiert, hier sei doch die Rede davon, dass das Wort (als Schwert) die Seele vom
Geist trennt. Es wird hier aber keineswegs gesagt, dass die Seele vom Geist getrennt wird,
sondern dass beide, Seele und Geist jeweils für sich getrennt (merismos) werden (psyche te
kai pneuma).

Es müsste also auch hier, wie bei dem Begriffspaar „Gelenke-Mark“ übersetzt
werden: „bis zur Trennung der Seele als auch dem Geist“. Anders gesagt: Das Wort dringt
durch bis ins innerste Menschenwesen (Herz), trennt dort Göttliches vom Ungöttlichen und
richtet über die dort angesiedelten Gedanken und Gesinnungen. Wir könnten sagen: Das
Wort Gottes ist allein dazu fähig, das zu beurteilen, was in der Psychologie als Unbewusstes
bezeichnet wird.

Noch einige weiteren Schriftworte, die die dichotome Sicht unterstützen2:
• Gott ist Geist (Joh 4,24) und doch spricht auch Gott von seiner Seele (Hebr 10,38).
Seele und Geist werden beide auf die Tierwelt angewandt (Offb 16,3, vgl. Pred. 3,21)
• Die höchsten Ausübungen des Glaubens werden auch der Seele zugeschrieben (Mk
12,30; Lk 1,46; Hebr 6,18f.; Jak 1,21).
• Leib und Seele (oder Geist) machen den ganzen Menschen aus (Mt 10,28; 1Kor 5,3.5;
3Joh 2, vgl. Pred 12,7).
• Wer die Seele verliert, verliert alles (Mt 16,26; Mk 8,36f.).
• Sterben heißt einmal: „den Geist ausgeben“ (Lk 23,46; Apg 7,59) und das andere Mal:
„die Seele aufgeben“ (Apg 15,26, vgl. 1Kön 17,21).
• Beide Ausdrücke bezeichnen das transzendente Element des Verstorbenen (1Petr 3,19;
Hebr 12,23; Offb 6,9 und 20,4).
• Der parallele Gebrauch von Seele und Geist in Lukas 1,46f. ist offensichtlich.

Die Bedeutung des dichotomen Menschenbildes für die Seelsorge

Das dichotome Menschenbild hat weit reichende Konsequenzen für unser Thema. Wenn
der Mensch nur aus zwei Teilen besteht, dann können Störungen in seinen Lebensbezügen
nur zwei Quellen haben: Sie können entweder im Leib liegen oder im Geist. Natürlich sind
körperliche Krankheiten und Persönlichkeitsstörungen nicht exakt voneinander
abzugrenzen, weil der Mensch eine Ganzheit ist und enge Wechselwirkungen bestehen.
2 Aus: Neidhardt, Jürgen, „Leib, Seele und Geist – Dichotomie oder Trichotomie?“. Bibel und Gemeinde.

Zum bessern Verständnis dieser Argumentation möchte ich ein Bild gebrauchen. Es ist
das eines Mannes, der an einem Piano sitzt und spielt. Nehmen wir an, wir befinden uns vor
dem Piano und können den Mann selbst nicht sehen. Was wir aber wahrnehmen, ist ein
Piano, das Musik von sich gibt. Das entspräche einem lebenden Menschen, dem was die
Bibel mit „Seele“ meint. Die Musik ist in diesem Fall das Ergebnis aus dem Zusammenspiel
von Pianist und Piano. Nehmen wir an, die Musik klingt disharmonisch. Was könnte der
Grund dafür sein? Es gibt im Prinzip zwei Möglichkeiten: Entweder spielt der Mann falsch
oder das Piano ist defekt. In beiden Fällen kann das Resultat völlig gleich aussehen (siehe
Bild 2 im Anhang).

Wenn das Nervensystem eines Menschen geschädigt oder beeinträchtigt ist (durch
unmittelbare Schädigungen des Gehirns, durch raumverdrängende Prozesse wie Tumore
oder durch mittelbare Einflüsse wie Vergiftungen, Drogen etc.), wenn es in seiner Funktion
gestört ist durch Stoffwechselstörungen (zu viele oder zu wenige Neurotransmitter oder
hormonelle Störungen), dann kann der Geist seine Impulse nicht mehr angemessen
vermitteln, was sich vermutlich als psychische Störung äußert. Wenn dagegen der Geist in
seiner Funktion gestört ist (das heißt, wenn die Gottesbeziehung gestört ist), dann kann das
bei gesundem Nervensystem ebenfalls zu psychischen Störungen führen.

