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"Schon wieder Holocaust?"


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Rolf

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"Schon wieder Holocaust?"

 

 

 

Rechtsradikale Schüler mobben jüdische Kinder, arabischstämmige loben Hitler. Was können Schulen gegen Antisemitismus tun? Zwei Lehrer berichten von ihren Erfahrungen.
 
Interview:

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12. September 2018
 
An der Alten Synagoge in Essen: Die Lehrer Florian Beer (links) und Guillermo Pineiro (rechts) unterhalten sich über muslimischen und rechten Antisemitismus an Schulen. © Julia Sellmann für ZEIT ONLINE

Viele Juden fühlen sich nicht mehr sicher auf deutschen Straßen und in den Schulen. Sie fürchten Übergriffe und Mobbing. Aber Antisemitismus gibt es auch dort, wo Schüler überhaupt keinen oder kaum Kontakt mit Juden haben. Zwei Lehrer diskutieren hier über ihre Erfahrungen. Guillermo Pineiros unterrichtet an einer Gesamtschule in Essen, in einem Stadtteil, der für seine starke rechte Szene bekannt ist. Florian Beer ist Lehrer an einem Abendgymnasium in Gelsenkirchen. Unter seinen Schülern sind viele mit Migrationshintergrund. Beide Lehrer sind immer wieder mit antisemitischen Äußerungen konfrontiert.

 
 

ZEIT ONLINE: Herr Beer, in welcher Form begegnet Ihnen

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auf dem Schulhof und in den Klassenzimmern?

 
Florian Beer (40) ist Lehrer für Geschichte und Pädagogik an einem Abendgymnasium im Ruhrgebiet. Etwa 50 Prozent der Schüler haben dort einen Migrationshintergrund, viele davon sind Muslime. Beer ist mit einer jüdischen Frau verheiratet und engagiert sich mit Projekten gegen Antisemitismus an der Schule und über die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). © Julia Sellmann für ZEIT ONLINE

Florian Beer: Zumindest die klassische Holocaustleugnung gibt es bei uns nicht. Den Schülern ist völlig klar: Das ist ein No-Go und eine Straftat. Trotzdem äußern Schüler sich antisemitisch. Vor allem die Jugendlichen mit Wurzeln aus dem Nahen Osten beziehen sich dabei aber eher auf den palästinensisch-israelischen Konflikt.

 

ZEIT ONLINE: Wie zeigt sich das?

 

Beer: Das zeigen Schmierereien an den Wänden oder Äußerungen wie: "Was die Deutschen damals den Juden angetan haben, das tun heute die Juden den Palästinensern an." Manche sprechen vom "Freiluft-KZ Gaza". Oder sagen so etwas wie "Hitler ist ein guter Mann, weil er die Juden umgebracht hat." Sie wissen oft wenig über den Holocaust. Außerdem weigern sich manche Schüler, bei einem Synagogenbesuch die Kippa aufzusetzen.

 

ZEIT ONLINE: Herr Pineiro, Ihre Schüler sind zum Teil deutlich jünger und in Ihrem Stadtteil erstarkten in den letzten Jahren rechte Gruppen. Was machen Sie für Erfahrungen?

 

Guillermo Pineiro: Die meisten meiner Schüler beschäftigen sich nicht mit

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oder dem Nahostkonflikt. Aber einige verwenden das Wort Jude als Beleidigung. Ein Jude ist für sie das Andere, das Seltsame, das sie nicht kennen. Die Äußerungen haben einen diffusen Bezug zur Nazizeit. Die Schüler kennen meist gar keine Menschen jüdischen Glaubens.

 
 

Beer: Geben sich jüdische Schüler bei euch an der Schule zu erkennen?

 

Pineiro: Ich bin seit 15 Jahren an der Schule und weiß von genau einem jüdischen Schüler.

 

Beer: Ich habe von einem Schüler gehört, den der Lehrer im Unterricht aufgerufen haben soll, er sei doch Jude, er könne doch mal ein Referat zum Holocaust halten. Der Lehrer sprach also erst vor allen Mitschülern von der Religion des Schülers und dann reduzierte er ihn auch noch auf die Rolle des Holocaustexperten. Da würde ich mir auch überlegen: Soll ich wirklich sagen, dass ich Jude bin?

 
Guillermo Pineiro, 45, unterrichtet Deutsch, Spanisch und Technik an einer Gesamtschule in Essen. Seine Schule liegt in einem Stadtteil, der für seine starke rechte Szene bekannt ist. Er holt junge Juden in seine Klassen, die von ihrem Leben und Glauben erzählen. Das Projekt heißt Rent a Jew. © Julia Sellmann für ZEIT ONLINE

Pineiro: Der jüdische Junge an meiner Schule wurde damals von zwei 16- oder 17-jährigen Jungs mit rechtsradikalen, antisemitischen Sprüchen beschimpft. Sie haben zum Beispiel nach dem Sportunterricht an der Dusche geklopft, in der er stand, und irgendetwas mit "Gas" gerufen. Bis dahin dachte ich: Wir haben hier zwar im Stadtteil rechte Gruppierungen, aber Antisemitismus gibt es doch nicht an meiner Schule!

 

Beer: Aus jüdischen Gemeinden höre ich, dass sich viele Jugendliche gar nicht mehr trauen, die Kippa auf der Straße aufzusetzen. Oder sie verdecken sie auf dem Heimweg mit einem Basecap. Die

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hat zugenommen.

"Die Schule sollte ein Schutzraum sein"

ZEIT ONLINE: Keiner kennt genaue Zahlen zum Antisemitismus an Schulen. Die Bundesfamilienministerin Franziska Giffey möchte nun, dass jeder Vorfall gemeldet wird. Eine gute Idee?

 

Beer: Nein, man sollte nicht jeden Vorfall gleich melden. Wenn sich jemand unbedacht äußert, muss ich ihn nicht sofort bloßstellen. Damit beende ich dann möglicherweise auch meine pädagogischen Möglichkeiten. Die Schule sollte ein Schutzraum sein, auch in so einem Fall. Wenn jemand ein antisemitisches Schimpfwort verwendet, dürfen Lehrer allerdings auch nicht wegschauen. Ich frage: Warum hast du das gesagt? Schüler erzählen oft, es sei nicht antisemitisch gemeint, das bedeute etwas wie Judas oder Verräter. Dann muss ich als Lehrer klarstellen: Damit ist mehr gemeint, als du denkst. Bei Gewalttaten sieht es natürlich anders aus. Aber auch in diesen Fällen sollten Lehrer erst ihren pädagogischen Spielraum nutzen, bevor sie mit dem Strafrecht kommen.

 

Pineiro: Ich finde die Meldepflicht gut, weil sie die Sensibilität erhöhen könnte. Lehrer dürfen dann antisemitische Beleidigungen nicht mehr als normale Schimpfwörter hinnehmen. Manchmal braucht es Druck von oben.

 

ZEIT ONLINE: Rechtskonservative geben muslimischen Einwanderern die Schuld am wachsenden Antisemitismus in Deutschland. Herr Pineiro, welche Erfahrungen haben Sie an Ihrer Gesamtschule mit den muslimischen Flüchtlingen aus den Übergangsklassen gemacht?

 

Pineiro: Die sind zwar nicht alle einfach, aber Antisemitismus ist mir bisher nicht aufgefallen.

 

ZEIT ONLINE: Und wie ist es bei Ihnen, Herr Beer, an einer Schule mit hohem Anteil an Muslimen?

