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Thomas Schirrmacher: Wie protestantisch ist der Papst?


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Rolf

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Thomas Schirrmacher: Wie protestantisch ist der Papst?

 

 

 

 

Wenn bei dem evangelikalen Theologen Thomas Schirrmacher das Telefon klingelt, ist schon mal Franziskus in der Leitung. Warum er den Papst für den wahren Erben Luthers hält
 
 
Interview:

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27. Oktober 2017, 8:00 Uhr

 

 

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Der Papst als authentischer Interpret und Erbe Luthers? © Galleria Uffizi, Florenz; REUTERS/Ansa/Luca Zennaro/Pool [M]

Thomas Schirrmacher (57) ist noch häufiger unterwegs als der Papst. Der Bonner Theologe und Religionssoziologe lehrt als Professor in Rumänien und Indien. Er ist stellvertretender Generalsekretär und Cheftheologe der Weltweiten Evangelischen Allianz (WEA), die 600 Millionen Protestanten vertritt und ihren Hauptsitz in New York hat. Die WEA ist eine evangelikale Strömung innerhalb des Protestantismus, der nach eigenen Angaben in Deutschland etwa zwei Millionen Menschen angehören. Als theologischer Kopf des weltweiten Netzwerks geht Schirrmacher seit Langem auch im Vatikan ein und aus. Seit einigen Jahren ist dort Papst Franziskus sein engster Gesprächspartner.

 
 

Frage: Sie haben als Cheftheologe der Weltweiten Evangelischen Allianz einen direkten Draht in den Vatikan. Was für ein Verhältnis haben Sie zu Papst Franziskus?

Thomas Schirrmacher: Wir sind befreundet. Im Dezember, kurz vor seinem 81. Geburtstag, bin ich wieder zu einem privaten Besuch bei ihm. Wir duzen uns. Das klingt vielleicht eigenartig, ist aber ehrlich gesagt gar nichts Besonderes.

Frage: Wie bitte?

Schirrmacher: Die meisten obersten Kirchenführer weltweit haben seit Langem ein vertrauensvolles Verhältnis untereinander. Mit dem Papst ging das früher nicht. Da mussten sich ja sogar Kardinäle umständlich anmelden, wenn sie etwas von ihrem Chef wollten. Franziskus hat sozusagen den Normalzustand hergestellt. Die wichtigsten Kirchenvertreter haben heute einen heißen Draht zum Papst.

 
 

Frage: Wie muss man sich das konkret vorstellen?

Schirrmacher: Wenn das Telefon in der Früh um 8 Uhr klingelt und der Anrufer anonym ist, kann es gut sein, dass der Papst am Apparat ist. Er ruft spontan an, nach der Morgenmesse. Wir sehen uns aber noch häufiger persönlich. Er fragt dann: "Gibt es was?"

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Frage: Und was sagen Sie dann?

Schirrmacher: Ich war mal mit einem Kollegen bei ihm, unsere Aktentaschen waren voll mit vorbereiteten Dokumenten. Franziskus sagte: Gebt die Akten bitte meinen Mitarbeitern und sagt mir, was euch auf der Seele brennt. Franziskus liebt es, die Tagesordnung beiseitezulassen und über das zu sprechen, was in dem Moment wichtig scheint. Das ist kein Smalltalk, sondern sehr intensiv.

Frage: Ist Franziskus ein Geschenk für Protestanten?

Schirrmacher: Ich denke schon. Das ist eine einmalige Chance. Man muss sich in der Ökumene nicht mehr wie in einem Fürstenhof mühsam nach oben arbeiten, sondern hat direkten Zugang. Franziskus macht das ja intern nicht anders. Wenn er etwas über Buddhismus wissen will, ruft er den zuständigen Fachmann im Vatikan an, der vorgesetzte Kardinal hat das Nachsehen. Diese Direktheit ist ein Schlüssel für die Ökumene und für das Verhältnis der Religionen miteinander.

Frage: Weil es einen Dialog auf Augenhöhe gibt?

Schirrmacher: Richtig. Zudem schaltet der Papst den in der Vergangenheit so enorm präsenten Machtfaktor einfach aus. Franziskus hat sich zum Beispiel vor dem orthodoxen Patriarchen Bartholomaios I. verbeugt und mit einer einzigen Geste Gleichwertigkeit hergestellt. Das ist bewundernswert.

