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MISSION IM ALTEN TESTAMENT


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Rolf

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Quelle: Bibelschule Brake



Missionstheologische Grundelemente im Tempelweihgebet Salomos1

1Könige 8,22-53




MISSION IM ALTEN TESTAMENT




Mission begründet man für gewöhnlich aus dem Neuen Testament. Dort sind es Aussagen Jesu in den Evangelien, die seinen großen Missionsbefehl ausmachen, den wir in der Apostelgeschichte wiederholt und ausgeführt finden.2 Sucht man Mission im Alten Testament (AT), so fallen einem auf Anhieb vielleicht nur Elias Reise nach Phöniziern zu der Witwe in Zarpat (1Kön 17,8-24) und Jonas Sendung als Gerichtsprediger nach Ninive ein. Was Mission im AT anbelangt, stellt Beyerhaus fest: "Es besteht ein verbreiteter exegetischer und missiologischer Konsensus in der Überzeugung, dass das AT keine grenzüberschreitende Entsendung von Israeliten zur Glaubensverbreitung kenne".3

Es stimmt, dass die Propheten Sendungsaussagen machen (z.B. Jes 66,19f), aber diese Texte tragen deutlich messianische Züge und weisen zeitlich weit nach vorne.4 Dass die christliche Mission aber im AT verankert ist, geht aus Lk 24,44 hervor, wo Jesus sagt: "...Dass alles erfüllt werden muß, was über mich geschrieben steht in dem Gesetz Moses und in den Propheten und in den Psalmen. ...so mußte ... in seinem Namen Buße zur Vergebung der Sünden gepredigt werden allen Nationen, angefangen von Jerusalem". Dass die frohe Nachricht von der Sündenvergebung den Heiden verkündigt wird, steht unter einem ATlichen, göttlichen "Muß".

Beim Bemühen um eine biblische Begründung der Mission mit Hilfe des Alten Testaments geht es darum, meint Beyerhaus, "die universale Zuwendung Gottes in Christo zu der von ihm erschaffenen und erhaltenen Völkerwelt als tief verankert zu sehen im alttestamentlichen Schöpfungs- und Geschichtsbild sowie in der Sprengkraft seiner universalistischen Motive" aufzuzeigen. Auf dem Hintergrund eines solchen Verständnisses vom AT will dieser Artikel exemplarisch an einem Text verdeutlichen, dass die Mission implizit in einigen Grundelementen im AT vorhanden ist, selbst wenn sie damals explizit Israel nicht aufgetragen gewesen ist.

TEMPELEINWEIHUNG ALS HÖHEPUNKT DER GESCHICHTE ISRAELS

Wenn Mission, wie Traugott Böker feststellt, "ein Zug des Wesens Gottes" ist5 und somit nicht aus dem AT wegzudenken, überrascht es nicht, dass wir sie in diesem zentralen Text entdecken. Die Einweihung des Tempels etwa 959 v.Chr. markiert den Höhepunkt im Lebenswerk Salomos, der sich von Jahwe zum Bau des Gotteshauses berufen wußte. Darüber hinaus läßt sie

1 Dieser hier mit Genehmigung gebrauchte Artikel erschien 1999 beim PULS-Verlag Bornheim/Bonn in „Gemeinsam im Auftrag des Herrn“, einer Festschrift zum 70. Geburtstag von John N. Klassen, der 1980 bis 1982 Teilzeitlehrer an der Bibelschule Brake war.
2Mt 28,20; Mk 16,15-18; Lk 24,46-48; Joh 20,21; Apg 1,8.
3Peter Beyerhaus, Er Sandte Sein Wort, Wuppertal: Brockhaus; Bad Liebenzell: Verlag der Liebenzeller Mission, 1996, S.22.
4 Bavinck begründet recht einleuchtend, dass die Propheten von endzeitlicher Errettung der Nationen ("salvation of the nations") sprechen. So konkludiere ich, dass sie (die Propheten) nicht in erster Linie die gegenwärtige Mission der NTlichen Gemeinde Jesu meinen. Bavincks Argumentation: 1) Israels eigene Bekehrung geht der Errettung der Nationen voraus Hes 36,26, 2) ebenso erscheint der Messias vor Errettung der Nationen, 3) im Zusammenhang mit dem Messias wird viel über ein Gericht über die Heidenvölker geschrieben, 4) diese Völker kommen dann spontan ins Land und nach Jerusalem zu Israels Jahwe; etwaiger, israelischer Missionseinsatz ist minimal, 5) nach dem Gericht über Israel und die Nationen werden zu einem erneuerten Israel hin sich die Völker der Welt versammeln - J.H. Bavinck, An Introduction to the Science of Missions, Grand Rapids: Baker Book House, 1960, S.19ff.
5Traugott Böker, "Bausteine für eine alttestamentliche Missionstheologie," Evangelikale Missiologie 1/99, S.2.
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erkennen, und zwar deutlicher als es zu irgendeinem anderen Zeitpunkt während der ganzen Monarchie der Fall war, wozu Jahwe Israel berufen hatte, nämlich als Priesternation für die Heidenvölker (2Mose 19,6). Das Volk erlebte unter den Regenten David und Salomo das sogenannte goldene Zeitalter seiner Geschichte. Erst nachdem Israel im verheißenen Land seßhaft und sicher geworden war - vorangegangen sind während des zweiten Millenniums v. Chr. die Wanderungen der Erzväter, der 400jährige Aufenthalt der Großfamilie Jakobs in Ägypten, der Auszug und die Wüstenwanderung unter Mose und die Einnahme Kanaans unter Josua gefolgt von einer mehrhundertjährigen Richterzeit und nun der Herrschaft von Saul und David - erst nach alledem befiehlt Jahwe den Bau des Tempels.

Dieses Haus soll fortan sein Wohnort inmitten seines auserwählten Volkes sein. Von hier aus wird Gott mit Israel reden und sich ihm offenbaren. Davids Vorkehrungen für den Bau - wie gern hätte er das Projekt übernommen, aber Gott ließ es nicht zu (1Chr 22,8-10) - und die Erstellung des Hauses und Einweihung durch Salomo werden detailliert in etwa 17 Kapiteln von Könige und Chronik beschrieben.6 Schon allein der Umfang jener Berichterstattung läßt die Bedeutung dieses Ereignisses erkennen. Dass der gottesfürchtige König, dessen Weisheit seinesgleichen nicht kannte, bei diesem Anlaß in Ansprache, Gebet und Segensspruch Grundsätzliches über Israels Berufung und Gottesbeziehung sagt, überrascht nicht. Und dass in seinen Worten Grundelemente der Missio Dei vorkommen, ist ebenso selbstverständlich. Schließlich sind Ereignis und Text in Israels Geschichte und in seinen Heiligen Schriften von größter Bedeutung.

ZUSAMMENFASSUNG VON 1KÖNIGE Kap. 8

Bevor wir missionstheologische Grundelemente in unserem Text identifizieren, fasse ich seine Aussage zusammen.
Nachdem Salomo fast ein ganzes Jahr mit der Tempeleinweihung gewartet hatte,7 um sie dann beim wichtigen Laubhüttenfest vorzunehmen, versammelte er zu den ohnehin zum Fest angerei-sten Männern aus dem ganzen Volk (V.65f) die Leiterschaft Israels hinzu (V.1f).8 Als die Priester die Bundeslade mit dem darin aufbewahrten Bund Gottes ins Haus trugen, erschien - wie schon bei der Einweihung der Stiftshütte in der Wüste zu Moses Zeiten - die Herrlichkeit des Herrn als eine Wolke, die den Tempel erfüllte (V.1-11). In seiner kurzen Ansprache würdigte Salomo seinen Vater und Vorgänger David und erzählte, wie es zur Errichtung des Tempels gekommen war (V.12-21). Danach betete Salomo: Er rühmte Gottes Größe und stellte die Sündhaftigkeit des Menschen heraus. Dass sich Jahwe von seinem bußfertigen Volk in widrigen Lebenslagen erbitten lassen möge, ist sein Hauptanliegen (V.22-61). Nach Ansprache und Gebet brachten König und Volk 142.000 Opfertiere dar. Spontan verlängerte Salomo die Feierlichkeiten um eine Woche.

GRUNDELEMENTE DER MISSION

Wie gesagt, enthält dieser grundlegende Text, der über ein epochales Ereignis berichtet, minde-stens drei Aussagen, die wesentlich die Mission tangieren.
1. Jahwe ist der Gott des ganzen Universums und somit auch Gott aller Völker.
61Kön 5 - 8; 1Chr 22 - 29; 2Chr 3 - 7.
7Dies ergibt sich aus dem Vergleich mit 1Kön 6,38, wo wir erfahren, dass die Bauarbeiten im achten Monat "Bul" abgeschlossen wurde. Das Laubhüttenfest fällt aber in dem siebten Monat.
8Keil schlußfolgert von der Zahl der Opfer her, dass 100.000 Väter plus 20.000 Älteste anwesend waren. Friedrich Keil, Commentary on the Old Testament, Grand Rapids, Michigan: William B. Erdmans Publishing Company, May 1973, Vol 3, S.136.


"Ja, sollte Gott wirklich auf der Erde wohnen? Siehe, die Himmel und die Himmel der Himmel können dich nicht fassen; wieviel weniger dieses Haus, das ich gebaut habe?"(V.27).

Es gibt schon zu denken, dass dieses Prachtgebäude zugegebenermaßen seiner Bestimmung nicht gerecht wird. Sieben Jahre hatten mehr als 200.000 Mann gebraucht, um es zu erstellen. Etwa 3.450 Tonnen (!) Gold und zehnmal soviel Silber waren von David dafür bereitgestellt worden (1Chr 22,14). Aber ein adäquater Wohnort für Jahwe wurde es trotz aller Pracht dennoch nicht. Das sind nicht einmal die Himmel. Diese Schau für die Größe Gottes durchzieht das ganze AT. Schon in Genesis erscheint er als Schöpfer des Universums einschließlich des Menschen. Diese Tatsache impliziert seine weltweite Gerichtsbarkeit. Von daher überrascht es nicht, dass das AT, die Bibel der Juden, nicht etwa mit der Erwählung Abrams beginnt, sondern die Geschichte der gesamten Menschheit von Anbeginn an erzählt. Und auch danach, wie etwa in den Psalmen, von denen König David bald die Hälfte schrieb, bleiben alle Völker im Blickfeld Jahwes: sie sollen von seinen Wundern erfahren und werden von ihm recht gerichtet werden (Ps 33,13; 96,3.10). Wiederholt und kategorisch lehrt der Prophet Jesaja, dass es keinen Gott außer Jahwe gibt9.

Axiomatisch geht aus der Beschreibung Jahwes im gesamten AT hervor, dass er nicht im polytheistischen Sinn unter die Götter der antiken Welt einzureihen ist. Die Menschheit läßt sich nicht strikt nach ihren Religionen aufteilen, denn Gott "hat aus einem jede Nation der Menschen gemacht, dass sie auf dem ganzen Erdboden wohnen" (Apg 17,26). Ja, selbst ihre Unterschiedlichkeit ist von Gott festgelegt worden: "Als der Höchste den Nationen das Erbe austeilte, als er die Menschenkinder voneinander schied, da legte er fest die Grenzen der Völker..." (5Mose 32,8).

Diese Gottesschau ist der der umliegenden Völker diametral entgegengesetzt. Sie kennen diese Universalität10 nicht. Als König Ahab trotz geringerer Armee die attackierenden Aramäer be-siegte, wußten jene Heiden diese Niederlage zu erklären. Israels Götter wären eben "Berggötter". Verlagere man den Kampf auf die Ebene, wären sie besiegbar (1Kön 20,23). Anläßlich der Hei-lung seiner Krankheit zum Jahweglauben konvertiert, sah sich der aramäische Feldhauptmann Naemann einem großen Problem gegenübergestellt: Wie sollte er Jahwe zuhause im Machtbereich der syrischen Landesgötter anbeten? Lösung: Er nimmt sich so viel Erde, wie zwei Maultiere tragen können, von Israel, also von Jahwes "Territorium" mit. Darauf wird er sich beim Beten stellen (2Kön 5,17f). Als die Assyrer 722 v. Chr. das israelische Volk deportierten und in sein Land andere Stämme aus dem Osten ansiedelten, wollten diese neuen Bewohner Kanaans neben der Anbetung ihrer eigenen Götter Jahwe als Landesgott verehren, denn schließlich gehöre dieses Land ihm (1Kön 17,26f).

