Sterbehilfe-Urteil: Katholische Kirche warnt vor „staatlich assistiertem Suizid“
Nichts anderes sei es, wenn das Gericht dem Staat die Entscheidung darüber abverlange, ob im Einzelfall das Leben eines Menschen noch erträglich und zumutbar ist. Damit müsse eine Behörde „ein Werturteil über die Zumutbarkeit des Lebens abgeben, das ihr bisher aus guten Gründen verwehrt ist“, sagte Kopp. Die Werteordnung des Grundgesetzes verbiete eine solche Entscheidung durch den Staat.
Das Urteil gelte, wenn die Betroffenen „wegen ihrer unerträglichen Leidenssituation frei und ernsthaft entschieden haben, ihr Leben beenden zu wollen, und ihnen keine zumutbare Alternative – etwa durch einen palliativmedizinisch begleiteten Behandlungsabbruch – zur Verfügung steht“. Die Richter begründeten ihr Urteil mit Hinweis auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht in Artikel 2 des Grundgesetzes (AZ: BVerwG 3 C 19.15).
Kritik: „Tür zum staatlich assistierten Suizid“ geöffnet
Die Bischofskonferenz kritisierte, das Urteil scheine sich über grundlegende Wertungen des Gesetzgebers hinwegzusetzen, indem es „die Tür zum staatlich assistierten Suizid – wenn auch nur einen Spalt weit – öffnet“. Sprecher Kopp verwies auf das im November 2015 vom Bundestag beschlossene Gesetz zum Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung.
Auch in der evangelischen Kirche stößt das Urteil auf Skepsis. Es führe zu einer Erleichterung zum Zugang zu Medikamenten, die den Tod bewirken könnten, sagte der Bischof der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Martin Hein gegenüber dem epd. Hein vertritt die Protestanten im Deutschen Ethikrat. Es sei allerdings kein Freibrief für eine bisher in Deutschland verbotene kommerzielle Sterbehilfe, sagte Hein. „Die ist und bleibt verboten“, sagte er.
Kopp erklärte, noch in diesem Jahr werde sich das Bundesverfassungsgericht nach eigenen Angaben mit diesen grundlegenden Fragen beschäftigen. Die katholische Kirche sei zuversichtlich, „dass das Bundesverfassungsgericht den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei diesen grundlegenden Wertungsfragen anders beurteilt als die Leipziger Richter“.
Im konkreten Fall war die Ehefrau des Klägers seit einem Unfall im Jahr 2002 vom Hals abwärts gelähmt. Wegen dieser von ihr als unerträglich und entwürdigend empfundenen Leidenssituation hatte sie im November 2004 beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte die Erlaubnis zum Kauf einer tödlichen Dosis eines Betäubungsmittels beantragt. Das Bundesinstitut lehnte dies unter Hinweis auf den Zweck des Betäubungsmittelgesetzes ab. Im Februar 2005 reisten der Kläger und seine Frau schließlich in die Schweiz, wo sich die Frau mit Unterstützung eines Vereins für Sterbehilfe das Leben nahm.