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"Scharia und Demokratie sind vereinbar"


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"Scharia und Demokratie sind vereinbar"

 

 

 

Von Günther Lachmann

 
 
03.03.11
 
 
jm-mazyek-BM-Bayern-Berlin.jpgAiman Mazyek gehört seit 1994 der Vollversammlung des Zentralrates der Muslime in Deutschland an Foto: picture alliance / dpa/dpa

Der Generalsekretär des Zentralrats der Muslime sagt, die Scharia sei nicht per se antidemokratisch. Terroristen bekämpfe man am besten mit dem Islam. Ein Interview.

 

Aiman Mazyek ist Generalsekretär des Zentralrats der Muslime. Der Sohn eines Syrers und einer Deutschen studierte Arabistik in Kairo und Wirtschaft, Philosophie und Politik in Aachen. Er vertritt eine moderate Auslegung des Islam. Im Interview mit "Welt Online" spricht er über die Probleme mit radikalen Islamisten in Deutschland, warum Muslime zu Terroristen werden, und warum er glaubt, dass die Scharia mit einer Demokratie vereinbar ist.

 

Welt Online: Herr Mazyek, der

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um Leute wie Pierre Vogel, Sven Lau oder den Prediger Scheich Abdullatif aus dem Raum Frankfurt. Was wissen Sie über diese Leute?

 

Aiman Mazyek: Ich weiß über sie auch nur das, was im Internet zu finden ist. Wir haben mit ihnen keine organisatorische Verbindung.

 

Welt Online: Aber Sie müssen sich doch mit ihnen auseinandersetzen. Und sei es nur, weil diese salafistischen Gruppen auch zum Islambild in Deutschland beitragen. Oder?

 

Mazyek: Das Islambild wird leider seit langem von extremen Gruppen dominiert geprägt, die aber nichts mit der großen Mehrheit der Muslime zu tun haben.

 

Welt Online: Und das nehmen Sie einfach so hin?

 

Mazyek: Natürlich nicht, aber in der Öffentlichkeit gilt meist das Prinzip "bad news are good news", von Ausnahmen mal abgesehen wie z.B. den friedlichen Revolutionen für Demokratie in der arabischen Welt. Radikale erhalten leider überproportional viel Aufmerksamkeit. Das können wir nicht beeinflussen.

Welt Online: Gerade diese Gruppen missionieren offensiv in Deutschland. Das kann Ihnen doch nicht recht sein?

 

Mazyek: Das tun sie seit vielen Jahren. Ihr Erfolg ist allerdings sehr bescheiden. Auch hier verfälscht die Berichterstattung das Bild. In Deutschland gibt es über 2000 Moscheegemeinden. Die der Radikalen können Sie an einer Hand abzählen. Diese Realität aber wird durch die Medien nicht transportiert.

 

Welt Online: Anders gefragt: Inwieweit setzen Sie sich mit den islamistischen Netzwerken auseinander, die von den Sicherheitsdiensten beobachtet werden?

 

Mazyek: Indem wir deutlich machen, dass der Islam mit friedlichen Absichten kommt und die Menschen keine Angst vor ihm haben brauchen. Und indem wir sagen, dass der Missbrauch einer Religion keine Eigenart einer bestimmten Religion ist und schon gar nicht ihren Anhängern einfach zugeschrieben werden kann. Wenn unserer Prophet sagt: "Der Beste unter Euch Muslimen ist der, vor dem die Menschen in Sicherheit sind", dann predigen wir das nicht nur, sondern versuchen es auch tagtäglich zu praktizieren.

Welt Online: Wenn diese Menschen in die Moscheen kommen: Wer setzt sich mit ihnen auseinander? Wer unterbindet, dass sie Menschen für den Terror agitieren können?

 

Mazyek: Die große Menge der Moscheegemeinden verweigert Extremisten die Möglichkeit zu predigen oder Reden zu halten. Die Mehrheit der Muslime will damit nichts zu tun haben, weil das nicht zu ihrer Religion im Einklang zu bringen ist. Die wenigen Orte, an denen Radikale vermutet werden, sind den Sicherheitsbehörden ohnehin besser bekannt, als uns. Dennoch setzen wir uns auch aktiv mit dem Thema auseinander.

 

Welt Online: In welcher Form?

 

Mazyek: Im letzten Herbst, als konkrete Terrorwarnungen gab und Anschläge auf Moscheen, war die Stimmung aufgeheizt. Wir riefen unsere Imame auf besonnen und friedlich zu agieren, Provokationen aus dem Weg zu gehen und ausdrücklich die Verteidigung unserer freiheitlichen Grundordnung als Thema in ihren Predigten mit einfließen zu lassen. Ich war überrascht, wie viele da mitgemacht haben.

Welt Online: Wie viele waren es denn?

 

Mazyek: Locker die Hälfte unserer 300 Moscheegemeinden. Viele hatten ohnehin vor, in dieser Weise über das Thema zu sprechen. Und das hat mit am meisten überrascht. Es war den Imamen und Gemeinden selbst ein Bedürfnis.

 

Welt Online: Was ist mit dem Islamrat, was mit der Ditib oder dem Verband islamischer Kulturzentren? Haben die auch mitgemacht?

 

Mazyek: Die haben das begrüßt und - so weit ich weiß - das ähnlich in ihren Predigten angesprochen. Daraus ist dann die Idee entstanden, eine größere Demokratiedebatte in den Moscheen zu führen.

 

Welt Online: Was genau machen Sie?