Frage: Darf ein Protestant das Oberhaupt der Katholiken bewundern?

Schirrmacher: Ich bewundere Franziskus, weil er etwas versucht, was eigentlich nicht funktionieren kann. Er hat die Kurie als den sündigsten und korruptesten Ort der Welt bezeichnet und dabei fast die Worte Martin Luthers vor 500 Jahren gewählt. Franziskus hat der Kurie den Fehdehandschuh hingeworfen, diesen Mut bewundere ich. Aber ich unterscheide natürlich zwischen seinem Charakter, den lehramtlichen Positionen der katholischen Kirche und seinen Positionen.

Frage: Wo kontrastiert die Ansicht des Papstes mit der offiziellen Position seiner Kirche?

Schirrmacher: Ich denke an die Frage, ob wir Protestanten von katholischer Seite als echte Kirchen oder nur als kirchliche Gemeinschaften beurteilt werden. In den offiziellen Dokumenten werden wir als kirchliche Gemeinschaften bezeichnet. Franziskus sieht das völlig locker, er behandelt uns ganz selbstverständlich als Kirchen. Im Alltag sind solche Fragen abgehakt. Wenn sie in ein kirchenamtliches Dokument gegossen werden sollten, sähe es wahrscheinlich immer noch anders aus.

"Franziskus ist vor allem ein Mann der Bibel"

Frage: Der Papst hat Probleme mit der eigenen Kirche, kommt aber scheinbar glänzend mit den Protestanten zurecht? Ist Franziskus in der falschen Kirche?

Schirrmacher: Er hat sich gewaltige Feinde im Vatikan gemacht und geht ein hohes Risiko ein. Laute Stimmen seiner Kirche sprechen ihm das Papstsein bereits ab. In der Politik gibt es diesen Vorwurf ja auch: Manch einer, der viel verändert hat, soll in der falschen Partei gewesen sein. Ich nenne Franziskus gerne den Michail Gorbatschow der katholischen Kirche. Das hören meine katholischen Freunde nicht besonders gerne ...

Frage: ... weil sich die Sowjetunion schließlich aufgelöst hat. Droht der katholischen Kirche unter Franziskus dasselbe Schicksal?

Schirrmacher: Ich weiß vom Papst, dass er diese Sorge hat. Bei der Familiensynode vor zwei Jahren, bei der ich als Gast eingeladen war, ging es zeitweise schon an den Rand einer Spaltung. Dennoch hat er auch sehr breite Unterstützung auf allen Ebenen, das zu verhindern.

Frage: Sie meinen den Brief der zwölf konservativen Kardinäle bei der Synode?

Schirrmacher: Ja, der Brief war öffentlich, bevor ihn der Papst überhaupt gelesen hatte. Diese wichtigen Männer drohten Franziskus mehr oder weniger damit, dass die katholische Kirche nicht mehr die katholische Kirche ist, wenn der Papst die Dynamik der Veränderung nicht bremst. Im vergangenen Jahr veröffentlichten vier Kardinäle, darunter der verstorbene Joachim Meisner, Zweifel am Lehramt von Franziskus. Es wird heute offen darüber debattiert, welche Widerstandsmöglichkeiten es gegen den Papst gibt. Für einen Protestanten wirkt das nicht mehr besonders katholisch. Noch tut der Vatikan so, als sei das eine kleine Minderheit, die auf Konfrontation geht. Das ist aber keine Minderheit mehr.

Frage: Franziskus gibt sich fehlbar. Seine vielen Interviews und Einlassungen zu weltlichen Angelegenheiten verstärken diesen Eindruck. Ist dieser Hang zur Fehlbarkeit ein Motor für die Ökumene?

Schirrmacher: Ja natürlich. Ich habe mit Franziskus die Kircheneinheit der verschiedenen Geschwindigkeiten diskutiert. Er ist offen dafür, den orthodoxen Kirchen gegenüber einen Schritt zurückzutreten und in der Einheit mit ihnen nur noch Bischof von Rom zu sein, eine Art Moderator unter Gleichen. Das ist zwischen Papst Franziskus und dem Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I. praktisch ausgehandelt. Die russisch-orthodoxe Kirche torpediert diese Entwicklung aus Konkurrenzgründen zu Bartholomaios, deshalb wird das nicht umgesetzt. Aber man sieht: Franziskus hat keine Probleme damit, den Anspruch der Unfehlbarkeit aufzugeben.