Der Ort, wo sich die jeweilige Störung manifestiert, ist entweder der Körper und/oder die Seele.
Genaugenommen stellen psychische Störungen im Ergebnis immer eine Mischung
körperlicher und psychischer Symptome dar. Auf der Körper-Psyche-Achse könnte man z.
B. folgende Störungsbilder anordnen: Alzheimer, somatogene Depressionen, endogene
Depressionen, Psychosen und Schizophrenien, Zwangserscheinungen, Suchtkrankheiten,
Angststörungen, Erschöpfungsdepressionen, reaktive Depressionen, Verhaltensstörungen.
Letztlich müssten wir sagen, dass nicht eigentlich die Psyche des Menschen krank ist,
sondern dass entweder sein Körper krank oder seine Gottesbeziehung gestört ist bzw.
beides. Somit muss auch - will man die Problematik ursächlich angehen - dort der
wesentliche Ansatzpunkt für die Hilfe sein. Im ersten Fall wäre primär der Mediziner gefragt,
im zweiten der Seelsorger. Ähnlich hat sich der amerikanische Autor Lawrence Crabb in
einem Interview mit „Christianity today“ geäußert.3 Die zwangsläufige Folgerung aus dieser
Erkenntnis ist, dass Psychotherapeuten im Grunde säkulare Seelsorger sind. Somit ist
Psychotherapie fehl am Platz, denn sie kann das Wesentliche nicht leisten: Den Menschen
in eine gesunde Gottesbeziehung führen.

3 Zitat: „Theologisch ist mir die zweigeteilte Position, dass der Mensch aus Geist und Leib besteht, lieber als eine
Dreiteilung. Ich ziehe nämlich die Schlussfolgerung, dass das, was wir psychologische Probleme nennen, in Wirklichkeit
geistlich/theolo-gische Probleme sind.“
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DIE MENSCHENBILDER DER PSYCHOTHERAPIE





Klaus Giebel


Teil 3





ASPEKTE BIBLISCHER ANTHROPOLOGIE FÜR EINE BIBELORIENTIERTE SEELSORGE





Der Mensch – geschaffen, gefallen und wieder hergestellt


1. Gottes Schöpfung - der Mensch im Urzustand
Der Mensch ist Geschöpf Gottes. Aber nicht nur die Tatsache, dass der Mensch geschaffen
wurde sondern auch das Wie und Wozu geben Aufschluss darüber, wer der Mensch ist. An
dieser Stelle können wir natürlich nur einige Aspekte andeuten. Nach 1.Mo. 1,26-27 und
1.Mo. 2,7 lässt sich sagen, dass der Mensch sowohl von seinem Ursprung her als auch bezüglich
der Zielsetzung zum Bild Gottes geschaffen wurde. Mit Ausführungen über seine materielle
und geistige Beschaffenheit wird ihm auch eine Zweckbestimmung gegeben: er wird
zum Botschafter Gottes auf Erden. Gegenüber der übrigen Schöpfung repräsentiert er den
lebendigen Schöpfer, er ist der „König der Erde“ (Erich Sauer).

Die Frage, die die Theologie stets beschäftigt hat, ist, worin diese „Ebenbildlichkeit“ (oder
einfach, wie manche Theologen es vorziehen, die „Bildlichkeit“) besteht. Die Bedeutung
zäläm (lat. imago, griech. eikon) ist primär Bild, Abbild, Abbildung. Das andere Wort, demuth
(lat. similitudo, griech. homoiosis), bedeutet Gleichung, Gestalt, Nachbildung, Ähnlichkeit.
1 Der Versuch einiger griechischer und lateinischer Kirchenväter, in ersterem den
körperlichen Bereich („Abbild“, konkrete Ähnlichkeit) und in letzterem Begriff (abstrakte
Ähnlichkeit) mehr den sittlichen Aspekt der Gottebenbildlichkeit zu sehen, ist aus der Begriffsbildung
heraus nicht gerechtfertigt.2 Die beiden Begriffe verstärken sich und heben hervor,
dass der Mensch als Bild, als Gleichnis für Gott geschaffen wurde.

Damit sind die Parameter für die grundlegende Wesensbestimmung des Menschen gelegt: Der Mensch widerspiegelt
innerhalb der Schöpfung das Wesen Gottes, ohne dabei mit Gott identisch zu sein.
Er ist geprägt von der Abhängigkeit gegenüber seinem Schöpfer. Gott schuf sich also ein
Gegenüber, zu dem er reden konnte, das ihn verstand und seine Pläne und Absichten in
besonders hervorragender Weise vertreten konnte. Wenn der Mensch sich von Gott anreden
lassen kann, dann liegt darin seine Würde und Bedeutung.

Alle Modelle, die den Menschen partikular betrachten („Triebwesen“, „animal rationale“
etc...) verkennen die Bedeutung dieser Dimension des Menschen, der ein von Gott zu erreichender
ist. Letztlich will sich Gott immer beim Menschen Gehör verschaffen. Der am Wort
Gottes ausgerichtete Seelsorger, wird dies zu keinem Zeitpunkt der Beziehung zu einer ratsuchenden
Person außer acht lassen. Auch nach dem Sündenfall bleibt der Mensch formal
ein im Bild Gottes Geschaffener3.

