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Die Umkehr als freiwillige Handlung


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Rolf

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Zu Rosch haSchanah:





Die Umkehr als freiwillige Handlung





Von Rabbiner Dr. Joel Berger, Stuttgart:


Das jüdische Neujahrsfest, das wir nun in aller Welt begehen, unterscheidet sich wesentlich von allen ähnlichen Festtagen, die andere Religionen, Völker und Kulturen pflegen. Für die jüdische Tradition stehen diese Tage unter dem Zeichen der Umkehr.

Die Gelehrten meinten, dass die Teschuwa-Umkehr, die die Gedankenwelt unseres Festes von uns verlangt, aus zweierlei Motivationen bestehen müsse: wir überdenken die Ereignisse des letzten Jahres auf dem eigenen Lebensweg und sind auch bereit zu erkennen, dass uns im Umgang mit unseren Mitmenschen vielleicht schwere Fehler unterlaufen sind. Zweitens: wenn wir schon bereit sind, dies zu erkennen und zuzugeben, dann können wir etwas leichter einen neuen Weg, mit besseren Vorsätzen einschlagen. Die menschlichen Verfehlungen, die wir zu Rosch Haschanah unter die eigene Lupe nehmen sollten, teilen die Rabbiner in zwei Kategorien ein:

Mit Gewißheit haben wir gegen die g-ttliche Offenbarung, gegen die Tora und ihre Gebote verstoßen; dies werten wir, als ob wir gegen G-tt gefehlt hätten. Gleichermaßen, oder noch härtere Kränkungen haben wir sicherlich unseren Freunden, Familienmitgliedern oder Mitmenschen zugefügt. Für Letztere, so meinen unsere Weisen, müssen wir uns selbst um Vergebung bemühen.

Diese wiegen, nach ihrer Bewertung ebenso schwer, wie jene, die sich gegen G-tt gerichtet haben könnten...
Solange wir aber dazu nicht bereit sind, können wir nicht über „Teschuwa“ reden. Die rabbinische Grundlage für dieses Verhalten liegt im Toravers aus dem 5. B.M.: „... und (wenn) du umkehrst zu dem Herren, „deinem G-tt“, und Seiner Stimme gehorchst, ganz so wie Ich dir heute gebiete... dann wird der Herr, dein G-tt, sich Deiner erbarmen und Dich wieder aus allen Völkern einsammeln... ( 30:2-3)

Der „Rambam“, der in der nichtjüdischen Welt besser als der Philosoph Maimonides bekannt ist, weicht in dieser Frage etwas von der Mehrheit der Rabbiner ab. In seinem Werk, in dem er die Gesetze der Tora analysiert und erfaßt, bezeichnet er reumütige Umkehr nicht als eine Mitzwa, als ein Gebot G-ttes. Für den streng rationellen Denker, könne der Herr die Teschuwa seinen Kindern nicht befehlen! Dies würde die Ernsthaftigkeit des ganzen Vorhabens in Frage stellen, ebenso an der freien Willensentscheidung des Menschen kratzen. Gemäß dem Rambam, müsse man von sich aus Reue zeigen und diese vor G-tt bekennen.

„Kehre einen Tag vor Deinem Tode um“ ( Awot 2:10) formuliert die nachbiblische, rabbinische Lehre. Weil kein Mensch seinen Todestag im Voraus kennt, sollte man sich zeitlebens im möglichen Zustande der Umkehr befinden, da das Feld der Umkehr kein eingegrenztes Gebiet bleiben kann. Es erstreckt sich auf alle Bereiche des Lebens des Juden. Der Rambam schrieb in seinem Gesetzescodex (Hilchot Teschuwa 7:1): „Da jeder Mensch über sich selbst bestimmt, bemühe er oder sie sich (daher), Teschuwa zu tun und sich der eigenen Verfehlungen zu entledigen.“

Aus dieser Formulierung wird deutlich, dass für uns die freie Willensentscheidung des Menschen postuliert ist. Das heißt: der Mensch ist Herr über seine Taten und Handlungen, seine Reden und über seine Gedanken! Der Wille ist frei, daher müssen wir uns bemühen, doch Teschuwa zu tun und fortwährend unsere Bemühungen dahingehend auszurichten, dass es uns gelingt unseren Charakter zu veredeln.

