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Ein Film aus der Anfangszeit der Mormonen


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Rolf

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EZW-Newsletter 9/2007




1. "September Dawn" - Ein Film aus der Anfangszeit der Mormonen




Ende August lief in den USA ein Film über das Massaker "9/11" an - das Massaker vom 11. September 1857. Vor 150 Jahren metzelten etwa 50 mormonische Milizionäre 120 wehrlose Frauen, Männer und Kinder nieder. Es war, wie die Tageszeitung Die Welt kürzlich schrieb, "das erste Massaker in Gottes Namen verübt von Amerikanern an Amerikanern."

Der Film "September Dawn" ergreift Partei für die Opfer. Das ist legitim, aber zu wenig. So stellt man nach Hollywood-Manier Gut und Böse einander gegenüber, ohne zu fragen, welche traumatischen Erfahrungen die Mormonen radikalisiert haben. Daher spaltet "September Dawn" die amerikanische Nation. Der Film bietet leider keine Anatomie des religiösen Fanatismus, sondern ergeht sich in dem einfachen Feindbild, wonach "mordlustige mormonische Teufel in einem Holocaust-Western auf engelhafte Siedler (treffen)". Man munkelt, die Mormonen hätten ihren Mitgliedern untersagt, sich "September Dawn" anzusehen. Ob der Film in Deutschland in die Kinos kommt, ist unklar.


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Das Massaker am 11. September 1857




Vor 150 Jahren gab es schon einmal einen schrecklichen Anschlag, der im Namen Gottes verübt wurde. In Mountain Meadows in Utah metzelten Mormonen 120 Siedler nieder. Jetzt ist in den USA ein Film über das Massaker angelaufen, der die Nation spaltet.

Nicht jeder weiß, dass der 11. September seit 150 Jahren ein Tag der Trauer und des Zorns ist. Oder sein sollte. Eine verfluchte Laune der Geschichte fügte es an jenem Dienstag im September 2001, dass Amerika sein zweites „9/11“ durch religiöse Fanatiker erlitt. Das erste Massaker in Gottes Namen verübten Amerikaner an Amerikanern am 11. September 1857 in einem entlegenen Hochtal namens Mountain Meadows im Südosten des Territoriums Utah.

Mehr als 50 mormonische Milizionäre, zum Teil als Paiute-Indianer verkleidet und geschminkt, metzelten 120 wehrlose Männer, Frauen und Kinder des Fancher-Baker-Wagenzugs nieder. Die Pioniere, wohlhabende Pferdezüchter und Farmer aus Arkansas und Missouri, hatten auf dem Weg nach Kalifornien bei der Church of Jesus Christ of Latter-day Saints (Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage) um Rast, Verpflegung und Schutz vor Indianern gebeten. 17 Kinder unter sechs Jahren wurden verschont.

Nur ein Attentäter wurde verurteilt

Das kann nicht einmal die Kirche bestreiten. Und ihre Apologeten haben das auch nicht versucht. Die Kirche, kurz LDS Church genannt, leugnete das unleugbare Massaker ihrer Miliz nie. Dass nur ein einziger Mann, John D. Lee, 20 Jahre später von einer mormonischen Jury zum Tode verurteilt und am Tatort durch ein Erschießungskommando hingerichtet wurde, ließe sich auch als Schwäche der US-Bundesgerichte bewerten.

Die Kirche exkommunizierte belastete Mitglieder; sie tat allerdings nichts gegen das Streuen exkulpierender Gerüchte. Die Siedler hätten eine Quelle und ein Rind vergiftet, um Indianer zu töten; sie hätten damit geprahlt, die Waffe mit sich zu tragen, mit der der Religionsgründer Joseph Smith getötet wurde; sie hätten mit Bundestruppen, die gegen Utah vorrückten, um den von Washington abgesetzten Gouverneur Brigham Young zu vertreiben, gemeinsame Sache machen wollen; überhaupt seien die Pioniere Sünder gewesen, die sie von ihrem Land vertreiben wollten – nicht eine dieser Schutzbehauptungen ließ sich historisch belegen.