Diese Beispiele mögen genügen, um zu belegen, wie der globale, ja kosmische Anspruch Jahwes die Denkweise der antiken Welt sprengte. Man sah die Erde aufgeteilt unter gleichzeitig nebeneinander stehenden Göttern. Vor diesem Hintergrund ist das erste Gebot des Dekalogs, das die Anbetung irgendwelcher anderen Götter verbietet, sehr verständlich. Wer die Größe Gottes, den, wie Salomo sagt, selbst die Himmel nicht fassen können, zu begreifen beginnt, versteht auch, dass ein von Menschen gemachtes Gottesbild (siehe das zweite Gebot), keineswegs dem großen Jahwe gerecht wird.
9Diese Aussage wird wenigstens 11 Mal in Kapitel 41-48 gemacht. Beispiel: "Ich bin der Erste und der Letzte, und außer mir gibt es keinen Gott" Jes 44,6.

10Im biblischen Sinn bedeutet Universalität, dass Gottes Heilsplan allumfassend ist und nicht partikularistisch, dass er die ganze Menschheit einschließt und nicht nur auf eine Nation oder einzelne Individuen abzielt. Es geht darum, dass Gottes Heil, Verheißung und Heilsangebot an die ganze Menschheit ergeht und nicht etwa nur an einen 'erwählten Rest'" - George W. Peters, Missionarisches Handeln und biblischer Auftrag. S. 21.

Parenthetisch muß hier ein vermeintlicher Widerspruch bedacht werden. Wenn es nur einen Gott gibt, erübrigt sich nicht das erste Gebot? Wie kann man einen (anderen) Gott anbeten, den es gar nicht gibt? Wieso führt das AT an vielen Stellen sogar namentlich die Götter der umliegenden Länder an, wenn sie in Wirklichkeit nicht existieren? Nun, sie bekommen schon eine gewisse "Existenz" dadurch, dass sie im Denken der Menschen vorhanden sind. Das allein berechtigt. das Gebot, sie nicht anzubeten. Aber wenn sie nur von Menschen "geschaffen" worden sind, also real nicht existieren, wieso geht von ihnen Macht aus (5Mose 13,2f)? Hier gibt uns der Apostel Paulus Antwort, der zum einen die Nichtigkeit der Götter konstatiert ("so wissen wir, dass es keinen Götzen gibt in der Welt und dass kein Gott ist als nur einer" - 1Kor 8,4 - er spricht sogar von "sogenannten" Göttern 1Kor 8,5); zum anderen, jedoch ihre Macht erklärt, dass nämlich hinter ihnen Dämonen stehen - 1Kor 10,20. Dass von den von Menschen erdachten Göttern Wirkungen ausgehen, ist also auf Satan und seinen Dämone zurückzuführen.11

Christliche Mission handelt also durchaus legitim, wenn sie sich Kulturgrenzen überschreitend nicht synkretistisch mit anderen Religionen einläßt. Nicht sie, sondern die von Menschen geschaffenen Gottesbilder, sind die eigentlichen Usurpatoren, denn die ganze Welt und alle Völker gehören Jahwe. Angesichts globalisierender Tendenzen in Kultur schlechthin, aber vor allem in Religion, haben die Feststellungen Stolls bezüglich der synkretistischen Gefährdung im Alten Israel bald prophetische Bedeutung: "Wenn die monotheistische Jahweverehrung in ein polytheistisches System integriert wird, wird sie zum Synkretismus verfälscht und entschärft. Umgekehrt mußte die Aufnahme kultischer Elemente aus dem heidnischen Raum in den Gottes-dienst Israels zur Bedrohung des Eingottglaubens und damit auch der Einzigartigkeit des Gottes-volkes selbst werden."12

