Konflikte in Flüchtlingsunterkünften sind häufig wegen der Enge in den Wohnheimen - und weil verschiedene Kulturen aufeinandertreffen. Es häufen sich auch Berichte über Übergriffe und Bedrohungen von Christen. Doch die werden tabuisiert.
Von: Astrid Halder und Ralf Fischer (Kontrovers)
Stand: 30.03.2016
Palmsonntag - Simon Jakob und Paulus Kurt auf dem Weg zur Maria-Hilf-Kirche in München. Die orthodoxen Christen treffen sich. Die beiden wollen hier ihre Not schildern; sie wollen über Übergriffe auf christliche Flüchtlinge sprechen:
Paulus Kurt, Zentralrat der orientalischen Christen
"Die Fälle werden immer mehr, täglich steigen die Zahlen. Je mehr Kontakt man mit christlichen Flüchtlingen hat, desto mehr erfährt man, wie die Lage in Asylantenheimen tatsächlich ist."
Diese Zusammenkunft am Palmsonntag ist für die orthodoxen Christen wichtig. Sie beten auch für den Frieden. Paulus Kurt und Simon Jakob sind die Gastgeber. Sie gehören zum Zentralrat der orientalischen Christen.
Simon Jakob, Zentralrat der orientalischen Christen
"Und wenn sie flüchten und vertrieben werden und zum Beispiel nach Deutschland kommen, dann werden sie - so bitter das auch klingen mag - auch in deutschen Asylbewerberheimen bedroht und sind sich teilweise ihres Lebens nicht sicher."
Das Kontrovers-Team hat die beiden orientalischen Christen neun Wochen begleitet, wie sie die Probleme von geflohenen Christen in Deutschland öffentlich machen wollen.Das Kontrovers-Team recherchiert in Bayern. Der erst Fall führt in die Oberpfalz.
Simon Jakob (l) und Paulus Kurt
In einer Sprachschule treffen die Journalisten die Lehrerin. Sie berichtet von einem Schüler, der wochenlang verschwunden gewesen war, plötzlich wieder auftauchte.
Sprachlehrerin
"Dann hat er angefangen peu à peu seine Geschichte zu erzählen, was ihm passiert ist. Dass er geschlagen worden ist, dass er schlimm zugerichtet worden ist und dann habe ich erfahren, dass er Christ ist."
Hassan war ursprünglich Muslim. Er hat Angst, erkannt zu werden. Denn in seinem Flüchtlingsheim werde er seit Monaten bedroht, erzählt er.
"Er fragte mich: Warum gehst Du in die Kirche. Was soll das? Wieso beschmutzt Du die Muslime? Ich habe gesagt, ich habe sie nicht beschmutzt. Jedem seine Religion. Das ist mein Glaube."
Hassan
Schließlich eskalierte die Situation:
Hassan
"Plötzlich sah ich, dass sein Freund kommt. Er hat geklopft und sagte, komm mal hierher. Ich fragte ihn was er will. Ich kannte ihn überhaupt nicht. Ich bin also Richtung Tür gelaufen, dann schnappte er mich und schlug mich. Der andere kam dazu und hat mich auch geschlagen."
Der Fall wird später noch eine unerwartetete Wendung bekommen. In einer evangelischen Freikirche in München trifft das Kontrovers-Team Hamid. Er kommt aus Afghanistan. Die Taliban wollten ihn als Attentäter einsetzen, erzählt er - Hamid weigerte sich.
Hamid
"Mitten in einem Dorf trommelten sie Leute zusammen und schlugen mich und sagten: Das passiert mit denen, die Ungläubigen (Kufer) helfen. Sie schlugen mich auf den Kopf, ich fiel und dann weiß ich nicht mehr, was passierte."
Makaberes Andenken - die Schrauben, aus Hamids Rücken
Sie brachen ihm den Rücken. Die Narben zeichnen ihn bis heute. In München holten die Ärzte ihm die Schrauben aus der Wirbelsäule. Wegen dieser Erlebnisse ist er Christ geworden - offenbar eine Gefahr für sein Leben, selbst hier im christlichen Bayern.