 

Beer: Ich beobachte, dass viele Flüchtlinge eine ablehnende Haltung Israel gegenüber anerzogen bekommen haben. Ein Schüler sagte etwa zu mir, er habe ja nichts gegen meine jüdische Frau, aber etwas gegen Zionisten. Auf der anderen Seite sind viele von ihnen wissbegierig und erstaunt, wenn sie erfahren, wie viele Araber in Israel leben und dort sogar im Parlament sitzen. Dann ändern sich die Blickwinkel schnell. Problematisch sind eher die, die schon ein stark gefestigtes, antisemitisches Weltbild haben. Diese Leute sind nicht erst seit drei oder vier Jahren in Deutschland. Die leben schon länger hier.

 

ZEIT ONLINE: Herr Pineiro, wie sind Sie mit den beiden Jugendlichen umgegangen, die ihren jüdischen Mitschüler gemobbt haben?

Pineiro: Ich habe die Schüler auf ihre politischen Ansichten angesprochen. Es stellte sich heraus, dass sie die rechte Partei Die Republikaner wählen. Bis dahin dachte ich, das wäre eine Alte-Leute-Partei. Die beiden Schüler sagten, sie fänden nicht alles gut, was die wollen. Aber ein paar Dinge schon, vor allem was Ausländer betrifft. Es ist leider bei dem einen Gespräch geblieben – danach haben sie abgeblockt.

 

ZEIT ONLINE: Muss man mit rechtem Antisemitismus anders umgehen als mit religiös motiviertem?

 

Pineiro: Es ist mir völlig egal, wie das motiviert ist: politisch, antiisraelisch, rassistisch, religiös, nationalsozialistisch. Wir können auch nicht immer auseinanderhalten, warum ein Schüler etwas Antisemitisches sagt. Ist er rechtsextrem? Macht er das, weil er ein Muslim ist? Ist es überhaupt eine bedachte Äußerung?

 

Beer: Man darf das in keinem Fall verharmlosen, weil man sonst ein Exempel schafft.

 

ZEIT ONLINE: Hingen andere Fälle von Antisemitismus auch so klar mit rechten Ansichten zusammen?

 

Pineiro: Nein. Nach diesem Ereignis war bei uns an der Schule lange Ruhe. Ende letzten Jahres gab es einen Vorfall in einer zehnten Klasse. Da erzählten sich Schüler tuschelnd antisemitische Witze. Ich habe sie darauf angesprochen. Sie sagten, sie würden ja auch Witze über Türken machen, obwohl einer von ihnen Türke sei. Man solle das alles nicht so eng sehen. Ähnlich war es bei dem

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"Kollegah fördert einen strukturellen Antisemitismus"
 
Lehrer Florian Beer (links) und Guillermo Pineiro (rechts) © Julia Sellmann für ZEIT ONLINE

ZEIT ONLINE: Wie wurde die antisemitische Zeile in dem Song 0815 unter Schülern diskutiert?

 

Pineiro: Ich habe das in einer zehnten Klasse thematisiert, die diese Musik hört. Die waren fast einhellig der Meinung, das sei nur Fiktion, ein Spiel.

Beer: Die Rapper spielen mit verschiedenen Klischees, sie beleidigen nicht nur Juden, sondern alle und jeden. Deshalb ist das Problembewusstsein unter den Schülern nicht da. Weil sie denken, das sei normal. Die teilten halt gegen alle aus.

 

ZEIT ONLINE: Weichen solche Texte die Grenze des Sagbaren bei den Schülern auf?

 

Beer: Ja. Es fördert einen strukturellen Antisemitismus. Vielen Schülern ist das nicht bewusst, aber Denkmuster verfestigen sich allmählich. Aber wenn sich jemand Kollegah als Idol ausgesucht hat, ist es schwer, dagegen anzukommen. Welcher Teenager hat schon einen Lehrer als Vorbild?