2. Alle Menschen sind Sünder.

"Denn es gibt keinen Menschen, der nicht sündigt" 8,46.
Als Grundgedanke durchzieht das Bewußtsein menschlicher Sündhaftigkeit das Gebet Salomos. Alle seine Bitten um Vergebung setzen voraus, dass Israel, bzw. der einzelne Mensch, ob er dem Volk Gottes angehört oder Heide ist, sündigt. Das urtextliche Wort für Sünde in diesem Gebet heißt "chattah". Dieser wichtigste hebräische Begriff für menschliche Verfehlung kommt 580 im AT vor und meint "Zielverfehlung". Zwei Stellen lassen diese Bedeutung recht plastisch erkennen. So wird in Ri 20,16 das Wort gebraucht, wo Männer mit Steinen schleuderten und nicht "sündigten", d.h., nicht das Ziel verfehlten. Spr 19,2 lautet: "Wer mit den Füßen hastig ist, tritt fehl" (sündigt).

Im Zuge der Aufklärung entwickelte sich ein ganz anderes Menschenbild als das, das wir in den Heiligen Schriften Alten und Neuen Testaments vorfinden. So lehrte beispielsweise Jean-Jacques Rousseau (1712-78), der Mensch sei gut und edel, nur die Gesellschaft verderbe ihn. Sein Ideal war der "wilde Heide". Noch (oder erst recht?) in unserem Jahrhundert kann man dann lesen, "Ein Kind lernt von selber, was gut und was schlecht ist... wenn es nur nicht unterdrückt wird... Das Kind ist gut. Darum gibt es nicht die geringste Rechtfertigung dafür, Kinder Moral zu lehren."13 Es ist nicht so sehr den Weltreligionen zuzuschreiben, sondern eher

11"Die atl. Gottesvorstellung ist demzufolge weniger monotheistisch (es gibt nur einen Gott, eher als monolatristisch (man dient nur einem Gott) zu charakterisieren. ... So führt die Exklusivität der Jahweverehrung notwendig zum Monotheismus und damit auch zur Bestreitung der Existenz anderer Mächte überhaupt." Claus Dieter Stoll, "Götze, Götzendienst," Das Große Bibel Lexikon, Hg. H. Burkhadt, F. Grünzweig, F. Laubach, G. Maier, Wuppertal: R. Brockhaus Verlag, Giessen: Brunnen Verlag, 1987, Bd 1, S.490.
12Ebd., S.490.
13 So Erich Fromm in seinem Vorwort zum Buch über Summerhill, zitiert von Alfred Kuen in "Der Christ und die Autoritätskrise, Bibel und Gemeinde, 76(Heft 4, 1976), S.381.



den Humanwissenschaften seit der Aufklärung, dass sich der Mensch nicht als wesenhaft sündig dargestellt wissen will.
Wenn uns nun die Bibel Grundelemente einer Kulturgrenzen überschreitenden Anthropologie darbietet, wie es von einem universalen Gott zu erwarten ist, dann ist das Menschenbild in der Heiligen Schrift bindend. Demnach ist Mission notwendig, weil alle Menschen sündig und somit heilsbedürftig sind.

3. Israel ist nicht Schoßkind Jahwes sondern Modell und Priester.

Nun geht es darum zu erklären, warum Jahwe anscheinend partikularistisch Abram und seine Nachkommen erwählte. Wollte er sich ausschließlich ihrer annehmen und die anderen Völker ignorieren oder sie gar richten? Nein. Salomo weiß sehr genau um Gottes heilsgeschichtliche Absichten, die alle Völker einschließen. "...damit alle Völker der Erde deinen Namen erkennen, damit sie dich fürchten, wie dein Volk Israel..." 8,43 (siehe auch 8,60).

Der Zusammenhang in 1Kön Kap. 8 verdeutlicht, dass Ausländer aus fernem Lande, angezogen vom großen Namen Jahwes zum Tempel Salomos hinpilgerten und anbeteten. Hier wird deutlich, dass die Erwählung Abrams und seiner Nachkommen nicht partikularistisch nur göttliches Interesse an Israel meinen kann, sondern dass "in ihm alle Völker der Welt gesegnet werden sollen" (1Mose 12,3). Israel sollte also, wie es später am Sinai bei der Gesetzgebung und dem Bundesschluß durch Mose erfuhr, ein "Königtum von Priestern" sein, das die Völker zu Gott führt (2Mose 19,6). Der ideale Zeitpunkt dafür, dieses in den Vordergrund zu stellen, scheint nun bei der Tempeleinweihung gekommen zu sein. Jetzt ist Israel im verheißenen Lande. Jetzt hat es Ruhe ringsumher. Jetzt ist rechte Anbetung Jahwes im Tempel geregelt und möglich. So betete Salomo, dass Israels missionarische Priesterrolle zum Tragen kommen möge. Heiden sollten Jahwe fürchten und (an)erkennen, dass er "Gott ist und sonst keiner" (8,60).