Nicht nur fröhlich klingende liturgische Weisen verhindern an diesem Gottes Gerichtstag, wie Rosch Haschanah genannt wird, das Aufkommen von Schwermut. Die Lektüren der traditionellen Literatur, wie auch die Erzählungen der Chassidim in der Gemeinschaft, führen zur Besinnung und lassen die Hoffnung sprießen.

David, der legendäre König des alten Israel, war gewiss kein makelloser Heiliger mit einem Glorienschein, im Gegenteil. Er hatte unter anderem durch die Batschewa-Geschichte schwere Schuld auf sich geladen. Er begehrte sie, die Frau eines anderen, und nahm sich ohne zu zögern, was er wollte.

Der Prophet Nathan erzählte ihm von einem armen Mann, dessen einziges Lamm von einem Reichen wider-rechtlich genommen wurde. David war erregt, als er von dieser schamlosen Ungerechtigkeit hörte. Und als der Prophet, der Außenseiter der damaligen Gesellschaft, ihn bezichtigte: Du bist es! Der Reiche, der dem Armen sein einziges Lamm wegnahm! reagierte der König, wie auch heute sehr selten, durch ein Geständnis: Ich habe gesündigt! Er bewies damit doch seine wahre Größe!

Der Talmud erklärt hierzu mit seiner eigenen Dialektik: Man könnte fast sagen: David hätte zum Nutzen des Volkes der Israeliten gesündigt, damit man wenigstens einmal aus dem Munde eines großen Menschen, eines Herrschers, die Worte vernimmt: Ich habe mich geirrt, ich habe Gesetze verletzt, übertreten! Einen Irrtum zuzugeben tut der Bedeutung einer Persönlichkeit keinen Abbruch. Diese Einstellung bedarf auch hier und heute keiner weiteren Erläuterung…

Diese biblische Geschichte anlässlich des neuen jüdischen Jahres habe ich auf Grund der Tradition unserer Ahnen erzählt, nachdem ein gefeierter Schriftsteller dieses Landes in seinem jüngsten Werk über den „Tod seines Kritikers“ fabulierte und auch noch die Behauptung aufstellte, „dass wir böse sind, wenn wir nicht das tun, was von uns verlangt wird“. Daher sei Religion, seiner Meinung nach, Unterwerfung. Ob dies zutrifft, kann jeder für sich frei entscheiden. Unter Religion meint der Schriftsteller selbstredend vor allem das Judentum, die jüdisch-christliche Tradition.
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Aus den Tiefen rufe ich, G'tt' zu dir:


G'tt, höre meine Stimme!





Der Elul, der 29 Tage hat, spielt unter den Monaten etwa die gleiche Rolle wie der Freitag unter den Tagen: Elul ist gewissermaßen der Rüstmonat des Rosch haSchanah, des Neujahrsfestes. Denn nur das religiöse jüdische Jahr hat mit dem Monat Nissan (Pesach) begonnen, das bürgerliche beginnt am 1.Tischri, dem ersten Tag des Neujahrsfestes.

Der Elul, der letzte Monat des bürgerlichen, der sechste des religiösen Jahres, ist ganz und gar Rüste auf Neujahr und Versöhnungsfest und wird im Vorbedacht auf jene großen »furchtbaren Tage« des Gerichts, der göttlichen Abrechnung hin gelebt. Die Gedanken zum Monat Elul sind ausgerichtet auf die kommenden 'Hohen Tage'. Jeden Morgen wird Schofar geblasen, ein Mahn- und Weckruf des Gewissens, das in diesem Monat immer tiefer aufgerührt wird.

Man sagt, daß unser Lehrer Mose nach seiner Empörung und Verzweiflung über das goldene Kalb am Rosch Chodesch, dem 1. Elul, wieder auf den Sinai gegangen und am Jom Kippur, dem Versöhnungstag, am 10. Tischri mit den neuen Tafeln zurückgekehrt sei. Vierzig Tage war er auf dem Berg, vierzig Tage tat unten das Volk Buße, und diese vierzig Tage vom 1.Elul bis zum 10.Tischri sind ein für alle Male die Zeit der Teschuwa, der Ein- und Heimkehr der jüdischen Seele. Von Tag zu Tag steigert sich die Leidenschaftlichkeit der Teschuwa.

