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Heilpraktiker: Ins RECHTE Licht gerückt


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Rolf

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Heilpraktiker: Ins RECHTE Licht gerückt






20. Juli 2015

Während sich Ärzte längst mit den braunen Flecken ihrer Vergangenheit
auseinandersetzen, befassen sich Heilpraktiker ungern mit dem Thema. Bis
heute greifen Regularien aus der NS-Zeit – und so manche Therapie steht
mit grausamen Menschenversuchen in Zusammenhang.

Über Jahrhunderte weg arbeiteten heilkundlich mehr oder minder versierte
Laien im juristischen Graubereich. Ab 1900 formierten sie sich mehr und
mehr in Organisationen. So entstand aus dem lockeren „Verband der
Heilkundigen Deutschlands“ 1928 der „Großverband der Heilpraktiker
Deutschlands“. Drei Jahre später gab es bereits 22 Organisationen, die
gemäß NS-Ideologie im „Heilpraktikerbund Deutschlands“ gleichgeschaltet
wurden. Am 17. Februar 1939 folgte das Heilpraktikergesetz (HeilprG) mit
seiner ersten Durchführungsverordnung.

Aussterben per Gesetz

Anfangs verfolgten NS-Gesundheitspolitiker keineswegs das Ziel,
Hilfsärzte für den Krieg zu produzieren. Experten sprechen von einem
„Aussterbegesetz für Heilpraktiker“. Beispielsweise war im Paragraphen 2
der ursprünglichen Fassung zu lesen: „Wer die Heilkunde, ohne als Arzt
bestallt zu sein, bisher berufsmäßig nicht ausgeübt hat, kann eine
Erlaubnis […] in Zukunft nur in besonders begründeten Ausnahmefällen
erhalten.“ Und Paragraph 4 formulierte ein Verbot von
„Ausbildungsstätten für Personen, die sich der Ausübung der Heilkunde im
Sinne dieses Gesetzes widmen wollen […]“. Wer nicht „deutschen oder
artverwandten Blutes“ war (Paragraph 2), bekam ohnehin keine Zulassung.
Mit der zweiten Durchführungsverordnung zum HeilprG kam es zur
Schließung aller Heilpraktiker-Schulen. Und bald darauf nahm das
vermeintlich tausendjährige Reich ein jähes Ende.

Relikte aus brauner Zeit

Das HeilprG gilt – mit einzelnen Änderungen – von der Grundkonzeption
her aber bis heute. Die Eintrittshürden sind sensationell niedrig,
gemessen an Berufen mit ärztlicher oder zahnärztlicher Approbation.
Anwärter benötigen lediglich einen Hauptschulabschluss und ein
polizeiliches Führungszeugnis. Ob sie sich in Schulen oder im
Selbststudium auf ihre Prüfung vorbereiten, bleibt ihnen selbst
überlassen. Es gilt, einen Multiple-Choice-Test und eine mündliche
Prüfung zu bestehen – bei Durchfallquoten von bis zu 80 Prozent. Wer es
dennoch schafft, beweist vor allem, schulmedizinisches Wissen gut
auswendig gelernt zu haben. Kenntnisse in Verfahren in der
Alternativmedizin werden von keiner staatlichen Stelle überprüft.
Trotzdem dürfen Heilpraktiker schwere bis lebensbedrohliche Krankheiten
behandeln, mit Blut arbeiten, Injektionen setzen oder Gase verabreichen.
Ob sie entsprechende Techniken auch beherrschen, prüfen Behörden beim
Examen nicht. Als einzige Reformbestrebung gilt eine mittlerweile
versandete Petition über Zulassungsvoraussetzungen aus dem Jahr 2011.
Andere Länder, allen voran Österreich, verbieten Heilpraktikern, ihren
Beruf auszuüben.

Heil Hahnemann

Das HeilprG ist nicht der einzige Schandfleck. Auch die Homöopathie hat
eine dunkle Vergangenheit. Im Dritten Reich waren Heilpraktiker und
Ärzte mit besagtem Schwerpunkt keinesfalls nur Opfer. Sie versprachen
sich Anerkennung und Gleichbehandlung. Schon 1937 fand in Berlin der 12.
Internationale Homöopathische Kongress unter Schirmherrschaft von
Hitler-Vize Rudolf Heß (1894–1987) statt. Braune Vordenker versuchten,
die begrifflich existente Schulmedizin mit sonstigen, als „biologischen
Heilverfahren“ bezeichneten Methoden in Einklang zu bringen. Ihr
Hintergedanke: „Die homöopathische Verabreichung ist in den meisten
Fällen die wirtschaftlichste Form der Anwendung eines Heilmittels,
wenigstens soweit es sich um die echte, einfache Hahnemannsche
Verordnung handelt“, schreibt Eugen Stähle (1890–1948). Der
NSDAP-Gesundheitsfunktionär war später an Tötungen im Rahmen der „Aktion
T4“ beteiligt. Homöopathen ihrerseits bekannten sich zum braunen
Gedankengut. So erschienen in den „Homöopathischen Monatsblättern“
vermehrt Beiträge zur „Rassenhygiene“ oder zur Behandlung von
Erbkrankheiten.

Töten für die Forschung

Mit theoretischen Abhandlungen ließ es Heinrich Himmler (1900–1945) als
glühender Anhänger „biologischer Heilverfahren“ nicht bewenden. Zwischen
1936 und 1939 ordnete er Arzneimittelprüfungen an homöopathischen
Krankenhäusern an. Während der Naziherrschaft wurden 13 Kliniken oder
Abteilungen mit diesem Schwerpunkt gegründet. Fritz Donner (1896–1979),
ehemals Arzt am Stuttgarter Homöopathischen Krankenhaus, verfasste 1966
eine Zusammenfassung. Der „Donner-Bericht“ zeigt vor allem, zu welch
wissenschaftlichem Fiasko sich die Studien entwickelt hatten. Evidenz?
Fehlanzeige! Himmler zweifelte lieber an Studienärzten als an der
Methodik selbst. Der „SS-Reichsführer“ ordnete im Konzentrationslager
Dachau bei München Menschenversuche an – mit homöopathischen Präparaten,
aber auch mit Schüßler-Salzen. Ab Mitte Juni 1942 erhielten 33
Häftlinge, die an Wundinfektionen litten, biochemische Arzneimittel oder
eine chirurgische Sanierung. Protokollen zufolge starben zehn Personen
unter fürchterlichen Qualen. Trotzdem ließ Himmler weitere Experimente
durchführen, unter anderem im KZ Ravensbrück. Dort wurden Schüßler-Salze
mit Sulfonamiden verglichen. Die Bilanz: 90 Tote. Bei Tuberkulose setzte
man auf das heute noch erhältliche Komplexmittel Spenglersan® und auf
spagyrische Essenzen nach Dr. Zimpel. Auch hier verstarben unzählige
Häftlinge. Mit diesem Erbe haben Homöopathen schwer zu kämpfen – erst
seit zwei Jahren bringen Wissenschaftler Licht ins Dunkel dieser braunen
Vergangenheit.

Artikel von Michael van den Heuvel
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