Missionarische Gesinnung scheint aber nicht der Grundton alttestamentlicher Schriften zu sein. Hier fällt eher die strenge Absonderung Israels von anderen Völkern auf. Jakobs Großfamilie, die nach Ägypten zog, hat sich offenbar dort nicht mit dem einheimischen Volk vermischt. Per Gesetz verbot Gott am Sinai Mischehen mit Kanaanitern, als Israel sich anschickte, das verheißene Land einzunehmen (5Mose 7,1-5). Sie sollten die Heiden gar vertreiben und töten. Von der Zeit der Eroberung Kanaans an und so lange Israels Monarchie währte, haben Feindschaften und Kriege ihre Beziehung zu Nachbarländern charakterisiert und der Priesteraufgabe im Wege gestanden. Allerdings war Israel nie auf göttlichen Befehl hin und mit Jahwes Segen Aggressor.

Ausnahme bildete die Einnahme des Landes, und hier ging es nicht um Aneignung durch Gewalt. Vielmehr gebrauchte Jahwe Israel als strafendes Werkzeug in seiner Hand, um Gericht über die gottlos lebenden, sittlich verdorbenen Kanaaniter zu bringen (1Mose 15,16; 3Mose 18,26-28). Die Weitung seiner Grenzen vom Euphrat bis zum Bach Ägyptens verlangte zwar den dem Großreich einverleibten Völkern bzw. Staaten Tributzahlung ab, die jedoch als Steuer für den Genuß der Protektion gesehen werden durfte, zielte aber auch auf menschenwürdiges, friedvolles Miteinander. Dass der Ausländer keineswegs als ein zu meidender Feind anzusehen war, verdeutlicht dieser Text. Jahwe möge auch seine Bitte erhören. Hier wird Mission deutlich. Nein, nicht in der zentrifugalen Wirkung, die Israelis in umliegende Länder als Botschafter Jahwes zur Missionierung der antiken Welt entsandte, sondern in der zentripetalen Anziehungskraft einer beispielhaften Gott-Mensch-Beziehung.
BESUCH DER KÖNIGIN VON SABA ALS GEBETSERHÖRUNG 1Kön 10,1-13

Dem Gebet Salomos, unserem eigentlichen Textstudium, fügt sich diese Geschichte als Folgeerscheinung an. Hier kommt Israel seiner göttlichen Bestimmung zum Priester für die Nationen näher als irgendwo sonst im AT. Zu der Königin im fast 2000 km entfernten Saba im heutigen Jemen drang der gute Ruf Salomos. Wie reagierte diese Heidin?

• Sie reiste nach Jerusalem, um den von Gott beschenkten König zu sehen und prüfen V.1.
• Sie erfuhr, dass die Wirklichkeit das Gerücht übertraf: der König ist weise und das Volk glücklich V.7-8.
• Sie beschenkte Salomo und pries Jahwe V.9-10.

Leider blieb diese Episode nach unserem Wissen einmalig während Salomos Herrschaft und der ganzen Monarchie, denn bald irrte der König selbst vom Wege Gottes ab. Die meisten seiner Nachfolger im bald geteilten Reich blieben in seiner Spur. Das Resultat war Wegführung in assyrische bzw. babylonische Gefangenschaft.

An den Knotenpunkten israelischer Geschichte, sei es die Erwählung Abrams ("in dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter der Erde", 1Mose 12,3), die Gesetzgebung am Sinai ("ihr sollt mir ein Königtum von Priestern sein", 2Mose 19,6) oder hier bei der Tempeleinweihung durch Salomo wird deutlich, dass ein universal herrschender Gott an die Bedürfnisse sündiger Menschen aller Nationen denkt und sich ihnen durch sein erwähltes Volk Israel zu ihrem Heil offenbart.
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