Hamid
"Da gab es einen, der war fanatisch religiös. Er warnte mich, eines Tages komme ich und schneide dir die Kehle durch, denn Du bist Christ geworden."
Er fiel auf, weil er am Ramadan nicht fastete. Es kam zu weiteren Auseinandersetzungen, einer zog ein Messer, der Freund Hamids schlug es aus der Hand. Hamids Freund ist bei dem Interview dabei und bestätigt den Vorgang. Er ist ebenfalls Christ und hat ein Schreiben der Staatsanwaltschaft dabei. Auch er wurde in einer Unterkunft verfolgt und hat Anzeige erstattet, aber das Verfahren wurde eingestellt. Es stand Aussage gegen Aussage. Bei der Anzeige hatte er angegeben, dass er Christ ist und dass das der Konfliktgrund sei. Das ist selten: die Polizei nimmt normalerweise die Religionszugehörigkeit nicht auf. Sprachbarrieren tun ein übriges.
"Da, wo Aussage gegen Aussage steht, da müssen wir Zeugenaussagen bekommen. Das ist in diesem Milieu sehr schwierig. Das haben sie in ihren Heimatländern nicht gelernt, dass Polizei rechtsstaatlich arbeitet und fürsorglich gegenüber Opfern ist. Das erschwert die Zusammenarbeit."
Rainer Wendt, Polizeigewerkschaft
Simon Jakob reist als Friedensbotschafter häufig in den Nahen Osten. Auch in die vom sogenannten Islamischen Staat eroberten Gebiete. Unter Lebensgefahr hat er die Situation dort dokumentiert. Er zeigt Bilder:
Simon Jakob, Zentralrat der orientalischen Christen
"Das hier zum Beispiel, das war ein Gebäude, wo Christinnen und Jesidinnen verkauft wurden, gleichzeitig war dieses Gebäude auch ein Schlachthaus. Hier hat man die Menschen, die man nicht mehr wollte, hingerichtet."
Das Christentum im Orient - es ist am Aussterben. Vor 100 Jahren waren noch 20 Prozent der Bevölkerung Christen, jetzt sind es Medien zufolge nur noch fünf Prozent. Ein Massenexodus - mit ihm kommen alte Konflikte auch nach Deutschland. Heute nimmt uns Simon Jakob mit zu einem Treffen in der Münchner Matthäuskirche. Dort trifft er einen Flüchtling, der ihn um Hilfe gebeten hat.
Simon Jakob, Zentralrat der orientalischen Christen
"Er kommt aus Syrien, gehört der melchitischen Kirche an. Er berichtet uns über Erlebnisse in einem Flüchtlingsheim. Wo er gerade wegen seines Glaubens mit einigen wenigen extremistischen Flüchtlingen in Schwierigkeiten geraten ist."
Sie treffen Paulus Kurt, ein Arabisch-Dolmetscher ist dabei. Der Flüchtling wirkt eingeschüchtert, möchte nicht erkannt werden. Mitte Januar wurde er Zeuge einer Schlägerei:
Flüchtling
"Ich wollte ins Zimmer, da habe ich Geschrei gehört. Zwei Personen, haben die drei Männer angegriffen. Die hatten Rasierklingen in der Hand. Sie haben sie geschlagen, aber nicht schlimm verletzt."
Reporter: "Gab es auch Beleidigungen gegen das Christentum in dieser Situation?"
Antwort arabisch: "Ja, die haben viele Worte gesagt über Christen!"
Antwort Arabisch: "Alles Schmutzige gesagt über Religion und so etwas. Alle schmutzigen Worte!"
Beim Zentralrat gibt es schon länger Überlegungen, wie man solche Konflikte vermeiden könnte. Er wünscht sich, dass Christen getrennt untergebracht werden.
"Eine getrennte Unterbringung nach Religion. Das fordert der Zentralrat von der Politik."
Fortsetzung folgt: