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Das Geschäft mit den Kinderpredigern


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Rolf

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Brasilien




Das Geschäft mit den Kinderpredigern




Sendeanstalt und Sendedatum: BR, Sonntag, 16. September 2007



"Wiedergeburt im Glauben" – der Kernsatz des heutigen evangelikalen Gottesdienstes. In dieser Nacht hat die Gemeinde in Sao Paulo einen Superstar eingeladen: den Kinderpriester Alex Silva, 14 Jahre.

Der kleine Prediger befreit die Gemeindemitglieder in einer lautstarken Prozedur von allen bösen Geistern. Alex hat in ihren Augen einen direkten Zugang zum Wort Gottes. Kindermund tut Wahrheit kund: "Die Rettung kommt", schreit der Miniatur-Messias. "Jesus ist die Rettung. Empfangt den Heiligen Geist, Empfangt, Empfangt!" Eine Spezialität von Alex: Exorzismus. "1, 2, 3 – Satan, weiche!"


Ein ganz normales Kind

Junge mit Spielzeug (Bild: BR)lupe Bildunterschrift: Alex mit seinem Spielzeug ]
Am nächsten Tag: Ortstermin bei Alex. Aus dem Propheten ist ein profanes Kind geworden. Der Einser-Schüler spielt mit Bruder Alan wie ein ganz normaler Junge.
"Das ist Max Steel, ein Geheimagent. Und das hier ist sein Motorrad. Da kann man ein Alarmlicht anschalten, und hier, das ist sein Maschinengewehr", erklärt Alex seine Spielsachen. "Aber in Wirklichkeit darf man natürlich nicht schießen auf Menschen oder Tiere."

Weil die Prediger-Konkurrenz nicht schläft, bildet die Familie sich per Video fort. Die Eltern: zwei Jahre getrennt, gerade wieder vereint – durch Gottes Wort aus Alex Mund.

"Ich wusste, dass Alex diese Gabe haben würde. Gott hat es mir gesagt, als ich schwanger war", behauptet Maria da Silva, die Mutter.

Vermarktung von Visionen

Möglicherweise hat auch der sensationelle Erfolg des Profipredigers und Hobbykickers Alex seinen Vater zur Heimkehr bewegt. Auch Waldir Ruas tauchte plötzlich aus dem Nichts auf. Der messianische Manager bekommt 40 Prozent aller Einkünfte. Überhaupt dreht sich bei den da Silvas alles um den hochintelligenten Spross, selbst beim Wochenend-Churrasco. Auch wenn die Qualität des Grillfleisches mit den Jahren immer besser geworden ist, am Anfang und am Ende geht es allen angeblich nur um eines: die geistige Nahrung. Eigentlich ist Waldir Tennis- und Squash-Lehrer, nun hat er umgesattelt auf Vermarktung von Visionen, die Wege des Herrn sind unergründlich.

Junge mit Mann (Bild: BR)lupe Bildunterschrift: Alex und sein Manager Waldir suchen nach Inspiration ]
Auf einem abgelegenen Hügel in Sao Paulo finden Waldir und sein Schützling ihre Inspiration für Alex Fließband-Predigten von Freitag bis Sonntag. Innige Zwiegespräche mit dem Schöpfer, exstatische Tänze, spontane Wunderheilungen, heiße Tränen – die Evangelikalen Kirchen ermuntern zu inbrünstigen Emotionen. Damit treffen sie gerade in Brasilien den Nerv der Zeit. Nirgendwo auf der Welt wachsen die protestantischen Pfingstkirchen schneller als hier.

"Ich und Alex, wir machen nichts. Gott macht etwas mit uns. Wir suchen nur nach Zeichen für die Anwesenheit Gottes. Wir warten auf die Rückkehr des Herrn", will uns Waldir Glauben machen.

Alex steht auf teure Kleidung: Er hat die Wahl zwischen zwölf Anzügen und sechs Paar Lederschuhen. Nach der geistigen jetzt die modische Vorbereitung für seinen nächsten Auftritt.

Predigen – ein milliardenschwerer Markt


Die Firma "Paz no Vale" – übersetzt "Frieden im Tal" – produziert die Videos der berühmtesten Prediger Brasiliens. Ein milliardenschwerer Markt, mittlerweile genau so groß wie der für Volksmusik.

Alex verkauft die meisten DVDs, gleich danach kommt Paloma. Um Paloma zu finden, müssen wir nicht weit laufen, denn ihr Werbe-Stand liegt gleich neben der Kopier-Firma von Alex, in der Predigerstrasse von Sao Paulo: Dutzende von Shops, in denen die evangelikalen Gläubigen ihre Erleuchtung per Kassette kaufen.

Samstag, 13:00 Uhr, Auftritt Paloma Gomes, 13 Jahre. "Heute gibt es ein Sonderangebot", ruft die junge Geistliche: "Jede DVD nur zehn Reaís." Vier Euro sind das, viel Geld in Brasilien. Die Vermarktung von Palomas unbestreitbaren Talenten: auch hier ein Familien-Geschäft.

Die Predigerin Paloma Gomes

"Das neue Auto, das neue Haus, Dank sei Gott! Und es wird nicht dabei bleiben. Im Namen von Jesus werden wir noch mehr bekommen, denn durch die Werbung werde ich immer bekannter", ruft die 13-Jährige begeistert.

Vater Severino hat all sein Geld in Technik investiert, in Radio-Werbung und in die Garderobe von Tochter Paloma. Genau wie Alex ist auch sie hochbegabt und selbstbewusst, und zudem hat sie eine begnadete Stimme. Das neue Haus der Gomes – für europäische Augen nicht luxuriös, aber für das hiesige Armenviertel geradezu prachtvoll.

"Auch wenn Paloma zur Universität gehen würde, und zum Beispiel Ärztin wird, sie könnte niemals so viel verdienen wie beim unserem Werk Gottes, als Sängerin oder Predigerin. Wer kann schon in zwei Stunden 2.000 Reaís verdienen?", fragt Severino Gomes, Palomas Vater und Manager.

Paloma verabschiedet sich von ihren Geschwistern João und Paulo. Die beiden müssen heute zuhause bleiben. Paloma reist mit ihren Eltern durch den halben Bundesstaat, um vor einem Massenkongress evangelikaler Kinder zu predigen. Palomas Management verlangt für den Auftritt, dass die Gemeinde 150 DVDs kauft, für umgerechnet 750 Euro. Dann verwandelt das Energiebündel den Gemeindesaal in ein christliches Volksfest. "Gott sieht alles", schreit sie. Als Höhepunkt ihrer Predigt – erinnert sie daran, dass alle Menschen aus Staub gemacht sind.

Brasilien: 17.000 evangelikale Gemeinden, 24 Millionen Mitglieder, Tendenz: steigend, genau wie die Nachfrage nach Jungpredigern wie Alex und Paloma, sie sind die neuen Popstars.

Als Jesus sagte: "Werdet wie die Kinder" – hatte er offenbar nicht mit den pubertierenden Profi-Predigern in Brasilien gerechnet. Paloma signiert ihre neueste DVD für 12 Reaís. Heute Abend gibt es kein Sonderangebot.
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