Frage: Da geraten die Säulen des Katholizismus ins Wanken ...

Schirrmacher: Papst Franziskus sagte einmal bei einer Diskussion: Auch Benedikt XVI. und Johannes Paul II. seien nicht unfehlbar gewesen und hätten die Unfehlbarkeit bekanntlich nie in Anspruch genommen. Bergoglio kann mit dem Dogma der Unfehlbarkeit überhaupt nichts anfangen. Er ist wirklich bereit, an die Schmerzgrenzen seiner Kirche zu gehen. Beim Reformationsjubiläum im schwedischen Lund vor einem Jahr hat der Papst die Predigt gehalten, das war sein ausdrücklicher Wunsch. Aus meiner Sicht interpretierte Franziskus damals die Gedanken Luthers besser als die meisten lutherischen Bischöfe.

Frage: Der Papst als authentischer Interpret und Erbe Luthers?

Schirrmacher: Als er ins Amt kam, hatte Franziskus von Reformation keine Ahnung. Er hatte in Argentinien viele persönliche Kontakte mit Protestanten, Evangelikalen und Vertretern anderer Religionen, das schon. Aber Franziskus ist vor allem ein Mann der Bibel. Er schlägt sie auf und liest direkt die Botschaft aus dem Text. Bibelkritik, wie wir sie kennen, ist seine Sache nicht. Er hat da einen ganz unmittelbaren Zugang. Das macht ihn zu einem echten Erben Luthers. Mit den traditionellen Positionen gerät er so natürlich in Konflikt. Das sieht man bei der Thematik Ehe, Scheidung und Zugang zu den Sakramenten, dem Hauptthema der Familiensynoden und in seinem nachsynodalen Schreiben Amoris laetitia.

Frage: Stehen und fallen die Veränderungen in der katholischen Kirche mit Franziskus oder wird es Kontinuität über sein Pontifikat hinaus geben?

Schirrmacher: Der Papst hat im Kardinalskollegium wesentlich mehr verändert als im Vatikan selbst. Die von ihm ernannten und im nächsten Konklave wahlberechtigten Leute sind alles bescheidene Hirten, die wirklich interessiert an ihren Gemeinden und ökumenisch oder im interreligiösen Dialog sehr aktiv sind. Viele von ihnen sind hierzulande unbekannt, weil sie aus fernen Ländern stammen. Ich kenne fast alle der neu ernannten Kardinäle. Aber nicht, weil ich so grandiose Kenntnisse der Weltkirche hätte, sondern weil diese Leute mit uns im Dialog stehen. Man muss hinzufügen: Benedikt XVI. hat Franziskus indirekt begünstigt, weil er viele alte Kardinäle ernannt hat, die die Altersgrenze von 80 Jahren, die zur Teilnahme am Konklave berechtigt, inzwischen überschritten haben.

Frage: Papst Franziskus konnte auf diese Weise bereits 40 Prozent der wahlberechtigten Kardinäle selbst ernennen.

Schirrmacher: Beim letzten Konsistorium im Juni waren es nur sechs Kardinäle. Eine so kleinteilige Ernennung ist völlig unüblich. Ich dachte schon, oh Gott, jetzt tritt er morgen zurück! Franziskus weiß, dass er nicht ewig im Amt sein wird, und lebt in dem Bewusstsein, von Gott eine gewisse Zeit bekommen zu haben, die er so gut wie möglich nutzen will. Er baut für den Tag vor, an dem es zu Ende geht. Für sein Alter ist sein Tagespensum enorm. Manchmal pfeift er aus dem letzten Loch.

Frage: Machen Sie sich Gedanken über seinen Nachfolger?

Schirrmacher: Beim letzten Konklave war die Zahl meiner Wunschkandidaten ehrlich gesagt sehr klein. Ganz oben auf dem Wunschzettel stand der Erzbischof von Buenos Aires, der ja beim Konklave 2005 hinter Joseph Ratzinger auf Platz zwei kam und 2013 schließlich selbst gewählt wurde. Bergoglios exzellente Beziehungen zu den anderen Kirchen waren bekannt. Inzwischen würde ich sagen: Ein Viertel der Wahlberechtigten sind aus unserer Sicht gute Leute und haben ein echtes Interesse an Zusammenarbeit. Ich hoffe, der Kurs der ökumenischen Offenheit wird weiterverfolgt.


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