Die Mormonen schwiegen die Sache tot. Es dauerte bis 1999, bevor sich die Kirche zur Setzung eines Denkmals in Mountain Meadows herbeiließ. Und selbst bei dieser Versöhnungsgeste konnte es Kirchenpräsident Gordon Hinckley (Jahrgang 1910) nicht lassen zu betonen, dieser Akt sei kein Schuldanerkenntnis.

Die Befreier schossen und stachen zu

Unstrittig war auch auf einem Symposion von 800 mormonischen Wissenschaftlern im Mai, auf dem Mountain Meadows das Hauptthema war: Dem Massaker gingen Tage der Belagerung durch aufgehetzte Paiute und verkleidete Milizionäre voraus; es gab Tote auf beiden Seiten.

Am 11. September, als die Siedler in ihrer Wagenburg kein Wasser, kaum noch Essen und Munition hatten, kam eine Abordnung der Mormonen, geführt von John D. Lee, mit weißer Fahne und überbrachte den Vorschlag, sie würden ihnen sicheres Geleit geben und die Indianer befrieden, wenn sie ihre Waffen nur ablegten und ihnen folgten.
Als die Siedler nach heftiger Debatte annahmen und losmarschierten, in Gruppen von Männern und Frauen aufgeteilt, wurden sie nach wenigen Meilen von ihren vermeintlichen Befreiern erschossen und erstochen. Mit Steinen schlug man Kindern den Schädel ein.

John D. Lee gestand auf 25 Seiten

Uneinigkeit herrscht darüber, wer den Verrat und das Massaker aus welchen Gründen befahl. Entscheidend ist für mormonische Historiker und für die Kirchenführung, dass Brigham Young, der mosesgleiche Exodusführer, nicht als geistiger Vater belastet wird. Hätte Young über einen Telegrafen verfügt, sagte Präsident Brinkley 1999 am Denkmal, wäre das Massaker nie geschehen.

Brigham Young habe nichts von dem Verbrechen gewusst. Er versuchte, so lautet nämlich die Lehrmeinung in Salt Lake City, im Gegenteil durch einen reitenden Boten, der zu spät kam, Übergriffe auf Siedler ausdrücklich zu verbieten. Dieser Behauptung widersprach zuerst der einzige verurteilte Täter John D. Lee in seinem rund 25 Seiten langen Geständnis. Lee war ein Young treu ergebener Milizionär, und er schwor bis zu seiner Hinrichtung 1877, dass Young selbst das Massaker befohlen habe und dass er für die Sünden von Feiglingen geopfert werde.

Es war nur eine Frage der Zeit, bis Hollywood sich des rätselhaften, unter Historikern in seinen Hintergründen und Einzelheiten umstrittenen Massakers, dessen Schatten bis heute schwer auf den Mormonen lastet, erinnern würde. „September Dawn“ heißt die Annäherung des Regisseurs Christopher Cain, die sich ganz auf die Seite von John D. Lee schlägt. Und man wünschte, der elf Millionen Dollar teure Film, der in den USA am 24. August in 850 Kinos anlief und bisher nicht einmal 1,2 Millionen Dollar einspielte, wäre dem Gedenken an diese Opfer eines amerikanischen Massakers zum 150. Jahrestag am 11. September würdig.

Mordbuben gegen engelhafte Siedler

Cain schrieb das Drehbuch unter anderen mit einer Nachfahrin Brigham Youngs. Doch schon nach wenigen Minuten versteht der Betrachter, warum die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage den Film auf den Index setzte. Im Gegenschnitt erbitten die frommen Pioniere Gottes dankbar Segen für den Bischof, der sie rasten lässt, während Samuelson ihnen im Gebet vor seinen Dutzenden Frauen und Kindern den Tod und die Qualen der Hölle wünscht.