1 vgl. S. Külling, fundamentum 3/82, SS. 5-6
2 1.Mo. 5,3 ist von der Ähnlichkeit und Abbildlichkeit Seths gegenüber Adam die Rede. Hier werden beide Begriffe
umgekehrt verwendet.
3 1.Mo. 9, 6; 1.Kor. 11,7; Jak.3,9; Apg. 17,28

Ein anderer Gesichtspunkt, der sich aus den Aussagen des Schöpfungsberichts ergibt, ist
die wesensmäßige Einheit des Menschen. Der Mensch wurde eine lebende Seele (hebr.
näphäsch chajah), was bedeutet, dass es nicht Gottes Absicht war, einem unsichtbaren Teil
des Menschen eine sichtbare Hülle zu geben, sondern dass der sichtbare und der verborgene
Mensch aufs engste zusammen gehören. Zur Gottesebenbildlichkeit gehören eine geistige
Dimension sowie der Leib4. Dies geht auch aus anderen Zusammenhängen hervor. Wer
den Leib tötet, vergreift sich am „Bild Gottes“, ebenso wer den Menschen mit Worten verletzt.5

Sowohl seine moralische, also auch seine geistigen Fähigkeiten sowie sein Ichbewusstsein,
die Fähigkeit zur Kommunikation mit sich, mit anderen, all das macht die Einzigartigkeit
des Menschen aus. Die Kommunikationsfähigkeit scheint nach dem biblischen
Zeugnis eine besonders herausragende Eigenschaft zu sein, die den Menschen als das Gegenüber
Gottes auszeichnet, und zwar auf unterschiedlichen Ebenen.6.

Ein weiterer Aspekt dieser schöpfungsmäßigen Dimension ist, dass der Mensch dazu berufen
ist, seinem Schöpfer Ehre, Dank und Anbetung zu erweisen (Röm. 1,18-23). Wenn
der Mensch nicht mehr auf den Schöpfer bezogen denkt, dann wird es sich ein anderes
„Gegenüber“ suchen, d.h. der Mensch wird zum Götzendiener.7 Diese Glaubensdimension
des Menschen kann nicht fein säuberlich von anderen Bereichen seines Lebens getrennt
werden. Nicht erst wenn der Mensch selbst von seiner Religion spricht oder spezifisch religiös
handelt ist er religiös. Alle Ebenen seiner Werte, Überzeugungen, sein Fragen nach Sinn
und Bedeutung sind letztlich ein Ausdruck seiner Religiosität.

Er kann seine Herkunft nicht wirklich leugnen, nur verzerren und den Schöpfer durch ein horizontalisiertes, anthropozentrisches, säkulares Denken entehren. Es gibt aber keine wirklich neutralen Bereiche, die
nicht „religiös“ besetzt werden müssen. Das hat zur Folge, dass alle Denk-, Gefühls- und
Willensvorgaben eines Menschen auch einer ethisch-glaubensmäßigen Dimension unterworfen
werden. Der Mensch darf und soll sich immer auch seinem Schöpfer gegenüber verantwortlich
wissen. Er soll sich seiner religiösen Vorurteile und Prägungen bewusst werden
und unter das Wort des lebendigen Gottes kommen, so dass er seine Identität begreifen
kann.

FAZIT: Der von Gott geschaffene Mensch ist nicht abstrakt, d. h. ohne diesen Bezug zu
erklären. Wenn der biblische Offenbarungsrahmen ernst genommen wird, dann zeigt das
den Menschen als eine Einheit. Die Arbeit an einer biblisch ausgerichteten Psychologie
wird sich deshalb immer diesem „Ganzheitlichkeitsmodell“ des Menschen verpflichtet
wissen.

2. Der gefallene Mensch

Die zweite grundlegende Dimension des Menschen ist sein gefallener Zustand. Seine grundlegende
Verantwortlichkeit wird dadurch unterstrichen, dass Gott ihn nach seinem Abfall
persönlich sucht und zur Rechenschaft zieht Gott spricht zum Menschen, als dieser sich vor
4 s. z.B. 1.Kor. 15,44: der Körper kann – eschatologisch – zu einem ‚geistlichen Leib’ umgestaltet werden
5 1.Mo. 9,6; Jak. 3,9
6 Spr. 20,27: Der Geist des Menschen ist eine Leuchte des HERRN, durchforscht alle Kammern des Leibes,
vgl. Joh. 4,24; Röm. 8,16; 1.Kor. 2,10-13
7 Thomas Schirrmacher zeigt in seiner Ethik (Bd.1, Hänssler-Verlag, Neuhausen-Stuttgart, 1994, S. 36-37) auf, dass
nach Röm. 1,20-23.25 der Mensch „Gott nicht die Verehrung verweigern“ kann, „indem er sich auf neutrales Gebiet
zurückzieht, sondern nur, indem er an die Stelle des Schöpfers etwas anderes stellt, das er verehrt.“
ihm verbirgt („.... wo bist du?“8). „Wenn wir Christen ... von der Sünde sprechen, dann
nehmen wir den Menschen in seiner Würde und Verantwortlichkeit als ein zurechnungsfähiges
Gegenüber Gottes ernst."9

Das Wesen des Menschen wurde auf mehrfache Art betroffen.

1) Im Bericht vom Abfall des Menschen10 von Gott greift der Mensch nach der Frucht des
Baumes der „Erkenntnis des Guten und Bösen“. Dieser Griff wird mit dem Anspruch
verbunden, „sein zu wollen wie Gott“. Die Erkenntnis, um die es geht, ist prinzipiell ethisch11,
d.h., der Mensch macht eine konkrete Erfahrung mit dem Bösen, er übertritt faktisch
ein göttliches Gebot, widerspricht also aktiv dem Willen Gottes. Die damit verbundene
Aussicht, die die Schlange gibt, „ihr werdet sein wie Gott“, wird zum Leitmotiv des
autonomen Menschen. Ihm wird darin suggeriert, er könne Gott als Gegenüber umgehen
und sich autonom bewegen. Tatsächlich ändert sich die Gottesbeziehung mit dieser
Handlung: der Mensch erfährt eine Autonomie, die aber leidvoll als tödliche Trennung
von seinem Schöpfer erfahren wird.12 Letztlich stehen alle philosophischen und geistigen
Ansprüche des Menschen, außerhalb der Gottesbeziehung Lösungen zu suchen, im
Dienste dieser ursprünglichen Autonomiebewegung. Sie enthalten aber auch gleichzeitig
die Aussage, dass der Zugang zum wahren Leben versperrt ist. Es kann kein vom Menschen
erdachtes oder erschaffenes Paradies geben!

2) Sünde wird biblisch als Gesetzlosigkeit beschrieben13. Das Gesetz als Ausdruck des Willens
Gottes sowie seines Charakters, seiner Überzeugungen, ist für den Menschen, der in
seinem Bild geschaffen ist, immer gut und richtig. Die Bibel vertritt deshalb keine Situationsethik,
es gibt lediglich situative Anpassungen, die einem pädagogischen Handeln Gottes
entsprechen, aber keine Normverletzungen zum Maßstab machen.14 Sünde ist mangelnde
Übereinstimmung mit dem guten Willen Gottes. Der Mensch ist ein Gesetzesübertreter.
Deshalb dürfen die ethischen Aspekte aller Arten von Problemlösungen nicht ausgeklammert
werden.

3) Die Folgen der Sünde führen für alle Nachkommen Adams zu einer neuen Seinsbestimmung15.
Er lebt in einem „Sein zum Tode“. Der Mensch als solcher ist schuldig und ererbt
eine sündige Natur, die ihn nicht mehr fähig macht, nicht zu sündigen („non posse non
peccare“)16. Die Sünden, die der Mensch begeht, betreffen nicht nur seine Beziehung zu
Gott (genauso wenig wie nur sein Geist etwas mit seiner Beziehung zu Gott zu tun hat),
sondern auch alle anderen Beziehungsebenen (zu den Mitmenschen, zur Schöpfung, zu
sich selbst, zu seiner Geschlechtlichkeit).

8 1.Mo. 3,9; vgl. 4,9
9 Kettling, Siegfried: Wer bist du, Adam? Brockhaus-Verlag, Wuppertal 19792
10 1.Mo. 3
11 So S. Külling, Genesis 18.Teil, fundamentum 2/1985, S. 11
12 s. 1.Mo. 3,22, wo Gott tatsächlich sagt, dass der Mensch geworden ist „wie unsereiner“. Aber ihm wird
gleichzeitig die Möglichkeit genommen, am „Baum des Lebens“ Anteil zu haben.
13 1. Joh. 3,4; Jak. 2,9-10; Röm. 2,12-14; Röm. 4,15
14 Ein Beispiel wäre die im Alten Testament teilweise tolerierte Polygamie, die aber niemals zur Norm erklärt
wurde. Jesus macht deutlich, dass der ursprüngliche Gesetzeswille hinsichtlich der Ehe in der Schöpfungsgeschichte
zu suchen ist (Matth. 19,3-9).
15 Röm 5,12 Deshalb, wie durch einen Menschen die Sünde in die Welt gekommen ist und der Tod durch die
Sünde, so ist der Tod zu allen Menschen durchgedrungen, weil sie alle gesündigt haben.
16 Hiob 4,14; Jer. 17,9; Jes. 6,5; Röm. 8,5-8; Eph. 4,17-19

Daraus ergibt sich unter anderem: Die Sünde, in der der Mensch gefangen ist, ist nicht wirklich
nur ein angelerntes Fehlverhalten, das durch Lernprozesse wieder rückgängig gemacht
werden kann.17 Unterschiedliche Dimensionen von Fehlverhalten, Denkfehlern, Willensproblemen
und Gefühlskonflikten lassen sich im Wesentlichen durch die vielfältigen Schattierungen
und graduellen Erweiterungsmöglichkeiten dieses „Seins zum Tode“ erklären. Es
gibt durchaus ein Mehr oder ein Weniger an Sünde auf der horizontalen Ebene. Kain steigerte
den Abfall von Gott, indem er seinen Bruder umbrachte.18

FAZIT: Mit dem Sündenfall ging nicht die Gottesebenbildlichkeit des Menschen an sich
verloren. Das bedeutet, dass der an den Menschen gerichtete Anspruch, dieses Bild
Gottes wider zu spiegeln, nicht aufgehört hat; der Mensch wurde kein Tier, er blieb
Mensch in seiner Wesensbestimmung! Gleichzeitig ist aber nichts übrig im Menschen, was
noch als heil oder ganz gesehen werden kann. Der Mensch als Ganzes ist ein Sünder, ein
Rebell, der sich nicht unter Gottes Ordnung stellen will.19 Jeder Anspruch, sich und die
Welt ohne Anerkennung des Schöpfers heilen zu wollen, ist ein Versuch, diesem
Dilemma zu entkommen.

Aber der Mensch verlor die vitale Beziehung zu seinem Schöpfer und damit auch das Recht, sein Repräsentant auf Erden zu sein. Gott selber nahm aber den Schöpfungsakt nicht zurück, sondern hielt an dieser Vorgabe fest, den
Menschen zu seinem Verwalter auf Erden zu machen. Er stellte den Menschen aber unter
die Vorschatten des Gerichts. D.h., er ließ auch den gefallenen Menschen unter neuen
Bedingungen in dieser Verantwortung. Die Nachkommen Adams widerspiegelten dieses
gebrochene Bild, sie waren im Bild Adams als des gefallenen Menschen.20 Der dreifache
Tod des Menschen (geistlich, Beginn des physischen Todes und ewig).21 zeigt, dass der
Mensch unter dem Gericht Gottes lebt. Gott traf einige Maßnahmen, die dem Menschen
helfen sollen, sich dieser Situation bewusst zu werden und dadurch daran erinnert zu
werden, dass er nicht in einer idealen Welt, sondern einer Welt, die diesem
Unheilszustand Rechnung trägt, leben muss. Aus dieser Situation der Unvollkommenheit,
die nicht mit dem ursprünglichen Willen Gottes übereinstimmt, ergeben sich viele
Ansätze um den Auftrag, hier und heute Hilfe für den ganzen Menschen zu bieten, richtig
einzuordnen. Zentral bleibt festzuhalten, dass der Mensch sich selbst nicht wirklich helfen
kann. Unordnung und Leiden, Todesverfallenheit und damit verbundene Krankheit, sind
immer auch ein Ruf, zu dem Ursprung und Schöpfer aller Dinge zurück zu kehren. Dieser
Ruf darf nicht durch säkularisierte Heilungsversprechen oder anthropozentrierte
Ersatzmaßnahmen außer Kraft gesetzt werden.

3. Der neue Mensch

Auch die Heilsabsicht Gottes zielt auf den ganzen Menschen22. Als Jesus dokumentierte,
dass das messianische Zeitalter mit seinem Kommen angebrochen war, zeigte er das durch
17 Thomas Schirrmacher meint in seiner Ethik I (a.a.O., S.38): „Der Gedanke, dass man den Menschen durch
Bildung verbessern und die Übel der Menschheit durch intellektuelle Aufklärung beseitigen könne, ist eines der
Grundprobleme der griechischen Philosophie, des Humanismus und der Aufklärung.“
18 1Jo 3,12: nicht wie Kain, der von dem Bösen stammte und seinen Bruder umbrachte. Und warum brachte er ihn
um? Weil seine Werke böse waren und die seines Bruders gerecht.