Schon in diesem ganzen Monat wünscht man einander in jedem Brief ein gutes neues Jahr mit Hinblick auf die durch Teschuwa zu erreichende Vergebung. Im EluI lassen die Frommen von Sachverständigen ihre Tefillin und Mesusot überprüfen. Im Elul sucht jeder so viel Mizwot, schöne Pflichten, zu erfüllen, wie er nur kann.

Die letzten Tage vor Rosch haSchanah, und zwar wenn dieses auf einen Montag oder Dienstag fällt, vom 21. oder 22. Elul, sonst vom Sonntag vor dem Neujahrsfest an sind die Selichot Tage. Es sind dies die Tage der besonderen Bußgebete, mit denen man schon am frühesten Morgen vor Sonnenaufgang beginnt; Gesänge voller Bereitschaft zur Einkehr, voller Hingabe und Selbstaufgabe wie die folgenden (auch in den Kol-Nidre-G'ttesdienst eingefügten) Selichastrophen:

Denn sieh, wie der Lehm in des Töpfers Hand - wie er will, macht er weit, wie er will macht er eng - so sind wir in deiner Hand, der du Gnade bewahrst; schau auf den Bund und wende dich nicht zum Trieb.
Denn sieh, wie der Stein in des Steinhauers Hand - wie er will, erfaßt er, und wie er will, zerschlägt er - so sind wir in deiner Hand, gütiger und verzeihender G'tt.
Denn sieh, wie das Glas in des Glasbläsers Hand - wie er will, formt er, und wie er will, schmelzt er - so sind wir in deiner Hand, der du Frevel und Irrtum vergibst.
Denn sieh, wie der Teppich in des Wirkers Hand - wie er will, wirkt er grad, wie er will, wirkt er schräg - so sind wir in deiner Hand, eifriger, rächender G'tt.
Denn sieh, wie das Feuer in des Schmiedes Hand - wie er will, bläst er an, wie er will, bedeckt er es - so sind wir in deiner Hand, der du den Atem einhauchst, schau auf den Bund und wende dich nicht zum Trieb.


Vom ersten Selichot-Tage an fasten viele immer den halben Tag in der Weise, daß sie erst nach dem Minchagebet, das sie aber schon zu seiner frühest erlaubten Zeit verrichten, gegen halb ein Uhr mittags, die erste Mahlzeit zu sich nehmen. Ebenso fastet man am Erew Rosch haSchana, am Rüsttag zum Neujahr, bis Mittag. Und ebenso wie der neunte Aw als allgemeiner Trauertag die persönliche Trauer des Schiwa-Sitzenden aufhebt, der dann also sein Haus verlassen und im Bethaus mit der Gemeinde trauern und beten soll, ebenso kommt der Schiwa-Sitzende auch am Erew Rosch haSchana S'lichot sagen. An diesem Morgen beginnt der G'ttesdienst noch früher, und vorher, also unbedingt vor Tagesanbruch, nimmt man ein weniges zu sich. Am Nachmittag reinigt man sich von Kopf bis Fuß und geht auch in die Mikwa, ins Tauchbad. Und man zieht womöglich - vielfach allerdings erst am zweiten Abend - neue Kleider an.

"Gib Ehrfurcht vor dir, G'tt, unser G'tt, auf all deine Geschöpfe und Schrecken vor dir auf alles, was du geschaffen hast, damit alles Werk dich fürchte und alles Erschaffene sich vor deinem Angesicht beuge, damit sie alle ein Bund werden, deinen Willen zu tun von ganzem Herzen, so wie wir erkennen, G'tt, unser G'tt, daß die Herrschaft bei dir ist . . . Dann jauchzen die Gerechten, dann schließt das Unrecht seinen Mund, und alles Übel muß wie Rauch vergehen; du tilgst die Herrschaft der Willkür von der Erde."

Elul:
Die Hohen Feiertage / Furchtbaren Tage

Im nin'alu Daltej Nadiwim,
Daltej Marom lo nin'alu!


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