Kathleen Flake, eine mormonische Professorin für Religionsgeschichte, wirft dem Film „schwere Verzerrungen“ der Tatsachen und Voreingenommenheit vor: „Man kann in diesem Film nur zu dem einzigen Schluss kommen, dass (alle) Mormonen böse sind.“

An dem Vorwurf ist etwas dran. Statt eine „Anatomie von religiösem Fanatismus“ zu liefern, wie der Hauptdarsteller Jon Voight es erhoffte, treffen mordlustige mormonische Teufel in einem Holocaust-Western auf engelhafte Siedler, die ohne Arg und auch noch schön sind. Statt die Motive von Männern zu ergründen, die vor und nach ihrer Bluttat nie durch Gewalttätigkeit auffielen, verliert sich Cain in einer süßlichen Romeo-und-Julia-Geschichte.

Das Blut des Propheten rächen

„September Dawn“ schlägt sich nicht nur auf die Seite der Opfer, er verklärt sie zu Heiligen, statt den zum Teil begründeten Verfolgungswahn der Mormonen zu erläutern – natürlich nicht die Morde zu rechtfertigen. Die mormonische Kirche wurde aus anderen Staaten vertrieben und hatte 1844 in Illinois die Ermordung ihres Religionsgründers und Propheten Joseph Smith durch einen Mob erlebt.

Es schwächt Cains Versuch, eine frühe amerikanische Metapher für den Ungeist der Dschihadisten zu finden. Er habe keine Händel mit den heutigen Mormonen, sagt Cain. Im Übrigen sei jedes Wort von Brigham Young im Film aus seinen Pamphleten und Predigten belegt.

„September Dawn“ folgt nicht nur der Darstellung Lees, es spricht Young und seine Brandrhetorik schuldig. Das von Ungläubigen vergossene Blut des Propheten zu rächen („blood atonement“), wann immer sich die Gelegenheit biete, sei eine der vornehmsten Pflichten, sagte Young. Er verhängte das Kriegsrecht und verbot am 15. September 1857 Bundestruppen das Vordringen auf das Territorium Utah. Der sogenannte Utah-Krieg 1858 war nichts als die blutlose Entmachtung Youngs als Gouverneur durch Washington.

Ein Präsidentschaftskandidat ist Mormone

Es ist wahr, dass die Mormonenkirche in jüngerer Zeit die Aussöhnung mit den Nachkommen der Opfer des Massakers und der Familie Lees suchte. Es gab sogar Bemühungen, die Gruppe der „Mountain Meadows Massacre“-Nachkommen mit denen der Täter zusammenzubringen. Dennoch verteidigt Patty Norris, die Präsidentin des Verbands, „September Dawn“ gegen seine Indizierung in Utah. Der Film stellte endlich richtig, sagt sie, dass die Siedler nicht die Aggressoren waren, die bekamen, was sie verdienten. So wird es in den Mythen der Mormonen immer behauptet.

Auch der Historiker Will Bagley, Autor des Buchs „Blood of the Prophets: Brigham Young and the Mountain Meadows Massacre“ ergreift Partei für Regisseur Cain und seinen Gewährsmann John D. Lee. „Der Film handelt von den Konsequenzen des Fanatismus“, sagt Bagley, „und wie alle religiös motivierten Racheakte war das Massaker sinnlos, grausam und selbstzerstörerisch.“

Schlagworte


Mormonen Mountain Meadows September Dawn Christopher Cain Mitt Romney
Mit einem Mann hat „September Dawn“ gewiss nichts zu tun: Mitt Romney, Präsidentschaftskandidat der Republikaner, Multimillionär und bekennender Mormone. Romney ist es längst müde, Fragen nach seiner religiösen Loyalität zu beantworten. „Ich kandidiere nicht als Mormone“, erklärt er. Das wird nicht genügen. Desto weniger, je aussichtsreicher Romney ist.

Als noch niemand wusste, dass „September Dawn“ ein Flop an der Kinokasse sein würde, bot man dem Stab Mitt Romneys eine private Aufführung an, wenn er sich zu einem Kommentar bereitfände. „Wir sind nicht“, wurde kalt entgegnet, „im Geschäft der Filmkritik.“


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