19 S. Jer. 17,9
20 1.Mo. 3,17-19; 5,1-4
21 1. Mo. 2,17; 1.Mo. 3,22-24; Röm. 5,12; 1.Kor. 15,21; Offenb. 21,8
22 1.Thess. 5,23: „Gott...heilige euch völlig..Möge euer Geist, Seele und Leib untadelig bewahrt werden...“

das Heilen und Befreien der Menschen in einem umfassenden Sinn23 und bewies dadurch
seine messianische Sendung: der Messias wird die Schöpfung erneuern – und er fängt bei
seinem direkten „Ansprechpartner“ bezüglich seiner Schöpfung an, dem Menschen. Dieser
muss allerdings ganz neu und von Grund auf seinen Bezug zum Schöpfer wieder finden.
Allerdings ist der erste Schritt dazu nicht primär die leibliche, sondern die geistliche
Zurechtbringung.24 Es gibt ein Primat der geistbezogenen Gottesbeziehung, die aber nicht
mit einer Abwertung oder Verachtung der leiblichen Existenz einher geht.25 Der Körper und
auch das Innere des Menschen, Verstand, Wille, Gefühl, Motivation etc. werden dabei nicht
von einer geistlichen Bedeutung des Menschen abgekoppelt oder könnten eine
unabhängige Behandlung erfahren.26

Die Bibel spaltet die Wirklichkeit nicht in einen Bereich auf, der Gott entzogen ist und einen,
zu dem Gott Zugang hat. Vielmehr ist er der Herr der ganzen Erde, die er dann auch
zu seiner Zeit erneuern wird27. Für die Gegenwart gilt: Begrenzungen, Einschränkungen, Erfahrung
von Leid und Schmerz, werden nicht glorifiziert („Märtyrerkomplex“), müssen aber
trotzdem als etwas gesehen werden, was auch geduldet und getragen werden muss und
nicht einfach immer überwunden werden kann. Partielle Heilung, Hilfe ist möglich, das Tragen
der Last, das Vermitteln der Barmherzigkeit Gottes steht nicht im Widerspruch zu der
Aussage, dass wir in einer gefallenen Situation leben.

Es ist nur wichtig, dass der Prozess der
Veränderung wiederum nicht eine Sache säkularer Heilungsmethoden sein kann, wenn es
um die geist-seelisch-leibliche Einheit des Menschen geht. Der Christ hat vielmehr die Sicht,
dass sein Menschsein bereits im Hier und Heute auf die neue Schöpfung Gottes angelegt ist.
Diesem Anspruch, diesem Auftrag, kann und darf sich der Seelsorger im Gegensatz zu einem
auf die Immanenz angelegten Therapeuten an keiner Stelle entziehen. Er teilt seine Existenz
nicht auf, genauso wenig wie der Chirurg den Menschen, den er vor sich sieht, nur
als „Lunge“ oder als „Hüftgelenk“ wahrnehmen sollte (wenn dies auch im Sprachgebrauch
der OPs manchmal so scheinen mag).

Das heißt nicht, dass es nicht methodische Zwischenwege
geben könnte. Sie dürfen aber keine Eigendynamik entfalten und als methodisches
Gesetz kein Korsett für das souveräne Handeln Gottes darstellen. Nach biblischem
Verständnis dient der Leib schon jetzt dazu, mit der geistig-seelischen Erneuerung konform
zu gehen, auch wenn er ein unvollkommenes „Werkzeug“ ist. Der Widerspruch zwischen
sterblicher Existenz und dem Wissen um das ewige Leben, wird schmerzlich erfahren, aber
auch als große Herausforderung für die praktische Heiligung28 gesehen. Dazu dient der einzig
vollkommene Mensch, der in der Geschichte aufgetreten ist, d. i. Christus, als Maßstab.
Er ist aber auch der Inhalt dieser Erneuerung: der Christ ist ein Mensch, der sich analog zur
Person Christi entfaltet, weil Christus zuerst Herr der Gemeinde ist, dann aber auch Herr
der ganzen Schöpfung. Dies spiegelt sich in der Art und Weise wider, wie alle Lebensberei-

23 Luk. 4,18, zit. Jes. 42,7
24 Röm. 8,23 spricht von der „Erstlingsgabe des Geistes“ während Christen dann umso klarer wissen, dass sie auf
die „Erlösung des Leibes“ warten können.
25 2.Kor. 4,16 unterscheidet Paulus den „äußeren“ und den „inneren“ Menschen, wobei er die Leidenserfahrung des
ersteren mit der Erneuerungserfahrung des letzteren in Beziehung setzt.
26 S. hierzu die Ausführungen von Roland Antholzer zum Thema Dichotomie-Trichotomie an späterer Stelle
27 Ps. 47,3; Sach. 14,9. Dabei gilt sicher, dass der Leib ebenso wie diese irdische Schöpfung durchaus eine
Sonderstellung einnimmt: er wird als letztes erlöst und muss sich bis zu seiner Neuschöpfung mit vorläufigen
Lösungen zufrieden geben. An dieser Stelle ist auch die medizinische Wissenschaft gefordert, ebenso wie der Staat
eine Bedeutung hat für das Gemeinwohl und die Erhaltung der Erde. Dies zu erörtern würde den Rahmen hier
sprengen.
28 Unter dem Begriff der Heiligung versteht die Bibel den Prozess des Einswerdens mit Christus auch in der
praktisch-lebensbezogenen, zeitlichen Existenz (s. z.B. Röm. 6,11-13 „...stellt eure Glieder nicht der Sünde zur
Verfügung... sondern stellt euch Gott zur Verfügung.. als Lebende“ ). Der bereits gerechtfertigte kann diese
Aufforderung als Konsequenz seines geschenkten neuen Seins in Christus verstehen.

che und -bezüge auf Christus hin angelegt sind.29 Das Bild Gottes im Menschen, der Mensch
als im Bild Gottes geschaffen, wird nicht „an sich“ wieder hergestellt, sondern als Neuschöpfung
in Christus.30 Der Römerbrief im 5. Kapitel thematisiert die Abhängigkeit des natürlichen
Menschen von diesem ersten Menschen, Adam, und weist auf die Abhängigkeit der
neuen, erlösten Menschennatur, den zweiten Adam hin. Entsprechend wird für die christliche
Seelsorge ein völlig neuer Zusammenhang sichtbar: der Mensch „in Christus“ ist ein
konkretes Gegenüber, keine rein „spirituelle“ Angelegenheit. Paulus bezieht das auf seinen
gesamten Dienst und seinen Umgang mit den Menschen, die nicht mehr nach ihrer natürlichen,
von Gott losgelösten Voraussetzungen verstanden werden, sondern aus dem Dienst
der Versöhnung heraus, den Gott selbst eingeleitet hat.31

Aus all diesem folgt, dass der Mensch, dessen „Seele“ gesund werden soll, aus biblischer
Sicht in allen Phasen, in denen er sich befindet, diesem Prozess untergeordnet werden
müsste. Nicht der Seelsorger sorgt sich um die Seele des Menschen, sondern er vermittelt
die Zusammenhänge der gebrochenen Existenz des Menschen auf verständliche Art und
Weise, so dass sowohl in der Diagnostik als auch bei der Hilfestellung der Zugang Gottes
zum Herzen des Ratsuchenden nicht versperrt wird. Mit anderen Worten, dem Wort Gottes
Raum zu geben, dass es gehört, verstanden und angenommen wird ist die oberste Priorität,
will man den Menschen als ein im besten biblischen Sinn „geistliches Gegenüber“ nicht verlieren.

Eine humanistische, säkularistische oder anthropozentrische Sicht vom Menschen, die
den Menschen als ein entwicklungsfähiges, steuerbares Wesen zeigt, unternimmt dagegen
den Versuch, aufgrund einzelner Erfahrungsaspekte einen Weg zu zeigen, wie die Folgen
des Sündenfalls teilweise aufgehoben werden können. Der biblisch motivierte Seelsorger
weiß um die Begrenztheit aller menschlichen Hilfe und wird sowohl das Wort als auch die
Diakonie (dazu gehört auch der Bereich der Humanmedizin) in den Dienst dieses Auftrags
stellen wollen. Lebenserleichterung und -hilfe haben keinen Selbstzweckcharakter, sondern
sind Zeugnis von der umfassenden Fürsorge Gottes für den Menschen.

Leiden, auch schwerere geistig-seelische Störungen sind eine Anfrage, wie und wo der Gott des Lebens eingreifen
kann und bringen den Schrei nach umfassender Erlösung mit sich. Wann und wo nun
praktische Hilfen, Aufklärung, Trost, Rat, Ermutigung zu geben sind, das alles wird zunächst
durch den schöpfungsbezogenen und heilsgeschichtlichen Bezug vorgegeben und kann mit
Erfahrungswissen und Einsicht in somatische und innerseelische Zusammenhänge32 verbunden
werden.

29 Eph. 4,15 macht diesen Zusammenhang exemplarisch deutlich: „in Wahrheit reden“ hat damit zu tun, dass das
„Haupt“ Christus, die Mitte und das Ziel der Gemeinde ist. Aktuelle Veränderungen in der Struktur des Denkens
und der Kommunikation sind also nicht technische Veränderungen oder gelernte Verhaltensweisen, sondern
entsprechen der begonnenen Neuschöpfung des Menschen in Christus. Dazu dienen die auf praktische Veränderung
zielenden Forderungen des Neuen Testaments, die keine neue Gesetzlichkeit vermitteln, sondern im Rahmen der
heilsstiftenden Erneuerung der Herrschaft Christi zu sehen sind.