 

Pineiro: Als Gegenentwurf zum Popstar funktionieren wir nicht. Deshalb lade ich junge Menschen jüdischen Glaubens an die Schule ein. Das Projekt heißt

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. Sie erzählen von sich, bringen etwas Jüdisches zu essen mit, erklären die Rituale im Judentum. Auch als die antisemitischen Witze kursierten, habe ich Rent a Jew in die betroffene Klasse geholt. Der Referent setzte sich in den Stuhlkreis und erzählte selbst einen solchen Witz. Das hat den Schülern die Hemmungen genommen, ohne dass blöde Sprüche kamen. Sie waren sehr interessiert, haben viel gefragt. Solche Maßnahmen sind nicht so moralisierend. Wenn wir Antisemitismus nur historisch aufarbeiten, dann bleibt meist nicht viel hängen.

 

Beer: Ja, oft wird das Thema Judentum auf den Holocaust reduziert. Das Erste, was nach antisemitischen Vorfällen an Schulen gesagt wird, ist: Die Schüler müssen Gedenkstätten besuchen. Das ist zweifellos auch ein wichtiger Baustein. Aber sie müssen auch in Kontakt mit lebenden Juden kommen, um Stereotype zu hinterfragen und Juden nicht nur als Opfer des Holocaust zu sehen.

 

ZEIT ONLINE: Welche Klischees haben die Schüler denn im Kopf?

Beer: Meine Frau hat bei einer Führung im jüdischen Museum eine Menora gezeigt, den siebenarmigen Leuchter. Ein Schüler sagte, seine Oma im ehemaligen Jugoslawien hätte auch so einen gehabt. Aber seine Oma könne keine Jüdin gewesen sein, sie sei schließlich nicht reich gewesen. Solche Verschwörungstheorien über die reichen, einflussreichen Juden werden sowohl von Muslimen als auch von Rechten vertreten.

 

ZEIT ONLINE: Ist mangelndes Wissen der Schüler ein strukturelles Problem?

 

Pineiro: Bis zur neunten oder zehnten Klasse sind Nationalsozialismus und Antisemitismus bei uns im Lehrplan noch kein Thema. Bei einem Projekttag gegen Rassismus in der achten Klasse hat ein Schüler abstruse Dinge geäußert. Es sei nicht alles gut gewesen, aber Hitler habe ja die Arbeitslosigkeit abgeschafft und Straßen gebaut. Das habe der Opa so erzählt. Historisches Faktenwissen fehlte dem Jungen komplett. Ich musste ihn unterbrechen, weil der Projektleiter, der selbst Schüler war, völlig überfordert war.

 

Beer: Ja, der Lehrplan geht chronologisch vor: In der achten Klasse nimmt man die Verfassung des deutschen Kaiserreichs durch. Doch die Jugendlichen sind in dem Alter gerade auf der Suche nach ihrer eigenen Identität. Sie wären viel engagierter, wenn sie sich mit der eigenen problematischen Geschichte auseinandersetzen könnten. Über den Nationalsozialismus herrscht in den Köpfen der Schüler das Bild vor: Das war irgendwie schlimm, aber wir haben damit nichts zu tun. Sie sagen, sie wollen sich nicht schuldig fühlen, sondern auch stolz sein. Worauf man im Land stolz sein darf und worauf nicht, das sind Themen, über die Jugendliche sprechen wollen.

 

Pineiro: Aber den Holocaust und Nationalsozialismus wollen die Schüler im Unterricht nicht gerne behandeln.

 

Beer: Stimmt. Wenn ich im Pädagogikunterricht sage, wir schauen uns jetzt die Erziehung im Nationalsozialismus an, dann heißt es: Schon wieder Holocaust? Das machen wir schon in Geschichte und in Deutsch. Zu den Schülern sage ich dann: Glaubt ihr denn, ihr wisst schon alles? Und dann stellt sich raus, dass sie noch sehr unsicher sind.

 

ZEIT ONLINE: Nur die Schüler?

Beer: Nein, auch die Lehrer trauen sich oft nicht, offensiv mit dem Thema umzugehen. Sie haben Angst, dass sie auf bestimmte Argumentationsmuster nicht reagieren können.