 

Mazyek: Das Projekt heißt "Das Grundgesetz im (Migrations-)Vordergrund", wodurch Muslimen, insbesondere Jugendlichen in den Moscheen, unser republikanisch-demokratisches Staatswesen näher gebracht werden soll. Der Bundespräsident oder auch Grünen-Chef Cem Özdemir lobten das Projekt bereits. Wir sind erdrückt von dem islamfeindlichen Diskurs, der bei uns geführt wird. Wir erkennen oft nicht die vielen Brücken, die es von den unterschiedlichen Themen der Demokratie-Debatte hin zu unserem Religionsverständnis gibt. Ich hoffe, dass wir das ändern können.

 

Welt Online: Würden Sie behaupten, dass es diese Offenheit für Demokratie und Ihr Demokratieverständnis auch beim Islamrat und anderen gibt?

 

Mazyek: Ich glaube schon. Grundsätzlich aber haben wir ja gerade bei den Demonstrationen in der arabischen Welt gesehen, dass das Bekenntnis zur Demokratie kein Lippenbekenntnis ist. Entgegen vieler hiesiger Vorurteile, sind die Muslime dort für Freiheit, für Menschenrechte und Demokratie auf die Straße gegangen.

 

Welt Online: Welche Rolle spielte der Islam bei den Revolutionen?

 

Mazyek: Sicher spielt Religion bei den Menschen dort eine wichtige Rolle. Die Revolutionen in der muslimischen Welt haben gezeigt, dass Fanatismus vielleicht auch grade deswegen eben nicht die Haupttriebfeder muslimischen Handelns ist. Die Menschen dort haben die Sehnsüchte, die wir alle haben. Wir sagten das immer schon, aber man glaubte uns das nicht oder legte uns diese Worte gar taktisch aus. Und wir haben auch immer gesagt: Extremismus und Terrorismus können am besten gedeihen auf dem Nährboden von Unrecht, Ungerechtigkeit, Armut und mangelnder Partizipation. Wenn den Terror austrocknen will, muss diese Ursachen beseitigen.

 

Welt Online: Diese Argumentation lässt sich nicht ohne weiteres auf Deutschland übertragen. Warum also ziehen junge Leute aus Deutschland in den Dschihad, warum werden sie zu Terroristen?

 

Mazyek: Im übertragenem Sinne doch, weil sich diese Menschen ungerecht behandelt oder diskriminiert fühlen und dann kommen noch Minderwertigkeitsgefühle dazu. Ich glaube, die Mechanismen sind ähnlich. In den siebziger Jahren hatten wir den Terror der RAF. Da gab es dieses subjektiven Empfinden der Gruppe, ausgegrenzt zu sein. Ihre ursprünglichen Ideen traten so immer weiter in den Hintergrund und die Gruppe radikalisierte sich. Solche Prozesse gibt es auch anderswo.

 

Welt Online: Sie meinen den islamistischen Terrorismus?

 

Mazyek: In unserem aktuellen Diskurs machen wir aber ständig den Fehler, Radikalisierungstendenzen dem Islam zuzuschreiben, ohne die eigentlichen Ursachen zu bekämpfen und zu erkennen, dass ich muslimische Extremisten am besten mit dem Islam selber bekämpfe, indem ich ihnen deutlich mache, dass sie den Islam nur pervertieren, anstatt ihn, wie die große friedliche Mehrheit, zu praktizieren. Durch die Praktizierung von Freiheit und Menschenrechten wird schnell der Fanatiker entzaubern und lässt ihn nackt dastehen, das haben nicht nur Diktatoren zu spüren bekommen.

 

Welt Online: Im ägyptischen Recht etwa spielt das islamische Rechtssystem der Scharia eine tragende Rolle. Wie soll Demokratie mit der Scharia vereinbar sein?

 

Mazyek: Ich denke das geht, indem wir zunächst sagen, was wir unter Scharia verstehen, denn da gibt es große Missverständnisse, die wir aufarbeiten müssen. Scharia (übersetzt: "Der breite Weg zur Tränke" – Anm. d. Red.) ist eine Art muslimischer Katechismus, welcher göttliche unveränderliche Vorschriften wie z.B. die fünf Säulen und insbesondere Dinge des Glaubens (z.B. wie ein Muslim betet oder wie die Riten der Pilgerfahrt aussehen, siehe auch 5 Säulen des Islam – Anm. d. Red.) beinhaltet. Ein großer Teil der Scharia besteht aus veränderlichen Richtlinien, die die Gelehrten im Laufe der Zeit durch theologische Gutachten abgeleitet haben, welche demnach disponibel sind. Oft wird Scharia fälschlich mit drakonischem Strafgericht gleich gesetzt oder Kritiker schreiben für ihre polemischen Zuspitzungen der Scharia die Rolle eines Antisystems zur Demokratie zu. Beides trifft nicht zu und hat mit der eigentlichen Bedeutung nichts gemein.

 

Welt Online: Das ist eine sehr eigenwillige Interpretation…

 

Mazyek: ... interessant, dass Sie das so sagen, man könnte meinen, Ihnen ist einer extreme Sichtweise lieber.

Welt Online: In Scharia-Staaten werden Urteile gesprochen und vollstreckt, die mit den Prinzipien eines Rechtsstaates ganz und gar nicht vereinbar sind.

 

Mazyek: Und hierzulande wird dies dann alles eins zu eins dem Islam in die Schuhe geschoben, ohne eine einzige Sekunde zu verweilen, ob dies nun islamisch gerechtfertigt ist, oder ob dies wieder einmal nur zur Macherhaltung für irgendeiner Diktatur herhalten musste. Sie ist, ich wiederhole es noch einmal, vor allem ein Kanon unverrückbarer Glaubensfragen. Der Rest muss immer wieder neu interpretiert werden.


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