30 Der Zusammenhang zwischen Kol. 3,10 (vgl. Eph. 4,24), wo das Bild des „Anziehens“ des „neuen Menschen“
verwendet wird und seine ähnliche Formulierung mit Gal. 3,27, wo dieser Mensch Christus selbst ist, lässt darauf
schließen, dass es dem Apostel Paulus darum geht, die Wiederherstellung des Bildes Gottes im Menschen ganz und
gar christologisch zu deuten: Christus ist der neue Mensch und die Erneuerung des Menschen kann nur
Christusähnlichkeit bedeuten.

31 2.Kor. 5,15-18: „...daher kennen wir niemand mehr nach dem Fleisch....wenn jemand in Christus ist, so ist er eine
neue Schöpfung..“
32 Roland Antholzer: „Geist, Seele, Leib – der Mensch in seiner Beschaffenheit“, S. 3: Die Bedeutung des
dichotomen Menschenbildes für die Seelsorge.
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#4
Rolf

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DIE MENSCHENBILDER DER PSYCHOTHERAPIE




Teil 4




BIBLISCHE ANTHROPOLOGIE





Gemeindeorientierte Initiative für biblische Beratung e.V.




Thesen:

• Der Mensch als Geschöpf Gottes ist das Ebenbild Gottes. Daraus folgt, dass er in keinem Bereich
seiner Existenz berechtigt ist, eine von Gott unabhängige Beziehung zu haben. Alles, was das
geistige und materielle Leben des Menschen ausmacht, hat letztlich eine Glaubensdimension, weil
der Mensch per definitionem ein auf Gott hin geordnetes Wesen ist.

• Der Mensch ist seit seinem Schritt in die Autonomie, dem Sündenfall, nicht von seiner
Verantwortung entbunden, als Sachwalter Gottes in Erscheinung zu treten und ihn zu
repräsentieren. Gott hat ihn nicht „entlassen“, sondern stellt ihn in die volle Verantwortung. Es gibt
kein ethisches Vakuum für den Menschen, vielmehr steht er in der Verpflichtung Gott auf allen
Ebenen seines Lebens Rechenschaft ablegen zu müssen. Dies bedeutet, dass es für alle Bereiche
des Lebens keine wirklich neutralen Räume gibt.

• Der Mensch ist gerufen, alle Aspekte der Unordnung, der Verzerrung seiner Bestimmung als etwas
zu sehen, was mit Gericht zu tun hat und die Dimension der Todverfallenheit als Folge der Sünde
(Röm. 6,23) in sich trägt. Dieses „Sein zum Tode“ kann nur durch das, was die Bibel unter
Neuschöpfung (2.Kor. 5,17) versteht, bezogen auf das Heil Gottes in Christus, also durch Tod und
Auferstehung, überwunden werden. Dieser Prozess der Überwindung darf nicht durch säkulare
Paradigmen (anthropozentrische Psychotechniken etc.) ersetzt, verdrängt oder verwässert werden.

• Durch die Geisteinhauchung (ruach) wurde der aus Erdstoff gebildete Mensch eine lebendige
Seele. Seele stellt also etwas Neues, Drittes dar, das mehr ist als die Summe ihrer Teile. Sie ist
aufs Engste mit dem Geist und auch dem Leib verbunden, weshalb in der Bibel der lebendige
Mensch als „Seele“ (nephesh) angesprochen wird.

• Seele hat keine von Leib und Geist unabhängige Existenz: dichotome Sicht des Menschen. Eine
substantielle Trichotomie ist in der Schrift nicht zu finden. Von Leib, Seele und Geist kann nur bei
funktioneller Betrachtung des Menschen die Rede sein.

• Die Begriffe „geistlich“ oder „fleischlich“ lassen sich nur auf den ganzen Menschen beziehen. Sie
sind weder mit dem Geist, noch mit der Seele oder gar dem Leib zu identifizieren. Sie beziehen
sich darauf, ob der Christ aus seinen eigenen Ressourcen lebt und damit die wider-göttliche
Prägung seines natürlichen Wesens zur Entfaltung bringt oder ob er in seinem Denken und
Handeln vom Heiligen Geist bestimmt ist.

• Der ganze Mensch ist von der Sünde betroffen. Auch der Geist des Menschen steht unter ihrer
Einwirkung und stellt keineswegs ein heiliges Reservat im Menschen dar. Beim wiedergebo-renen
Menschen hat der Geist seine Funktion wieder aufgenommen, nämlich „Schnittstelle“ zu Gott zu
sein. Heilig und gerecht ist der Christ aber niemals in sich selbst, sondern nur in Christus.

• Aus dem dichotomen Verständnis des Menschen ergibt sich zwingend, dass seelische Dysfunktion
ihren Ursprung entweder in der Gottesbeziehung oder im Körper (bzw. in beidem gleichzeitig)
haben muss. Welchen Platz hier psychotherapeutische Intervention haben sollte, müsste
Gegenstand der Diskussion sein.

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