 

Pineiro: Wenn ich Kollegen frage, ob sie Interesse haben, dass Rent a Jew auch in ihre Klasse kommen, haben manche Vorbehalte: "Die werben aber nicht für Netanjahus Politik?" Als würde jeder Jude die Politik der israelischen Regierung gutheißen.

 

Beer: Antisemitismus begegnet einem selbst in Schulbüchern und das merken sicher nicht alle Lehrer. Immerhin haben 40 Prozent der Deutschen Einstellungen, die einen israelbezogenen Antisemitismus erkennen lassen. Das sind Eltern von Schülern, das können aber auch Kollegen sein oder Schulbuchautoren.

Zu viel Moral und zu viele Daten im Geschichtsunterricht

ZEIT ONLINE: Schulbücher sind antisemitisch?

 

Beer: Ein Beispiel ist eine Karikatur zur Finanzkrise in einem gängigen Schulbuch. Dort war ein Pac-Man abgebildet, der mit "Rothschild" betitelt war. Das Klischee der jüdischen Finanzmacht wird hier bedient.

 

ZEIT ONLINE: Wenn gleichzeitig Unwissenheit und Überdruss bei dem Thema herrscht: Wie sollte ein Unterricht aussehen, der Antisemitismus behandelt?

 

Beer: Geschichte ist häufig noch ein Fach, in dem man Daten auswendig lernt. Wann war Hitlers Ernennung zum Reichskanzler? Wann das Ermächtigungsgesetz? Damit hat man aber nichts über die Mechanismen des Nationalsozialismus gelernt. Außerdem werden den Schülern oft moralisierende Vorschriften gemacht, was sie zu denken haben. Das schafft Ablehnung. Zwar kann man nicht kontrovers darüber diskutieren, ob

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ein Verbrecher war. Aber man kann sich mit unterschiedlichen Biografien beschäftigen statt nur mit Bildern von Leichenbergen. Zum Beispiel drei Geschichten erzählen zu einem Befehl an die Wehrmacht, Juden in den Ortschaften zusammenzutreiben und zu erschießen. Der eine Soldat hat den Befehl sofort ausgeführt, der andere hat ihn sich schriftlich bestätigen lassen und der dritte hat sich geweigert. Es kommen Fragen auf wie: Wie hätte ich mich verhalten? Und wie verhalte ich mich tatsächlich, wenn Mitschüler diskriminiert werden?

 

ZEIT ONLINE: Muss der Unterricht für Schüler mit Migrationshintergrund anders gestaltet sein, weil sie sich weniger mit der deutschen Geschichte identifizieren?

 

Beer: Natürlich muss man so unterrichten, dass Schüler etwas lernen, deren Großeltern nicht wie meine in der Wehrmacht waren, sondern in Anatolien gelebt haben. Themen wie Verfolgung von Minderheiten und Umgang mit Repression sind auch für diejenigen spannend, die noch nicht lange in Deutschland sind. So kann man Zugänge schaffen. Und gefährlichen Erzählungen entgegenwirken wie: "Die Türken sind die Juden von heute."

Pineiro: Meine muslimischen Schüler interessieren sich sehr für den Glauben. Im Gespräch mit dem jüdischen Jugendlichen waren sie meist ganz erstaunt, dass ihr Glaube mehr Parallelen zum Judentum als zu anderen Religionen hat, zum Beispiel in den Essensvorschriften. Sie konnten viel mehr zu den Diskussionen beitragen als die Christen oder Konfessionslosen. Für die war das alles total exotisch, sowohl koscher als auch halal.

 

Beer: Und manche Schüler mit Migrationshintergrund identifizieren sich auch mit der deutschen Geschichte. Ein Studierender sagte, er hätte sich entschieden, den deutschen Pass zu beantragen. Und da gehöre das mit dazu. Das schlechte Erbe kaufe man mit, wenn man diesen Pass haben möchte.


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